Klare Kante gegen rechts?

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Von der Flüchtlingskrise hat keine andere Partei so sehr profitiert wie die AfD. Auch die Debatte um die Klimakrise konnte die nationalistische Partei nutzen, um sich über Wasser zu halten. Seit Corona schwächelt die Partei zwar, es gibt aber weiterhin eine beträchtliche Zahl an Menschen, die ihr die Stimme geben würde. Viele sind entsetzt darüber, dass eine inzwischen so offen rechtsextreme Partei so viele potentielle Wähler anzieht und sich gleichzeitig bürgerlich nennt. Die Reaktion der wirklich bürgerlichen Parteien ist verhalten bis destruktiv. Anstatt klare Kante gegen rechts zu zeigen, verbrüderten sich Union und FDP in Thüringen mit der AfD. Gemeinsamer Feind ist Rot-Rot-Grün. Immer offener treten Ähnlichkeiten zwischen den drei Parteien auf, die über eine Ablehnung des progressiven Lagers hinausgehen.

Nach der skandalösen Wahl des FDP-Abgeordneten Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 bezeichnete AfD-Chef Alexander Gauland seine Partei als eine bürgerliche Partei. Er wird seitdem nicht müde, diese Behauptung immer wieder zu wiederholen. Auch als die Personalie Bernd Höcke in den vergangenen Monaten wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, bezeichnete er den offiziellen Faschisten als die Mitte der Partei, auch wenn er sich damit oftmals missverstanden fühlte. Der leidenschaftliche Hundekrawattenträger schwadronierte und träumte von einer in seinen Augen bürgerlichen Mehrheit, die den verhassten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu Fall bringen würde. Nun wissen wir alle in der Zwischenzeit, dass Gaulands feuchte Träume nicht ganz aufgingen: Ramelow ist weiter Ministerpräsident, wenn auch nur auf Abruf, und Höckes Flügel musste sich zumindest pro forma auflösen.

Eine bürgerliche Partei?

Gaulands Behauptung, die AfD sei eine bürgerliche Partei, ist natürlich vollkommener Schwachsinn. Wenn die AfD tatsächlich eine bürgerliche Partei ist, steppe ich nackt durch die Straße und singe Loblieder auf den Kapitalismus. Beide Szenarien sollten uns besser erspart bleiben. Aber Klartext: Die AfD ist eine nationalistische, rückwärtsgewandte und zum Teil offen rechtsextreme Partei. Das hindert die Rechtsaußen-Partei allerdings nicht daran, sich das Gewand des Bürgertums überzuziehen und auch immer mehr Wähler aus diesem Spektrum zu gewinnen.

Denn von manchen inhaltlichen Ansichten her ist die AfD tatsächlich nicht so anders als die Parteien, die ihnen bei der Sitzverteilung in den Parlamenten am nächsten sind. Gerade im bürgerlichen und wirtschaftsliberalen Lager kann die AfD immer mehr punkten. Nicht nur die FDP spinnt fleißig die Legende vom faulen Hartz-IV – Empfänger, der den wahren Leistungsträgern der Gesellschaft auf der Tasche liegt. Sie sehen das Problem weniger im System des Arbeitslosengelds II, sondern viel mehr in dessen Empfängern. Bei der AfD kommt meistens noch die Komponente des Migrationshintergrunds dazu, wenn sie den Begriff Hartz-IV in den Mund nimmt.

Herrenüberschuss und Kinderfeinde

Ähnliches gilt für das Frauenbild, welches in allen Parteien rechts der Grünen vorherrscht. Union und FDP halten sich mit antifeministischen Äußerungen zurück, doch es sind gerade die drei Parteien aus Gaulands bürgerlichem Lager, welche an einem chronischen Mangel an Frauen leiden. So kommen Union und FDP auf nur etwas mehr als 20 Prozent Anteil von Frauen in den Bundestagsfraktionen. Bei der AfD sind es gerade einmal kümmerliche 11 Prozent. Wie kann auch nur eine dieser Parteien es wagen, sich als Volkspartei zu bezeichnen, wenn Frauen, immerhin die Mehrheit in der Bevölkerung, nur so unzureichend vertreten sind?

Auch auf die Fridays-for-Future – Demos im letzten Jahr fanden die drei angeblich bürgerlichen Parteien sehr ähnliche Antworten. Der Kanon des rechten Teils des Parlaments war stets der Vorwurf, es handle sich durch die Reihe um notorische Schulschwänzer. Mit ihren wenigen Jahren an Lebenserfahrung könnten die Kiddies bei dieser hochkomplizierten Debatte überhaupt nicht mitreden, das sei eine Sache für Experten. Man zweifelte außerdem die Ernsthaftigkeit der Bewegung an, weil sich ja angeblich kein einziger dieser Schüler in seiner Freizeit für dieses Thema einsetzte. Beinahe einstimmig kamen Union, FDP und AfD zu dem Ergebnis, die FFF-Demos seien ein Ergebnis einer linksrotgrün-versifften Jugend, die nur so großmaulig auf die Straße ging, weil sie in ihrem Leben noch keinen Cent an Steuern gezahlt hatte. Manche konnten diese Meinung diplomatisch ausdrücken, manche nicht.

Beleidigte Leberwürste

All diese Beispiele zeigen, dass Gauland mit einer Behauptung recht hatte: Die AfD steht Union und FDP tatsächlich näher als dem rot-rot-grünen Lager. Und auch nur so ist zu erklären, warum die Thüringer CDU und FDP so offen mit der Höcke-AfD kooperierte. Denn anders als SPD, Linke und Grüne sind Union und FDP nicht entsetzt über den Aufstieg der AfD – sie sind neidisch.

Apropos Neid: Kürzlich brachte die FDP-Fraktion im Bundestag einen Antrag ein, in dem sie für virtuelle Gerichtsverhandlungen warb. Sie hatte dabei alle anderen Fraktionen gegen sich, keine andere Fraktion konnte dem Antrag etwas abgewinnen. Anscheinend ging der Neid der FDP sogar so weit, dass sie wenigstens einmal anstelle der AfD erleben wollte, wie alle anderen Fraktionen gegen sie sind.

Angebot und Nachfrage

Trotzdem ist die AfD viel mehr als nur abgewanderte Wähler, denen die anderen Parteien nicht mehr bürgerlich genug sind. Die Wählerschaft der AfD ist nicht so homogen wie das bei anderen Parteien der Fall ist. Dennoch lassen sich im groben zwei Gruppen an Wählern ausmachen, welche der AfD ihre Stimmen geben. Da sind zum einen solche Wähler, denen FDP und vor allem die Union nicht mehr konservativ und wirtschaftsliberal genug ist. Wie unzufriedene Kunden haben sie sich ein neues Geschäft gesucht, weil die Qualität im alten nicht mehr gestimmt hat.

Und dann sind da noch solche Wähler, die immer wieder als die „Abgehängten“ von sich reden machen. Das sind die Menschen, die schon lange nicht mehr im Blickwinkel der Politik stehen. Teilweise schuften sie schwer und haben am Ende des Monats trotzdem nicht genug Geld in der Tasche, um sich einen gewissen Lebensstandard zu sichern. Es wird oft über sie gesprochen, wenn sie Glück haben auch zu ihnen, aber seit langem schon nicht mehr mit ihnen. Sie sind wie Kunden, die zigmal in ein Geschäft gingen und dann feststellten, dass das Regal mit ihren Waren stets leer war. Natürlich wandern sie dann zur Konkurrenz ab.

Genau dieser Wählergruppe gilt es ein Angebot zu machen. Wenn man deren Sorge und Nöte, ihre Lebensrealitäten mit allen Widrigkeiten endlich wieder ernstnähme, dann hätten sie auch keinen Grund mehr, einer Partei hinterherzulaufen, die Faschisten und Chauvinisten beherbergt. Ja, es sind Wähler abgewandert, weil die Union nicht mehr konservativ genug ist. Die AfD suggeriert das oft genug als den Schlüssel zu ihrem Erfolg. Das ist er aber nicht. Die AfD lebt davon, abgehängte Wählerschichten ein Angebot zu machen und für sich einzunehmen. Gewinnt man diese Wähler zurück, so haben die wenigsten der Konservativen noch einen Grund, der AfD die Treue zu halten. Mit einer Partei, die mit Müh‘ und Not dann vielleicht noch über die Fünf-Prozent – Hürde käme, könnten diese Wähler nichts mehr reißen.

Ein Bollwerk aus Enttäuschten

Es bringt also nichts, die AfD zu kopieren und eine härtere Gangart im Umgang mit Flüchtlingen anzukündigen. Wäre das der Fall, wäre die Rechtsaußen-Partei längst passé. Viel zu leicht lassen sich andere Parteien einreden, der große Fehler wäre fehlender Konservatismus und eine Abkehr vom Nationalstaat. Diese falschen Ansichten ermöglichen es den wirtschaftsliberalen Kräften in der AfD, die Protestwähler wie ein Bollwerk vor sich herzutreiben. Die neoliberalen Fantasien lassen sich am besten umsetzen, wenn die Partei von möglichst vielen gewählt wird, egal ob sie im Endeffekt von einer Entfesselung des Markts profitieren oder nicht. Würde man die wenigen ernsthaften sozialpolitischen Forderungen der AfD umsetzen, würde das definitiv zulasten derer gehen, die sich von der Politik der letzten Jahre im Stich gelassen fühlen. Solange sie das nicht durchschauen, wird sich an ihrer Situation nichts grundlegendes ändern. Und auch nicht an ihrem Grund, AfD zu wählen.

Jede Partei folgt einer Ideologie. Leider heiligt dabei viel zu oft der Zweck die Mittel. Wähler werden über vieles im unklaren gelassen, nur damit sie einer Partei ihre Stimme geben. Das ist grundsätzlich falsch. Bestimmt gibt es auch bei der Union eine ganze Reihe an Punkten, die einem Großteil der Bevölkerung zugutekommen. Doch gerade markthörige Parteien wie Union und FDP hatten es oftmals schwerer, alle Karten auf den Tisch zu legen, ohne Wähler zu vergraulen. Die AfD kann das besser. Und daher kommt der Neid.


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Sozialer Rassismus – Unterschätzte Gefahr

Die Rechtspopulisten sind weiter auf dem Vormarsch – auch in Deutschland. Für viele ist es schier unbegreiflich, warum manche Menschen eine Partei wählen, die offen rassistische Ressentiments schürt. Sind denn jetzt alle Rassisten geworden? Wohl kaum. Die meisten waren viel zu lange viel zu stille Opfer. Andere befürchten zurecht, bald welche zu werden. Die wenigen übrigen sind echte Rassisten, die sich diese Ängste zunutzemachen.

Eine Horde Rassisten

Am Frankfurter Hauptbahnhof wirft ein Mann einen achtjährigen Jungen und dessen Mutter unvermittelt vor einen einfahrenden Zug. Für den Jungen kommt jede Hilfe zu spät. In Augsburg wird ein stadtbekannter Feuerwehrmann im Streit von einem 17-jährigren Jugendlichen totgeschlagen. Im Juni 2018 wird die 14-jährige Susanna F. aus Mainz tot aufgefunden. Ein 20-jähriger hatte sie zunächst vergewaltigt und dann erwürgt. Alle diese Fälle eint, dass sie von männlichen Tätern mit Migrationshintergrund begangen wurden. Alle Fälle eint auch, dass sie von Rechtspopulisten für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert wurden.

Diese Instrumentalisierung ging sogar so weit, dass die AfD eigenmächtig eine Gedenkminute für die ermordete Susanna aus Mainz abhielt. Im Fokus dieses Eklats stand allerdings nicht das Opfer der grausamen Tat, sondern der Täter. In ekelerregender Manier verschoben die Rechtspopulisten den Blickwinkel auf die Herkunft des Täters – und tanzten dadurch auf dem Grab eines Mordopfers. Immer wieder verweist die nationalkonservative Partei auf eine Vielzahl an Straftaten, die von männlichen Tätern mit Migrationshintergrund begangen werden. Sie verwahren sich gegen Vorwürfe, rassistisch zu handeln.

Doch genau das tun sie. Sie weisen auf einen Zusammenhang zwischen krimineller Tat und der nationalen Herkunft der Täter hin. Im Prinzip teilen sie dabei Menschen in verschiedene Gruppen ein, von der einige gewaltbereiter sind als andere. Sie stellen die Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft pauschal als unzivilisierte Barbaren dar, als tickende Zeitbomben, die jederzeit hochgehen könnten. Wer davon ausgeht, bestimmte Bevölkerungsgruppen hätten generell bestimmte Eigenschaften, der ist ein Rassist.

Wir sind mehr!

Ganz bewusst schürt die AfD also fremdenfeindliche Ressentiments. Genau so zuverlässig, wie die AfD ihre Stimme gegen Migration erhebt, so regelmäßig fällt auch der viel lautere Widerspruch gegen solche Stimmungsmache aus. Gerade in Deutschland ist man weiterhin äußerst sensibel dafür, wenn bestimmte Kräfte eine ganze Gruppe unter Generalverdacht stellen. Wo immer Rechtspopulisten ihre Kundgebungen und Demonstrationen abhalten, da schlägt auch eine Vielzahl von Gegendemonstranten auf, die sehr viel lauter die Werte der freiheitlichen Demokratie verteidigen.

Nach dem fürchterlichen Anschlag in Halle zeigten sich die meisten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland entsetzt darüber, wie kaltblütig ein Mensch handeln kann. Gerade wenn in diesem Land Jüdinnen und Juden in welcher Form auch immer angegriffen werden, wissen die meisten: So nicht! Es ist Zeit zu handeln.

In einem Land mit einer so dunklen Geschichte wissen die Menschen sehr genau, wann Grenzen überschritten werden. Und es bedürfte noch nicht einmal dieser finsteren Vergangenheit. Rassismus und Antisemitismus sind immer falsch. Immer!

Entwürdigendes Schauspiel

Ich finde es richtig, wenn sich Menschen solchen Entwicklungen entgegenstellen und mit lauter Stimme dagegenhalten. An anderen Stellen bleibt die Entrüstung leider viel zu leise. Wenn ein Rentner in einem absurd reichen Land wie Deutschland in Parks und in Bahnhöfen im Müll nach Pfandflaschen suchen muss, quittieren viele das bestenfalls mit einem genervten Augenverdrehen. Pfandflaschensammelnde Rentner gehören inzwischen leider zum gutbürgerlichen Panorama der Nation. Was bleibt diesen Menschen anderes übrig? Nach jahrzehntelanger Arbeit wird ihnen die Rente so pervers zusammengekürzt, dass viele sich weiter krummmachen müssen – ob im Betrieb oder über dem Mülleimer.

Und was macht die Gesellschaft? Ein genervtes Verdrehen der Augen, ein Wegschauen oder ein verächtliches Schnauben ist meist die wohlwollendste Antwort auf ein solches Phänomen. In widerlicher Überheblichkeit diffamieren einige solche Menschen als Asoziale, die der Gesellschaft mehr schaden als nutzen. Jüngstes Beispiel für diese völlige Verkennung der Tatsachen ist der vom WDR produzierte Song, der gegen die ältere Generation wettert. Angeprangert wird hier unter anderem, dass sich die Oma billiges Fleisch beim Discounter kauft. Wo denn auch sonst von einer so mickrigen Rente?!

Ich bin dann mal hartzen

Pfandflaschensammler oder auch Hartz-IV – Empfänger müssen es sich gefallen lassen, immer häufiger und immer unverblümter als Taugenichtse und als Last hingestellt zu werden. Natürlich gibt es immer genügend Beispiele von Menschen, die sich aus dem Hartz-IV herausarbeiten oder trotz der Sozialhilfe nicht 15 Jahre alt sind, kiffen und auf den Namen Cindy-Chantal hören. Diese Einzelfälle sind notwendig, um die Vielzahl der anderen noch erschreckender und abartiger erscheinen zu lassen. Genau so funktioniert übrigens auch herkömmlicher Rassismus.

Doch woher kommt diese gefühlte Überlegenheit über andere Bevölkerungsschichten? Ein Blick ins heutige TV-Programm reicht aus, um diese Frage zumindest teilweise zu beantworten. Während im WDR besagter Oma-Song in Dauerschleife läuft, reiht sich bei RTL II eine Frauentausch-Folge an die andere. Auf anderen Sendern bietet sich ein ähnliches Bild. Diese Geschichten spielen natürlich mitten im Leben von sozialschwachen Menschen. Der Begriff dafür: Assi-TV. Nicht für Assis, sondern mit Assis. Gezeigt werden bevorzugt Hartz-IV – Empfänger, die entweder zu faul oder zu blöd zum Arbeiten sind. Dass dabei eine deutliche Minderheit an den Pranger gestellt wird, ist egal. Diese Allgegenwärtigkeit schlechter Beispiele ist ebenso typisch für Rassismus.

Plötzlich Rassist?

Die Bundesregierung zeigt sich indes völlig entsetzt darüber, dass die AfD ihre völkischen Ideen verbreitet und den Rassismus im Lande streut. Dabei war und ist es doch die Regierung und ihre Vorgänger, die den Grundstein dafür gelegt hat. Mit Hartz-IV installierte die damalige Rot-Grüne Regierung ein Sanktionssystem, das die Gesellschaft natürlich spaltete. Arm wurde gegen Reich ausgespielt. Der Sozialhilfeempfänger gegen den fleißigen Arbeiter. Und selbstverständlich schürt das Ängste vor dem eigenen sozialen Abstieg.

Die Folge war sozialer Rassismus, der wie ein Riss durch das Land ging. Die AfD nutzte diese Spaltung aus. Die Opfer von Sozialrassismus konnten sich so wieder Gehör verschaffen. Obendrauf befreiten die Rechtspopulisten sie von den Fesseln der sozialen Unterdrückung. Diese Menschen wollten keine Opfer mehr sein. Opfer sind nun andere. Die vielen Flüchtlinge nämlich, die sich laut rechter Propaganda in unsere Sozialsysteme einschleichen und zum Dank deutsche Frauen vergewaltigen und serienweise deutsche Männer abstechen.

Ethnischer Rassismus hatte es schon immer sehr einfach, die Opfer von Sozialrassismus auf seine Seite zu ziehen. Die Menschen sagen: „Ich habe ja nichts gegen die Ausländer, aber…“ Und genau das stimmt. Die Menschen haben nichts gegen Ausländer. Wie soll das auch gehen? Ehrenhafte Bürger mutieren mir nichts dir nichts zu überzeugten Rassisten?! Klingt abwegig. Ist es auch.

Einen Schritt weiter

Das soll aber nicht heißen, dass die AfD einzig aus einer Truppe sozial abgehängter und vernachlässigter besteht. Das würde das Potenzial dieser Partei verharmlosen. Zündfunke der rechtspopulistischen Bewegung war echter Rassismus und rechtsextremes Gedankengut. Das ist übrigens nicht nur in Deutschland so, sondern in vielen anderen Ländern auch. Hinter jedem Aufmarsch sogenannter Wutbürger steht mindestens ein Scharfmacher, der die Protestierenden wie Marionetten an seinen Strippen führt.

Die AfD ist gut damit beschäftigt, ethnischen Rassismus in unserer Gesellschaft salonfähig zu machen. Sie haben es noch nicht ganz geschafft. Offener Rassismus ist in weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor tabu. Die Regierungen der letzten Jahre waren da erfolgreicher. Wenn ein Hartz-IV – Empfänger als „Assi“ beschimpft wird, trifft das auf breiteren Konsens. Keiner würde sagen: „Ich habe ja nichts gegen Hartz-IV – Empfänger, aber viele davon sind einfach dumm und faul.“ Der erste Teil des Satzes wäre für viele eine Lüge.

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Wie die Linken die Menschen rechts liegenlassen

Lesedauer: 9 Minuten

Linkssein gilt heute eher als Beleidigung und nicht mehr so sehr als politische Einordnung. Immer öfter heißt es Rechts gegen Links. Als ob es nicht irgendwas dazwischen gäbe. Und genau dieses Dazwischen ist das Problem. Die echte Linke hat es sich viel zu lange gefallen lassen, dass alle dazwischen zu einem linken Mob stilisiert wurden. Die Linke hat damit an Bedeutung eingebüßt und viele Wähler an die verloren, die mit aller Macht versuchen, linke Alternativen verächtlich zu machen.

Lechts und Rinks

Früher war völlig klar: Wählst du SPD, dann bist du ein Linker. Wählst du CDU, dann fühlst du dich der demokratischen Rechten zugehörig. Klar, die Zeiten des Drei-Fraktionen – Parlaments sind lange vorbei. Der Bundestag ist eher damit beschäftigt, nicht zeitnah aus allen Nähten zu platzen. Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag schließlich so gefüllt wie nie. Fast langweilig, dass den Damen und Herren hinter den Regierungsbänken nichts originelleres als eine Große Koalition eingefallen ist.

Die politischen Einordnungen links und rechts sind allerdings weiterhin rege in Gebrauch. Gerade der Begriff der politischen Linken hat sich in den letzten Jahren allerdings massiv verändert. Glaubt man der Propaganda der AfD, so wimmelt es im Land von Sozialisten und linken Ideologen. Im Kern bezeichnet die AfD die Politik aller anderen Fraktionen im Parlament als links. Gut, im Prinzip liegen sie damit gar nicht mal so falsch. Erstens sitzt die AfD nun einmal ganz rechts im Parlament, weswegen es wirklich kein Kunststück ist, sich links von den Gauleitern und Baumännern aufzuhalten. Zweitens macht es die AfD den anderen Fraktionen ziemlich leicht, im Schatten ihres teilweise rechtsextremen Personals wie linke Hallodris dazustehen.

Wenn allerdings die Bundeskanzlerin als „Sozialdemokratin“ diffamiert wird, hört der Realitätssinn auf. Die Politik von CDU und FDP ernsthaft als links zu bezeichnen, muss doch jedem echten Linken wie ein kräftiger Hieb in die Magengegend vorkommen. Reihum geißelt die AfD die Politik der übrigen Fraktionen als linksliberal oder sogar als linksgrün-versifft. Das Wort „links“ verkommt für die Anhänger der Rechtspopulisten immer mehr zur ultimativen Herabsetzung anderer Positionen. Doch machen es bestimmte andere Lager der AfD mitunter viel zu leicht. Nur zu willig lassen sie sich die roten Socken überstülpen und feiern sich dafür, dass sie von rechtsaußen als Gutmenschen betitelt werden. Warum die AfDler alle Schlechtmenschen sein wollen, wird viel zu selten hinterfragt.

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Die Grenzen gesunden Menschenverstands

Dass weder Angela Merkel noch Christian Lindner ernsthaft linke Politik betreiben, steht vollkommen außer Frage. Doch was ist denn dann überhaupt wirklich links? Wikipedia bezeichnet jene Ansätze als links, „welche die Aufhebung von Ungleichheit und als Unterdrückung begriffenen Sozialstrukturen zugunsten der wirtschaftlich oder gesellschaftlich Benachteiligten zum Ziel haben“. So weit, so unverständlich. Nach der klassischen Auffassung werden die Parteien links der CDU dem linken Parteienspektrum zugeordnet. Doch gerade in diesem Umfeld haben sich in den letzten Jahren die schärfsten Veränderungen im Selbstverständnis linker Politik vollzogen.

Die Grünen gelten für die AfD dabei als DAS Feindbild überhaupt. Für sie sind die Grünen der Inbegriff der verhassten linksgrün-versifften 68er-Mentalität. Doch bereits hier stößt der gesunde Menschenverstand an seine Grenzen. Um es in einem Satz auszudrücken: Die Grünen sind nicht links. Zum Linkssein gehört mehr als sich von seinen parlamentarischen Opponenten so schimpfen zu lassen. Grundsätzlich ist linke Politik sozial, friedlich und tolerant.

Die Grünen sind nicht links!

All diese Beispiele haben die Grünen in der Vergangenheit widerlegt. Es stimmt, dass die Grünen einst als Friedens- und Umweltpartei gegründet wurden. Die Umweltpartei sind sie vielleicht auch geblieben. Immerhin profitieren sie am meisten von der Klimadebatte; ein Blick auf die Umfrageergebnisse reicht hier aus. Doch wie sieht es mit dem Frieden aus? Bei den letzten namentlichen Abstimmungen im Bundestag über Einsätze der Bundeswehr im Ausland haben die Grünen fast immer einstimmig mit Ja gestimmt. Wirklich überraschen kann das keinen. Unter Schröder haben die Grünen immerhin den Einsatz der Armee in Afghanistan mitgetragen, natürlich alles unter dem Deckmantel der außenpolitischen Verantwortung.

Sozial sind die Grünen auch schon lange nicht mehr. Genau in ihre wenig ruhmreiche Regierungszeit vor fünfzehn Jahren fällt die Einführung von Hartz-IV und damit der rapide Sozialabbau in Deutschland. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie leichtfertig gerade junge Menschen ihr Kreuz bei dieser Partei machen und sich von der vielversprechenden Klimapolitik der Grünen blenden lassen. Zur Erinnerung: Die Grünen befürworten einen Preis für CO2, der kinderleicht auf die Verbraucher umgelegt werden kann. Damit verpufft der klimafreundliche Effekt größtenteils, weil damit nur die Kleinen ihre schädlichen Emissionen runterfahren. Die Großen müssen zwar etwas tiefer in die Tasche greifen, können aber weiterhin problemlos gegen das Klima handeln.

Schröder, Afghanistan, Hartz-IV. Was nützt es, in alten Wunden zu stochern? Viel wichtiger ist doch, was heute ist. Die Grünen sind vielleicht die lautesten, wenn es darum geht, klare Kante gegen Rechts zu zeigen. Das ist gut so. Doch manch Grüner vergisst dabei, die Werte zu vertreten, die er verwirklicht sehen will. Auf die Frage, ob er Fleischesser oder Frauke Petry mehr hasst, antwortete Anton Hofreiter unverblümt, dass sich sein ganzer Hass gegen die ehemalige AfD-Politikerin richtet. Im folgenden erklärt er, warum Frau Petry mit ihren Positionen seines Hasses würdig ist. Das ist Verrohung der Gesellschaft vom feinsten.

Protest unter falschem Vorzeichen

Okay, die Grünen sind also nicht links. Aber wer ist es dann? Im Prinzip gibt es in der heutigen Bundesrepublik keine ernstzunehmende Partei mehr, die tatsächlich links ist. Wer früher links gewählt hat, der musste kein grundüberzeugter Sozialist sein. Die einstige Arbeiterpartei SPD bot all denjenigen eine politische Heimat, die in der Republik sozial vernachlässigt wurden oder schlicht der Arbeiterschicht angehörten. Heute ist das nicht mehr so. SPD und Linke müssen sich heute auf eine immer kleinerwerdende Stammwählerschaft verlassen. Die meisten wählen diese Parteien, weil sie das schon immer taten, nicht aber, weil sie sich von ihnen ganz besonders angesprochen fühlen. Diesen Job haben andere übernommen. Anders ist nicht zu erklären, warum gerade die ehemaligen linken Parteien so viele Wähler an die AfD verloren haben.

Natürlich ist die CDU weiterhin unangefochtener Spitzenreiter, was die Wählerabwanderung zur AfD anbelangt. Doch hier wandern die Wähler aus dem umgekehrten Grund ab: Die CDU ist nicht mehr rechts genug. Nach der jahrelangen Großkoaliererei und dem Kuschelkurs mit der SPD ist die Union zu einer profillosen Hülle ihrer selbst verkommen und verliert ihre erzkonservativen Wähler. Solche waren nie für linke Politik zugänglich. Aber viele andere waren es dennoch. Und hört man den klassischen „Protestwählern“ einmal genau zu, so erkennt man zwischen den Zeilen ein regelrechtes Verlangen nach linker Politik. Unter dem Vorzeichen der Flüchtlingskrise wird sich über all das empört, was echte linke Politik schon immer verurteilt hat: Hartz IV, mickrige Renten und eine desolate Arbeitsmarktsituation.

Mit ihren Sorgen und Ängsten wurden diese Menschen allein gelassen. Es gab keine linke Alternative zu der neoliberalen Politik der letzten Jahre. Die SPD war maßgeblich an den Verschlechterungen beteiligt. Die Linkspartei war entweder total im Klinsch oder kopierte fleißig das hippe linksliberale Image der Grünen. Viele Menschen wurden zu Nichtwählern. Die AfD, die die Alternative bereits im Namen trägt, sprach all diese Ängste an. Es ist bezeichnend, dass diese Partei gerade durch die Flüchtlingskrise einen deutlichen Aufschwung erlebte. Die Flüchtlingswelle seit dem Sommer 2015 hat die Verlustängste vieler Bürgerinnen und Bürger offenbart, wenn nicht sogar verschärft.

Das Klima ist die neue Flüchtlingskrise

Wie empfänglich viele Wähler der AfD für linke Politik sind, war eindeutig am Schulz-Effekt zu sehen. Augenscheinlich vertrat Martin Schulz zu Beginn seiner Kanzlerkandidatur eine Politik, die sich den Sorgen der Menschen annahm. Schwupps, erlebte die SPD einen Höhenflug bei den Umfrageergebnissen. Und zwar nicht zulasten der CDU. Mit den Christdemokraten lieferten sich die Sozen über Wochen ein Kopf-an-Kopf – Rennen. Gesunken ist stattdessen der Zuspruch für die AfD. Auch viele Nichtwähler konnte Schulz kurzfristig von sich überzeugen. Er sammelte also genau jene Wähler auf, die sich von keiner Partei vertreten fühlten oder sogar schon den Rechtspopulisten auf den Leim gegangen waren.

Es kam wie es kam. Martin Schulz konnte den linken Kurs gegen parteiinternen Widerstand nicht aufrechterhalten. Die Alternative war wieder blau. Sie akzeptierten den Preis, eine Partei mit teilweise offen rechtsextremen Agitatoren zu wählen und dafür selbst als Rassisten verfemt zu sein.  Viele wurden wieder im Stich gelassen. Und das hat sich bis heute nicht geändert.

Das neue große Aufregerthema: das Klima. Natürlich geht echter Klimaschutz in der heutigen Situation nicht ohne Umdenken und auch nicht ohne Verzicht. Aber natürlich kann niemand dem arbeitenden Volk erklären, warum jeder einzelne so viel tiefer in die Tasche greifen muss und so viel mehr echten Verzicht hinnehmen muss als große Konzerne. Es ist widersinnig. Es gibt dafür keine Erklärung. Echte linke Politik würde das nicht zulassen…


Nachtrag (15. Januar 2020): Die Partei Die Linke hat auf ihrer Internetseite einen interessanten, ähnlichen Beitrag veröffentlicht. Zum Beitrag

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