Unreif, uneinig und gefährlich

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Tritt ein Mitglied der AfD an das Redepult im Parlament, so ist Inhalt selten zu erwarten. Die Rechtspopulisten gebrauchen die Öffentlichkeit der politischen Debatte viel lieber dazu, um Stunk zu machen und sich zu inszenieren. Ihre Parlamentsmandate waren ihr Eintrittsticket zur politischen Manege, wo sie keine Gelegenheit auslassen, den parlamentarischen Betrieb zu blockieren oder lächerlich zu machen. Die Partei von rechts-außen hat es inzwischen leider geschafft, tief in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs vorzudringen. Ihr ist es gelungen, Sprache umzudeuten und durch geschickte Stimmungsmache darüber hinwegzutäuschen, dass sie in Wahrheit nie aufgehört hat, eine politische Bewegung zu sein.

Extrawurst von rechts

Die Corona-Krise stellt uns gleich vor mehrere große Herausforderungen. Natürlich ist da zu allererst die medizinische Versorgung der Erkrankten und die Prävention vor Ansteckungen. Immer lauter wird aber auch die Frage nach den wirtschaftlichen Konsequenzen. Die strengen Maßnahmen, die bis vor wenigen Wochen galten, stellen viele Betriebe vor schier unlösbare Probleme. Viele bewegen sich am Rande des Existenzverlusts und nehmen die staatlichen Hilfen nur zu gern in Anspruch. Eine heftige Rezession wird das allerdings kaum abwenden dürfen, zu lange blieb schlicht die Nachfrage aus.

Völlig zurecht debattierte der Bundestag daher bereits Ende Mai über die Frage, wie die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie am besten abgefedert werden könnten. Die Zahl der Neuinfektionen war zu diesem Zeitpunkt bereits leicht rückläufig; der wirtschaftliche Aspekt gewann an Relevanz. Die vorgestellten Lösungsansätze waren dabei wahrscheinlich so vielfältig, wie es sich für ein Sechs-Fraktionen – Parlament gehört. Leider schoss dabei eine Fraktion wieder einmal quer. Man braucht keine Glaskugel, um zu ahnen, welche das war.

Der AfD-Abgeordnete redete zunächst starke fünf Minuten über das Thema, wirklichen Inhalt lieferte er wenig überraschend trotzdem nicht. Dann allerdings machte er in seinem letzten Satz eine Bemerkung, die durchaus als Highlight seiner viel zu drögen Rede bezeichnet werden kann. Er meinte, dass Deutschland viel mehr direkte Demokratie bräuchte.

Reden wir über Parteifinanzierung

Beinahe ist man verleitet, ihm einerseits recht zu geben und zu argumentieren, dass alle vier Jahre Kreuzchen-Machen eben nicht ausreicht. Andererseits könnte man ihm entgegnen, dass es in unserem Land ausreichend Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger gibt. Wesentlich nervenschonender ist es allerdings, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass der gute Mann mit seinem letzten Wort zwar die Aufmerksamkeit zurückgewann, aber leider zielgenau das Thema verfehlte. Das Thema der Debatte waren die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und nicht die Notwendigkeit irgendwelcher plebiszitären Experimente. Es ist entlarvend, dass der AfD-Mann gerade dann Inhalt lieferte, als er so konsequent das Thema ignorierte.

Mit dieser Taktik steht er nicht alleine da in seiner Fraktion. Dass öffentliche Wortbeiträge im Plenum regelmäßig von der AfD dazu missbraucht werden, um den Zuhörern Themen unterzujubeln, die gerade gar nicht zur Debatte stehen, verwundert zwischenzeitlich keinen mehr. „Flüchtlinge raus“ und Forderungen nach dem Rücktritt der Bundeskanzlerin sind von der AfD selbst dann zu hören, wenn das eigentliche Thema meilenweit davon entfernt ist. Oder wer könnte den legendären Auftritt von Alice Weidel im Jahr 2018 vergessen, als ihr in der Debatte um den Bundeshaushalt nichts besseres einfiel, als die politische Planlosigkeit ihrer Partei mit dem Thema Spendenskandale zu übertünchen?

Doch politischer Analphabetismus und Inhaltslosigkeit ist nicht das einzige, wovon diese Reden zeugen. Noch viel deutlicher ist daraus eine tiefe Abneigung gegen den Parlamentarismus zu lesen. Enrico Komning von der AfD mag mehr direkte Demokratie gefordert haben, gemeint hat er allerdings weniger parlamentarische Demokratie. Der Rechtsaußen-Partei sind die Spielregeln des Parlaments wurschd. Sie sind davon überzeugt, dass ihr Bundestagsmandat gleichbedeutend damit ist, dass sie über die Tagesordnung bestimmen dürfen, wie sie wollen.

Diese Verachtung des parlamentarischen Systems macht die AfD quasi jeden Tag in den Ausschüssen deutlich. Im Plenum erreicht sie wenigstens ausreichend Klickzahlen und Likes für ihre abstrusen Thesen. Was im Ausschuss vor sich geht, interessiert doch sowieso keinen, schon gar nicht die Rechtspopulisten. Viel mehr Aufmerksamkeit bringt es doch, wenn man den parlamentarischen Betrieb bei jeder Gelegenheit so richtig aufmischt. Die Debatten im Bundestag wurden seit Einzug der AfD spürbar hitziger. Es kann auch vorkommen, dass die Partei komplett aus dem Parlament auszieht, wenn ihr was nicht passt. Das Plenum ist die Bühne der AfD, nur dort fühlt sie sich wohl. Und nur dort lässt sie sich zu teils widerlichen Aktionen hinreißen wie beispielsweise der inszenierten Schweigeminute 2018.

Weniger ist mehr

Doch nicht nur die Tagesordnung des Bundestags wird von der AfD nach Belieben erweitert oder geändert. Auch die Bedeutung mancher Begrifflichkeit hat sich verändert, seit Rechtsaußen sein düsteres Comeback feiert. Nie seit Pegida Montag um Montag auf die Straße ging, wurden Begriffe wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaat so oft verwendet, wie es seitdem der Fall ist. Immer wieder wurden diese Begriffe bemüht. Angeblich wollen die sogenannten Wutbürger diesen Themen wieder neuen Glanz verleihen. Aber genau das Gegenteil ist eingetreten: Seitdem diese Begriffe so häufig und so sorglos in jede beliebige Debatte eingeworfen werden, haben die Ideen dahinter erheblichen Schaden genommen.

Denn mit der Sprache ist es wie mit dem Geld: Bei Inflation verliert beides an Wert. Die AfD redet oft und gerne von Sozialismus und Planwirtschaft. Da reicht es schon aus, wenn die FDP den Grünen in einem einzigen Punkt entgegenkommt. Mit echtem staatsverordnetem Sozialismus wie es ihn noch zu DDR-Zeiten gab, hat das rein gar nichts zu tun. Letztendlich ist dieser inflationäre Gebrauch einzelner Begriffe ein probates Mittel, um diesen Worten entweder den Schrecken zu nehmen oder das positive, was dahintersteckt. Danach kann die Bedeutung des Worts nach Belieben uminterpretiert werden. Manchmal machen es die anderen Parteien der AfD aber auch viel zu leicht. Auch Begriffe wie Nazi oder Faschismus wurden nach meinem Empfinden in den letzten Jahren viel zu häufig und viel zu unreflektiert verwendet.

Eindimensional und reaktionär

Diese Umwertung von Sprache ist der AfD in manchen Fällen fast vollständig gelungen. Erklärte Gegner der AfD sind aus Sicht der Rechten fast automatisch Grüne und damit Gutbürger. Wie es der AfD gelungen ist, das Wort „gut“ binnen kürzester Zeit zum Wort „schlecht“ umzudeuten, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben. Aber es ist wie es ist: Gutbürger sind genau so wenig schlecht wie selbsternannte besorgte Bürger sich tatsächlich Sorgen machen. Diese Menschen machen sich keine Sorgen, sie haben Angst. Und diese Angst nutzt die AfD, um mehr und mehr von ihnen auf ihre Seite zu ziehen.

Aber im Grunde passt das zu einer Partei, die es mit fehlender politischer Kompetenz und einem Faible für Monothematik ins Bundesparlament geschafft hat. Seit Jahren hangelt sich die AfD von Thema zu Thema, welches sie, eines nach dem anderen, abarbeitet und ihm seinen Stempel aufdrückt. Mit mehreren Themen gleichzeitig wäre diese rein reaktionäre Partei auch heillos überfordert. Denn die AfD ist eine Partei, die vom Impuls lebt. Immer wieder muss sie neue Impulse geben, um im Gespräch zu bleiben. Sie dehnt die Grenzen aus, zum Beispiel die des sagbaren, und hält sich so über Wasser.

Wahnsinn mit Partei

Doch die Halbwertszeit von reaktionären Parteien und Bewegungen ist in der Regel ziemlich gering. Auch die AfD bekommt das immer wieder vor Augen geführt. Seitdem sie sich im Bundestag als Fraktion formiert hat, sind insgesamt fünf Mitglieder ausgetreten und gehen dem Rest des Parlaments seitdem als Fraktionslose nicht mehr ganz so oft auf die Nerven. Immer wieder betont die Fraktionsspitze, solche Entwicklungen seien in einer solch jungen Partei nicht weiter verwunderlich. Sie verweisen darauf, dass es gerade zu Beginn einer Parteigeschichte immer wieder zu Kurskorrekturen und abtrünnigen käme, das sei völlig normal. Man fragt sich allerdings schon, warum die AfD dann überhaupt zur Bundestagswahl angetreten ist, wenn der Parteiformierungsprozess offensichtlich noch nicht abgeschlossen ist.

Die Antwort darauf ist eigentlich ziemlich simpel. Die AfD hat sich aus der Not heraus zu einer Partei formiert. Einige Monate vor der Bundestagswahl 2013 war sie auf einmal da und mischte bereits diese Wahl auf. Sie scheiterte damals zwar noch knapp an der Fünf-Prozent – Hürde, beachtlich war ihr Wahlergebnis nach so kurzer Zeit aber allemal. Ihren Erfolg verdankte die AfD seitdem vor allen Dingen der Bewegung Pegida. Doch eine Bewegung kann nicht in den Bundestag einziehen. Wie praktisch, dass es da die AfD gab. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man sagt, dass die AfD der verlängerte Arm von Pegida im Bundestag ist.

Und dann?

Als Partei gibt die AfD übrigens ein ziemlich schlechtes Bild ab. Der Riss innerhalb der Partei geht immer tiefer. Lange ist klar, dass sich die wirtschaftsliberalen Kräfte immer weiter von den nationalistischen entfernen. Das ist auch überhaupt kein Wunder, schaut man sich die Forderungen der AfD etwas genauer an. Die meisten von ihnen sind von sehr kurzfristiger Natur. Sie sind auch sehr einfach gehalten, denn „Merkel muss weg“ und „Flüchtlinge raus“ kann nun wirklich ein jeder folgen.

Diese Forderungen sind allerdings viel zu kurzfristig, als dass sie ernsthaft als Haftmittel für die Partei taugen könnten. Hört man sich die Forderungen der AfD an, setzt fast automatisch der Reflex ein: „Und dann?“ Denn genau das ist die große Frage. Was kommt denn, wenn Merkel weg ist? Was soll sich an den sozialen Missständen im Land denn ändern, wenn alle Asylbewerber abgeschoben sind? Bisher hat die AfD darauf noch keine Antwort gefunden. Sie ist eine Partei, der es vor allem an politischer Reife mangelt. Leider aber nicht an Wählergunst…


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Sozialer Rassismus – Unterschätzte Gefahr

Die Rechtspopulisten sind weiter auf dem Vormarsch – auch in Deutschland. Für viele ist es schier unbegreiflich, warum manche Menschen eine Partei wählen, die offen rassistische Ressentiments schürt. Sind denn jetzt alle Rassisten geworden? Wohl kaum. Die meisten waren viel zu lange viel zu stille Opfer. Andere befürchten zurecht, bald welche zu werden. Die wenigen übrigen sind echte Rassisten, die sich diese Ängste zunutzemachen.

Eine Horde Rassisten

Am Frankfurter Hauptbahnhof wirft ein Mann einen achtjährigen Jungen und dessen Mutter unvermittelt vor einen einfahrenden Zug. Für den Jungen kommt jede Hilfe zu spät. In Augsburg wird ein stadtbekannter Feuerwehrmann im Streit von einem 17-jährigren Jugendlichen totgeschlagen. Im Juni 2018 wird die 14-jährige Susanna F. aus Mainz tot aufgefunden. Ein 20-jähriger hatte sie zunächst vergewaltigt und dann erwürgt. Alle diese Fälle eint, dass sie von männlichen Tätern mit Migrationshintergrund begangen wurden. Alle Fälle eint auch, dass sie von Rechtspopulisten für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert wurden.

Diese Instrumentalisierung ging sogar so weit, dass die AfD eigenmächtig eine Gedenkminute für die ermordete Susanna aus Mainz abhielt. Im Fokus dieses Eklats stand allerdings nicht das Opfer der grausamen Tat, sondern der Täter. In ekelerregender Manier verschoben die Rechtspopulisten den Blickwinkel auf die Herkunft des Täters – und tanzten dadurch auf dem Grab eines Mordopfers. Immer wieder verweist die nationalkonservative Partei auf eine Vielzahl an Straftaten, die von männlichen Tätern mit Migrationshintergrund begangen werden. Sie verwahren sich gegen Vorwürfe, rassistisch zu handeln.

Doch genau das tun sie. Sie weisen auf einen Zusammenhang zwischen krimineller Tat und der nationalen Herkunft der Täter hin. Im Prinzip teilen sie dabei Menschen in verschiedene Gruppen ein, von der einige gewaltbereiter sind als andere. Sie stellen die Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft pauschal als unzivilisierte Barbaren dar, als tickende Zeitbomben, die jederzeit hochgehen könnten. Wer davon ausgeht, bestimmte Bevölkerungsgruppen hätten generell bestimmte Eigenschaften, der ist ein Rassist.

Wir sind mehr!

Ganz bewusst schürt die AfD also fremdenfeindliche Ressentiments. Genau so zuverlässig, wie die AfD ihre Stimme gegen Migration erhebt, so regelmäßig fällt auch der viel lautere Widerspruch gegen solche Stimmungsmache aus. Gerade in Deutschland ist man weiterhin äußerst sensibel dafür, wenn bestimmte Kräfte eine ganze Gruppe unter Generalverdacht stellen. Wo immer Rechtspopulisten ihre Kundgebungen und Demonstrationen abhalten, da schlägt auch eine Vielzahl von Gegendemonstranten auf, die sehr viel lauter die Werte der freiheitlichen Demokratie verteidigen.

Nach dem fürchterlichen Anschlag in Halle zeigten sich die meisten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland entsetzt darüber, wie kaltblütig ein Mensch handeln kann. Gerade wenn in diesem Land Jüdinnen und Juden in welcher Form auch immer angegriffen werden, wissen die meisten: So nicht! Es ist Zeit zu handeln.

In einem Land mit einer so dunklen Geschichte wissen die Menschen sehr genau, wann Grenzen überschritten werden. Und es bedürfte noch nicht einmal dieser finsteren Vergangenheit. Rassismus und Antisemitismus sind immer falsch. Immer!

Entwürdigendes Schauspiel

Ich finde es richtig, wenn sich Menschen solchen Entwicklungen entgegenstellen und mit lauter Stimme dagegenhalten. An anderen Stellen bleibt die Entrüstung leider viel zu leise. Wenn ein Rentner in einem absurd reichen Land wie Deutschland in Parks und in Bahnhöfen im Müll nach Pfandflaschen suchen muss, quittieren viele das bestenfalls mit einem genervten Augenverdrehen. Pfandflaschensammelnde Rentner gehören inzwischen leider zum gutbürgerlichen Panorama der Nation. Was bleibt diesen Menschen anderes übrig? Nach jahrzehntelanger Arbeit wird ihnen die Rente so pervers zusammengekürzt, dass viele sich weiter krummmachen müssen – ob im Betrieb oder über dem Mülleimer.

Und was macht die Gesellschaft? Ein genervtes Verdrehen der Augen, ein Wegschauen oder ein verächtliches Schnauben ist meist die wohlwollendste Antwort auf ein solches Phänomen. In widerlicher Überheblichkeit diffamieren einige solche Menschen als Asoziale, die der Gesellschaft mehr schaden als nutzen. Jüngstes Beispiel für diese völlige Verkennung der Tatsachen ist der vom WDR produzierte Song, der gegen die ältere Generation wettert. Angeprangert wird hier unter anderem, dass sich die Oma billiges Fleisch beim Discounter kauft. Wo denn auch sonst von einer so mickrigen Rente?!

Ich bin dann mal hartzen

Pfandflaschensammler oder auch Hartz-IV – Empfänger müssen es sich gefallen lassen, immer häufiger und immer unverblümter als Taugenichtse und als Last hingestellt zu werden. Natürlich gibt es immer genügend Beispiele von Menschen, die sich aus dem Hartz-IV herausarbeiten oder trotz der Sozialhilfe nicht 15 Jahre alt sind, kiffen und auf den Namen Cindy-Chantal hören. Diese Einzelfälle sind notwendig, um die Vielzahl der anderen noch erschreckender und abartiger erscheinen zu lassen. Genau so funktioniert übrigens auch herkömmlicher Rassismus.

Doch woher kommt diese gefühlte Überlegenheit über andere Bevölkerungsschichten? Ein Blick ins heutige TV-Programm reicht aus, um diese Frage zumindest teilweise zu beantworten. Während im WDR besagter Oma-Song in Dauerschleife läuft, reiht sich bei RTL II eine Frauentausch-Folge an die andere. Auf anderen Sendern bietet sich ein ähnliches Bild. Diese Geschichten spielen natürlich mitten im Leben von sozialschwachen Menschen. Der Begriff dafür: Assi-TV. Nicht für Assis, sondern mit Assis. Gezeigt werden bevorzugt Hartz-IV – Empfänger, die entweder zu faul oder zu blöd zum Arbeiten sind. Dass dabei eine deutliche Minderheit an den Pranger gestellt wird, ist egal. Diese Allgegenwärtigkeit schlechter Beispiele ist ebenso typisch für Rassismus.

Plötzlich Rassist?

Die Bundesregierung zeigt sich indes völlig entsetzt darüber, dass die AfD ihre völkischen Ideen verbreitet und den Rassismus im Lande streut. Dabei war und ist es doch die Regierung und ihre Vorgänger, die den Grundstein dafür gelegt hat. Mit Hartz-IV installierte die damalige Rot-Grüne Regierung ein Sanktionssystem, das die Gesellschaft natürlich spaltete. Arm wurde gegen Reich ausgespielt. Der Sozialhilfeempfänger gegen den fleißigen Arbeiter. Und selbstverständlich schürt das Ängste vor dem eigenen sozialen Abstieg.

Die Folge war sozialer Rassismus, der wie ein Riss durch das Land ging. Die AfD nutzte diese Spaltung aus. Die Opfer von Sozialrassismus konnten sich so wieder Gehör verschaffen. Obendrauf befreiten die Rechtspopulisten sie von den Fesseln der sozialen Unterdrückung. Diese Menschen wollten keine Opfer mehr sein. Opfer sind nun andere. Die vielen Flüchtlinge nämlich, die sich laut rechter Propaganda in unsere Sozialsysteme einschleichen und zum Dank deutsche Frauen vergewaltigen und serienweise deutsche Männer abstechen.

Ethnischer Rassismus hatte es schon immer sehr einfach, die Opfer von Sozialrassismus auf seine Seite zu ziehen. Die Menschen sagen: „Ich habe ja nichts gegen die Ausländer, aber…“ Und genau das stimmt. Die Menschen haben nichts gegen Ausländer. Wie soll das auch gehen? Ehrenhafte Bürger mutieren mir nichts dir nichts zu überzeugten Rassisten?! Klingt abwegig. Ist es auch.

Einen Schritt weiter

Das soll aber nicht heißen, dass die AfD einzig aus einer Truppe sozial abgehängter und vernachlässigter besteht. Das würde das Potenzial dieser Partei verharmlosen. Zündfunke der rechtspopulistischen Bewegung war echter Rassismus und rechtsextremes Gedankengut. Das ist übrigens nicht nur in Deutschland so, sondern in vielen anderen Ländern auch. Hinter jedem Aufmarsch sogenannter Wutbürger steht mindestens ein Scharfmacher, der die Protestierenden wie Marionetten an seinen Strippen führt.

Die AfD ist gut damit beschäftigt, ethnischen Rassismus in unserer Gesellschaft salonfähig zu machen. Sie haben es noch nicht ganz geschafft. Offener Rassismus ist in weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor tabu. Die Regierungen der letzten Jahre waren da erfolgreicher. Wenn ein Hartz-IV – Empfänger als „Assi“ beschimpft wird, trifft das auf breiteren Konsens. Keiner würde sagen: „Ich habe ja nichts gegen Hartz-IV – Empfänger, aber viele davon sind einfach dumm und faul.“ Der erste Teil des Satzes wäre für viele eine Lüge.

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