Bessere Zeiten

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Freitag, 31. März 2023, 19:59:55…56…57…58…59…

*gong*

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.

Daaa-da. Da-da-da-daaa! Heute im Studio: Judith Rakers.

Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau.

Verlängerung des Lockdowns

Nach einer erneuten Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder haben sich die Beteiligten auf eine Verlängerung des Lockdowns um vier Wochen verständigt. Das war das Ergebnis nach mehr als sechs Stunden Beratung im Kanzleramt. Erste Geschäftsöffnungen sollen demnach frühestens Ende April möglich sein.

Der derzeitige Weihnachtslockdown ist mit bisher gut vier Monaten ungewöhnlich lange. In den vergangenen Jahren waren zumindest zeitweise vorsichtige Lockerungen ermöglicht worden. Weil die Infektionszahlen seit Wochen zwar stagnieren, aber nicht sinken, ließ man in den vergangenen Monaten gastronomische Betriebe, Kultureinrichtungen und weite Teile des Einzelhandels konsequent geschlossen.

Neuer Impfstoff

In mehreren europäischen Ländern steht ein neuartiger Impfstoff gegen das Coronavirus kurz vor der Zulassung. Das Präparat der deutsch-französischen Firma Bon Triage ist laut Hersteller in so großer Menge verfügbar, dass es innerhalb weniger Wochen an weite Teile der Bevölkerung verimpft werden könne. Kritiker werfen dem Unternehmen eine mangelhafte Teststrategie vor und bezweifeln die Effektivität des Wirkstoffs. Bon Triage selbst verwahrt sich gegen solche Vorwürfe. Das Unternehmen wies darauf hin, dass der neue Impfstoff bei 30- bis 50-jährigen zuverlässig dafür schütze, im Falle einer Corona-Erkrankung den Geruchs- und Geschmackssinn zu verlieren.

Corona-Abschluss an Hochschulen und Universitäten

An mehreren deutschen Hochschulen und Universitäten feierten hunderte Bachelor-Studierende heute ihren Abschluss. Die meisten der Absolventinnen und Absolventen hatten ihr Studium vor drei Jahren zu Beginn des ersten coronabedingten Lockdowns begonnen. Im Gegensatz zu den höheren Semestern sind die heutigen Abgängerinnen und Abgänger nie in den Genuss eines regulären Studienbetriebs gekommen.

In virtuellen Graduierungsfeiern blickten Studierende sowie Professorinnen und Professoren auf drei außergewöhnliche Jahre zurück. Während vor allem die Dekaninnen und Dekane, aber auch vereinzelt Studierendenvertretungen, die gute Organisation des Studiums in der Pandemie lobten, übten verschiedene bildungsnahe Institutionen deutliche Kritik. Gerade einmal 5 Prozent der aktuellen Studierendengeneration konnte ihr Studium in der vorgeschriebenen Regelzeit absolvieren. Fast die Hälfte hatte bereits im Vorfeld aufgegeben.

Neue Virusmutation

In mehreren deutschen Gesundheitszentren wurde innerhalb der letzten 24 Stunden die neue hochansteckende Mutation des Coronavirus nachgewiesen. In insgesamt 428 Fällen von Infektionen handelt es sich um die neue Mutante. Die Mutation mit dem Namen Sars-CovRV:$!794<ß trat erstmalig vor zwei Wochen in Aserbaidschan auf und breitete sich von dort rasend schnell bis nach Europa aus.

Seit Ausbruch der Pandemie vor drei Jahren ist die neue Mutation bereits die 42.322., die Forscher sicher identifizieren konnten. Sie gehen aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Fundierte Aussagen bezüglich der Wirksamkeit bisher erforschter Medikamente und Impfstoffe gegen die Mutante können die Forscher noch nicht treffen.

Trumps politische Zukunft

Mit der Ankündigung, im kommenden Jahr wieder zu den Präsidentschaftswahlen anzutreten, hat der frühere US-Präsident Donald Trump ein politisches Beben in den Vereinigten Staaten ausgelöst. Laut eigener Aussage fühlt sich der 76-jährige dazu berufen, die USA aus dem Zustand einer – Zitat – „tiefen politischen Lähmung“ zu befreien.

Die Aussicht auf eine erneute Kandidatur Trumps sorgte besonders bei den Demokraten für Aufruhr. Interimspräsidentin Kamala Harris sprach von einer politischen Katastrophe. Sie merkte an, dass sich das Land keine weiteren vier Jahre mit Trump als Präsident leisten könne. Vertreter des republikanischen Lagers warfen ihr hingegen vor, Trumps Ansage dazu zu missbrauchen, die angespannte politische Lage weiter schlechtzureden. Harris hatte das Präsidentenamt vor vier Wochen interimsweise übernommen, nachdem Präsident Joe Biden plötzlich verstorben war.

Keine Kanzlerkandidatur 2025

Auf der heutigen Pressekonferenz zur Lage der Nation hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrer politischen Zukunft geäußert. Sie kündigte an, bei der Bundestagswahl im Jahr 2025 nicht mehr für das Amt der Regierungschefin anzutreten. Es sei „Zeit für einen politischen Wechsel“, so Merkel wörtlich.

Die Opposition meldete große Zweifel an, dass Merkel das Kanzleramt nach dann insgesamt zwanzig Jahren tatsächlich verlassen würde. Führende Politiker von AfD, FDP und Linkspartei wiesen darauf hin, dass die Frage der Nachfolge Merkels noch völlig ungeklärt sei. Sie befürchten, dass Merkel, wie bereits vor zwei Jahren, die schwere Krise des Lands sowie den Mangel an potentiellen Nachfolgern dazu ausnutzen würde, an der Macht zu bleiben.

Die Union dementierte diese Vorwürfe währenddessen. Mehrere Politiker haben bereits Interesse an Merkels Nachfolge angemeldet, darunter Generalsekretär Philipp Amthor, Gesundheitsminister Jens Spahn sowie BlackRock-Vorstand Friedrich Merz.

Wettervorhersage

Und hier nun die Wettervorhersage für morgen, Samstag den 1. April.

Hoher Luftdruck bestimmt weiterhin unser Wetter und sorgt für klares, aber mitunter eisiges Wetter. Vor allem im Sauerland und in der Eifel wird die Nacht zwar sternenklar, dafür aber klirrend kalt. Die Temperaturen variieren zwischen -17 bis 0 Gad. Am Tag bleibt das Wetter vorerst fast unverändert. Im Nordwesten teilweise zweistellige Minusgrade, am Kaiserstuhl leichte Plusgrade.

In den kommenden Tagen deutet sich ein deutlicher Wetterumschwung an. Bis Dienstag ist mit frühsommerlich warmen Temperaturen zu rechnen, im Raum Köln werden bis zu 35 Grad im Schatten erwartet. Besonders am Wochenende und zu Beginn der nächsten Woche besteht aufgrund des Tauwetters starke Hochwassergefahr. In Teilen Deutschlands wird gleichzeitig vor Waldbränden gewarnt.

Um 23:15 Uhr meldet sich Caren Miosga mit den Tagesthemen. Sie beschäftigt sich heute mit folgenden Themen: Zählfehler bei den Corona-Mutationen? Warum die wahre Zahl an Mutanten weitaus höher liegen könnte. Außerdem führt sie ein Exklusiv-Interview mit SPD-Chef Karl Lauterbach. Der Spitzenpolitiker verrät, wie er seine Partei bei den kommenden Wahlen wieder in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz führen will, aus denen sie vor zwei Jahren ausgeschieden sind.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

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Smartphone und Verantwortung in einer Hand

Beitragsbild: iXimus, pixabay.

Lesedauer: 9 Minuten

Gesundheitsminister Jens Spahn ist sich sicher: die Corona-App wird einen erheblichen Beitrag im Kampf gegen das Virus leisten. Fortan werden alle Nutzer gewarnt, wenn sie in den vergangenen zwei Wochen einem Risikokontakt ausgesetzt waren. Viele kritisierten das Projekt von Anfang an, Datenschützer waren die erbittertsten Opponenten. Kaum waren diese Bedenken ausgeräumt, sprach man die App nahezu heilig. Eines vergessen viele aber nach wie vor: Die neue App legt die Verantwortung sprichwörtlich in die Hand der Nutzer. Der Kampf gegen Corona ist aber keine Einzelaufgabe, es ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Die App kann dem im Zweifelsfall zuwiderlaufen.

Operation „Beruhigungssauger“

Seit Dienstag ist sie da: die Corona-App. Lange erwartet, häufig kritisiert, endlich fertig. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist sichtlich stolz auf diesen Meilenstein im Kampf gegen Corona. Die Corona-App war immer sein Herzensprojekt. Viel Gegenwind musste er gegen seine Pläne aushalten. Gerade Datenschützer gingen auf die Barrikaden, als sie von dem Mammutprojekt hörten. Auch bei vielen Oppositionellen und Bürgern schrillten die Alarmglocken: Eine neue App? Was ist mit dem Datenschutz? Verschwörungstheoretiker machten sich die Pläne des Ministers sogleich zunutze und schürten Ängste, die App sei nur ein weiterer Schritt in Richtung Totalüberwachung der Bevölkerung.

Spahn nahm sich die Kritik tatsächlich zu Herzen. Zu groß war wohl die Sorge, seiner Bewerbungsmappe für das Kanzleramt würde eine wichtige Referenz fehlen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der dezentralen Lösung wurde tatsächlich der Vortritt gelassen. Die Daten werden also nicht auf einem zentralen Server gespeichert, die sogenannte Begegnungsprüfung findet auf den Endgeräten statt. Wie ein Kleinkind, dem man einen Lolli gibt, waren die Datenschützer augenblicklich still. Und die anderen: auch. Als das Thema Datenschutz vom Tisch war, verstummte auch die Kritik an dem Projekt.

Argumente mit notorischem Geltungsdrang

Wieder einmal hat es eine einzige Frage geschafft, die Debatte zu beherrschen. Fragen nach Zielgenauigkeit, Notwendigkeit und Benutzerfreundlichkeit der App mussten den kürzeren ziehen. Die Hauptrolle wurde dem Thema Datenschutz verliehen. Mit Sicherheit eine wichtige Frage, aber beileibe nicht die einzige, die es zu beantworten gilt.

Das Muster ist bekannt: Bei so vielen anderen Themen der letzten Jahre gab es immer wieder Einzelfragen und Teilaspekte, die die Diskussion dominierten. Beispiel Tempolimit: Das Thema Verkehrssicherheit wurde zwar in die Bewertung der Geschwindigkeitsbegrenzung einbezogen, Knackpunkt war aber immer die klimafreundliche Komponente der Maßnahme. Weniger Motorleistung verursacht weniger klimaschädliche Emissionen, das ist Fakt. Dass eine generelle Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn aber auch einen nicht unerheblichen Beitrag zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beiträgt, sollte fakter sein.

Immer wieder lenkten andere, teilweise schlicht unwichtigere Nebenfragen von der echten Problematik ab. Dabei gibt es gerade bei der Corona-App so viele andere Fragen, die es dringend zu beantworten gilt. Stattdessen verbeißen sich viele Kritiker beinahe fetischhaft in das Totschlagargument Datensicherheit. Ob auch bei den Bürgern durch den besseren Datenschutz das Vertrauen in die App gewachsen ist, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen. Man sollte aber dringend aufhören zu meinen, man könne mit der Reduzierung von großen Sachverhalten auf ein einziges Thema die Bürger für dumm verkaufen.

Keine Maßnahme wie die anderen

Es gibt neben Datentransparenz noch einige weitere Fragen, von denen der Erfolg der App abhängen sollte. Es wurde wenig danach gefragt, wie zielgenau die neue Anwendung arbeitet, und wenn, dann nur um einen Datenmissbrauch mit Standortdaten zu verhindern. Noch seltener kam die Frage auf, wie viel Nutzen die App tatsächlich entfalten kann. In der Theorie ist die App eine gute Sache. Neben weiteren Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie ist sie eine sinnvolle Ergänzung, um die Menschen zu schützen. Keine der geltenden Maßnahmen kann alleine den Kampf gegen Corona aufnehmen. Masken sind ohne Abstand praktisch Stoffverschwendung. Genau so wird auch die App nur dann den größtmöglichen Erfolg haben, wenn die anderen Maßnahmen eingehalten werden.

Und daran habe ich starke Zweifel. Denn die App reiht sich nahtlos in die Serie von Lockerungen ein, die oftmals das Prädikat „fahrlässig“ verdienen. In erster Linie ist die App nämlich ein Frühwarnsystem, um Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie Kontakt zu einer mit Corona infizierten Person hatten. Sie ist deshalb nicht Maßnahmen wie der Maskenpflicht und dem Abstandsgebot gleichzusetzen. Im Gegensatz zu diesen expliziten Schutzmaßnahmen hemmt sie nicht das Infizierungsrisiko ihrer Nutzer. Sie meldet Erkrankungsfälle im näheren Umfeld, um etwaigen Risikokontakten vorzubeugen.

Unverbindliche Handlungsempfehlung

Wie bereits die Lockerungen vor ihr, macht die App den Infektionsschutz noch mehr zur Privatsache. Immer weniger müssen Bürgerinnen und Bürger lästige Regeln beachten, die eine Ausbreitung des Virus verhindern sollen. Und tatsächlich ist bis auf die Maskenpflicht fast wieder der Normalzustand eingetreten. An Supermarktkassen ist wieder Gruppenkuscheln angesagt. Die Abstandslinien sind von tollwütigen Klopapierkäufern längst weggewetzt worden. Immer mehr Massenaufläufe in Parks, bei Demos und leider auch Corona-Partys entwickeln sich zu neuen Infektionsherden. Nach monatelanger staatsverordneter Flaute müssen manche Gaststätten inzwischen beinahe schon überlegen, wegen Überlastung zu schließen. Gerade dort ist die Handhabung der Verordnungen besonders lax. In den vergangenen Wochen waren immer wieder Restaurants in Verbindung mit Coronafällen in den Medien.

Die neue App kann leicht zu noch mehr Unvorsicht verleiten. Bereits bei der Maske war sonnenklar, dass manche Menschen schlichtweg unfähig dazu waren, sie richtig aufzusetzen. Mit ihrer Leichtsinnigkeit gefährdeten sie ihre Mitmenschen und leisteten dem Virus erheblichen Vorschub. Es ist zugegeben ziemlich blauäugig zu glauben, diese Menschen ließen sich von einer unverbindlichen Handlungsempfehlung einer App Vorschriften machen. Sobald auf ihren Bildschirmen erscheint, dass sie so und so viele Risikokontakte hatten, werden sie verächtlich abwinken. „Jetzt will mir der Staat auch schon vorschreiben, wann ich zum Arzt zu gehen habe. Ich weiß selbst am besten, was gut für mich ist.“ An dieser Stelle pochen sie auf Selbstbestimmung und Datenschutz, beim nächsten facebook-Post ist ihnen das egal.

Polarisierung reloaded

Schon vor der App hat sich immer mehr gezeigt: Corona spaltet. Wieder einmal haben die Menschen die Wahl, zu welchem Pol sie sich eher hingezogen fühlen. Sind es die Hygienedemonstranten, die Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme in ihren Reihen dulden oder sind es die Übervorsichtigen, die an der Kasse lieber drei Striche Abstand halten? Jede noch so belanglose Äußerung, jede noch so lapidare Handlung kann zu einer unwiderruflichen Einteilung in eines der Lager führen.

Vor einigen Wochen schrieb ich auf diesem Blog noch, dass ich nicht glaube, dass Corona das gleiche Polarisierungspotenzial hätte wie die Flüchtlings- oder die Klimakrise. Ich habe mich geirrt. In Wahrheit birgt die jetzige Krise ein noch größeres Polarisierungsrisiko als die Krisen zuvor.

Konsens und mehr nicht?

Und woran liegt das? Weil es keine Einigkeit gibt. Der Politiker Gregor Gysi meinte jüngst, dass der Zoff erst losging, als die ersten Lockerungen zur Debatte standen. Völlig richtig. Davor waren die getroffenen Maßnahmen ganz besonders streng. Kaum einer hatte die Möglichkeit, ungestraft aus der Reihe zu tanzen.

Die Maßnahmen erreichten dabei beinahe die Qualität von Strafgesetzen. Und im Prinzip haben sie auch so funktioniert. Die Strafandrohung war zwar nicht so hoch wie bei Strafgesetzen, aber der Druck war trotzdem da. Würde man heute oder morgen die Strafen aus dem Gesetzbuch streichen, so gäbe es weiterhin einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass man andere Menschen nicht misshandelt, sie nicht umbringt und auch niemandem etwas wegnimmt. Dieser recht lockere Konsens würde aber immer mehr aufgeweicht werden. Viele würden dann zwar die Nase rümpfen, wenn jemand im Laden klaut, passieren würde aber nichts. Genau das gleiche lässt sich seit den Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen beobachten.

Die Lockerungen übertragen nämlich immer mehr Verantwortung auf den Einzelnen. Als die Maßnahmen streng waren, waren die meisten von dieser Verantwortung befreit. Sie mussten sich schlicht an Regeln halten. Durch die Lockerungen können die Menschen nun mehr und mehr selbst entscheiden, welche Maßnahmen sie als sinnvoll erachten und an welche sie sich halten wollen. Sie können sich ihre eigene Meinung machen. Das ist prinzipiell gut. Es liegt allerdings in der Natur unterschiedlicher Meinungen, miteinander zu konkurrieren. Kommt dann noch die akute Krisenkomponente dazu, ist die Polarisierung vorprogrammiert. So gut die Idee einer Corona-App auch sein mag, sie wird dem enormen Polarisierungspotenzial der Krise nicht beikommen können.


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Das miese Geschäft mit dem Virus

Beitragsbild: Vektor Kunst, pixabay.

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Seit Tagen befindet sich Deutschland im Ausnahmezustand: Hamsterkäufe, geschlossene Schulen und Kitas, Einschränkung des öffentlichen Lebens. Alles, um das Corona-Virus einzudämmen und unter Kontrolle zu halten. Der Erfolg ist bisher nur mäßig. Die Lage droht derweil noch verzwickter zu werden. Krankenhäuser, die auch schon ohne Covidd-19 am Limit sind, geraten zunehmend in Bedrängnis. Zudem hat sich nun eine perfide Methode herausgebildet, mit der einige Geschäftsleute tatsächlich Kapital aus der Krise schlagen.

Keine Panik auf der Titanic

Die bestätigten Fälle des neuartigen Virus nehmen auch in Deutschland seit Tagen rasant zu. Wie bereits in anderen schwer gebeutelten Nationen zeichnet sich auch in unserem Land eine exponentielle Ausbreitung der gefährlichen Lungenkrankheit ab. All zu viel ist über die Krankheit noch nicht bekannt. Die Menschen sind verunsichert. Die Frage der Infektionswege ist noch nicht abschließend geklärt, ebenso wenig die Länge der Inkubationszeit. Während zu Beginn der Pandemie von zwei Wochen die Rede war, sind in der Zwischenzeit Fälle aufgetreten, bei denen die Inkubationszeit bei um die vier Wochen lag. Wenn die Erkrankung so lange unbemerkt bleibt, wird es extrem schwierig, die Infektionsketten nachzuvollziehen.

Währenddessen verharren führende Politiker auf der Linie der Beschwichtigung. Über Wochen redete Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Problem klein. Er bezweifelte, dass sich das Virus so dramatisch wie in der chinesischen Provinz Hubei ausbreiten könnte. Die Bundeskanzlerin steht ihrem Minister bei den Beschwichtigungsversuchen treu zur Seite. Sie ruft alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, soziale Kontakte auf ein Minimum herunterzufahren. Donnerwetter.

Wären die Regierungsvertreter ehrlich, müssten sie eingestehen, dass es in Deutschland durchaus Grund zur Sorge gibt. Mit zögerlichen Maßnahmen versucht sie, die Ausbreitung der Infektionskrankheit einzudämmen. Das ist gut und richtig so. Fraglich ist allerdings, ob die getroffenen Maßnahmen dazu ausreichen und ob sie überhaupt noch rechtzeitig in Kraft treten. Denn eines ist völlig unstrittig: So wie die Bundesregierung das Gesundheitswesen in den letzten Jahren gemanaged hat, wird es der Corona-Krise nicht standhalten.

Gesundheit und Ökonomie schließen sich aus

Schon während der Bundestagswahl 2017 gewann das Thema des Pflegekräftemangels an Bedeutung. Der Azubi Alexander Jorde konfrontierte die Kanzlerin damals im TV mit der desolaten Situation in deutschen Pflegeheimen. Doch auch Krankenhäuser und sonstige Einrichtungen im Gesundheitswesen sind längst von den Fehlentwicklungen in diesem Bereich betroffen. Durch zunehmende Privatisierungen wurden gerade Krankenhäuser und Kliniken mehr und mehr auf Rendite und Profit getrimmt. Sie wurden zu marktwirtschaftlichen Unternehmen umstrukturiert, bei denen hohe Kosten unbedingt vermieden werden müssen.

Und Geld kosten vor allem Angestellte. Sie sind einer der größten Kostenfaktoren in jedem Unternehmen. Bei ihnen wird meist als erstes der Rotstift angesetzt. Und das hat Folgen: Durch den kontinuierlichen Stellenabbau im Gesundheitswesen ist das medizinische Personal bereits heute am Limit, teilweise auch schon jenseits davon. Nicht selten machen renditehungrige Krankenhausbetreiber ganze Stationen dicht, bei denen der Bedarf am niedrigsten ist. Denn mit dem Bedarf sinkt auch der Umsatz. Viele Krankenhäuser verfügen daher nicht mehr über Stationen, die sich speziell der Behandlung von Kindern widmen. Auch bei der Anzahl von Intensivbetten kam es zu einer regelrechten Rationierung.

Auf Leben und Tod

Viele beobachten die Szenen aus Italien mit blankem Entsetzen. Manche schütteln ungläubig den Kopf angesichts einer solchen Überforderung des medizinischen Fachpersonals. Und die Lage in Italien ist wirklich hochdramatisch: Die Krankenhäuser dort sind grotesk überfüllt, eine angemessene Behandlung kann schon lange nicht mehr gewährleistet werden. Inzwischen müssen Ärzte Entscheidungen treffen, die ein Arzt nie fällen müssen sollte: welcher Patient behandelt wird und welcher nicht. Denn natürlich muss JEDER Patient versorgt werden. Ein völlig unzureichendes Gesundheitsmanagement zwingt die Ärzte allerdings dazu, solch unmenschliche Entscheidungen zu treffen.

Auch ein Mangel an lebensnotwendigen Beatmungsgeräten wird in Italien zunehmend zum Problem. Wie brenzlig das werden kann, liegt auf der Hand. Bei Covid-19 handelt es sich um eine Lungenkrankheit. Dass in dieser Situation ein Engpass an Beatmungsgeräten tödlich sein kann, ist jedem klar.

Doch solche Zustände sind auch in Deutschland alles andere als unwahrscheinlich. Denn natürlich lassen sich die Versäumnisse im Gesundheitswesen nicht binnen weniger Tage oder Wochen beheben. Deswegen ist es ja auch so wichtig, die Ausbreitung des Virus so gut wie möglich in Grenzen zu halten, damit die Anzahl der Infizierten relativ überschaubar bleibt und jeder angemessen behandelt werden kann. Doch auch hier rächt sich der Sparkurs der letzten Jahre. Der Stellenabbau bei den Gesundheitsämtern ist das eine. Doch inzwischen verfügen die deutschen Gesundheitsämter über so niedrige Budgets, dass sie sich in vielen Fällen davor scheuen, Veranstaltungen abzusagen. Zu groß ist die Angst der Behörden, die möglichen Regressforderungen nicht stemmen zu können.

Das Geschäft mit dem Virus

Das leistet der Ausbreitung des Virus natürlich enormen Vorschub. Und mit der Ausbreitung wächst die Angst. Was, wenn ich einer derer bin, denen die Behandlung versagt wird? Vielleicht weil ich Kassenpatient bin? Oder eine Frau? Oder ein Mann? Oderoderoder? Diese eklatanten Lücken im Gesundheitssystem und die Angst vieler Bürgerinnen und Bürger nutzen skrupellose Geschäftsleute seit kurzem für ihre eigenen Zwecke aus. Sie schwören die Menschen darauf ein, dass die Gesundheitsversorgung ähnlich wie in Italien kollabieren wird, sobald es zu einem Peak der Virusausbreitung wie in China kommt.

Sie handeln nach dem Credo „Wer jetzt krank wird, wird auch noch behandelt. Wer während des Peak erkrankt, hat Pech gehabt.“ Traurigerweise kann man dem nichts entgegensetzen. Die Politik der letzten Jahre hat es ermöglicht, dass solche Unmenschen ihre Geschäfte machen können.

Ein abartiges Geschäftsmodell

Das Vorgehen ist simpel. Die skrupellosen Geschäftemacher werben gezielt Corona-kranke Menschen an, die sie an gesunde Menschen vermitteln. Die sogenannten Kunden mieten sich sprichwörtlich einen Infizierten, um eine eigene Infektion zu provozieren. Denn die meisten wissen, dass sie in der derzeitigen Phase mit hoher Wahrscheinlichkeit angemessen behandelt werden würden. Vor allem gesetzlich krankenversicherte rennen den Drahtziehern dieser Masche die Bude ein.

Die Termine mit den Infizierten sind unterschiedlich teuer. Am erschwinglichsten sind tatsächlich Termine mit solchen Patienten, die einen besonders schweren Krankheitsverlauf haben. Denn immerhin machen die Betreiber mit den angeworbenen Kranken halbe-halbe. Ein über 60-jähriger Raucher mit kritischem Krankheitsverlauf verlangt natürlich ein weitaus niedrigeres Honorar als ein solcher, der Mitte 20 ist und demnächst wieder Bäume ausreißen wird.

Der Peak wird kommen

Menschenrechtler sind alarmiert. Sie verurteilen den neu geschaffenen Geschäftszweig auf das schärfste. Sie sind entsetzt darüber, dass hier mit teilweise Schwerstkranken Profit gemacht wird. Dass sie als Ware gehandelt werden. Einige Vertreter von Amnesty International sprechen sogar von „Menschenhandel auf unterstem Niveau“. Durch ein solches Geschäftsmodell werde ein drohender Peak, an dem das Gesundheitssystem zerbricht, nicht aufgehalten, sondern sogar noch früher eintreten. Zahlreiche Mediziner und Forscher pflichten der Menschenrechtsorganisation bei.

Die betroffene Gesellschaft Profitable Entrepreneurs gegen die Infizierung des Abendlandes AG verwahrt sich gegen solche Beschuldigungen. Sie verweist darauf, dass ein bald anstehender Peak inklusive Zerreißprobe für das Gesundheitswesen auch durch Hamsterkäufe und Plünderungen von Kliniken in noch nähere Zukunft gerückt werden würde. Die Geschäftsleute nehmen für sich in Anspruch, die Ängste in der Bevölkerung ernstzunehmen. Im Gegensatz zur Regierung würden sie tatsächlich handeln. Ein katastrophaler Höchststand an Infizierungen stünde so oder so ins Haus. Durch die gezielte Weitergabe der Krankheit würden zumindest zahlungskräftige Patienten davor bewahrt werden, dem kaputtgesparten Gesundheitssystem im Land zum Opfer zu fallen.


Nachwort: Ein solches Geschäftsmodell existiert nicht und das wird es hoffentlich auch nie. Der Nährboden für solch perverse Geschäfte ist allerdings da. Eine Mischung aus Staatsversagen und mangelnder Kommunikation begünstigt ihn. Wer eine solche Vorstellung für absurd und völlig abartig hält, der sei daran erinnert, dass in Deutschland aktuell 28.000 Intensivbetten vorhanden sind. Viele davon sind derzeit aufgrund anderer medizinischer Notfälle belegt. Ein ungebremster Anstieg von schweren Krankheitsverläufen würde die Kapazitäten aber schnell übersteigen. Und das ist nicht minder abartig.

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