Wind of Change

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Die neue Bundesregierung hat noch nicht einmal losgelegt, schon folgt der nächste Höhenflug der AfD. Der Erfolg verwundert kaum: ein wochenlanges Gezänk um das richtige Abstimmungsverhalten wird nahtlos abgelöst von einem Koalitionsvertrag der sozialen Kälte. Währenddessen bahnt sich eine parlamentarische Konstellation an, die denkbar günstig für Rechtsaußen ist. Klar ist schon jetzt, dass in den nächsten vier Jahren die extreme Rechte den kritischen Ton angeben wird. Unser Land wird sich verändern.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik schneidet eine rechtsextreme Partei in den Umfragen bundesweit am besten ab. Mit 25 Prozent liegt die AfD knapp vor der Union. Der erneute Aufschwung der Rechtsextremen kam schneller als gedacht: Die neue schwarz-rote Regierung ist noch nicht einmal im Amt, schon geht die AfD durch die Decke. Das Schicksal Thüringens ließ für die Bundesrepublik nicht lange auf sich warten.

Kein Erkenntnisproblem

Alles an den aktuellen Umfragen ist ein Debakel. Es gelingt einer rechtsextremen Partei nicht nur, sich von allen anderen Parteien abzusetzen. Mittlerweile reichen sogar gerade einmal 25 Prozent – also jeder vierte Befragte – um sich als stärkste Partei rühmen zu dürfen.

Aber auch die designierten Regierungsparteien knacken Rekorde. Noch nie zuvor sind regierungstragende Parteien so schnell und so steil abgestiegen wie nach der Bundestagswahl im Februar. Und noch nie gab es einen derart schnellen Abstieg, bevor die neue Regierung auch nur ein Gesetz eingebracht hatte.

Der Grund dafür dürfte im Koalitionsvertrag liegen, gegen den nicht nur die Jusos auf die Barrikaden gehen. Das einzig positive an dem Schriftstück: An den meisten Stellen haben die Koalitionäre kein Erkenntnisproblem. Stattdessen werden viele der drängendsten Probleme angesprochen. Durchsetzungsstarke Lösungen bietet der Vertrag aber kaum.

So scheint die SPD die Union davon überzeugt zu haben, dass die Löhne und Gehälter im Land zu niedrig sind. 15 Euro Minimum schwebt den Sozialdemokraten seit Monaten vor. Die Zahl findet sich auch im Koalitionsvertrag wieder. Darüber entscheiden soll aber die Mindestlohnkommission, die schon in der Vergangenheit nicht für große Sprünge beim Mindestlohn bekannt war.

Sozialpolitischer Totalausfall

Auch bei Themen wie dem Wohnungsmangel und der Migration bleibt die designierte Bundesregierung erwartungsgemäß dünnlippig. Wer eine konkrete Zielmarke für den Neubau von Wohnungen sucht, wird im vorgelegten Koalitionsvertrag nicht fündig. Die Schmach ihrer Vorgängerin bei diesem Thema will sich die neue Regierung scheinbar ersparen. Ähnlich unverbindlich klingt der Koalitionsvertrag bei der Eindämmung unkontrollierter Migration. Eine gemeinsame europäische Vereinbarung soll es richten.

Sozialpolitisch ist der Koalitionsvertrag ebenfalls ein Totalausfall. Besonders arrogant kommt er beim Thema Gesundheit daher. Streckenweise geht es nur darum, die Patienten besser zu steuern und unnötige Arztkontakte zu vermeiden. Wenn viele Menschen im Land monatelang auf einen Facharzttermin warten, ist es schlicht arrogant, mit dem angestrebten Primärarztsystem auch noch die freie Arztwahl zu beschneiden.

Erschreckend – aber ebenfalls kaum überraschend – sind die Punkte, bei denen schnell Einigkeit herrschte. Dass die Koalitionäre am liebsten unbegrenzt Geld in Waffen und Aufrüstung stecken wollen, war spätestens klar, als sie milliardenschwere Kriegskredite auf Kosten künftiger Generationen durch den schon abgewählten Bundestag gepeitscht haben. Woher das Geld dafür kommen soll, hätten sie ehrlicherweise gleich dazuschreiben können – es weiß sowieso jeder.

Konjunkturprogramm für Rechtsaußen

Gestraft ist das Land aber nicht nur mit einer Regierung, mit der sich die soziale Kälte im Land rapide ausbreiten wird. Auch von den künftigen Oppositionsparteien ist kein großer Wurf zu erwarten. Sehr wahrscheinlich werden sich zwei oppositionelle Lager bilden: die AfD ganz rechts und Links-Grün, die der Regierung zeigen werden, wie man die AfD noch schneller noch stärker macht.

Inhaltliche Kritik wird von den demokratischen Oppositionsparteien nur punktuell zu hören sein. Während die Grünen hauptsächlich kritisieren werden, die Aufrüstung gehe nicht schnell genug voran, wird sich der Widerspruch der Linken in den üblichen linkspopulistischen Floskeln erschöpfen. Sie werden den Sozialabbau im Land an den Pranger stellen, obwohl sie diesen durch ihr Ja zu den Kriegskrediten selbst mitbeschlossen haben.

Am lautesten wird diese Elite-Opposition sein, wenn es um den Umgang mit der AfD geht. Spahn, Wadephul und andere haben das Startsignal gegeben: Weil sie eine 20-Prozent – Partei inhaltlich stellen und ihnen nicht grundsätzlich Ausschussvorsitze vorenthalten wollen, ist der heilige woke Zorn schon über sie hereingebrochen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Grüne und Linke wieder zu Demos gegen Rechts aufrufen, bei denen Antifaschismus zwar auf den Transparenten steht, die AfD währenddessen aber weiter zulegt.

Wind of change

Den Ton in der Opposition wird in den nächsten vier Jahren stattdessen die AfD angeben. Sie wird darüber entscheiden, worüber besonders laut gestritten wird und was die Menschen auf die Palme bringt. Weil sich die restliche Opposition lieber an der AfD abarbeiten wird, kann das Gift der extremen Rechten ungehindert tiefer in die Gesellschaft vordringen.

Fest steht schon heute: Unser Land wird sich in den nächsten vier Jahren verändern. Wir werden in vier Jahren in einem Land leben, in dem nichts gerechter zugeht, in dem noch mehr Menschen nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen und wo die innere und äußere Sicherheit durch eine wahnwitzige Aufrüstungsspirale noch skrupelloser aufs Spiel gesetzt wird als heute. Vor allem werden wir aber in einem Land leben, in dem demokratische Parteien weiter an Rückhalt verloren und die extreme Rechte als jubelnder Sieger hervorgehen wird.

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Entfremdung auf Raten

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Der Parlamentarismus wird mehr und mehr zu einem Geschäftsmodell, einem attraktiven Arbeitsplatz. Der Fall Christian Lindner zeigt einmal mehr, dass sich viele Abgeordnete und Minister in der exklusiven Politblase einrichten und dabei völlig vergessen, wem sie eigentlich verpflichtet sind. Das setzt eine toxische Spirale in Kraft und Politiker und Wähler entfernen sich immer weiter voneinander. Ein Mehr an direkter Demokratie kann hier nachhaltig Abhilfe schaffen.

Ein verräterisches Dokument

Jetzt also doch: Das Aus der Ampel geht eindeutig auf das Konto von Christian Lindner. Mit einem sauber austarierten Schlachtplan wollten die Liberalen in selten revolutionärer Entschlossenheit die Ampelregierung überwinden. Der Plan scheiterte letztlich daran, dass ihnen sogar die Schnarchnasen von der SPD zuvorkamen. Irgendwie muss Kanzler Scholz von den Plänen Wind bekommen haben – oder er hat einfach nur eingesehen, dass die Fortsetzung der Ampel ein heilloses Desaster für’s Land wäre – und schmiss seinen Finanzminister hochkant aus dem Kabinett.

Allen Unschuldbeteuerungen zum Trotz belegt jetzt das sogenannte D-Day – Papier, wie sich die FDP den Ausstieg aus der allseits verhassten Regierung vorgestellt hat. Mit militärischen Begriffen wie „Überraschungseffekt“ und „offene Feldschlacht“ wollte die FDP dem von den Grünen als „Übergangsregierung“ titulierten Elend endgültig den Garaus machen. Von all dem will der standhafte FDP-Chef nichts gewusst haben. Neuerdings behauptet er sogar, das Ausstiegspapier sei ein Erzeugnis von Praktikanten gewesen.

Ob aus der Feder übereifriger Praktikanten oder auf Anweisung der Parteispitze – noch nie in der Geschichte der Bundesregierung wurde von einer regierungstragenden Partei so abfällig über die eigene Arbeit gesprochen wie mit diesem Papier. Damit tragen die Autoren zweifellos zu einer Unterwanderung einer demokratischen Institution bei – und blasen dabei in das gleiche Horn wie die immer stärker werdenden Extremisten auf der rechten Seite.

Falsches Spiel

Mit seiner strikten Weigerung, politische Verantwortung für diesen beispiellosen Vorgang zu übernehmen, spielt auch Christian Lindner mit dem Feuer. Anstatt sich der Ernsthaftigkeit der Situation zu stellen, beteiligt er sich daran, die Demokratie noch ein Stück lächerlicher zu machen. Die FDP sieht Regieren wohl eher als Spiel, bei dem man sich beleidigt zurückziehen kann, wenn nicht alles nach den eigenen Vorstellungen abläuft.

Es ist bei einer solchen Herangehensweise ausgesprochen ungünstig, wenn man nicht weiß, wann ein Spiel verloren ist. Christian Lindner auf der einen Seite hat vom Exit-Papier nichts gewusst, es nie gelesen und nie in Auftrag gegeben. Sein Ex-Parteifreund Volker Wissing auf der anderen Seite klammert sich mit letzter Kraft an die Macht und darf seit Neuestem gleich zwei Ministerien auf einmal vergeigen. Diese machtpolitische Skrupellosigkeit verpasst dem würdelosen Schauspiel der FDP den letzten Schliff.

Korruption mit Tradition

Wieder einmal zeigen sich zwei Spitzenpolitiker von ihrer schlechtesten Seite. Im Moment der politischen Niederlage interessiert sie nur eines: Wer ist schuld am Zusammenbruch der Regierungskoalition? Sie beweisen damit ein weiteres Mal, wie fremd ihnen die Menschen im Land geworden sind. Denn die meisten von ihnen haben diesen Meta-Streit gehörig satt. Sie sehen in Politikern einen korrupten Haufen, dem Macht und Posten über alles geht.

Die noch amtierende Bundesregierung tut alles, um diesen Eindruck weiter zu verfestigen. Das schlecht inszenierte Ampel-Aus ist dabei nur das vorläufige Ende einer Reihe schwerer persönlicher Verfehlungen. Aber was will man auch von einer Regierung erwarten, deren Chef von leicht durchschaubaren Erinnerungslücken heimgesucht wird? Transparenz wurde bei der Ampel nie großgeschrieben. Die RKI-Files und die Verstrickungen von Herrn Lauterbach in diesen Skandal sprechen eindeutig für sich.

Doch Politiker gelten nicht erst seit Ampel-Tagen als korrupt und unehrlich. Mit ominösen Geldkoffern und Schmiergeldern haben auch schon andere politische Generationen ihre Erfahrungen gemacht. Immer wieder wird davon geredet, solche Fehltritte erschütterten das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Das ist nicht ganz richtig. Sie zerstören den Glauben an sie.

Systemfehler

Politiker werden nicht zufällig korrupt und machtbesessen. Es liegt viel weniger an ihnen als Einzelpersonen; der Fehler ist vielmehr ins System eingewoben. Die meisten Minister, und teilweise selbst Abgeordnete, verfügen über viel zu große Spielräume, die förmlich zu Machtmissbrauch und ungehemmtem Lobbyismus einladen. Die gute Nachricht ist daher: Weil es sich um ein systemisches Problem handelt, lässt es sich ebenso systemisch beheben.

Es fehlt ein klares Gegengewicht zu dieser überwältigenden Machtkonzentration. Wenn die Bürgerinnen und Bürger stärker an den Entscheidungen beteiligt wären, dann fiele es Demokratie-Nestbeschmutzern wie Lindner, Wissing und Lauterbach deutlich schwerer, ihre egoistische Agenda durchzusetzen. Sie wären gezwungen, tatsächlich um ihre Anliegen zu kämpfen und sie vor der Bevölkerung zu rechtfertigen. In erster Linie müssten sie sich dazu aber mit der Lebenswirklichkeit ihrer Wähler auseinandersetzen und könnten dadurch bessere und klügere Entscheidungen treffen.

Die Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite hätten viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Sie würden dafür Sorge tragen, dass die beschlossenen Gesetze eher dem Mehrheitswillen entspricht als das jetzt der Fall ist. Durch direktdemokratische Elemente wie Volksabstimmungen oder -befragungen fühlten sich die Menschen im Land viel stärker mit den getroffenen Entscheidungen verbunden und übernähmen teilweise Verantwortung dafür. Denn auch das ist ein wichtiger Aspekt in einer Demokratie.

Das viel beklagte schwindende Vertrauen in die Demokratie könnte so zumindest gebremst werden. Weil die Wählerinnen und Wähler die Sicherheit hätten, an den Entscheidungen mitgewirkt zu haben, könnten extremistische Kräfte ihnen viel schwerer einreden, sie würden grundsätzlich übergangen werden. Und weil dennoch unterschiedliche Meinungen zum Tragen kämen, wäre aktives Engagement für viele attraktiver.


Seit Monaten gilt es unter Politikern als chic, seine Politik besser zu erklären. Das ist eine sehr einseitige Sichtweise. Es fehlt der Wille, der Gegenseite zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Es findet kein Entgegenkommen mehr statt. Dauert dieser Zustand zu lange an, hören auch die Wähler immer weniger zu und wenden sich schließlich ab. In der Folge richten sich beide Seiten in voneinander abgeschotteten Parallelwelten ein, die echte Demokratie immer schwerer möglich machen.

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Sieg der Wahrheit?

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Es war ein Kampf gegen Wahrheit und Gerechtigkeit. Am 25. Juni 2024 hat Julian Assange diesen Kampf gewonnen. Doch der Preis, den er dafür zu zahlen hatte, war hoch. Der USA ist es gelungen, ein deutliches Exempel zu statuieren. Auch wenn das ganze zwiespältig ausgegangen ist: Vor dem Mut und dem Rückgrat von Julian Assange kann man sich nur verneigen. Und auch die deutsche Bundesregierung hat eine Sorge weniger.

Julian Assange ist frei. Endlich. Nach unglaublichen 1.903 Tagen Gefangenschaft konnte er am 25. Juni 2024 als freier Mann in seine Heimat in Australien zurückkehren. Mehr als fünf Jahre war er im britischen Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh inhaftiert, zuvor saß er mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in Großbritannien fest. Bis zum Schluss war seine Zukunft ungewiss. Ihm drohten bei Auslieferung an die USA bis zu 175 Jahre Haft. Sein Verbrechen: die Wahrheit.

Einsatz für die Wahrheit

Julian Assange hat Schreckliches ans Licht gebracht. Mithilfe seiner Informantin Bradley Manning konnte er belegen, dass US-Soldaten im Irakkrieg aus einem Hubschrauber heraus auf unbewaffnete Zivilisten und Journalisten geschossen und mehrere davon getötet hatten.

Die Enthüllungen von Julian Assange bewiesen das, was viele lange vermutet hatten: Die USA begehen Menschenrechtsverbrechen. Erschreckend war vor allem die Dimension der amerikanischen Kriegsverbrechen. Mit konstruierten Vorwürfen versuchten die USA, den Whistleblower Assange in Misskredit zu bringen. Sie unterschätzten dabei die Welle der Solidarität, die über all die Jahre ungebrochen groß blieb.

Berechtigte Interessen?

Der Prozess wegen Geheimnisverrats war von Anfang an eine einzige Farce. Natürlich hat jedes Land das Recht darauf, bestimmte Dinge unter Verschluss zu halten, damit feindliche Mächte dieses Wissen nicht destruktiv einsetzen können. Ein Gesetz aber so zu deuten, dass es dazu genutzt werden kann, um Verbrechen zu vertuschen oder gar zu ermöglichen, ist eine bemerkenswerte Rechtsauffassung und öffnet Tür und Tor für Willkür und Unrecht. Es ist daher völlig klar: Egal, wie das amerikanische Gericht geurteilt hat: Julian Assange hat kein Verbrechen begangen.

Letztendlich kam es dann doch zum Schuldspruch. Ein Deal mit der amerikanischen Justiz bewahrte Julian Assange vor der lachhaft hohen Haftstrafe. Offenbar hatten die US-Richter begriffen, dass sie keine Chance hatten, die dreistellige Haftstrafe zu verhängen, ohne eine neue Welle der Empörung loszutreten. Deswegen änderten sie ihre Taktik: Nicht mehr die Sühne stand im Vordergrund, sondern der Gesichtsverlust des Angeklagten.

97 Prozent Strafnachlass

Das Geständnis von Julian Assange interpretiert die US-Justiz als Demonstration ihrer eigenen Macht. Sie bringen auch noch so gefeierte Delinquenten zum Gestehen. Seine Überzeugung kann gar nicht so groß sein, wenn er nicht einmal bereit ist, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen. Sie hoffen darauf, dass das Geständnis von Julian Assange von der Weltöffentlichkeit als Einknicken vor den USA aufgefasst wird.

Tatsächlich beweist das abstiegsgefährdete Imperium damit aber ein weiteres Mal seine komplette Hilflosigkeit gegenüber Wahrheit und Gerechtigkeit. Das Gericht war bereit, einen nicht geständigen Angeklagtem mit einer 35-mal höheren Haftstrafe zu belegen. Oder andersrum: Sie gewährten einem geständigen Angeklagten einen Rabatt von satten 97 Prozent. Man muss sich nicht schämen, wenn man dieses Rechtssystem nicht ernstnimmt.

Der Deal beweist aber auch, dass beide Urteile von vornherein feststanden. Entscheidend war nur das Szenario: Geständnis oder nicht? Letztendlich gestand Julian Assange, dass er die US-Verbrechen ans Licht gebracht und damit gegen amerikanisches Recht verstoßen hatte. Er bekannte sich damit zu seinem Handeln – nicht aber zu irgendeiner Schuld.

Maximaler Gesichtsverlust

Julian Assange geht sogar gestärkt aus Angelegenheit hervor – auch wenn die Jahre der Haft deutliche Spuren hinterlassen haben dürfte. Die USA ist indes damit beschäftigt, möglichst gesichtswahrend aus der Nummer rauszukommen. Vielleicht gelingt ihr das sogar. Klar war aber schon lange vor dem Urteil, wer auf jeden Fall ihr Gesicht verloren hat: die deutsche Bundesregierung.

Auch die deutschen Ministerinnen und Minister kritisierten die Inhaftierung und drohende Auslieferung von Julian Assange hier und da – meist, wenn es opportun war. Im Wahlkampf zum Beispiel. Insbesondere die Grünen wetterten im Wahlkampf vor drei Jahren damit, dass Julian Assange unverzüglich aus der Haft zu entlassen wäre. Zur Erinnerung: Das Außenministerium untersteht dieser Partei. Unsere Chefdiplomatin blieb aber auch bei diesem Thema bemerkenswert dünnlippig. Hohles Geschwätz mal wieder, wie vieles andere aus dem Wahlkampf 2021 auch.

In beschämender Art und Weise wurde das Schicksal des Herrn Assange bestenfalls mit Samthandschuhen angefasst. Zu keinem Zeitpunkt wurde in Frage gestellt, dass er in den USA ein faires Verfahren bekommt. Zum Nawalny hat er es in der deutschen Politik nie gebracht. Trotzdem steht die Frage im Raum, ob der Kanzler bereits eine Trauerrede für den mutigen Whistleblower in der Schublade liegenhatte – nur für den Fall, dass auch Julian Assange den „Haftbedingungen“ zum Opfer fällt.


Das Schicksal von Julian Assange ist eine Geschichte der himmelschreienden Ungerechtigkeiten. Es ist gut, dass für ihn das Schlimmste ausgestanden ist. Er kann endlich aufatmen. Genau so wie die USA, die dieses Problem zunächst los ist. Und auch die deutsche Regierung hat Grund zur Erleichterung: Ein weiteres Mal ist es ihr erspart geblieben, Farbe zu bekennen und Verantwortung zu übernehmen. Es ist gut, dass Julian Assange offenbar nie auf die Unterstützung dieser Truppe angewiesen war.

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