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Die Linke zerlegt sich weiter. Wer nach den langen Geburtswehen des BSW dachte, es kann für die Partei nicht mehr schlimmer kommen, wurde mit dem Parteitag in Halle eines Besseren belehrt. Skandalanträge, Parteiaustritte und eine nach wie vor unklare Haltung zum Antisemitismus machen es den letzten linken Urgesteinen denkbar leicht, das sinkende Schiff zu verlassen. Der woke Parteiflügel hat dafür Hochkonjunktur und steuert unerwartet auf Unterstützung aus anderen Kreisen zu.
Es hätte so gut laufen können für Die Linke. Nach dem lang ersehnten Parteiaustritt von Sarah Wagenknecht freuten sich die Genossinnen und Genossen schon auf goldene Zeiten. Endlich war sie weg die ewig Unbeugsame; und viele ihrer Anhänger hat sie gleich mitgenommen. Die Sehnsucht nach Friede, Freude, Eierkuchen war mit dem Parteitag vor einer Woche allerdings endgültig zerplatzt. Er entlarvte Die Linke als eine zutiefst zerstrittene und gespaltene Partei, die sich selbst in Grundsatzfragen längst nicht mehr einig ist.
Eine linke Partei auf Abwegen
Die Zeichen stehen seit langem nicht gut für die einstige Protestpartei. Mit den Wahlergebnissen bei der EU-Wahl und den drei Landtagswahlen im Osten des Landes rutschte der Marktwert der Linken noch weiter ab. Der Parteitag in Halle hat das Fass nun endgültig zum Überlaufen gebracht. Begleitet wurde er von Eklats und Parteiaustritten.
Größter Zankapfel war dabei die Palästinafrage. Der Linken ist es auch in trauter Runde nicht gelungen, sich vom Verdacht des Antisemitismus reinzuwaschen. Während einige offen die israelischen Menschenrechtsverbrechen und einen drohenden Völkermord beklagen, werfen andere ihr konsequentes Nein zu Waffenlieferungen bereitwillig über Bord, um der Antisemitismuskeule zu entgehen. Die Redebeiträge jedenfalls waren teilweise abenteuerlich und lassen sich wohl am besten wie folgt zusammenfassen: Eine angeblich antifaschistische Partei ringt um die richtige Haltung zum Judenhass.
Selbst eine Initiative, die sich eindeutig gegen die Kriegsrhetorik der Bundesregierung und der Union richtet, fand auf dem Parteitag keine Mehrheit mehr. Der Antrag wurde derart entkernt, dass er selbst Waffenlieferungen nicht mehr grundsätzlich ausschloss. Es ist schon erstaunlich, wie schnell bestimmte Kräfte das Zepter übernehmen, kaum sind einige Vernunftbegabte aus der Partei verschwunden.
Hochkonjunktur der Woken
Mittlerweile dämmert es auch mehreren linken Urgesteinen, dass mit dieser Partei kein Stich mehr zu machen ist. Sowohl Gesine Lötzsch als auch Petra Pau haben bekanntgegeben, dass sie bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr kandidieren werden. Klar kann man das auf’s Alter schieben. Es könnte aber auch an dem Kurs der Partei liegen, den diese beiden Verfechterinnen für soziale Gerechtigkeit nicht mehr mittragen können.
Denn eines ist völlig klar: Folgen auch Schwergewichte wie Gregor Gysi und Dietmar Bartsch diesem Beispiel, hat Die Linke wie sie lange Zeit gewählt wurde keine Chance. Zurück blieben die Reichinecks, Racketes und Riexingers, für die der Abbau sozialer Grenzen nötigenfalls hinter moralischen Haltungsnoten in Form von Gendersternchen, Anti-Diskriminierungsinitiativen und Frauenquoten zurücktreten muss. Dabei ist genau das der Kurs, mit dem sich Die Linke überflüssig gemacht hat.
Spaltung macht Schule
Doch es gibt Hoffnung: Denn erst kürzlich hat sich der besonders woke Teil der Grünen ebenfalls von seiner Partei abgespalten. Der komplette Vorstand der grünen Jugend hatte ebenfalls keine Lust mehr auf das, was aus seiner Partei geworden ist. Die zehn Vorstände gaben nicht nur ihre Posten auf, sondern kehrten gleich dem ganzen Verein den Rücken.
Der Riss, der mittlerweile auch durch die grüne Partei geht, ist unübersehbar. Die Jugendorganisation der Grünen steht für eine Parteiströmung, die in der Partei nach wie vor großen Anklang findet. Sollte der Rückzug des Jugendvorstands Schule machen, bleibt von der einstigen Friedenspartei nichts weiter übrig als ein bürgerliches Anhängsel der CDU.
Eine neue linke Partei?
Bei den Linken sollte diese Entwicklung auf großes Interesse stoßen. Immerhin haben sich die dominierenden Parteifunktionäre alle Mühe gemacht, genau diesen Parteiflügel der Grünen immer zu kopieren. Nun haben sie die unerwartete Gelegenheit, ganz nah an ihre Idole heranzurücken. Ertrinkende ziehen andere leicht mit runter, aber in diesem Fall könnte die Rechnung aufgehen.
Mit vereinten Kräften könnten Original und Kopie dem FDP-Schicksal entgehen und gemeinsam auf Wählerfang gehen. Programmatisch würden sie in erster Linie ein hippes Großstadtmilieu ansprechen, dem soziale Gerechtigkeit fast genau so wichtig ist wie Diskriminierungsfreiheit und Klimarettung (in dieser Reihenfolge). Im Prinzip wäre das ein Gewinn für alle Seiten: Die Bündnisgrünen könnten mit der Union ins Bett steigen, ihr abhandengekommener Appendix und die Ex-Sozialisten könnten sich stabil bei 3 Prozent einpendeln und die Truppe um Sarah Wagenknecht könnte weiterhin versuchen, in die Landesregierungen zu kommen. Frei nach Dietmar Bartsch: Das Totenglöckchen der Linken hat schon häufig geläutet.
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