Eine heile Welt

Lesedauer: 8 Minuten

Der Überfall des Osmanischen Reichs auf Großdeutschland hat begonnen. Zumindest könnte man das meinen, wenn man die Kommentare mancher Zuschauerinnen und Zuschauer der tagesthemen liest. Ein abartiges Spektakel hat sich ihnen kurz zuvor geboten: Da empfing sie Moderatorin Pinar Atalay an diesem Abend doch tatsächlich auf Türkisch. Die vielen negativen Reaktionen überraschen leider kaum noch jemanden. Sie sind trotzdem überaus aufschlussreich und offenbaren eine Weltsicht, in der für Fremdes kein Platz ist.

Hier kommt die Maus

Die Maus wird 50. Ein Grund zum Feiern könnte man meinen. Immerhin erklären Maus, Elefant & Co. den kleinen Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern seit 50 Jahren, wie die Welt funktioniert. Die Kiddies erfahren, wie der Joghurt in den Becher kommt, wie ein Flugzeug gebaut wird oder wie man mit einem Dudelsack Musik macht. Ganz coronakonform finden die Feierlichkeiten hauptsächlich auf der Mattscheibe statt, einen großen Festakt gibt es leider nicht. Die ARD hat sich trotzdem einiges ausgedacht, um der Maus einen würdigen 50. Geburtstag zu bereiten.

Am 5. März beispielsweise sagte nicht die bekannte Frauenstimme die tagesthemen um Viertel vor 10 an, sondern Maus-Sprecher Armin Maiwald. Auch Moderatorin Pinar Atalay war nicht allein im Studio. Neben ihr stand eine digital eingefügte orangene Maus, natürlich mit dem charakteristischen Augenklappern. Und auch die Begrüßung von Atalay fiel an diesem Abend anders aus. Statt mit dem routinierten „Guten Abend, meine Damen und Herren“ hieß sie die Zuschauerinnen und Zuschauer dieses Mal auf Türkisch zu den tagesthemen willkommen.

Reflexartige Atemnot

Dieses liebevoll gestaltete Sonder-Intro schlug in den sozialen Medien und in den Kommentaren unter dem YouTube-Video sogleich hohe Wellen. Bestimmte Zuschauerkreise bekamen sogleich Schnappatmung, als es die Moderatorin wagte, die Zuschauer auf der Muttersprache ihrer Eltern zu begrüßen. Die gleichen empörten Zuschauer hätten vermutlich laut applaudiert, hätte man diesen Teil der Sonderbegrüßung weggelassen.

Doch durch diesen geringfügigen türkischen Input fühlten sie sich sofort persönlich angegriffen. Anstatt über dieses wertschätzende Gimmick zu lachen, reduzierten sie Moderatorin Pinar Atalay reflexartig auf das Fremde – was in ihrem Weltbild deckungsgleich mit dem Feindlichen zu sein scheint.

Die Verhaltensweise ist bekannt. Aus den Schubladen kommen Minderheiten nur schwer heraus. Sobald sie etwas tun, was eindeutig in diese Schublade gehört, werden alle anderen Charakterzüge ausgeblendet. Wenn sich zwei Männer auf offener Straße küssen, ziehen sie unter Garantie massenhaft Blicke auf sich. Mancheiner lässt sich auch zu beleidigenden Äußerungen hinreißen. Etwas ähnliches ist Pinar Atalay nun passiert. Ihr Name lässt schon nichts Gutes vermuten. Dass sie die Zuschauer nun tatsächlich auch auf Türkisch ansprach, empfinden manche als bodenlose Unverschämtheit. In ihrer naiven und einfältigen Sicht auf die Dinge, empfinden sie gleich ein Gefühl des Überranntwerdens.

Das Problem der Anderen

Unsere Gesellschaft geriert sich immer gerne als ganz besonders tolerantes Trüppchen. Das gilt in der Praxis dann aber nur, solange es die eigenen Belange nicht berührt. Nach jedem rassistischen Angriff, der in den Nachrichten kommt und nach jedem homophoben Übergriff ist das Entsetzen groß. Die meisten beeilen sich, der Opfergruppe absolute Solidarität zuzusichern und sich von den Taten zu distanzieren. Wie kann es dann sein, dass immer wieder solche Taten passieren, wenn die allermeisten doch so gut und tolerant sind?

Es ist ein Unding, dass sich besonders queere Jugendliche hilfesuchend an Gruppen und Beratungszentren wenden müssen, weil sie im Alltag massiv diskriminiert werden oder ihre Eltern sie sogar rausgeschmissen haben. Das Argument „Mir doch egal, solange sie es nicht vor meinen Augen machen“ erhält hier eine ganz neue Dimension.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Genau davor haben viele Menschen Angst: Dass sich Minderheiten an die Oberfläche trauen, dass sie so leben, wie sie leben möchten und – mit Abstand am schlimmsten – dass sie ihre Rechte einfordern. In den Köpfen vieler Menschen spukt noch immer die Überzeugung herum, dass es vollkommen ausreicht, Minderheiten zu dulden. Mehr ist definitiv nicht verhandelbar. Die Einforderung von Rechten wird als unverschämt interpretiert.

Das war bei vielen Minderheiten schon immer so und bei manchen ist es bis zum heutigen Tage so. Die Arbeitskraft der Gastarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg war eine bequeme Entlastung und hatte maßgeblichen Anteil am schnellen Wirtschaftsaufschwung. Völlig akzeptiert waren diese Arbeiterinnen und Arbeiter aber nie. Viel mehr wurden diese Menschen als Störfaktor in einer Welt verstanden, welche die Gastarbeiter doch eigentlich gar nicht mehr nötig hat. Die oberflächliche Dankbarkeit von gestern schwang in den offenen Hass von heute um. Menschen wie Pinar Atalay bekommen ihn zu spüren, wenn sie es wagen, auch nur für einen kurzen Moment aus der Reihe zu tanzen.

Bei der Ehe für Alle verhält es sich ähnlich. Natürlich werden Schwule und Lesben geduldet. Aber die gleichen Rechte für diese Menschen? No way. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Mehrheit zwischenzeitlich trotzdem für die Einführung queerer Eheschließungen ausgesprochen hat.

Recht auf Rechte

Gleiche Rechte stellen Minderheiten immer auf die gleiche Stufe wie die Mehrheit. Für viele ist das ein Problem. Minderheitenrechte entziehen ihnen eine für sie wichtige Berechtigung, die anderen an der kurzen Leine zu halten. Wie nach Gutsherrenart nehmen sie für sich in Anspruch, darüber entscheiden zu können, wer welche Rechte erhält. Es darf bei Minderheiten aber nicht um die Gewährung irgendwelcher Rechte gehen. Diese Rechte stehen jedem Menschen zu, egal ob das anderen passt oder nicht.

Die Vorenthaltung mancher Rechte ist eine Sache. Sie legitimiert aber auch immer Diskriminierung – zumindest in den Augen der Aggressoren. Vielfach äußert sich das in beleidigenden Äußerungen. Diese verbalen Angriffe sagen allerdings mehr über den Täter und dessen Selbstwertgefühl aus als über das Ziel der sinnlosen Aggression.  Diesen Menschen mangelt es nicht nur an Selbstvertrauen. Sie zweifeln auch an der Standfestigkeit der eigenen Wahrheit, der eigenen Kultur und ihrer gewohnten Umgebung. Ständig rechnen sie mit einem Angriff, der ihre heile Welt ins Wanken bringt. Ein Dialog mit anderen Kulturen auf Augenhöhe ist mit solchen Leuten nicht möglich.

Sie dümpeln lieber in ihrer trostlosen Realität vor sich her, wo die kleinste Banalität ein Erdbeben auslösen kann. Diese persönliche Schwäche ist allumfassend. Sie beschränkt sich nicht nur auf die Angst vor dem Verlust der eigenen Sprache und Kultur, wenn die tagesthemen ausnahmsweise mal etwas anders beginnen. Auch die eigene Sexualität fällt den Minderwertigkeitskomplexen dieser Leute zum Opfer.

Wenn Freiheit fremd ist

Im Umgang mit schwulen Männern lassen viele heterosexuellen Zeitgenossen oft den Spruch fallen: „Solange er nichts von mir will.“ Warum denn eigentlich nicht? Was wäre so schlimm daran? Wäre das nicht sogar der Beweis für die eigene Attraktivität? Man müsste sein Gegenüber natürlich vor den Kopf stoßen, den anderen eventuell verletzen. Aber darum geht es solchen Machos nicht. Die Homosexualität anderer Männer gereicht ihnen bestenfalls zum Zweifel an ihrer eigenen Heterosexualität.

Anscheinend haben solche Typen auch ein grotesk falsches Bild von Schwulen. Sie scheinen ernsthaft zu glauben, dass diese sie jederzeit in einen Hinterhalt locken, sie vergewaltigen und sie dadurch ihrer heiligen Heterosexualität berauben könnten. Ähnlichen Argwohn geben sie anderen Minderheiten zu spüren. Pinar Atalay sprach in der Sprache eines anderen Kulturkreises zu ihnen. Welch hinterlistiger Angriff! Nun müssen sie alles tun, um sich vom Verdacht der türkischen Indoktrination reinzuwaschen.

Die türkische Sprache ist diesen Menschen fremd. Die islamische Kultur ebenso. Vielen wahrscheinlich auch die Vorzüge der orientalischen Küche. Und das ist an sich überhaupt nicht schlimm. Es ist nicht schlecht, manche Dinge nicht zu kennen. Sich so konsequent neuen Eindrücken zu entziehen und immer dichtzumachen, sobald sich das Fremde nähert – das ist nicht gut. Solche Menschen leben in einer Blase, in der sie nie die Gelegenheit haben, frei zu sein und Neues zu erleben. Bis die Blase eines Tages platzt…

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Bessere Zeiten

Lesedauer: 7 Minuten

Freitag, 31. März 2023, 19:59:55…56…57…58…59…

*gong*

Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.

Daaa-da. Da-da-da-daaa! Heute im Studio: Judith Rakers.

Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau.

Verlängerung des Lockdowns

Nach einer erneuten Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder haben sich die Beteiligten auf eine Verlängerung des Lockdowns um vier Wochen verständigt. Das war das Ergebnis nach mehr als sechs Stunden Beratung im Kanzleramt. Erste Geschäftsöffnungen sollen demnach frühestens Ende April möglich sein.

Der derzeitige Weihnachtslockdown ist mit bisher gut vier Monaten ungewöhnlich lange. In den vergangenen Jahren waren zumindest zeitweise vorsichtige Lockerungen ermöglicht worden. Weil die Infektionszahlen seit Wochen zwar stagnieren, aber nicht sinken, ließ man in den vergangenen Monaten gastronomische Betriebe, Kultureinrichtungen und weite Teile des Einzelhandels konsequent geschlossen.

Neuer Impfstoff

In mehreren europäischen Ländern steht ein neuartiger Impfstoff gegen das Coronavirus kurz vor der Zulassung. Das Präparat der deutsch-französischen Firma Bon Triage ist laut Hersteller in so großer Menge verfügbar, dass es innerhalb weniger Wochen an weite Teile der Bevölkerung verimpft werden könne. Kritiker werfen dem Unternehmen eine mangelhafte Teststrategie vor und bezweifeln die Effektivität des Wirkstoffs. Bon Triage selbst verwahrt sich gegen solche Vorwürfe. Das Unternehmen wies darauf hin, dass der neue Impfstoff bei 30- bis 50-jährigen zuverlässig dafür schütze, im Falle einer Corona-Erkrankung den Geruchs- und Geschmackssinn zu verlieren.

Corona-Abschluss an Hochschulen und Universitäten

An mehreren deutschen Hochschulen und Universitäten feierten hunderte Bachelor-Studierende heute ihren Abschluss. Die meisten der Absolventinnen und Absolventen hatten ihr Studium vor drei Jahren zu Beginn des ersten coronabedingten Lockdowns begonnen. Im Gegensatz zu den höheren Semestern sind die heutigen Abgängerinnen und Abgänger nie in den Genuss eines regulären Studienbetriebs gekommen.

In virtuellen Graduierungsfeiern blickten Studierende sowie Professorinnen und Professoren auf drei außergewöhnliche Jahre zurück. Während vor allem die Dekaninnen und Dekane, aber auch vereinzelt Studierendenvertretungen, die gute Organisation des Studiums in der Pandemie lobten, übten verschiedene bildungsnahe Institutionen deutliche Kritik. Gerade einmal 5 Prozent der aktuellen Studierendengeneration konnte ihr Studium in der vorgeschriebenen Regelzeit absolvieren. Fast die Hälfte hatte bereits im Vorfeld aufgegeben.

Neue Virusmutation

In mehreren deutschen Gesundheitszentren wurde innerhalb der letzten 24 Stunden die neue hochansteckende Mutation des Coronavirus nachgewiesen. In insgesamt 428 Fällen von Infektionen handelt es sich um die neue Mutante. Die Mutation mit dem Namen Sars-CovRV:$!794<ß trat erstmalig vor zwei Wochen in Aserbaidschan auf und breitete sich von dort rasend schnell bis nach Europa aus.

Seit Ausbruch der Pandemie vor drei Jahren ist die neue Mutation bereits die 42.322., die Forscher sicher identifizieren konnten. Sie gehen aber von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Fundierte Aussagen bezüglich der Wirksamkeit bisher erforschter Medikamente und Impfstoffe gegen die Mutante können die Forscher noch nicht treffen.

Trumps politische Zukunft

Mit der Ankündigung, im kommenden Jahr wieder zu den Präsidentschaftswahlen anzutreten, hat der frühere US-Präsident Donald Trump ein politisches Beben in den Vereinigten Staaten ausgelöst. Laut eigener Aussage fühlt sich der 76-jährige dazu berufen, die USA aus dem Zustand einer – Zitat – „tiefen politischen Lähmung“ zu befreien.

Die Aussicht auf eine erneute Kandidatur Trumps sorgte besonders bei den Demokraten für Aufruhr. Interimspräsidentin Kamala Harris sprach von einer politischen Katastrophe. Sie merkte an, dass sich das Land keine weiteren vier Jahre mit Trump als Präsident leisten könne. Vertreter des republikanischen Lagers warfen ihr hingegen vor, Trumps Ansage dazu zu missbrauchen, die angespannte politische Lage weiter schlechtzureden. Harris hatte das Präsidentenamt vor vier Wochen interimsweise übernommen, nachdem Präsident Joe Biden plötzlich verstorben war.

Keine Kanzlerkandidatur 2025

Auf der heutigen Pressekonferenz zur Lage der Nation hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrer politischen Zukunft geäußert. Sie kündigte an, bei der Bundestagswahl im Jahr 2025 nicht mehr für das Amt der Regierungschefin anzutreten. Es sei „Zeit für einen politischen Wechsel“, so Merkel wörtlich.

Die Opposition meldete große Zweifel an, dass Merkel das Kanzleramt nach dann insgesamt zwanzig Jahren tatsächlich verlassen würde. Führende Politiker von AfD, FDP und Linkspartei wiesen darauf hin, dass die Frage der Nachfolge Merkels noch völlig ungeklärt sei. Sie befürchten, dass Merkel, wie bereits vor zwei Jahren, die schwere Krise des Lands sowie den Mangel an potentiellen Nachfolgern dazu ausnutzen würde, an der Macht zu bleiben.

Die Union dementierte diese Vorwürfe währenddessen. Mehrere Politiker haben bereits Interesse an Merkels Nachfolge angemeldet, darunter Generalsekretär Philipp Amthor, Gesundheitsminister Jens Spahn sowie BlackRock-Vorstand Friedrich Merz.

Wettervorhersage

Und hier nun die Wettervorhersage für morgen, Samstag den 1. April.

Hoher Luftdruck bestimmt weiterhin unser Wetter und sorgt für klares, aber mitunter eisiges Wetter. Vor allem im Sauerland und in der Eifel wird die Nacht zwar sternenklar, dafür aber klirrend kalt. Die Temperaturen variieren zwischen -17 bis 0 Gad. Am Tag bleibt das Wetter vorerst fast unverändert. Im Nordwesten teilweise zweistellige Minusgrade, am Kaiserstuhl leichte Plusgrade.

In den kommenden Tagen deutet sich ein deutlicher Wetterumschwung an. Bis Dienstag ist mit frühsommerlich warmen Temperaturen zu rechnen, im Raum Köln werden bis zu 35 Grad im Schatten erwartet. Besonders am Wochenende und zu Beginn der nächsten Woche besteht aufgrund des Tauwetters starke Hochwassergefahr. In Teilen Deutschlands wird gleichzeitig vor Waldbränden gewarnt.

Um 23:15 Uhr meldet sich Caren Miosga mit den Tagesthemen. Sie beschäftigt sich heute mit folgenden Themen: Zählfehler bei den Corona-Mutationen? Warum die wahre Zahl an Mutanten weitaus höher liegen könnte. Außerdem führt sie ein Exklusiv-Interview mit SPD-Chef Karl Lauterbach. Der Spitzenpolitiker verrät, wie er seine Partei bei den kommenden Wahlen wieder in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz führen will, aus denen sie vor zwei Jahren ausgeschieden sind.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

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