Lesedauer: 7 Minuten
Die Maske ist die effektivste Schutzmaßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Sie ist aber gleichzeitig die unpopulärste Maßnahme im Kampf gegen die Pandemie. Seit den Lockerungen im Frühjahr ist die Tragedisziplin erneut spürbar zurückgegangen. Keine Mitfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln vergeht, ohne einer Handvoll potentieller Virenschleudern zu begegnen. Obwohl die Maskenverweigerer so offensichtlich eine medizinische Bedrohung darstellen, begegnet man ihnen völlig anders als den Ungeimpften vor einem Jahr. Immer deutlicher wird, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Mit Sinn und Verstand haben beide Szenarien nichts zu tun.
Steigende Zahlen, weniger Masken
Es wird draußen wieder kälter und wie schon in den letzten zwei Jahren gewinnt ein Thema in der kalten Jahreszeit wieder an Bedeutung: Corona. Die Krankenstände in deutschen Betrieben erreichen erneut rekordverdächtige Höhen, es fallen massenhaft Busse und Bahnen aus und auch im privaten Bereich müssen viele Feiern ausfallen. Die deutsche Bevölkerung ächzt unter diesem unsäglichen Comeback der Pandemie. Die Regierung hatte zwar angekündigt, dass der kommende Corona-Winter nicht wieder im Chaos münden würde, die Vorzeichen stehen aber denkbar schlecht.
Die rasant steigenden Fallzahlen passen so gar nicht zu den Bildern, die man in öffentlichen Verkehrsmitteln geboten bekommt. Mit viel Glück steigt man dieser Tage in einen Bus, in dem zumindest ein gutes Drittel der Fahrgäste korrekt eine Maske trägt. Die Beliebtheit dieser Schutzmaßnahme scheint auf ein Allzeittief gesunken zu sein, obwohl das Virus so offensichtlich um sich greift.
Lockerungen ohne Maske
Die nachlassende Disziplin beim Maskentragen ist kein neues Phänomen. Nachdem die Maßnahme besonders in den ersten Pandemiemonaten von fast allen eisern befolgt wurde, ist gerade seit Frühjahr 2022 ein deutlicher Rückgang zu sehen. Es kann kein Zufall sein, dass viele ihre Nasen dann wieder freilegten, als in anderen Bereichen kräftig gelockert wurde.
Überraschend ist dieser Abfall in der Tragedisziplin dennoch. Zwischenzeitlich hat sich die FFP2-Maske in vielen Bereichen etabliert. Sie bietet einerseits einen besseren Schutz als die OP- und Stoffmasken des ersten Pandemiejahres und weist andererseits einen deutlich höheren Tragekomfort auf als ihre Vorgängermodelle. Die Zeiten schmerzender Ohren gehören seit der FFP2-Maskenpflicht der Vergangenheit an.
Trotzdem ließ sich eine breite Akzeptanz der Maßnahme bis heute kaum durchsetzen. Viele Menschen fühlen sich von der Politik verschaukelt, wenn in verschiedenen Verkehrsmitteln unterschiedliche Regeln gelten. Die Politik bemüht sich um wissenschaftliche Erklärungen dafür, kann ihre Entscheidungen aber schon längst nicht mehr vermitteln. An der Beseitigung des Corona-Flickenteppichs ist die Ampelregierung zumindest krachend gescheitert.
Ein strukturelles Problem
Die Maske ist die simpelste und zugleich effektivste Maßnahme zum Infektionsschutz. Anders als bei Ungeimpften ist die potentielle medizinische Gefahr, die von Menschen ausgeht, welche die Maske nicht oder nicht korrekt tragen, auf einen Blick erkennbar. Trotzdem war ein genervtes Augenrollen lange die maximale Ächtung solch unverantwortlichen Handelns. Heute ignorieren die meisten Menschen die Vielzahl an Maskenverweigerern in Bussen und Bahnen und billigen damit eine erneute Ausbreitung des Coronavirus.
Die Maskenverweigerer haben auch deshalb leichtes Spiel, weil die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen – Bedeckung immer laxer durchgesetzt wird. Man kann Zugbegleitern eigentlich keinen Vorwurf machen, wenn sie nach mehr als zweieinhalb Jahren keine Lust mehr haben, sich mit Covidioten und Querdenkern anzulegen. Wenn das Nichttragen der Maske allerdings lediglich mit einer unverbindlichen Information zum Bußgeldkatalog quittiert wird und manche maskenlosen Fahrgäste danach unbehelligt ihre Fahrt fortsetzen dürfen, liegt offensichtlich ein strukturelles Problem vor.
Spießrutenlauf
Während Maskenverweigerer in den letzten Monaten geradezu hofiert wurden, hatten Ungeimpfte Ende 2021 ein schweres Los gezogen. Monatelang hatten sie keinen Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Essengehen, Kino und Shoppen war für sie gestrichen. Politik und Medien schürten eine feindselige Stimmung gegen jeden, der sich der Impfung verweigerte, unabhängig von den individuellen Beweggründen. Die ARD strahlte im November 2021 einen hetzerischen Beitrag von Sarah Frühauf aus, der einen direkten Zusammenhang zwischen Impfstatus und Krankenhausbelegung herstellte und den gesellschaftlichen Unfrieden weiter anheizte.
Obwohl wissenschaftlich längst nachgewiesen ist, dass die Maske einen deutlich besseren Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus bietet als die Impfung, glauben manche noch immer, die Impfpflicht würde die akute Pandemie beenden. Doch auch diese Menschen können inzwischen nicht mehr die Augen davor verschließen, dass die Stärke der Impfung in der Abmilderung möglicher Krankheitsverläufe liegt und nicht in der Infektionsprävention.
Ohne Sinn und Verstand
Wieder einmal hat sich die Bequemlichkeit durchgesetzt. Die Impfung ist in den meisten Fällen nichts weiter als ein kleiner Pieks, dem sich immer seltener Reaktionen wie Schüttelfrost oder Fieber anschließen. Die Maske allerdings ist unbequem, sie muss täglich mehrfach auf- und wieder abgesetzt werden und sie wird als störend empfunden. Als Schutzmaßnahme war sie von Beginn an unpopulär.
Nüchtern und rational betrachtet macht es überhaupt keinen Sinn, Impfverweigerer einerseits zu ächten und Maskenverweigerern andererseits sprichwörtlich den roten Teppich auszurollen. Die Impfung bietet bei höherem Risiko einen deutlich geringeren Schutz vor einer Ansteckung als die Maske. Eine korrekt anliegende Mund-Nasen – Bedeckung hingegen weist fast überhaupt kein nennenswertes gesundheitliches Risiko auf und schützt äußerst zuverlässig vor einer Infektion.
Auch wenn Impfschäden oder sogar Todesfälle in Zusammenhang mit der Impfung die absolute Ausnahme sind, ist dieses Risiko real. Es ist ein Unding, Menschen zu drangsalieren, welche dieses Risiko für einen äußerst unsteten Infektionsschutz nicht eingehen wollen, insbesondere wenn sie aufgrund ihrer medizinischen Verfassung sowieso einem geringeren Risiko ausgesetzt sind, im Falle einer Coronainfektion schwer oder gar tödlich zu erkranken.
Bequeme Verblendung
Das zweierlei Maß bei der Behandlung von Impfverweigerern und Maskenverweigerern hält dem Realitätscheck nicht stand. Ausschlaggebend beim Frust gegen Ungeimpfte waren sicherlich auch die falschen Versprechungen aus Politik und Forschung. So sprach man lange Zeit von einem weitreichenden Freedom Day, wenn sich genügend Menschen haben impfen lassen. Die vielgepriesene Herdenimmunität ist heute zum Glück kein Thema mehr.
Das Zusammenspiel von Impfung und Maske ist eine logische Katastrophe. Während sich die Mehrheit bei der Impfung mit ihrer besonders generösen Solidarität gegenüber ihren Mitmenschen brüstet, pfeift sie bei der Durchsetzung der Maskenpflicht auf diese Rücksichtnahme. Der bisherige Pandemieverlauf hat einmal mehr gezeigt, wie leicht manipulierbar Gesellschaften sind und wie einfach es für die menschliche Bequemlichkeit ist, offensichtliche logische Zusammenhänge über Bord zu werfen.