Roter Teppich für Gefährder

Lesedauer: 7 Minuten

Die Maske ist die effektivste Schutzmaßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Sie ist aber gleichzeitig die unpopulärste Maßnahme im Kampf gegen die Pandemie. Seit den Lockerungen im Frühjahr ist die Tragedisziplin erneut spürbar zurückgegangen. Keine Mitfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln vergeht, ohne einer Handvoll potentieller Virenschleudern zu begegnen. Obwohl die Maskenverweigerer so offensichtlich eine medizinische Bedrohung darstellen, begegnet man ihnen völlig anders als den Ungeimpften vor einem Jahr. Immer deutlicher wird, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Mit Sinn und Verstand haben beide Szenarien nichts zu tun.

Steigende Zahlen, weniger Masken

Es wird draußen wieder kälter und wie schon in den letzten zwei Jahren gewinnt ein Thema in der kalten Jahreszeit wieder an Bedeutung: Corona. Die Krankenstände in deutschen Betrieben erreichen erneut rekordverdächtige Höhen, es fallen massenhaft Busse und Bahnen aus und auch im privaten Bereich müssen viele Feiern ausfallen. Die deutsche Bevölkerung ächzt unter diesem unsäglichen Comeback der Pandemie. Die Regierung hatte zwar angekündigt, dass der kommende Corona-Winter nicht wieder im Chaos münden würde, die Vorzeichen stehen aber denkbar schlecht.

Die rasant steigenden Fallzahlen passen so gar nicht zu den Bildern, die man in öffentlichen Verkehrsmitteln geboten bekommt. Mit viel Glück steigt man dieser Tage in einen Bus, in dem zumindest ein gutes Drittel der Fahrgäste korrekt eine Maske trägt. Die Beliebtheit dieser Schutzmaßnahme scheint auf ein Allzeittief gesunken zu sein, obwohl das Virus so offensichtlich um sich greift.

Lockerungen ohne Maske

Die nachlassende Disziplin beim Maskentragen ist kein neues Phänomen. Nachdem die Maßnahme besonders in den ersten Pandemiemonaten von fast allen eisern befolgt wurde, ist gerade seit Frühjahr 2022 ein deutlicher Rückgang zu sehen. Es kann kein Zufall sein, dass viele ihre Nasen dann wieder freilegten, als in anderen Bereichen kräftig gelockert wurde.

Überraschend ist dieser Abfall in der Tragedisziplin dennoch. Zwischenzeitlich hat sich die FFP2-Maske in vielen Bereichen etabliert. Sie bietet einerseits einen besseren Schutz als die OP- und Stoffmasken des ersten Pandemiejahres und weist andererseits einen deutlich höheren Tragekomfort auf als ihre Vorgängermodelle. Die Zeiten schmerzender Ohren gehören seit der FFP2-Maskenpflicht der Vergangenheit an.

Trotzdem ließ sich eine breite Akzeptanz der Maßnahme bis heute kaum durchsetzen. Viele Menschen fühlen sich von der Politik verschaukelt, wenn in verschiedenen Verkehrsmitteln unterschiedliche Regeln gelten. Die Politik bemüht sich um wissenschaftliche Erklärungen dafür, kann ihre Entscheidungen aber schon längst nicht mehr vermitteln. An der Beseitigung des Corona-Flickenteppichs ist die Ampelregierung zumindest krachend gescheitert.

Ein strukturelles Problem

Die Maske ist die simpelste und zugleich effektivste Maßnahme zum Infektionsschutz. Anders als bei Ungeimpften ist die potentielle medizinische Gefahr, die von Menschen ausgeht, welche die Maske nicht oder nicht korrekt tragen, auf einen Blick erkennbar. Trotzdem war ein genervtes Augenrollen lange die maximale Ächtung solch unverantwortlichen Handelns. Heute ignorieren die meisten Menschen die Vielzahl an Maskenverweigerern in Bussen und Bahnen und billigen damit eine erneute Ausbreitung des Coronavirus.

Die Maskenverweigerer haben auch deshalb leichtes Spiel, weil die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen – Bedeckung immer laxer durchgesetzt wird. Man kann Zugbegleitern eigentlich keinen Vorwurf machen, wenn sie nach mehr als zweieinhalb Jahren keine Lust mehr haben, sich mit Covidioten und Querdenkern anzulegen. Wenn das Nichttragen der Maske allerdings lediglich mit einer unverbindlichen Information zum Bußgeldkatalog quittiert wird und manche maskenlosen Fahrgäste danach unbehelligt ihre Fahrt fortsetzen dürfen, liegt offensichtlich ein strukturelles Problem vor.

Spießrutenlauf

Während Maskenverweigerer in den letzten Monaten geradezu hofiert wurden, hatten Ungeimpfte Ende 2021 ein schweres Los gezogen. Monatelang hatten sie keinen Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Essengehen, Kino und Shoppen war für sie gestrichen. Politik und Medien schürten eine feindselige Stimmung gegen jeden, der sich der Impfung verweigerte, unabhängig von den individuellen Beweggründen. Die ARD strahlte im November 2021 einen hetzerischen Beitrag von Sarah Frühauf aus, der einen direkten Zusammenhang zwischen Impfstatus und Krankenhausbelegung herstellte und den gesellschaftlichen Unfrieden weiter anheizte.

Obwohl wissenschaftlich längst nachgewiesen ist, dass die Maske einen deutlich besseren Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus bietet als die Impfung, glauben manche noch immer, die Impfpflicht würde die akute Pandemie beenden. Doch auch diese Menschen können inzwischen nicht mehr die Augen davor verschließen, dass die Stärke der Impfung in der Abmilderung möglicher Krankheitsverläufe liegt und nicht in der Infektionsprävention.

Ohne Sinn und Verstand

Wieder einmal hat sich die Bequemlichkeit durchgesetzt. Die Impfung ist in den meisten Fällen nichts weiter als ein kleiner Pieks, dem sich immer seltener Reaktionen wie Schüttelfrost oder Fieber anschließen. Die Maske allerdings ist unbequem, sie muss täglich mehrfach auf- und wieder abgesetzt werden und sie wird als störend empfunden. Als Schutzmaßnahme war sie von Beginn an unpopulär.

Nüchtern und rational betrachtet macht es überhaupt keinen Sinn, Impfverweigerer einerseits zu ächten und Maskenverweigerern andererseits sprichwörtlich den roten Teppich auszurollen. Die Impfung bietet bei höherem Risiko einen deutlich geringeren Schutz vor einer Ansteckung als die Maske. Eine korrekt anliegende Mund-Nasen – Bedeckung hingegen weist fast überhaupt kein nennenswertes gesundheitliches Risiko auf und schützt äußerst zuverlässig vor einer Infektion.

Auch wenn Impfschäden oder sogar Todesfälle in Zusammenhang mit der Impfung die absolute Ausnahme sind, ist dieses Risiko real. Es ist ein Unding, Menschen zu drangsalieren, welche dieses Risiko für einen äußerst unsteten Infektionsschutz nicht eingehen wollen, insbesondere wenn sie aufgrund ihrer medizinischen Verfassung sowieso einem geringeren Risiko ausgesetzt sind, im Falle einer Coronainfektion schwer oder gar tödlich zu erkranken.

Bequeme Verblendung

Das zweierlei Maß bei der Behandlung von Impfverweigerern und Maskenverweigerern hält dem Realitätscheck nicht stand. Ausschlaggebend beim Frust gegen Ungeimpfte waren sicherlich auch die falschen Versprechungen aus Politik und Forschung. So sprach man lange Zeit von einem weitreichenden Freedom Day, wenn sich genügend Menschen haben impfen lassen. Die vielgepriesene Herdenimmunität ist heute zum Glück kein Thema mehr.

Das Zusammenspiel von Impfung und Maske ist eine logische Katastrophe. Während sich die Mehrheit bei der Impfung mit ihrer besonders generösen Solidarität gegenüber ihren Mitmenschen brüstet, pfeift sie bei der Durchsetzung der Maskenpflicht auf diese Rücksichtnahme. Der bisherige Pandemieverlauf hat einmal mehr gezeigt, wie leicht manipulierbar Gesellschaften sind und wie einfach es für die menschliche Bequemlichkeit ist, offensichtliche logische Zusammenhänge über Bord zu werfen.

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Ein Kartenhaus

Lesedauer: 6 Minuten

Viele Menschen sind zwischenzeitlich geimpft, der Inzidenzwert sinkt stetig. Erfreuliche Entwicklungen, könnte man meinen. Die Sache hat nur einen Haken: Für Geimpfte entfällt die Testpflicht. Was für viele eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, bereitet anderen große Sorgen. Wenn Infektionen trotz Impfung möglich sind, bedeutet das, dass wiederum viele Infizierte unerkannt bleiben. Perfekter Nährboden für Mutationen also. Eine andauernde Testpflicht für Geimpfte könnte dem vorbeugen.

Immer mehr Menschen kann in der Zwischenzeit ein Impfangebot gemacht werden. In der Diskussion sind nun auch Impfungen für Kinder. Über den in Frage kommenden Impfstoff ist man sich noch nicht einig, aber immerhin scheint die Impfkampagne auch in Deutschland endlich in vollem Gange zu sein. Für viele ein erfreuliches Zeichen: Seit Wochen sind die Inzidenzzahlen und die gemeldeten Neuinfektionen rückläufig. Die Politik nimmt das zum Anlass, mehr und mehr Beschränkungen zurückzunehmen. So begrüßenswert diese Entwicklungen sind, so verantwortungslos bleibt die naive Fixierung auf den Inzidenzwert.

Höhen und Tiefen

Diese Zahl ist abhängig von den gemeldeten Neuinfektionen innerhalb einer definierten Gruppe und innerhalb eines festgelegten Zeitraums. Momentan ist das die Anzahl der Neuinfizierten unter 100.000 Einwohnern in sieben Tagen. Sie gibt also nur Aufschluss über die gegenwärtige Infektionslage – und auch das nur unter den gegebenen Testvoraussetzungen. Mehr als eine Momentaufnahme ist die Inzidenzzahl nicht. Geeignet, um eine fundierte Aussage zu Infektiosität oder Gefährlichkeit des Virus zu treffen, ist sie bestenfalls, wenn umfassend getestet wird.

Das war seit Jahresbeginn immer mehr der Fall. Seit die Schnelltests für die Bevölkerung frei erhältlich sind und seitdem sich immer mehr Menschen impfen lassen können, wird am laufenden Band getestet. Bei einem hochinfektiösen Virus wie SARS-Cov-2 verwundert es wenig, dass bei höherer Testkapazität eine deutlich höhere Zahl der Tests positiv ausfällt. Immerhin ist ein Corona-Test fester Bestandteil der Impfprozedur. Wenn bestimmte Bereiche nur mit vollständiger Impfung oder negativem Test zugänglich sind, erhöht dies die Zahl der positiven Tests zusätzlich.

Relativ ungenau

Bevor es diese Zugangsbeschränkungen gab, fielen viele symptomlose Infizierte schlicht aus dem Raster. Da immer mehr Menschen vollständig geimpft sind, entfällt für sie die Pflicht, sich regelmäßig testen zu lassen. Sollten sie also trotz Impfung Corona-positiv sein, bleibt das ohne einschlägige Symptome unerkannt. Da sich die Hinweise verdichten, dass die Impfstoffe besonders gut gegen schwere Krankheitsverläufe helfen, also gegen bekannte Symptome, befördert das den Trend.

Die Inzidenzzahl als Richtwert für die Gefährlichkeit des Virus eignet sich also bestenfalls, wenn die meisten Menschen noch nicht geimpft sind. Das ändert sich derzeit rapide. Wenn die Bevölkerung zu einem hohen Anteil durchgeimpft ist, kann die Inzidenz keine ausschlaggebende Grundlage für Anti-Corona – Maßnahmen mehr sein. Es wäre von Anfang an besser gewesen, man hätte die Auslastung der Intensivbetten oder die Anzahl der Todesfälle als Indikator für die Gefährlichkeit des Virus zugrundegelegt. Auch das wäre natürlich nur dann zielführend gewesen, hätte man einen Großteil der Bevölkerung getestet. Und natürlich hätte man das ganze nicht von der Gesamtkapazität an entsprechenden Betten in den Kliniken abhängig machen dürfen. Denn jeder weiß, wie schlecht es um die Ausstattung in deutschen Krankenhäusern bestellt ist.

Unbehelligt infiziert

Es steht zu befürchten, dass mit fortschreitender Impfkampagne die Testkapazitäten nach und nach abgebaut werden. Wenn für Geimpfte keine Testpflicht besteht und eine große Zahl an Menschen bereits geimpft ist, wäre die Aufrechterhaltung von Testmöglichkeiten im großen Stil ein einziges Verlustgeschäft. Nach allem, was wir wissen, scheinen die Impfstoffe vorrangig schweren Krankheitsverläufen vorzubeugen. Selbst bei Risikopatienten können dadurch Symptome ganz ausbleiben. Für die Betroffenen ist das natürlich eine gute Nachricht. Solange ungeklärt ist, ob die Wirkstoffe auch gegen Infektionen schützen, bleiben viele zumindest vor einer schweren Erkrankung verschont.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Infektionen bei den vielen Symptomlosen unerkannt bleiben. Man muss kein Virologe sein, um zu erkennen, dass dieser Schuss nach hinten losgehen kann. Wenn die Infektionen wie bereits im Frühjahr 2020 größtenteils im Verborgenen stattfinden, mutiert das Virus unter Umständen munter vor sich hin. Würde man die Testpflicht auch für Geimpfte aufrechterhalten, könnten solche Mutationstendenzen eventuell frühzeitig erkannt werden.

Sicherheit im Kartenhaus

Eine anhaltende Testpflicht für Geimpfte hätte noch weitere Vorteile im Kampf gegen die Pandemie. Als die Pandemie vor etwa anderthalb Jahren ausbrach, da riefen viele reflexartig nach einem Impfstoff. Es steht außer Frage, dass geeignete Impfstoffe ein äußerst probates Mittel im Kampf gegen schwere Krankheiten sind. Und natürlich ist es erfreulich, dass die Wissenschaft so intensiv an einem Vakzin geforscht haben – eine Wahl hatte sie ehrlicherweise aber sowieso nicht. Trotzdem darf man nie vergessen, dass ein Präparat nach einigen Monaten unmöglich vollständig erforscht sein kann.

Verlässliche Aussagen zu Wirksamkeit, Wirkweise und Wirkdauer sind nach so kurzer Testung schlicht nicht möglich. Die akute Lage machte eine schnelle Zulassung allerdings dringend nötig. Man muss sich nun aber damit abfinden, dass wir auch nach der Zulassung der Impfstoffe weiterhin in einer groß angelegten Testphase stecken. Die fortschreitende Impfkampagne kann Aufschluss darüber geben, wie wirkungsvoll die zugelassenen Präparate sind und was sie gegen die Krankheit tatsächlich ausrichten. Die Aussetzung der Testpflicht für geimpfte Personen ist dabei eine vertane Chance. Man gaukelt den Menschen Sicherheit vor, die auf bloßen Annahmen fußt. Eine Impfkampagne ohne Testpflicht ist wie ein Kartenhaus, das einer vierten Welle nicht standhalten wird.


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Mehr Pflichten, mehr Rechte

Lesedauer: 8 Minuten

Der Impfstoff steht noch lange nicht allen Menschen zur Verfügung, da wird schon darüber diskutiert, was eine Impfung bedeutet – und was mit Nicht-Geimpften passieren soll. Die Palette reicht von dringenden Aufrufen über Sonderrechte für Geimpfte bis hin zu einer staatlich verordneten Impfpflicht. Viele dieser Debatten kommen viel zu früh und werden zudem völlig unreflektiert und kopflos geführt. Besonders etwaige Sonderrechte für Geimpfte öffnen die Hintertür für eine inoffizielle Impfpflicht.

Verfrühte Debatten

Eigentlich kann es zwischenzeitlich keiner mehr hören: Corona, Corona, Corona. Und doch gibt es immer jemanden, der noch eins draufsetzt. Vor wenigen Wochen war das noch der Bundesaußenminister Heiko Maas, der als völlig Fachfremder in den Kanon der Gastronomie einstieg und Sonderrechte für Geimpfte erwog. Diesen Vorfall konnte man vielleicht noch leicht abtun und schnell wieder zu den Akten legen. Die Entscheidung über solche Sonderrechte fiel schließlich nicht ins Ressort des Außenministers. Nun aber hat auch die Bundeskanzlerin sehr ähnliche Töne angeschlagen. In einem Interview mit der ARD gab sie unumwunden zu, dass auch sie Sonderrechte für bereits Geimpfte befürwortete.

Längst hat sich auch der Deutsche Ethikrat in diese Debatte eingeschaltet. Er betonte, dass er einer solchen Diskussion generell sehr skeptisch gegenübersteht. Außerdem verwiesen die Abgesandten darauf, dass solche Überlegungen viel zu früh kämen. Solange die Wirksamkeit und auch die Langzeitfolgen der neuartigen Impfstoffe nicht hinreichend erforscht wären, würde man der Pandemiebekämpfung eher schaden als nützen. Nach wie vor steht die Effektivität der Präparate in Zweifel. Es verdichten sich die Hinweise, dass die Wirkstoffe lediglich den Verlauf der Krankheit beeinflussen und auch die Weitergabe der Viren nicht effektiv eindämmen. Erst wenn alle diese Fragen geklärt wären, könnte man Sonderrechte zur Debatte stellen. Bereits im Vorfeld hatte sich der Rat gegen eine Impfpflicht positioniert.

Widerlegen statt rechtfertigen

Mit seiner Einschätzung hat der Ethikrat natürlich recht. Das Problem liegt allerdings noch tiefer. Die gesamte Diskussion über den Impfstoff läuft falschherum. Immer wieder wird die Wirksamkeit des neuen Stoffs spielend leicht in Frage gestellt. Es gibt in diesem Land vermutlich nur noch wenige Menschen, die ernsthaft davon ausgehen, dass der Impfstoff auch vor Infektionen schützt. Eigentlich müsste es doch so sein, dass die Forschung einen oder mehrere Präparate vorstellt und sich glaubhaft für deren Wirksamkeit verbürgt. Natürlich gäbe es auch dann den ein oder anderen Skeptiker, der seine Zweifel öffentlich kundtut. Die Wissenschaft könnte aber dann mit Argumenten und fundierten Erkenntnissen dagegenhalten. Momentan kann die Wissenschaft die Zweifel nicht entkräften. Sie ist in einer Rechtfertigungsposition, nicht in einer Widerlegungsposition.

Dazu kommt, dass die neuen Impfstoffe sehr zügig auf den Markt kamen. Schneller als jemals zuvor ist es Forschern gelungen, ein Vakzin zu entwickeln, dass nach Abschluss der ersten Forschungsphasen einen guten Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf bietet. Es ist wenig verwunderlich, dass die Forscher dabei so schnell waren, schließlich ist die Pandemie eine ernstzunehmende Gefahr. Die Langzeitfolgen des Impfstoffs konnten in dieser Zeit aber nicht erforscht werden. Es scheint beinahe so, als würden wir uns weiterhin in einer Forschungsphase befinden.

Wem gehört der Impfstoff?

Trotzdem ist es richtig, den Impfstoff bereits jetzt an solche Menschen zu verimpfen, die ein hohes Risiko haben, schwer an Corona zu erkranken. Das ändert allerdings nichts an den teilweise schrillen Tönen der Skeptiker und Impfgegner. Einige von ihnen mögen total wirr im Kopf sein, bei anderen ist die Skepsis wenig verwunderlich. Immerhin hat die Politik ihnen in den letzten Jahren reichlich Grund für Misstrauen gegeben.

Immer wieder mussten die Menschen erleben, dass gerade in Gesundheitsfragen selten das Wohlergehen der Patienten das Handeln bestimmte. Da ist die Privatisierung des Gesundheitswesens, die viele Krankenhäuser bankrottgehen ließ. Besonders privat versicherte Patienten erhalten Behandlungen, die medizinisch überhaupt nicht notwendig sind. Alles, um die Bilanz aufzupolieren. Und dann ist da noch der unsägliche Streit über die Patente der Impfstoffe. Wenn es der Pharmaindustrie wirklich um die Gesundheit der Menschen ginge, dann würde sie sich bei der Veröffentlichung der Patente nicht so beknien lassen. Natürlich ruft ein solches Verhalten Argwohn hervor. Wo liegen die wirklichen Interessen der Pharmakonzerne? Absolut legitim ist auch die Frage, warum nicht mit der gleichen Inbrunst an Medikamenten gegen schwere Covid-Verläufe geforscht wurde. Ein Schelm, wer hier Profitinteresse vermutet.

(K)ein Herz für Gastronomen

Die Debatte um Sonderrechte für Geimpfte entspringt übrigens nicht originär der Regierung oder der Politik. Angestoßen wurde sie von der Gastronomie und Kultureinrichtungen, die von der Krise schwer gebeutelt sind. Härter als viele andere Wirtschaftsbereiche hat die Krise sie getroffen. Über Wochen und Monate waren und sind sie gezwungen, den Betrieb einzustellen und auf Umsätze zu verzichten. Das fehlende Geld wird von den staatlichen Hilfen entweder nur teilweise kompensiert oder es kommt viel zu spät an. Man kann es diesen Branchen nicht verübeln, dass sie nach anderen Wegen suchen, Umsatz zu generieren.

Anstatt aber bei den versprochenen Coronahilfen kräftig nachzubessern und wirklich die zu unterstützen, die Hilfe am dringendsten nötig haben, springt manch ein übermotivierter Außenminister, und jetzt auch noch die Kanzlerin, auf den Zug der Sonderrechte mit auf. Mit keiner Silbe erwägen diese Politiker, dass der Lockdown in der jetzigen Form vielleicht sein Ziel verfehlt. Wir haben Winter und es ist kalt. Die Zahlen sprangen aber besonders am Ende des letzten Jahres so explosionsartig in die Höhe, dass man sich schon fragt, wie das bei geschlossenen Restaurants und Kinos überhaupt möglich ist.

Impfpflicht durch die Hintertür

Auf jeden Fall gibt es genügend Gastronomen, die nun Einlassbeschränkungen abhängig vom Impfstatus der Gäste erwägen. Sie begründen das mit dem Schutz ihrer Beschäftigten. Dieses Argument ist aber ebenso scheinheilig wie entlarvend. Eine solche Praxis würde doch zwangsläufig zu einer großflächigen Impfpflicht führen – nicht nur für die Gäste solcher Einrichtungen. Die jetzt freigegeben Impfstoffe schützen nämlich nicht vor einer Weitergabe der Viren. Auch Geimpfte können ansteckend sein. Um auch das Personal vor schweren Erkrankungen zu schützen, ist also auch eine Impfung der Mitarbeiter notwendig. Was für Gäste gilt, gilt also auch für die Belegschaft: Bist du nicht geimpft, dann kommst du nicht rein.

Hier wird also gezielt eine Impfpflicht durch die Hintertür installiert. Wer seinen Job behalten möchte, der sollte besser zur Impfung gehen. Den Beschäftigten wird dazu in vielen Fällen ein schlechtes Gewissen eingeredet. Man stellt sie als verantwortungslose Virenschleudern hin, die der Ausbreitung des Virus angeblich enormen Vorschub leisten. In vielen Pflegeeinrichtungen ist diese Vorgehensweise inzwischen Gang und Gäbe.

Nie wieder Kneipe?

Und was passiert eigentlich mit Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können? Wenn sie beispielsweise den Wirkstoff nicht vertragen? Dürfen solche Menschen dann nie wieder in die Kneipe? Erhalten sie dann ein lebenslanges Berufsverbot? Das gesamte System hinkt hinten und vorne, weil es nur dann Sinn machen würde, wenn der Impfstoff zuverlässig vor Infektionen schützen würde und klare Regeln für Ausnahmefälle vorliegen würden.

In ihrer derzeitigen Form sind sämtliche Corona-Impfstoffe lediglich vorbeugende Medikamente, die vor schweren Krankheitsverläufen schützen. Das macht das Virus zwar kurzzeitig beherrschbarer, dämmt eine Ausbreitung aber nicht effektiv ein. Die jetzige Taktik kann das Gesundheitssystem entlasten, führt aber unter Umständen zu noch mehr gefährlichen Mutationen, vor denen die jetzigen Impfstoffe nicht mehr schützen könnten. Vielleicht ist es ein Fehler, so viel Hoffnungen in die Impfungen zu stecken. Vielleicht wäre es besser, gezielt Medikamente zu entwickeln, auf die alle die zugreifen können, die wider Erwarten schwer an Corona erkranken.


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