Die Krisenmacher

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Die unbeliebteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik tritt ab. Doch wer glaubt, die unsägliche Hängepartie hätte mit dem Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ein Ende, irrt gewaltig. Die Vertrauensfrage wird erst kurz vor Weihnachten gestellt, der Kanzler hätte sie gerne noch weiter hinausgezögert. Selbst in der Niederlage zeigt sich die Reste-Ampel von ihrer wählerfeindlichsten Seite. Ohne Rücksicht auf Verluste setzt sie das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie auf’s Spiel.

Ein Ende mit Schrecken?

Worauf sehr viele Menschen im Land gewartet haben, ist nun eingetreten: Die Ampelregierung ist Geschichte. Mit der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) endet ein knapp dreijähriges Trauerspiel. Auch bei ihrem letzten Akt zeigt sich die scheidende Bundesregierung gewohnt taktlos: Keine 24 Stunden war es her, dass Donald Trump erneut Präsident der USA wurde, da trat Kanzler Scholz vor die Kameras und erklärte in seltener Entschlossenheit das Aus für sein Bundeskabinett.

Auch die Art und Weise, wie das Ende dieser trostlosen Verbindung vonstattenging, überraschte selbst Polit-Experten. Seit Wochen und Monaten hauten die Liberalen auf den Putz und forderten eine Einigung beim quälenden Streit um den nächsten Bundeshaushalt. Es war aber nicht Finanzminister Lindner, der in charakteristischer Bockigkeit die Reißleine zog. Ihm zuvor kam der stets sedierte Bundeskanzler, der ihm sprichwörtlich die Tür wies.

Vertrauensfrage irgendwann

Wer nun aber glaubte, die Bundesregierung hätte eine Erleuchtung erlebt, der wurde bald eines Besseren belehrt. Nachdem der Bundeskanzler vor laufenden Kameras einen regelrechten Rosenkrieg vom Zaun gebrochen hatte – schuld war natürlich Herr Lindner allein – kam er endlich auf das zu sprechen, weswegen die meisten so geduldig vor den Bildschirmen ausgeharrt hatten. Doch auch hier wusste der Noch-Kanzler gehörig zu enttäuschen.

Die logische Folge des Auseinanderbrechens seiner Regierung ist für ihn nämlich nicht eine rasche Rückkehr zu geordneten Verhältnissen. Er will den Rest des Jahres lieber damit verbringen, mit seiner selbstverschuldeten Minderheitsregierung zu retten, was zu retten ist. Für ihn haben die „drängendsten“ Themen nun oberste Priorität. Wie er diese ohne eigene Mehrheit und eine zu erwartende Blockadehaltung von Union und FDP durchsetzen will, weiß vermutlich nicht mal er selbst.

Indem er die Vertrauensfrage am liebsten auf den Sankt-Nimmerleins – Tag verschieben würde, verhöhnt Olaf Scholz ein weiteres Mal Parlament und Wähler. In selbstherrlicher Manier inszeniert er sich als der Macher, dem jetzt gelingen soll, woran ihn die FDP immer gehindert hat. Dabei zeigen die Umfragewerte seit Langem, dass die Bevölkerung die von Olaf Scholz angeführte Regierung satthat. Mittlerweile wird der Kanzler sogar von Parteigenosse Pistorius in der Beliebtheitsskala in den Schatten gestellt. Selbst an der Parteibasis rumort es angesichts der K-Frage. Wie kann diese glücklose Figur es wagen, der Bevölkerung ihren Anspruch auf eine stabile Regierung vorzuenthalten?

Opportunist mit Format

Den Preis für fortgeschrittene Arroganz und Überheblichkeit wird Olaf Scholz trotzdem nicht gewinnen. Dieser ist schon fest für Verkehrs- und neuerdings auch Justizminister Volker Wissing reserviert. Anstatt in der Niederlage Rückgrat zu beweisen und es seinen Parteifreunden gleichzutun und sein Ministeramt niederzulegen, klebt er so fest an seinem Stuhl wie sonst nur Klimakleber auf der Straße es tun.

Er opfert dafür sogar sein Parteibuch und wirft damit einen üblen Schatten auf alle anderen Politiker in Spitzenpositionen. Mit seinem Verbleib in der Bundesregierung untergräbt er die Glaubwürdigkeit der Politik und der Demokratie als Ganzes. Man muss ihm nicht unterstellen, dass ihm Posten und Macht wichtiger sind als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Mit jedem weiteren Tag im Amt beweist er das selbst.

Wissing möchte sich laut eigener Aussage treu bleiben. Das ist ihm gehörig gelungen. Dass er dabei Schützenhilfe vom Kanzler erhält, vergrößert den Schaden an der Demokratie nur. Diese beiden Männer tun wirklich alles, um den Eindruck zu verstärken, bei Politikern handelt es sich grundsätzlich um einen korrupten Haufen. Man ist beinahe bewegt dazu, Verständnis fürs Nichtwählen zu empfinden.

Neuwahlen jetzt!

Der Bruch der Ampelkoalition hat wenig mit Inhalten zu tun. Viel mehr geht es um persönliches Prestige. Daher ist die Aufkündigung dieser ungeliebten Zusammenarbeit auch nicht Zeugnis eines Lerneffekts. Denn ginge es nach den Verursachern der Regierungskrise, soll alles so bleiben, wie es ist. Olaf Scholz stellt sich wieder als angeblicher Wunschkanzler der SPD zur Wahl, Christian Lindner soll auch in den nächsten Wochen die Wahlplakate der FDP schmücken und selbst Robert Habeck von den Grünen möchte wieder ganz oben mitmischen und lässt sich neuerdings mit „Herr Kanzlerkandidat“ ansprechen.

Keinen aus dieser abgehobenen Truppe scheint es im Entferntesten zu bekümmern, dass die gerade gescheiterte Regierung von 100 Prozent der Bürgerinnen und Bürger abgelehnt wird. Trotz dieses vernichtenden Urteils hätte Herr Scholz das Elend gerne noch bis ins nächste Jahr verlängert – und bekam dabei Zuspruch von der Bundeswahlleiterin. Diese merkte an, es könne zu Engpässen kommen, wenn ausgerechnet jetzt eine große Menge an Papier für Wahlzettel benötigt werden würde. Oder anders ausgedrückt: Auf Demokratie ist dieses Land schlecht vorbereitet.

Obwohl auch die Union scharfe Kritik am Noch-Kanzler und dessen Verschleppungstaktik übte, tuen die beiden konservativen Schwesterparteien ihr Möglichstes, um einen funktionierenden Parlamentsbetrieb bis zu den Neuwahlen zu blockieren. Die Tagesordnung des Bundestags bestimmen bis zum Wahltermin nur noch die ehemaligen Ampelparteien und die Union. Die übrigen Oppositionsparteien werden nicht mehr gefragt. Offenbar soll hier einer politischen Profilierung vorgebeugt werden.


Die Vertrauensfrage so schnell wie möglich zu stellen, ist eine Frage des Anstands. Olaf Scholz besitzt diesen nicht. Er hat allen Grund, die Neuwahlen zu fürchten: Seine Partei würde nach aktuellen Umfragen zur drittstärksten Kraft abschmieren. Jetzt ist aber nicht die Zeit für persönliche Befindlichkeiten. Deutschland braucht so schnell wie möglich stabile politische Verhältnisse. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf.


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