Mit harter Hand

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In der südwestdeutschen Landeshauptstadt Stuttgart ist es am vergangenen Wochenende erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Die hauptsächlich jungen Unruhestifter setzten sich über die geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hinweg und griffen Polizisten tätlich an. Die baden-württembergische Landesregierung möchte diesen Krawallen nun ein Ende setzen und stellt daher ein ungewöhnliches wie konsequentes Maßnahmenkonzept vor.

Stuttgarter Verhältnisse

Nach den wiederholt gewaltvollen Krawallen in Stuttgart greift die Landesregierung nun mit Härte durch. Am vergangenen Wochenende hatten sich mehrere hundert Menschen trotz polizeilicher Maßnahmen nicht an die Verordnungen zur Eindämmung der Covid-19 – Pandemie gehalten. In zahlreichen Fällen verstießen die hauptsächlich jungen Menschen gegen das allgemein gültige Abstandsgebot. Die Freitreppe am Stuttgarter Schlossplatz war dermaßen mit Leuten besetzt, dass sich die Polizei gezwungen sah, gegen die nicht genehmigte Versammlung vorzugehen.

Daraufhin kam es zu einzelnen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten, die innerhalb kurzer Zeit in massive Ausschreitungen ausarteten. Vereinzelt bewarfen die Regelbrecher die Polizeikräfte mit Glasflaschen und anderen Wurfgeschossen. Insgesamt fünf Beamte wurden verletzt, es kam zu einer Vielzahl von Festnahmen.

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobel (CDU) reagierte mit Entsetzen auf die Vorfälle vom letzten Wochenende: „Es ist mir absolut schleierhaft, warum sich immer wieder so viele Menschen an solchen Gewalttaten beteiligen. Zum Glück haben wir nun Maßnahmen beschlossen, die solche Eskalationen in Zukunft verhindern werden.“ Der Politiker bezieht sich dabei auf ein kürzlich vorgelegtes Maßnahmenpaket, das noch diesen Monat für Baden-Württemberg in Kraft treten wird.

Eiserner Besen gegen Krawall

Demnach behält sich die Landesregierung vor, in einzelnen Landkreisen strikte Ausgangssperren zu verhängen, wenn es zu häufig oder zu heftig zu derartigen Ausschreitungen kommt. Richtwert für diese Beschränkungen ist die Krawall-Inzidenz, die sich stark an den Inzidenzwerten zur Eindämmung der Coronapandemie anlehnt.

Ein Landkreis hat fortan mit Einschränkungen zu rechnen, wenn es innerhalb von sieben Tagen unter 100.000 Einwohnern zu einer bestimmten Zahl an Gewalteskalationen kommt. Kommen bei solchen Ausschreitungen Polizeibeamte zu Schaden, steigert das die Inzidenz zusätzlich, und zwar in Abhängigkeit von der Schwere der Verletzung.

Mehr Ordnung in drei Stufen

Die Landesregierung stuft hier zwischen unterschiedlichen Beschränkungsgraden ab. Ab einer Krawall-Inzidenz von 35 soll im gesamten Landkreis der Ausschank alkoholischer Getränke ausgesetzt werden. Weder gastronomische Betriebe noch der Einzelhandel dürfen dann alkoholhaltige Getränke verkaufen, bevor die Inzidenz nicht mindestens fünf Tage unter dem kritischen Wert liegt.

Steigt die Anzahl von Krawallen trotzdem, tritt die nächste Beschränkungsstufe in Kraft. Vorsorglich sollen dann alle Geschäfte schließen, die im Eingangsbereich mit großen Glasscheiben ausgestattet sind. Zu groß ist die Gefahr, dass diese durch Randalierer eingeschlagen werden. Hilft auch das nicht, kommt die dritte Beschränkungsstufe zum Einsatz. Sie sieht ein komplettes Einfrieren des öffentlichen Lebens vor. Außer Supermärkten und Discountern haben dann nur noch Arztpraxen und Einrichtungen geöffnet, die für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur vonnöten sind. Den Menschen im Landkreis bleibt es untersagt, das Haus ohne triftigen Grund zu verlassen. Darunter fallen medizinische Notfälle, die Lebensmittelversorgung, die Ausführung von Haustieren und der Weg zur Arbeit, sofern man in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Passierscheine sollen einem Missbrauch vorbeugen.

Ein wandelbares Konzept

Viele Gastronominnen und Gastronomen befürchten, dass sie die neuen Regelungen endgültig ihre Existenz kosten könnten. Corinna L. betreibt seit einigen Jahren ein kleines Lokal in der Stuttgarter Innenstadt. Der Corona-Lockdown trieb sie an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Durch die gerade in Kraft getretenen Lockerungen schöpfte sie neuen Mut für ihre finanzielle Zukunft. „Die nun beschlossenen Anti-Krawall – Regeln machen all meine Hoffnungen zunichte. Ich kann nur hoffen, dass sich die Menschen ab sofort benehmen“, beklagt die 41-jährige.

Währenddessen überlegen führende Politiker von Baden-Württemberg bereits, die neuen Maßnahmen auf weitere Bereiche auszudehnen. So sollen sämtliche Demonstrationen der selbsternannten Querdenker ab sofort aufgelöst werden, wenn eine bestimmte Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegen die Maskenpflicht verstoßen (Maskeninzidenz). Im Wiederholungsfall könnten derartige Demonstrationen und Kundgebungen für einzelne Landkreise für einen festgelegten Zeitraum komplett untersagt werden.

Geordnete Bahnen

Auch im Einzelhandel möchte man mit den neuen Regeln scheinbar hart durchgreifen. Wie aus bislang unveröffentlichten Gesprächsprotokollen hervorgeht, denkt man darüber nach, Kundinnen und Kunden zu sanktionieren, wenn es zu häufig zur Missachtung des Abstandsgebots an den Kassen kommt. In einem solchen Fall sollen die Geschäfte augenblicklich evakuiert werden und ihre Pforten erst am nächsten Geschäftstag wieder öffnen.

Möglich ist außerdem eine Übertragung der Maßnahmen auf den öffentlichen Personenverkehr. Mehrere Schienenunternehmen haben bereits ihre Bereitschaft signalisiert, sich an den Vorhaben der Landesregierung zu beteiligen. Man erhofft sich dadurch, dass das Ein- und Aussteigen auf baden-württembergischen Bahnsteigen wieder geordnet vonstattengehen kann. Steigen einzelne Fahrgäste zu häufig zu vorschnell in die Züge, fahren die Unternehmen den Bahnhof bis auf weiteres nicht mehr an (Rein-Raus – Inzidenz).

Ausnahmen für Geimpfte

Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) ist von den Vorhaben ebenfalls überzeugt. Allerdings kündigte sie bereits Ausnahmeregelungen für bereits Geimpfte an: „Alle beschlossenen Maßnahmen eignen sich wunderbar dazu, auch die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Es wäre nicht verhältnismäßig, Geimpfte in diesen Kampf miteinzubeziehen. Durch ihre Impfung haben sie sich ihre Freiheitsrechte bereits hart zurückerkämpft.“ Geimpften müssen alle bürgerlichen Rechte zuerkannt bleiben. Dazu gehören laut Justizministerium auch die Rechte auf Drängeln, Quetschen und Krawall.

Besonders im heiß diskutierten Fall um die Stuttgarter Freitreppe sollen weitere Personengruppen nicht in die Krawall-Inzidenz miteinfließen. Beispielsweise sollen Vorbestrafte ebenfalls von den neuen Regelungen ausgenommen sein. Da sie bereits im Vorfeld eine Strafe verbüßt hätten, könne man davon ausgehen, dass von ihnen eine geringere Krawallgefahr ausgehe. Sie seien in gewisser Weise gegen Krawall jeglicher Art immunisiert und müssten sich folglich auch an keine Beschränkungen halten. Die Landesregierung ist zuversichtlich, das Problem mit Ausschreitungen im Ländle zügig in den Griff zu bekommen.

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Falsche Schlüsse

Lesdedauer: 9 Minuten

Rechtsextreme mit Reichsflaggen versuchen, ins Herz der deutschen Demokratie vorzudringen, in Leipzig werden Polizisten mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen, Stuttgart wird Schauplatz beispielloser Ausschreitungen. Viele holen bei solchen Bildern erst recht instinktiv den Rohrstock heraus, um diesen Aufständischen zu zeigen, was Zucht und Ordnung bedeutet. Das mag kurzfristig helfen, treibt die selbsternannten Querdenker aber nur noch weiter ins Abseits. Sie folgen einer kleinen Minderheit, die ihnen zumindest für einen Moment das Gefühl gibt, wichtig zu sein. Die Politik hat damit bereits vor langer Zeit aufgehört und sollte die längerfristigen Konsequenzen aus den gewaltvollen Zusammenstößen jüngerer Zeit ziehen.

Zwischen Entsetzen und Jubel

Historikerinnen und Historiker sind sich seit langem einig: Weimar scheiterte nicht in erster Linie an den Nazis oder an den Kommunisten, die die Demokratie von rechts und links in die Zange nahmen. Weimar scheiterte hauptsächlich am Mangel an überzeugten Demokratinnen und Demokraten. Dazu kam, dass es eine solche Machtergreifung wie 1933 in dieser Form zuvor nicht gegeben hatte. Wenigstens daraus kann unsere Generation heute wichtige Lehren ziehen – glaubt man zumindest.

Erschüttert müssen wir aber gerade in den letzten Monaten und Jahren feststellen, dass unsere demokratische Gesellschaft erneut bedroht wird. Da ist der NSU-Komplex der jahrelang schier unbehelligt einen Mord nach dem anderen beging. Da sind die Ausschreitungen von Stuttgart, Leipzig und Berlin, die die Polizei an die Grenzen des machbaren treibt. Walter Lübcke wird hinterrücks auf seiner eigenen Terrasse erschossen. Rechtsextremisten ziehen mordend durch Hanau und Halle. Alle diese Taten sind furchtbar und entsetzlich. Und sie alle werden von einer nicht zu unterschätzenden Menge an Menschen bejubelt und gefeiert.

Rückhalt durch Nichtstun

Eines vorweg: Alle diese Täter müssen natürlich ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Wer aber denkt, die Sache ist erledigt, sobald eine Beate Zschäpe oder ein Stephan Ernst verurteilt sind, der irrt gewaltig. Die Menschen, die durch solch grausamen Taten immer wieder in den Medien erscheinen, sind nämlich eine verschwindend geringe Minderheit in unserem Land. Wissenschaftlich ausgedrückt, sind sie vielleicht sogar vernachlässigbar. Sie werden allerdings durch eine stetig wachsende Sympathisantenszene gestärkt und können meist nur aufgrund dieses Rückhalts ihre Taten begehen.

Das heißt nicht, dass es in Deutschland zwingend immer mehr Rechts- und Linksextremisten gibt. Es gibt vor allem Leute, die ihrem Frust dadurch Luft machen, dass sie an manchen Stellen zumindest nicht einschreiten. Das Gute an der Sache: Sie alle kann die Demokratie zurückgewinnen und die wenigen eingefleischten Anti-Demokraten alt aussehen lassen. Denn wer tatsächlich Steine auf Polizisten wirft oder versucht, das Reichstagsgebäude zu erstürmen, der hat die Demokratie nicht begriffen und wird es auch niemals tun.

Fehler von damals, Fehler von heute

Das Credo dieser Gewalttäter ist eine perverse Umkehr dessen, was Willy Brandt 1969 gesagt hat: Sie wollen weniger Demokratie wagen. Das Verb „wagen“ spielt hier eine große Rolle. Nur wer die Risiken eines Fehlschlags als relativ gering einschätzt, der wagt es, eine bestimmte Sache zu tun. Wir sind inzwischen so weit, dass sich diese Täter tatsächlich aus der Deckung wagen und unser Land durch ihre Gewaltexzesse weiter destabilisieren.

Oft passiert das fast beiläufig und ohne dass man wirklich etwas merkt. Da werden rechtsextreme Taten locker flockig mal gegen linksextreme Taten aufgewogen. Das ist kontraproduktiv, weil es die Aufmerksamkeit gezielt nur auf eine von vielen Bedrohungen lenkt. Und es ist der gleiche Fehler wie zu Weimarer Zeiten. Die wenigen Demokratinnen und Demokraten von damals haben es versäumt, sich zu einem starken Bollwerk gegen die Extreme zusammenzuschließen. Durch gegenseitige Schuldzuweisungen haben sie es Blutrot und Kackbraun sogar noch leichter gemacht, zerrieben zu werden.

Hetzjagden?

Ähnliches erleben wir heute. Da werden die schlimmsten Taten gegenüber anderen Taten mutwillig relativiert, man spricht Täter durch Verweis auf die Umstände beinahe heilig, andere laufen bei Demos der Reichsflagge blind hinterher und bilden sich gleichzeitig ein, ganz besonders mutige Demokraten zu sein. Eine penetrante Würze erhält das ganze durch die konstanten Hetzereien und Verschwörungstheorien á la Attila Hildmann und Xavier Naidoo. Oder auch direkt von Abgeordneten aus dem Bundestag: So empfindet es manchein Abgeordneter aus der AfD als gerechten Zorn, wenn Menschen anderer Meinung der Bauch aufgeschlitzt wird. Das ist im besten Fall rhetorische Brandstiftung und im schlimmsten Aufruf zu Straftaten.

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Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) knöpft sich die AfD vor.

Der Rückhalt von extremistischen Gewalttätern ist aber auch noch konkreter erlebbar. Zwiespältige und polarisierte Debatten bestimmen seit Jahren den gesellschaftlichen Diskurs. Gab es in Chemnitz Hetzjagden oder gab es sie nicht? Trotz eindeutigen Videomaterials, das in den deutschen Medien wochenlang rauf- und runterlief, verwahrte sich selbst der damalige Vorsitzende des Verfassungsschutzes gegen den Begriff „Hetzjagden“. War der Attentäter von Halle hartgesottener Rechtsextremist oder lediglich psychisch krank? Als ob das eine das andere ausschlösse. Den absoluten Tiefpunkt der medialen Debatte haben wir aber spätestens erreicht, als immer wieder die viel gezeigte Rede von Walter Lübcke als der Moment gepriesen wurde, als Stephan Ernst den Entschluss fasste, den verhassten Politiker zu töten. Dieser Moment ist strafrechtlich durchaus relevant. Und da gehört er auch hin: ins Strafverfahren. Aber nicht als Dauergast in die politische Aufarbeitung des Mordes. Das suggeriert nämlich, dass Lübcke noch leben würde, hätte er den Mund gehalten und vor den Nazis gekuscht. Als wäre er selbst schuld.

Eine andere Gesellschaft

Obwohl natürlich nur die krassesten Taten besonders große mediale Aufmerksamkeit bekommen, spüren wir, dass sich die Stimmung im Land verändert. Gerade die Krawalle von Stuttgart versinnbildlichen die Langeweile und den Frust der Leute, die sich an den Ausschreitungen beteiligten. Denn eine konkrete politische Botschaft hatten diese Menschen nicht. Anders als in Leipzig oder bei Coronademos ging es ihnen einzig darum, auszubrechen und Stunk zu machen. Sie fühlen sich ausgeschlossen und nicht ernstgenommen. Deshalb haben sie mit Gewalt erzwungen, erhört zu werden. Die Polizisten erlebten sie als Symbolfiguren einer Gesellschaft, die ihnen viele Beteiligungsmöglichkeiten vorenthält. Sie fühlen sich in dieser Gesellschaft nicht mehr willkommen, die andere Seite reagiert mit Abscheu gegen die Täter. Eine schier unaufhaltsame Entfremdung ist im Gange.

Und auch diese Menschen sind eine Minderheit. Denn Frust und Hilflosigkeit äußern sich nicht immer durch Gewaltexzesse wie in Stuttgart. Viele andere haben längst resigniert. Ihnen ist es egal, ob Merkel noch Kanzlerin ist oder die AfD eine Hassrede nach der anderen hält. Das ist nicht ihre Gesellschaft. In ihr haben sie nichts zu sagen. Doch das lässt sich ändern. Die Menschen müssen die Gewissheit haben, dass ihre Meinung und ihre Worte tatsächlich Veränderung bewirken. Anstatt ihnen ständig mit fadenscheinigen Ausreden die Demokratiereife abzusprechen und sie in regelmäßigen Abständen zum Wahlvieh zu degradieren, sind gerade in der jetzigen Situation vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten gefragt.

Durch Kopfschütteln, reaktionäre Bestrafungen und noch weniger Beteiligung lassen sich die Herausforderungen von heute nämlich nicht lösen. Mehr Beteiligung führt allerdings dazu, dass die, die heute die Füße stillhalten, morgen nicht in Stuttgart, Leipzig, Berlin oder sonstwo mitmarschieren. Mit mehr direkter Demokratie spüren die Leute, dass ihre Meinung gefragt ist und andere ihre Haltung wertschätzen. Denn überall da, wo direkte Demokratie gewagt wurde, entwickelten sich regelrechte politische Hotspots. Urplötzlich standen sämtliche Parteien und politische Interessensvertretungen vor den Toren und warben für ihre Sache. Das ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass direkte Demokratie unsere Gesellschaft nicht ad absurdum führt, sondern sie nach vorne bringt.

Extreme Hilflosigkeit

Jeder, der in Stuttgart oder anderswo Krawall gemacht hat, muss die Konsequenzen dafür tragen. Aber das Problem ist mit der strafrechtlichen Aufarbeitung lange nicht erledigt. Es hat eine viel weitreichendere Dimension, bei der harte Strafen wenig Wirkung zeigen werden. Wie unmotiviert und isoliert muss ein Mensch sein, um sich an diesen bürgerkriegsähnlichen Aufständen zu beteiligen? Eine Mauer des Unverständnisses und der Zurückweisung ist in dieser Situation genau so falsch wie im Fall der Flüchtlinge in Moria. Anstatt die rasche Aufnahme von Flüchtlingen als Nachgeben gegenüber den Brandstiftern zu bezeichnen, sollte man diese humanitäre Hilfe lieber als das sehen, was sie ist: eine eindeutige Distanzierung von den Zuständen in Moria vor dem Brand. Denn nicht das angebliche Einknicken, also die Aufnahme von Flüchtlingen, provoziert weitere Brände, sondern das Verharren auf dem Istzustand.

Eine schnelle Aufnahme von Flüchtlingen ist auch deshalb richtig, weil man dann einsieht, dass die Zustände in den Lagern auch ohne Feuer und ohne Aufstände unhaltbar sind. Mit der Befreiung dieser Menschen aus den Lagern setzt man ein unmissverständliches Zeichen gegen Isolation, gegen Hilflosigkeit und gegen das Ausgeliefertsein.

Denn eines ist völlig klar: Was in Moria passiert ist, war der extremste Ausdruck von Hilflosigkeit und Frust, den man sich vorstellen kann. Kein Mensch lässt sich auf Dauer einsperren und sämtlicher Rechte berauben, ohne irgendwann selbst zum Rechtsbrecher zu werden. Der Brand im Flüchtlingslager in Moria ist schlimm. Schlimmer sind die Umstände, die ihn begünstigten. Am schlimmsten sind aber die Lehren, die einige Menschen nun daraus ziehen.


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Das Extrem ist bequem

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