Keine leichte Rückkehr

Lesedauer: 7 Minuten

Die Masken, sie fallen – in manchen Ländern früher, in anderen Ländern später. Deutschland gehört zu den Schlusslichtern, was die Lockerung der Coronamaßnahmen betrifft. Während sämtliche Infektionsschutzregeln in Ländern wie Dänemark und Schweden schon vor Wochen gefallen sind, setzt die deutsche Regierung lieber auf einen Drei-Stufen – Plan, der bis Ende März Schritt für die Schritt viele Maßnahmen lockert oder sogar ganz aussetzt. Doch selbst wenn die epidemische Lage es zuließe, alle Maßnahmen sofort zu beenden, stellt sich ein weiteres unterschätztes Problem: Sind die Menschen bereit für ein Leben ohne Pandemie?

Nicht ohne meine Maske

Fakt ist: Nach zwei Jahren Corona wird es vielen Menschen nicht leichtfallen, wieder auf Normal zu schalten. Viele haben es verlernt, einen unbeschwerten Alltag zu führen. Das fängt bei einer zentralen Maßnahme an, über die 2020 viele die Augen verdrehten, an die sich mittlerweile aber fast alle gewöhnt haben. Der Wegfall der Maskenpflicht würde für viele Bürgerinnen und Bürger einen empfindlichen Eingriff in ihre festgefahrene Routine bedeuten. Wie selbstverständlich ziehen sich viele inzwischen einen Mund-Nasen – Schutz auf, wenn sie geschlossene Räume betreten. Zum wöchentlichen Einkauf und zum Kinobesuch gehört die Maske zwischenzeitlich einfach dazu.

Früh erkannten die Menschen den wertvollen Beitrag der Maske im Kampf gegen die Pandemie. Voller Überzeugung trugen sie sie im Supermarkt, in Bus und Bahn und in überfüllten Innenstädten. Der Tragekomfort vieler Masken sprach sich ebenso schnell herum wie ihre aufbauende Wirkung auf die Ohrenmuskulatur. In mehreren Städten und Gemeinden haben sich daher Bürgerverbände zusammengefunden, die unter dem Motto „Nicht ohne meine Maske“ gegen die Abschaffung der liebgewonnenen Maßnahme protestieren.

Maskenpflicht unter der Hand

Nicht jeder Mitbürger tritt so energisch gegen den Wegfall dieser Maßnahme ein. Viele Experten sind sich allerdings sicher, dass die meisten Menschen das Tragen der Maske beibehalten werden, auch wenn es nicht mehr vorgeschrieben ist. Gerade in infektionsrelevanten Situationen wie Demos und Großveranstaltungen erwarten sie ein diszipliniertes Weiterleben der Maskenpflicht.

Trotzdem erwarten sie auch negative Auswirkungen durch die Abschaffung der Maßnahme. Einzelne Verhaltensforscher skizzieren schon jetzt regelrechte Entzugserscheinungen. Diese beinhalten sowohl psychosomatische Reaktionen wie Unruhe, Orientierungslosigkeit und Schlafstörungen als auch körperliche Beschwerden wie Atemprobleme und eine ständig laufende Nase.

Es lebe der Sündenbock

Die Aufhebung sämtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Virus bedeutet faktisch das Ende der Pandemie. Sicher werden sich auch in den kommenden Monaten Menschen infizieren. Viele Wissenschaftler setzen ihre Hoffnungen aber auf die Erreichung eines endemischen Zustands. Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen zu Restaurants, Kinos und Kultureinrichtungen spielen dann keine Rolle mehr. Doch auch die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht müsste in der Folge ausgesetzt werden.

Das Ende der Pandemie würde also besonders für Ungeimpfte der Freedom Day werden. Denn ohne akute Pandemie könnte man diese Gruppe kaum zu einer Impfung drängen oder sie weiterhin für die katastrophalen Zustände im Gesundheitswesen verantwortlich machen. Auch das würde für viele eine echte Umstellung bedeuten.

Viel zu sehr haben sich manche daran gewöhnt, die Schuld für die missliche Lage fast ausschließlich den ungeimpften Mitbürgerinnen und Mitbürgern in die Schuhe zu schieben. Da Menschen in schwierigen Situationen immer dazu neigen, einen Sündenbock auszumachen, stellt sich die Frage, wer als nächstes dran glauben muss.

Zweifelhaftes Comeback

Es ist gut möglich, dass die Klimakrise wieder stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft rutscht. Es kann daher leicht zu einem Revival des Konflikts Jung gegen Alt kommen. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, die ihre Renten mit selbstgesammelten Pfandflaschen aufbessern müssen und sich bestenfalls das Steak vom Discounter leisten können. Die hohe Inflationsrate verwehrt ihnen künftig sogar den Zugang zu gesundem Obst und Gemüse. Auch hier müssen sie auf klimaschädliche Alternativen zurückgreifen.

Die Gründe ihrer Kaufentscheidung spielten schon vor zwei Jahren keine Rolle. Offene Diskriminierung gedeiht auch, wenn es nachvollziehbare Gründe für ein bestimmtes Handeln gibt. Welchen besseren Beweis gibt es dafür als die Stimmung gegen Ungeimpfte in der Coronapandemie?

Nervenkitzel und Wirtschaftseinbruch

Auch viele Psychologinnen und Psychologen schlagen angesichts der nahenden Lockerungswelle Alarm. Sie vermuten, dass es den meisten Menschen sehr schwerfallen wird, sich wieder an einen geregelten Alltag zu gewöhnen. In der Pandemie wusste man nie, was der nächste Tag bringt. Großzügiges Vorausplanen war schlicht nicht möglich. Die Menschen mussten sich quasi täglich an neue Regeln und Gegebenheiten anpassen. Der drohenden Planungssicherheit sehen die Experten mit Sorge entgegen. Sie befürchten, dass der triste Alltag zu einem signifikanten Anstieg von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Bore-Out, dem Gegenteil von Burn-out, führen kann.

Hinzu kommt, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie alles andere als einheitlich waren. Sie waren teilweise auf Landkreise beschränkt und richteten sich nach der aktuellen Bedrohungslage durch das Virus. Es verlangte den Menschen viel ab, wenn sie wissen wollten, welche Maßnahmen aktuell für sie galten. Es war für viele durchaus mit einer gewissen Spannung verbunden, ob sie ins Einkaufszentrum oder zum Friseur durften und was sie bei dem Besuch zu beachten hatten. Dieser fehlende Nervenkitzel kann sich spürbar auf das Konsumverhalten der Menschen auswirken. Manche werden in ausgedehnten Shoppingtouren oder feuchtfröhlichen Clubbesuchen keinen Sinn mehr sehen, wenn sie vorher nicht die Bestätigung erhalten, dass sie zu einer exklusiven Gruppe gehören. Die Folgen für die Wirtschaft liegen auf der Hand.

Die Rückkehr in den Alltag ist aber auch mit einem nicht zu unterschätzenden Frustrationspotenzial verbunden. Viele Menschen haben sich Gepflogenheiten abgewöhnt, die vor Corona völlig selbstverständlich waren. Das fängt bei einem sozialverträglichen Umgang miteinander an, betrifft aber auch die tägliche Garderobe. Dr. Merle Gutzeit vom Psychologischen Institut der Universität Mannheim führt dazu aus: „Einige Menschen werden mit Sicherheit Schwierigkeiten haben, sich wieder angemessen anzukleiden. Mancheiner hat im Home Office vielleicht sogar schon vergessen, dass das Tragen einer Hose zum guten Stil gehört.“ Die Psychologin rechnet damit, dass sich diese Menschen den gesellschaftlichen Konventionen zwar beugen werden, aber mit der Zeit ein Ventil für den damit verbundenen Frust benötigen. „Möglich wären hier Demonstrationen von Menschen, die das Tragen einer Hose als Grundrechtseingriff verstehen und dagegen protestieren – unten ohne übrigens.“ Auch sie fordert von der Politik, solche unerwünschten Nebeneffekte der Lockerungen einzukalkulieren.

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Hauptsache regieren

Lesedauer: 8 Minuten

Momentan laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP auf vollen Touren. Das gesteckte Ziel ist eindeutig: Noch vor Weihnachten soll eine Regierung stehen. Das veröffentlichte Sondierungspapier versprach bereits Einigungen in wesentlichen Punkten. Diese betont locker-flockige Harmonie täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass besonders die Grünen zurückstecken mussten. Beim Klimawandel bleibt das Papier chronisch unkonkret, die Finanzierung ist fragwürdig und die kleinen Leute fallen hinten runter. Ein echter Neustart bleibt aus.

Weniger als vier Wochen nach der Bundestagswahl haben sich SPD, Grüne und FDP zu Koalitionsverhandlungen bereiterklärt. Dieser Fortschritt bei der Bildung einer neuen Regierung ist beachtlich, dauerte es in der Ära Merkel doch regelmäßig deutlich länger, bis sich in neues Kabinett zusammenfand. Wie es aussieht, können die drei Parteien ihr Versprechen vom Wahlabend halten: Noch vor Weihnachten wird eine neue Regierung stehen.

Koalition nach Drehbuch

Niemanden dürfte es ernsthaft überraschen, dass sich die Ampel-Parteien in so kurzer Zeit in vielen Punkten einig wurden. Bereits vor der Wahl vom 26. September zeichnete sich ein Ampelbündnis ab. Rot-Grün-Rot war auch wie bei den letzten Wahlen bereits im Wahlkampf kein echtes Thema mehr, Jamaika scheiterte maßgeblich an der Personalie Armin Laschet. Nicht einmal Christian Lindner war bereit, mit dieser tragisch-komischen Witzfigur zu koalieren.

Annalena Baerbock war in den Wochen vor der Wahl eher Dekoration als ernsthafte Konkurrentin. Ihre Aufgabe bei den Kanzlertriellen beschränkte sich darauf, den beiden anderen Kandidaten zu demonstrieren, welche Vizekanzlerin sie sich womöglich ans Bein binden würden. Zwischenzeitlich gilt selbst Baerbocks Vizekanzlerschaft nicht mehr als gesetzt.

Keine Lust auf Weiter-so

Auch die Medien erkannten schnell, welches Potenzial in der Ampel steckt. Nach sechzehn Jahren Merkel wäre es für keinen Unionskandidaten leicht gewesen, den Scherbenhaufen zusammenzukehren und das Machtvakuum der scheidenden Kanzlerin zu besetzen. Armin Laschet hat es den Journalisten und Nachrichtensendungen allerdings schon beachtlich leichtgegemacht, ihm von vornherein den Stempel des geborenen Verlierers aufzudrücken.

Die Lust auf eine Regierung ohne die Union war jedenfalls lange Zeit spürbar. Spätestens am Wahlabend stand fest, dass die alte Kanzlerpartei abzutreten habe. In absoluten Zahlen gemessen, verlor an diesem Abend keine Partei so stark wie die CDU. Die Wahlgewinner des Abends waren SPD, Grüne und FDP. Alle drei Parteien konnten teilweise deutlich zulegen. Eine gemeinsame Regierungskoalition ist allerdings nicht die zwangsläufige Folge daraus.

Vorbei sind die Zeiten der Lagerkoalitionen, in denen ausschließlich Parteien zusammenarbeiteten, die sich politisch besonders nahestanden. Schwarz-Gelb ist schon lange passé und auch eine Mehrheit des linken Lagers dürfte sich nach dem desaströsen Abschneiden der Linkspartei auf absehbare Zeit erledigt haben. Neue Bündnisse sind gefragt und es erstaunt schon, wie schnell sich die drei Akteure grundsätzlich geeinigt haben. Immerhin wurden alle drei Parteien von unterschiedlichen Wählerschichten aus unterschiedlichen Gründen gewählt.

Keine halben Sachen

Auf den ersten Blick scheint das Sondierungspapier eine breitgefächerte Sammlung guter Ideen zu sein. Es ist tatsächlich für jeden was dabei. Schaut man aber genauer hin, so entzaubert sich dieses heißerwartete Dokument des Aufbruchs von selbst. An vielen Stellen bleibt das Papier blass und unkonkret. Besonders die Frage der Finanzierung ist nach wie vor nicht geklärt.

Fakt ist: Die Ergebnisse aus Sondierungsgesprächen sind noch kein Regierungsprogramm. Diesen Anspruch sollte man an die Gesprächsergebnisse der drei Parteien nicht stellen. Trotzdem bleibt der erhoffte Neustart aus, sollten es die wesentlichen Punkte in den Koalitionsvertrag schaffen. Besonders enttäuschend sind dabei die vereinbarten Ziele beim Kampf gegen den Klimawandel. Der vorgesehene Ausbau der erneuerbaren Energien wird nicht ausreichen, um den Energiebedarf des gesamten Landes zu decken. Die Pflicht zum Solardach ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Der Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2030 ist lediglich ein idealer Wert. Von grünem Mut fehlt in diesem Sondierungspapier jede Spur.

Ähnlich sehen es auch die Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Sondierungsergebnisse protestierten sie lautstark gegen dieses Weiter-so beim Klimaversagen. Bei einer Protestkundgebung vor der SPD-Parteizentrale machten sie deutlich, dass es für sie keine halben Sachen gäbe. Der Frust der jungen Generation ist umso bedauerlicher, waren es doch vorrangig die Erstwähler, die Grünen und FDP das Vertrauen aussprachen.

Hauptsache regieren

Viele Medien sprachen davon, dass die Sondierungsergebnisse die Handschrift der FDP trügen. Es stimmt: An keiner Stelle wird das so deutlich wie beim Verzicht auf ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Durchgesetzt haben sich nicht Verkehrssicherheit und Klimaschutz, sondern die testosterongesteuerte Bequemlichkeit der Liberalen. Es ist beinahe zynisch, dass die FDP dafür eine andere für sie schmerzhafte Konzession gemacht hat: Der Mindestlohn soll in einem Schritt auf 12 Euro steigen.

Das Sondierungspapier offenbart aber auch den unbedingten Willen der Grünen, an der nächsten Bundesregierung beteiligt zu sein. Nur durch sie könne ein echter Aufbruch beim Kampf gegen den Klimawandel kommen. Allerdings attestierten Experten dem grünen Wahlprogramm schon vor der Bundestagswahl, dass viele Forderungen nicht weit genug gingen, um dieser Menschheitsaufgabe zu begegnen. Beinahe logisch ist es daher, dass die Grünen selbst ihre Mini-Forderung mit dem Tempolimit einstampften, um die FDP nicht zu verschrecken.

Wer zahlt?

Egal, ob das Sondierungspapier die Handschrift von FDP, Grünen oder sonstwem trägt – es ist kein Regierungsprogramm für die kleinen Leute. Es vernachlässigt Menschen mit geringem Einkommen und solche, die in prekären Verhältnissen beschäftigt sind. Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro scheint zunächst ein großer Wurf zu sein. Aber nicht einmal die FDP kann vor der rasant steigenden Inflationsrate die Augen verschließen, die eine so deutliche Steigerung überfällig macht.

Generelle Steuerhöhungen und eine Wiedereinführung einer Vermögensabgabe haben die drei Partner bereits ausgeschlossen. Gleichzeitig möchten sie aber diszipliniert zur Schuldenbremse zurückkehren. Diese Entscheidung trifft die Schwächsten in der Gesellschaft am meisten. Es dürfte vorprogrammiert sein, wo das viele Geld dann herkommen soll: Der Rotstift wird vorrangig bei Sozialausgaben angesetzt. Die Einhaltung der Schuldenbremse blockiert außerdem wichtige Investitionen in elementare Bereiche der Infrastruktur. Die Straßen, Schulen und Krankenhäuser werden auch in den kommenden vier Jahren zunehmend verfallen, wenn es zu dieser Regierungskonstellation kommt.

Hartz-IV reloaded

Den Gipfel an Wählertäuschung erreicht das neue Regierungstrio allerdings bei einem anderen Herzensprojekt: dem Bürgergeld. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein umgetauftes Hartz-IV. Diese fragwürdige Umbenennung wird nichts ändern an Bevormundung, Gängelei und Perspektivlosigkeit. Stattdessen taugt der neue Name eher dazu, bereits vorhandene Fehlannahmen zu verfestigen. Ein Bürgergeld suggeriert, dass darauf jeder Bürger zu jeder Zeit Anspruch hat. Dieses bedingungslose Grundeinkommen light wirft auch in Zukunft ein falsches Bild auf seine Bezieher. Mehr als zuvor werden sie als faule Dauerarbeitslose gelten, die sich für jede Arbeit zu fein sind. An der gesellschaftlichen Spaltung ändert das nichts.

Viel Hoffnung steckten viele Wählerinnen und Wähler in diese neuartige Regierungskoalition. Weiterhin bleibt eine Mehrheit der Menschen im Land der Ampel wohlgesonnen. An den bislang gelieferten Inhalten kann das kaum liegen. Die Alternative wäre eine Jamaika-Koalition, aber die Union tut wirklich alles, um die Wählerinnen und Wähler in ihrer Entscheidung vom 26. September zu bestätigen. Nicht alles in Deutschland wird durch die Ampelkoalition schlechter. Wesentlich besser wird es nach vier Jahren Scholz aber nur den wenigsten gehen.

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Vorschau zur Elefantenrunde 2021

Lesedauer: 7 Minuten

Guten Abend, meine Damen und Herren. Selten war eine Wahl so spannend wie die des heutigen Abends. Gleich drei potentielle Kandidatinnen und Kandidaten konkurrierten um den Einzug ins Kanzleramt. Für mindestens eine der dreien dürfte der Traum von der Kanzlerschaft mit dem heutigen Abend allerdings ausgeträumt sein.
Wir möchten heute Abend sprechen mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im nächsten Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Frau Merkel, Sie sehen uns ein wenig verdutzt, dass Sie hier sitzen und nicht Ihr Spitzenkandidat Armin Laschet. Wie kam es dazu?

Merkel: Nun, zu allererst möchte ich betonen, dass wir uns als Union natürlich trotz der starken Verluste sehr darüber freuen, dass wir wieder stärkste Kraft wurden. Trotzdem kann uns dieses Ergebnis nicht zufrieden stimmen und in Angesicht dieser Tatsache bitte ich doch um Verständnis dafür, dass heute Abend nicht Herr Laschet hier sitzt, sondern ich.

Aber Sie nehmen zur Kenntnis, dass die Union das schlechteste Ergebnis in der Parteiengeschichte eingefahren hat?

Merkel:  In erster Linie sind CDU und CSU die Wahlsieger des heutigen Abends und darum haben wir erneut einen klaren Regierungsauftrag.

Herr Scholz, Ihre Partei konnte gut zulegen. Sehen Sie die Union auch als die Wahlsiegerin des heutigen Abends?

Scholz: Selbstverständlich sehe ich das nicht so. Die sozialdemokratische Partei belegt zwar nur Platz 2, aber ich bin gespannt darauf, wie Frau Merkel oder Herr Laschet oder wer auch immer unter diesen Voraussetzungen eine stabile Mehrheit zustandebekommen möchte.

Weidel: Vielleicht ja mit einer Großen Koalition, dafür haben Sie doch ein Faible, Herr Scholz.

Frau Weidel, Sie haben das Wort ergriffen, deswegen kommen wir ohne Umschweife zu Ihnen. Schmerzt Sie das Ergebnis des heutigen Abends eigentlich?

Weidel: Sicher müssen wir eingestehen, dass wir nach derzeitigem Stand Stimmen verloren haben. Man sollte aber auch nicht außer Acht lassen, dass die Briefwahl zu Manipulationen geradezu einlädt und gegen die Alternative für Deutschland eine regelrechte Hetzkampagne in diesem Land geführt wurde, besonders vonseiten der Medien.

Habeck: Ach, Frau Weidel, das war wieder vorprogrammiert, dass sie sich als die armen Opfer hinstellen.

Herr Habeck, auch an Sie die Frage: Warum sitzen heute Abend Sie hier und nicht Frau Baerbock?

Habeck: Annalena ist nach diesem wirklich nicht zufriedenstellenden Ergebnis zu dem Schluss gekommen, dass ich die Interessen der Bündnisgrünen in dieser Runde weitaus besser vertreten kann.

Weidel: Die Leute haben sich von Ihrer Verbotspolitik eben nicht beeindrucken lassen.

Herr Lindner, nach ersten Hochrechnungen konnten Sie viele Wähler von der AfD für sich gewinnen. Betrachten Sie das das als Pyrrhussieg?

Lindner: Auf keinen Fall, ich freue mich über jeden Wähler, der zur bürgerlichen Politik zurückkehrt.

Weidel: Mein Gott, ist das alles wieder dümmlich hier…

Lindner: Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Digitalisierung in diesem Land vorankommt. Mit Rot-Rot-Grün hätte es diesen Schub nicht gegeben. Unser starkes Abschneiden hat diesen Staatssozialismus Gott sei Dank verhindert.

Weidel: Staatssozialismus verhindert?! Entschuldigen Sie, Herr Lindner, aber Sie befürworten die Diskriminierung von Ungeimpften genau so wie alle anderen in dieser absurden Runde.

Herr Lindner, bevor Sie darauf eingehen, würden wir gerne Frau Hennig-Wellsow in die Runde holen. Frau Hennig-Wellsow, Rot-Rot-Grün wurde gerade angesprochen. Diese Mehrheit wird es wohl nicht geben. Wie gehen Sie damit um?

Hennig-Wellsow: Das kann ich Ihnen heute Abend noch nicht sagen. Fakt ist, dass wir an der nächsten Bundesregierung nicht beteiligt sein werden und sehr genau intern klären müssen, wie das heutige Ergebnis zustandekommen konnte.

Lag es vielleicht an den Agitationen gegen Ihre Parteigenossin Wagenknecht?

Hennig-Wellsow: Das kann ich mir nicht vorstellen, die gesamte Partei steht hinter Sahra Wagenknecht.

Erst vor kurzem gab es ein Parteiausschlussverfahren gegen die ehemalige Fraktionsvorsitzende.

Hennig-Wellsow: Das ist richtig, aber wie Sie sicher wissen, wurde Frau Wagenknecht nicht aus der Partei ausgeschlossen. Sie war auch fest in unseren Wahlkampf integriert.

Herr Dobrindt, auch Sie hatten mit Problemkindern in den eigenen Reihen zu kämpfen. Wie sehr ist Herr Scheuer für das schlechte Abschneiden Ihrer Partei verantwortlich?

Dobrindt: Das ist viel zu kurz gegriffen, Herr Scheuer hat als Verkehrsminister sehr gute Arbeit geleistet und die Untersuchungen zu anderen Fragen sind noch nicht abschließend geklärt. Mir ist auf jeden Fall sehr wichtig, dass Rot-Rot-Grün keine Mehrheit erhalten hat und der notwendige Klimaschutz nicht zulasten der Arbeitsplätze in diesem Land geht.

Hennig-Wellsow: Sicher, Herr Dobrindt, Sie haben Ihre Schäfchen aus den Chefetagen bereits in Sicherheit gebracht.

Frau Hennig-Wellsow hat es gerade angedeutet – Herr Habeck, wie gedenkt Ihre Partei gegen Lobbyismus vorzugehen? Immerhin könnten Sie an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein.

Habeck: Natürlich ist der Lobbyismus in diesem Land ein großes Problem, aber ich finde, wir reden schon wieder viel zu sehr am drängendsten Problem vorbei und das ist und bleibt der Klimawandel. Wir müssen alles dafür tun, dass wir spätestens 2035 klimaneutral sind.

Lindner: Aber Sie sind den Leuten bis heute eine Antwort schuldig geblieben, wie Sie das finanzieren wollen.

Krisenfinanzierung ist ein gutes Stichwort. Die Bürgerinnen und Bürger interessiert natürlich auch, wer die Kosten der Coronakrise zu tragen hat.

Habeck: Wenn ich das zum Klimaschutz gerade noch zu Ende führen darf. Diese Menschheitsaufgabe wird uns allen enorm viel abverlangen, keine Frage, aber…

Hennig-Wellsow: Sie lösen diese Aufgabe aber sicher nicht durch eine CO2-Bepreisung.

Herr Scholz, Klimakrise und Coronapandemie – wer zahlt am Ende die Zeche?

Scholz: Wir müssen jetzt erst einmal sicherstellen, dass wir nach der Krise keine neuen Schulden machen. Deswegen bin ich stark dafür, die Aussetzung der Schuldenbremse dringend zu überprüfen und…

Hennig-Wellsow: Die Ampel kommt.

Lindner: Nein, Frau Hennig-Wellsow, die wird mit Herrn Habeck sicher nicht kommen.

Hennig-Wellsow: Mit Ihnen kommt auf jeden Fall die soziale Kälte.

Lindner: Sie brauchen an mir jetzt nicht Ihre schlechte Laune über Ihr desaströses Wahlergebnis auszulassen.

Frau Hennig-Wellsow hat da aber einen wichtigen Punkt angeschnitten. Wie wollen Sie für soziale Gerechtigkeit sorgen? Frau Weidel?

Weidel: Naja, bevor wir uns hier in sozialistischen Umverteilungsfantasien verlieren, sollten wir erst einmal dafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land gerecht behandelt werden. Wenn ich mir jetzt schon die systematische Diskriminierung von Ungeimpften ansehe…

Das war zunächst gar nicht die Frage, Frau Weidel. Wir wollten wissen, wie Sie für sozialen Ausgleich sorgen wollen.

Weidel: Wenn Sie mir jetzt schon wieder ständig ins Wort fallen, dann kann ich mir die ganze Sache hier auch sparen. Schönen Abend.

Frau Weidel hat unsere Runde verlassen, deswegen geht die Frage an Sie, Herr Scholz: Mindestlohn 12 Euro, ja oder nein?

Scholz: Wir sollten nicht so tun, als wären durch einen höheren Mindestlohn alle Probleme in diesem Land gelöst. Wir setzen uns für stärkere Tarifpartner ein, damit ein deutlich höherer Mindestlohn erreicht werden kann.

Hennig-Wellsow: Die Ampel wird kommen.

Habeck: Meine Güte, ich krieg‘ gleich schon wieder zu viel! Jetzt reden wir den ganzen Abend schon wieder nur über Koalitionen und persönliche Befindlichkeiten. Stattdessen müssen wir dringend endlich etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Es kann doch nicht sein, dass in diesem Land niemand…

Es kann tatsächlich nicht sein, dass in diesem Land niemand weiß, wie es mit unserer scheidenden Frau Bundeskanzlerin weitergeht. Frau Merkel, was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Merkel: Ach wissen Sie, es tut auch mal richtig gut, wenn man Dinge einfach auf sich zukommen lässt. Im Moment habe ich da noch keine so genau Vorstellung.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Runde. Wir verabschieden uns und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.

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