Was wir 2020 gelernt haben…

Vorschaubild: stux, pixaby, bearbeitet von Sven Rottner.

Lesezeit: 11 Minuten

2020 – was für ein Jahr! Viele werden dem Jahreswechsel hoffnungsvoll entgegenblicken. Grund dazu haben sie genug. Die Pandemie bestimmt schließlich weiterhin unseren Alltag. Das Jahr 2020 hat uns allen enorm viel abverlangt. Trotzdem konnten wir einiges von diesem beknackten Jahr lernen. Die zehn wichtigsten Erkenntnisgewinne sind hier zusammengefasst.

Den Artikel zum Wort „Virus“

Nachdem das Genus dieses Wortes besonders im Frühjahr noch für reichlich Irritationen sorgte, stand spätestens nach den ersten 10.000 Coronafällen offiziell fest: Es heißt DAS Virus. Obwohl viele in den ersten Monaten des Jahres krampfhaft versuchten, den männlichen Artikel für das Wort durchzudrücken, mussten sie gegenüber einer breiten Front von Sprachwissenschaftlern und Virologen klein beigeben. Diese bestimmten nämlich auf alle Ewigkeit: Virus ist Neutrum. Einzige Ausnahme gilt in Baden-Württemberg: Die Menschen von dort dürfen weiterhin ungestraft „der“ Virus sagen. Gegen die jahrhundertelange Tradition der artifiziellen Maskulinisierung von Substantiven kamen selbst die Gelehrten nicht an. Immerhin heißt es in dem südwestdeutschen Bundesland bis heute auch der Butter und der Klo.

Abstandsstriche ersetzen kostspielige IQ-Tests

In Zeiten der Pandemie ist eines ganz wichtig: Abstand voneinander halten. In einer überbevölkerten Welt, die immer enger zusammenwächst, fällt das vielen allerdings nicht leicht. Der Einzelhandel hat sich deswegen etwas ganz besonders gewieftes ausgedacht. Nach etlichen Stunden in den Laboren und nach so manchem rauchenden Kopf konnte die Branche stolz ihre Erfindung präsentieren. Mithilfe sogenannter Abstandsstriche sollte vor allem im Kassenbereich gewährleistet werden, dass die Menschen Abstand zueinander hielten. Es handelte sich dabei um speziell angefertigte Klebestreifen in leuchtenden Signalfarben, die die Menschen auf das Abstandsgebot aufmerksam machten.

Den erhofften Erfolg brachte die geniale Maßnahme leider nicht. Trotzdem stellte sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass die Striche noch einen ganz anderen Effekt hatten. So ließen sie ohne viel technischen Schnickschnack für jedermann und jedefrau die Intelligenz der Kundinnen und Kunden erkennen. Ruben V., Filialleiter eines REWE-Marktes in Gütersloh bedauerte: „Es war für uns ein harter Schlag, dass fast zwei Drittel unserer Kundschaft einen Intelligenzquotienten von unter 40 haben. Das ist dümmer als Donald Trump.“

Da nicht in jeder Lebenslage ein Abstandsstrich zur Hand ist, gibt es eine noch alltäglichere Methode, um den IQ seiner Mitmenschen zu ermitteln. Die Art und Weise, wie die Maske getragen wird, spiegelt die Intelligenz des Tragenden sogar noch zuverlässiger wider als die farbigen Linien in den Supermärkten. Sollte jemand mit seiner Mund-Nasen – Bedeckung nur den Mund bedecken, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieser bemitleidenswerte Zeitgenosse nicht weiß, was eine Nase ist. Dies ist Indikator dafür, dass der IQ nicht höher als 10 liegt.

Es gibt in Deutschland Heerscharen an renommierten Wissenschaftlern.

Als sich die pandemische Lage auf der Welt zuspitzte, da hatte ihre Stunde geschlagen: Die Wissenschaft ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und war in aller Munde. Nachdem sich die Menschen gerade in Deutschland ihre Fakten jahrelang zurechtbogen, wie es ihnen passte, hielt nun die faktenbasierte Recherche wieder Einzug. In schier obsessiver Leidenschaft haute so mancher Mitbürger eine wissenschaftlich fundierte Aussage nach der anderen raus. Mancheiner fand sogar den Mut, sich nach jahrelangem Versteckspiel als Wissenschaftler zu outen. Im April hatten wir dazu bereits den 76-jährigen Hermann S. befragt, der schon im Frühjahr einen eindeutigen Standpunkt hatte: „Dieses neuartige Virus ist nicht einmal so gefährlich wie eine Grippe. Studien haben ergeben, dass im Straßenverkehr dreimal so viele Menschen in Autounfällen sterben wie an Corona.“

S. war früher Schaffner bei der Bundesbahn, betrieb aber heimlich ein eigenes Forschungszentrum im Keller, von dem weder seine Frau noch seine drei Kinder wussten. Auf seine Forschungen blickt er mit Stolz zurück: „Jahrzehntelang war es verpönt, empirische Studien zu betreiben. Hinter allem vermuteten die Menschen wirtschaftliche Interessen. Ich bin stolz darauf, meinen kleinen Beitrag zum Wiederaufleben der Gesundheitsforschung zu leisten. Das ist das einzige noch nicht korrumpierte Forschungsfeld, denn immerhin forschen die Labore fast ausschließlich nach einem Impfstoff, der für alle von Nutzen sein wird. Dahinter kann einfach kein Profitinteresse stehen.“

Die richte Aussprache des Worts „Quarantäne“

In Zusammenhang mit der Pandemie ist noch ein weiterer linguistischer Meilenstein gelegt worden. Ähnlich wie bei dem Genus des Wortes „Virus“ ist seit diesem Jahr für alle Zeiten klar, wie die medizinisch verordnete Isolation richtig ausgesprochen wird: Es heißt Karantäne, ohne einen eingeschobenen w-Laut, wie häufig falschgemacht. Eine Kwarantäne gibt es nicht. Diese Wortschöpfung ist genau so falsch wie eine revolutionäre Gerillja (Gerieja!), das stinklangweilige Fach Kemie (weiches ch wie in „rieCHen“) oder wie der klassische Anfängerfehler Leviosah.

Wir sind auf eine Pandemie schlecht vorbereitet

Mit dem Virus haben wir nun schon seit einigen Monaten zu kämpfen. Zeit also für eine Zwischenbilanz. Diese fällt jedoch ernüchternd aus: Obwohl Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist, gibt es eklatante Schwachstellen. Diese betreffen besonders die Frühphase der weltweiten Krise und haben deshalb auch Monate danach schwere Auswirkungen. Nachdem das Virus bereits in den ersten beiden Monaten des Jahres eindrucksvoll demonstriert hat, zu was es fähig ist, wartete man in Deutschland lieber seelenruhig ab, anstatt beizeiten geeignete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Reiserückkehrer aus Risikogebieten konnten unbehelligt ihren Alltag in Deutschland wieder aufnehmen, ohne jemals auf das neuartige Virus getestet worden zu sein oder unter Karantäne gestellt zu werden.

Besonders blamabel an dieser Vorstellung: Geeignete Schutzkonzepte, um die Ausbreitung hochinfektiöser Krankheiten einzudämmen, lagen bereits zu Jahresbeginn vor. Zur Anwendung kam im Frühjahr kaum etwas. Schiefer ging in diesem Jahr einzig der bundesweite Sirenentest. Die Lehre von 2020 ist eindeutig: Wenn eine Krankheit erst einmal zu einer Pandemie ausgeartet ist, ist ambitioniertes Handeln reine Schadensbegrenzung.

Die AfD ist eine bürgerliche Partei

Lange angezweifelt, doch seit diesem Jahr eindeutig bewiesen: Die AfD ist eine Partei, die die Interessen der Mitte der Gesellschaft vertritt. Sie selbst verortet sich schon seit Jahren im konservativ-bürgerlichen Spektrum. Nach der Wahl des Abgeordneten Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen konnten selbst die etablierten Parteien die Augen davor nicht mehr verschließen. Immerhin war es maßgeblich der AfD zu verdanken, dass der Fünf-Prozent – Mann das höchste Amt im Freistaat bekleiden durfte, wenn auch nur für ein paar Stunden.

Die Partei unter Führung von Bernd Höcke hat am 5. Februar gezeigt, dass sie staatspolitische Verantwortung übernehmen kann, als sie dem glatzköpfigen Liberalen den Weg an die Spitze der thüringischen Regierung ebnete. Auch der frisch vereidigte Kemmerich signalisierte der bürgerlichen Höcke-Partei Entgegenkommen. Anders als so manche beleidigte Leberwurst im Saal warf er ihm weder einen Blumenstrauß vor die Füße noch verweigerte er ihm den Handschlag.

Die Internetabdeckung im Land ist grottig

Völlig überraschend mussten in diesem Jahr Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern feststellen, wie schlecht es um die Verbindung mit dem Internet bestellt ist. Nachdem auch die Politikerinnen und Politiker pandemiebedingt im Home Office arbeiten mussten, bemerkten sie plötzlich, dass sie völlig vergessen hatten, das Internet in Deutschland einzuschalten. Von dem Fauxpas betroffen waren auch viele Schülerinnen und Schüler. Die per E-Mail gesendeten Hausaufgaben haben sie nie erreicht. Im schlimmsten Fall kassierten sie dafür sogar einen Strich.

Um diesem Problem zügig Abhilfe zu verschaffen, kündigte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) jüngst an, in allen deutschen Ortschaften großzügig Milchkannen zu verteilen. Diese seien prädestiniert für einen ruckelfreien Internetempfang.

Wir haben ein Rechtsextremismus- und Antisemitismusproblem

Hanau und Halle sind zwei Städte, die in diesem Jahr traurige Bekanntschaft erlangt haben, die weit über die deutsche Bundesgrenze hinausreicht. Sie stehen symbolisch für die schlimmsten rechtsextremen Anschläge, die es in Nachkriegsdeutschland je gab. Die beiden Täter metzelten auf ihren rassistischen Mordzügen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Sie mögen Einzeltäter gewesen sein, doch gleichzeitig sind sie auch Ausdruck eines viel tieferliegenden Problems. Wenn in Deutschland regelmäßig jüdische Friedhöfe geschändet werden, dann ist es umso trauriger, dass es der beiden Täter aus Halle und Hanau bedurfte, um auf dieses eindeutige Rechtsextremismus- und Antisemitismusproblem aufmerksam zu werden.

Die Bereitschaft, vieler Demonstrierenden, rechtsextremen Symbolen hinterherzulaufen und sich gleichzeitig als ganz besonders überzeugte Demokraten zu gerieren, ist nicht nur heuchlerisch, sondern vor allem besorgniserregend. Die Grenzen zwischen Legitimität und absolutem No-Go verschwimmen immer mehr. Die Stimmen, die sich dagegen wehren, werden an vielen Stellen niedergebrüllt. Das Gewaltmonopol des Staats steht nicht zuletzt deshalb in Frage, weil selbst in der Polizei seit langem ein rechtsextremer Geist herumspukt. Anstatt dieses Problem ernstzunehmen und der Mehrheit der rechtschaffenden Polizistinnen und Polizisten den Rücken zu stärken, schiebt unser werter Herr Innenminister in einem Anfall von altersbedingter Sturheit und Senilität das Problem einfach beiseite. Horst Seehofer ist nicht die Lösung des Problems, sondern ein Teil davon.

Sophie Scholl lebt

Lange lehrten uns die Geschichtsbücher, dass die mutige Widerstandskämpferin Sophie Scholl am 22. Februar 1943 von den Nazis ermordet wurde. In diesem Jahr kam es aber in Hannover zu einer wundersamen Wendung. Die bisher unscheinbare Jana aus Kassel trat nämlich auf einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen auf und machte unmissverständlich klar: Der Geist von Sophie Scholl ist in sie eingefahren und hat sie zur Gegenbewehr berufen. Nicht noch einmal sollte es so weit kommen, dass Deutschland von angeblichen Demokraten zu einer Diktatur umgebaut würde. Dieses Mal seien sie und ihre Gefährten besser gerüstet: tausende Menschen auf Demonstrationen statt ein paar Dutzend Flugblätter an der Uni, öffentliche Entrüstung statt stillem Protest, mediale Aufmerksamkeit statt klammheimlicher Gerichtsverfahren. Ihre 1,0 im Leistungskurs bei Herrn Höcke hat sich dieses Mädel wahrlich verdient!

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„Last Christmas“ von Wham! ist ein nerviger Song

Der Pandemie fiel dieses Jahr auch ein echter Kultklassiker zum Opfer. Kein Weihnachtsfest der vergangenen 30 Jahre verging ohne den legendären Ohrwurm von Wham!, der uns Jahr für Jahr darauf einschwor, im nächsten Jahr nicht so leichtgläubig das eigene Herz zu verschenken. Er lief wirklich überall: im Radio, im Supermarkt, im Kaufhaus, in der Bahnhofshalle, teilweise sogar im Fahrstuhl. In der Zwischenzeit konnte man sich mit seinen Liebsten treffen und sich über die virtuosen Vorzüge dieses Meisterwerks austauschen. Genau diese Gelegenheit fiel dieses Jahr wegen Corona weg. Die Menschen hatten keine Möglichkeit, dieses Lied wenigstens für ein paar Minuten hinter sich zu lassen. Schnell verkam der sonst so beliebte Weihnachtssong zu einer nervtötenden Begleitmusik, die wir im nächsten Jahr sicher nicht mehr hören wollen.

Gegenvorschlag:

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Schöne Aussichten

Titelbild: Keith Gonzalez, pixabay, bearbeitet von Sven Rottner.

Lesedauer: 8 Minuten

Die goldenen 20er, wie sie noch vor knapp einem Jahr beschworen wurden, hätten mieser nicht beginnen können. Eine Pandemie stellt viele Länder seit Monaten vor gewaltige Probleme. Die Menschen werden krank, Geschäfte müssen schließen, Existenzen gehen kaputt. Das nächste Jahr kann nur besser werden.

Jahresrückblick besonderer Art

2020 neigt sich dem Ende. “Endlich!“ werden da einige erleichtert rufen. Sie haben allen Grund dazu: Ein Virus, vor dem wir vor zwölf Monaten noch absolut sicher schienen, hält die ganze Welt weiter in Atem. Nachdem sich Corona im Frühjahr auch hierzulande breitgemacht hatte, folgte der erste Lockdown. Geschäfte mussten schließen, Klopapier war knapp, die Menschen hatten Angst. Währenddessen übertraf sich die Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle von Tag zu Tag. Länder wie Italien und Spanien, aber auch die USA waren mit dieser Entwicklung heillos überfordert.

Es folgte eine kurze Zeit der Entspannung. Im Sommer gingen die Fallzahlen spürbar nach unten. Ein Sonnenanbeter ist das Virus nicht. Die Menschen schöpften wieder Hoffnung. Vielleicht gehörten Abstand und Maske bald der Vergangenheit an? Doch es kam anders: Der Herbst war mehr als ernüchternd. Die zweite Welle der Pandemie war heftiger als die erste. Wieder schlossen Geschäfte, Hotels und Kultureinrichtungen.

Was kam dann? Unsereins kann diese Frage noch nicht beantworten. Aber es gibt Menschen, die über eine spezielle Gabe verfügen. Viele tun Hellseher als esoterische Spinner oder geldgierige Scharlatane ab. Die Glaubwürdigkeit einer kanadischen Hellseherin wurde aber jüngst durch einen Zwischenfall mitten in Deutschland untermauert. Ihre Vorhersagen deckten sich mit den Aussagen eines jungen Mannes, der behauptete, ein Zeitreisender zu sein.

Überraschende Trendwende?

Seine Herkunft belegte der 26-jährige Osnabrücker mit einigen Ankündigungen, die wenige Tage später genau so in den Nachrichten kamen. Diese Trefferquote hatte nicht einmal die Hellseherin, die sich selbst Madame Futura II. nennt (The One Who Will Have Been). In einigen Punkten waren sich die beiden aber doch einig. So erklärten sie unabhängig voneinander, dass das Virus mit Gongschlag 2021 auf mysteriöse Art und Weise verschwinden würde. Der deutsche Zeitreisende Robert T. (Name von der Redaktion geändert) konnte sogar konkreter werden. Weltweit gäbe es in den ersten Januartagen nur noch wenige Hundert Neuinfektionen pro Tag, bevor sich am 14. Januar der letzte Fall nachweisen lassen würde. T. wusste sogar, dass dieser Tag ein Donnerstag sein würde.

Doch der Besucher aus der Zukunft konnte noch mehr spektakuläres berichten. Noch in der Nacht auf den 1. Januar erlebten tausende Menschen weltweit eine regelrechte Spontanheilung von dem hartnäckigen Virus. Er erzählte von Intensivpatienten, die die Stationen noch vor Morgengrauen verlassen konnten. Besonders für das Klinikpersonal war das eine glückliche Fügung. Erneut würden nämlich wieder zahllose Opfer von Pyrotechnik die Intensivstationen fluten.

Der Zeitreisende zitierte außerdem aus einer Presseerklärung der Kanzlerin vom Januar 2021. In dieser zog sie einerseits die Ladenschließungen zurück und beendete andererseits die Maskenpflicht. Eine Welle der Erleichterung ging in der Folge durch das Land. Die Menschen konnten endlich wieder das tun, worauf sie ein knappes Jahr so eisern verzichtet hatten. Robert T. erzählte von gleich drei Partys, die er an einem Wochenende besuchte. Er berichtete: „Es war eine so große Freude, das erste Mal nach einem Jahr ausgiebig shoppen zu gehen. Die Läden hatten zwar zeitweise bereits 2020 geöffnet, aber wie wir wissen, ging keiner hin.“ Etwas ernster sprach er Umzüge und Demonstrationen an: „Es war für viele natürlich nicht leicht, nach einem Jahr der demokratischen Enthaltsamkeit, laut auf der Straße die Meinung zu sagen. Einige mussten das Demonstrieren erst wieder lernen.“

Der Duft der Geselligkeit

In andere vorpandemische Gepflogenheiten rutschte T. leichter wieder rein. „In Zeiten von Abstand und Maske kam man sich beim Einkaufen regelrecht vereinsamt vor. Als ich das erste Mal wieder den warmen Atem meines Hintermanns im Nacken spürte – was für ein Moment.“ Andere drückten ihre Freude über die zwischenmenschliche Wärme an der Supermarktkasse noch deutlicher aus. T. erzählte von einer Frau, die sich dreimal hintereinander genüsslich in die Arme des Mannes hinter ihr fallen ließ, bevor die eilige Kassiererin ihr Bad in der Menge abrupt beendete.

Ein ganz besonderes Phänomen erläuterte Robert T. mit einem Schmunzeln: „Nach monatelangem Maskentragen wusste ich nicht einmal mehr, ob meine Nase überhaupt noch ihren Dienst tut. Die Zweifel waren schnell ausgeräumt, als ich mich Anfang Januar in eine vollgepackte Bahn zwängte. Der durchgeschwitzte Herr neben mir kam wohl gerade aus dem Fitnessstudio. Ich fand es schade, dass er bereits an der nächsten Station ausstieg.“

Rundum gut versorgt

Robert T. gab an, am 10. November 2021 in seine Kapsel gestiegen zu sein. Die Aussage der kanadischen Madame Futura II. konnte er also leider nicht bestätigen. Sie sah voraus, dass die Weihnachtsmärkte im kommenden Jahr ein voller Erfolg werden würden. In ihrer Ekstase konnte sie den Duft von Glühwein, Rostbratwurst und heißen Maroni förmlich riechen. Vor ihrem inneren Auge sah sie Heerscharen an Menschen, die selig und zufrieden von Stand zu Stand zogen. Alle lachten und jeder genoss das Beisammensein, auf das im Vorjahr verzichtet werden musste.

Madame Futura II. wurde aber noch konkreter. Sie sagte rosige Aussichten für die Wirtschaft auch in Deutschland voraus. Immerhin umtrieb die Wirtschaftslage viele Menschen bereits im Jahr 2020. Die Hellseherin konnte die Menschen aber beruhigen. Das Ende der Pandemie bedeutete auch ein Ende der Kurzarbeit und eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung. Der Zeitreisende Robert T. bestätigte ihre Angaben. Er selbst wäre nie an Corona erkrankt, wusste aber von den katastrophalen Zuständen in den Krankenhäusern aufgrund der steigenden Fallzahlen. „Im Sommer 2021 war ich einige Tage in stationärer Behandlung. Ich fühlte mich rundum gut versorgt. Während ich mit einer Schwester über Urlaubspläne sprach, fand eine andere sogar die Zeit, mir die Füße zu massieren. Von Überlastung keine Spur mehr.“

Auch die Zustände in Fleischereibetrieben entspannten sich spürbar. Weil kein einziger Corona-Fall mehr nachgewiesen werden konnte, kehrten die Arbeiterinnen und Arbeiter namhafter Betriebe wieder in ihre gewohnte Umgebung zurück. T. zitierte einen befreundeten Mitarbeiter von Tönnies: „Ich genieße es, endlich wieder mit meinen Freunden in einem Zimmer zu leben. Die dauerhafte Quarantäne war eine schlimme Erfahrung.“

Schöne Aussichten

Lobend hob T. außerdem die Bundesregierung hervor. Weil diese im Jahr 2020 ausnahmsweise die Schuldenbremse gelockert hatte, konnten nachhaltige wirtschaftliche Schäden größtenteils abgewendet werden. „Weil der Staat in den Jahren zuvor so sparsam war, musste nicht einmal mehr die Mehrwertsteuer erhöht werden. Sie blieb bei maximal 16 Prozent“, berichtet T.. Er kündigte außerdem an, dass fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit deutlich höheren Löhnen in den Folgejahren rechnen könnten. Er selbst hätte gerade damit begonnen, ein Haus zu bauen, als er im Garten die Zeitkapsel fand.

Das kanadische Medium hatte außerdem noch einen Tipp für Anleger und Sparer: Das Jahr 2021 würde wohl ein sehr lukratives Jahr werden. Weil Banken und Sparkassen nach Jahren endlich wieder die Sparzinsen anhöben, würden sich private Investitionen besonders lohnen. In diesem Moment leuchtete ihre Kristallkugel hell auf. Sie erklärte das folgendermaßen: „Anscheinend ist die Netzabdeckung im nächsten Jahr so gut, dass selbst ich aus der Vergangenheit etwas davon mit meiner Kugel empfangen habe.“

T.s Aufenthalt in unserer Zeit war allerdings nur von kurzer Dauer. Nach zwei Tagen musste er wieder ins Jahr 2021 zurückkehren. Bevor er ging, hatte er noch eine weitere ermunternde Botschaft: „Das Klimaproblem wird deutlich kleiner. Weil fast ein Jahr lang alle so diszipliniert zu Hause blieben und kein Auto fuhren, sinkt die Verschmutzung der Luft im nächsten Jahr deutlich.“ Mit diesen Aussichten können wir dem kommenden Jahr alle beruhigt entgegensehen. Vielleicht treffen wir ja sogar den zeitreisenden Robert T. – er soll ziemlich charmant sein.

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