Momentaufnahme

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Anfang des Jahres entpuppte sich Die Linke mal wieder als politisches Stehaufmännchen. Nach der Ära Wagenknecht brauchte die Partei etwas Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen. Günstige Rahmenbedingungen taten ihr Übriges, um die Partei wieder ins Gespräch zu bringen. Das momentane Umfragehoch ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: Die Saat der Enttäuschung hat die Partei längst gesetzt.

Unverhofft kommt oft: Mit fast 9 Prozent der Zweitstimmen gelang der Linken bei der letzten Bundestagswahl, was lange völlig abwegig schien. Die selbsternannten Sozialisten waren zurück auf dem politischen Parkett.  Nach einer langen Serie von Wahlniederlagen holte die Partei eines ihrer besten bundesweiten Ergebnisse. Noch gut neun Monate zuvor, bei der EU-Wahl, hatte das keiner für möglich gehalten. Die Linke rutschte damals mit weniger als 3 Prozent unter die politische Relevanzschwelle und zog routiniert lange Gesichter. Es schien, als wären fast alle Parteien mit den vorgezogenen Neuwahlen im Februar überfordert gewesen. Nur Die Linke war bereit. Was also war geschehen?

Sympathisch an die Spitze

In erster Linie machte die Partei etwas, was keiner mehr von ihr gewohnt war: Sie setzte auf sympathisches Spitzenpersonal. Damit ist übrigens nicht Jan van Aken gemeint. Die immer fröhliche Heidi Reichinnek avancierte schnell zur Favoritin unter den Jung- und Erstwählern. Wie keine andere Spitzenkandidatin verstand sie es meisterlich, sich für U30 in Szene zu setzen.

Doch auch eine Heidi Reichinnek hätte krachend scheitern können wie eine Janine Wissler oder eine Carola Rackete. Sie und ihre Partei profitierten von einer völlig anderen Stimmung in der Bevölkerung als noch ein Dreivierteljahr zuvor. Nach dem medial deklarierten Dammbruch der Union saugte sie die Empörung über die Abstimmung zur Einwanderungspolitik so gut auf wie keine andere Partei. Spätestens nach der fragwürdigen Debatte im Bundestag schnellte der magentafarbene Balken bei den Umfragen wieder in die Höhe.

Apropos Umfragen: Natürlich kam der Linken auch eine bevorzugte Behandlung der Umfragehäuser zugute. Denn noch nie ist es einer Partei zuvor gelungen, sich in wenigen Wochen zu verdoppeln – Neuwahl hin oder her. Auch NGOs wie Campact zeigten sich gegenüber den Linken ausgesprochen wohlwollend und vom Medienskandal beim ZDF-Schlagabtausch, wo nur Linke und Grüne Applaus bekamen, brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.

Und wie so oft trifft auch dieses Mal zu: Die anderen waren schuld. So gab es teils schwerwiegende strategische Fehler bei der politischen Konkurrenz, allen voran Grüne und BSW, die bei ihren jeweiligen Wählergruppen Vertrauen verspielten. Die einen, weil sie sich plötzlich mehr für Krieg als für Jugendliche interessierten, die anderen wegen Katja Wolf.

Alles beim Alten

Woran der neuerliche Anflug von Erfolg der Partei definitiv nicht herrührte: von deren Inhalten. Denn programmatisch hatte sich Die Linke seit dem EU-Debakel im Juni 2024 kaum verändert. Die Abspaltung von Wagenknecht und Getreuen hatte dem woken Parteiflügel in der Linken schon im Herbst 2023 freie Bahn verschafft und trotzdem dauerte es bis zur Bundestagswahl, dass die Partei an alte Erfolge anknüpfen konnte.

Auch wenn aktuelle Umfragen anderes suggerieren: Ohne einen erneuten Strategiewechsel wird die Partei den Höhenflug nicht lange beibehalten können. Denn schon einige Monate nach der Bundestagswahl hat ihre Realpolitik den woken Etikettenschwindel längst enttarnt. Das ging schon unmittelbar nach der Wahl los. In einem ungeheuerlichen und beispiellosen Prozedere drückte der Bundestag ein unbeziffertes Schuldenpaket für Waffen und Aufrüstung durch. Dazu berief die neue Mehrheit aus Union und SPD flugs den alten Bundestag ein, weil ihnen die Mehrheiten im gerade zusammengewählten nicht passten. Die Linke hätte hier einen entscheidenden Unterschied machen können. Sie nutzte die Chance, die Konstituierung des neuen Bundestags zu erzwingen nicht, weil sie die AfD mehr hasst als sie die Demokratie liebt.

Das unwürdige Schauspiel war damit aber noch nicht zu Ende. Obwohl es auf ihre Stimmen überhaupt nicht mehr ankam, stimmten die Linken aus Mecklenburg-Vorpommern und Bremen im Bundesrat für diese unsäglichen Kriegskredite. Die in Aussicht gestellten 500 Milliarden Euro für Soziales und Infrastruktur nutzten sie nur zu gerne als Feigenblatt ihrer endgültigen Abkehr von einer konsequenten Friedenspolitik.

Ungeahnter Zuwachs

Gewohnt regierungsgeil zeigte sich die Partei dann auch in den Folgemonaten. Zunächst ebnete sie Friedrich Merz (CDU) den Weg ins Kanzleramt, indem sie einem unverzüglichen zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler zustimmte. Aber auch die Äußerungen der Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner zum Renteneintrittsalter sind ein nahezu obszön anmutendes Anbiedern an Rot-Rot-Grün.

Der Plan ging bei der Bundestagswahl 2025 voll auf. Insbesondere die Erstwähler schenkten der Linken das Vertrauen, weil andere Parteien sie nicht ansprachen. Dieser Trend zeichnete sich schon im September 2024 ab, als der komplette Vorstand der grünen Jugend zurücktrat und viele junge Parteimitglieder die Flucht ergriffen. Zur CDU oder zum BSW sind die bestimmt nicht gewechselt.

Vergänglicher Höhenflug

Zu sicher sollte sich Die Linke dennoch nicht sein. Die FDP hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sich der Wind zwischen zwei Wahlen drehen kann. 2021 lockten die Liberalen noch einen beträchtlichen Teil an Erstwählern an, um keine vier Jahre später in der Versenkung zu verschwinden. Den Linken sei gesagt: Erstwähler sind eine vergängliche Ressource, weil auch sie älter und weiser werden.

Den momentanen Erfolg der Linken sollte man daher ebenso wenig überschätzen wie ihr langes Tief. Es ist ein politisches Naturgesetz: Starke Parteien ziehen mehr Wähler an als schwache. Das gilt zwischen den Wahlen noch mehr als unmittelbar davor. Die Linke sahnt in den Umfragen gerade fantastische zweistellige Werte ab. Zu verdanken hat sie das in erster Linie ihrem starken Abschneiden bei der letzten Bundestagswahl, nicht aber ihrer Realpolitik.

Doch auch die anderen Parteien sind nicht untätig. Sicher werden auch die Grünen schon an Strategien arbeiten, die jungen Wähler wieder zurückzugewinnen. Die Linken haben in den nächsten Jahren ausreichend Gelegenheit zu zeigen, wie nachhaltig ihr neuer Erfolg ist und ob sie den Höhenflug halten können.


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Ein Gedanke zu „Momentaufnahme“

  1. The article provides an insightful analysis of the Left Partys recent surge in popularity, attributing it to strategic opportunities and media bias rather than policy changes. However, it raises valid concerns about their sustainability and ability to maintain this momentum.

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