Was wir 2020 gelernt haben…

Vorschaubild: stux, pixaby, bearbeitet von Sven Rottner.

Lesezeit: 11 Minuten

2020 – was für ein Jahr! Viele werden dem Jahreswechsel hoffnungsvoll entgegenblicken. Grund dazu haben sie genug. Die Pandemie bestimmt schließlich weiterhin unseren Alltag. Das Jahr 2020 hat uns allen enorm viel abverlangt. Trotzdem konnten wir einiges von diesem beknackten Jahr lernen. Die zehn wichtigsten Erkenntnisgewinne sind hier zusammengefasst.

Den Artikel zum Wort „Virus“

Nachdem das Genus dieses Wortes besonders im Frühjahr noch für reichlich Irritationen sorgte, stand spätestens nach den ersten 10.000 Coronafällen offiziell fest: Es heißt DAS Virus. Obwohl viele in den ersten Monaten des Jahres krampfhaft versuchten, den männlichen Artikel für das Wort durchzudrücken, mussten sie gegenüber einer breiten Front von Sprachwissenschaftlern und Virologen klein beigeben. Diese bestimmten nämlich auf alle Ewigkeit: Virus ist Neutrum. Einzige Ausnahme gilt in Baden-Württemberg: Die Menschen von dort dürfen weiterhin ungestraft „der“ Virus sagen. Gegen die jahrhundertelange Tradition der artifiziellen Maskulinisierung von Substantiven kamen selbst die Gelehrten nicht an. Immerhin heißt es in dem südwestdeutschen Bundesland bis heute auch der Butter und der Klo.

Abstandsstriche ersetzen kostspielige IQ-Tests

In Zeiten der Pandemie ist eines ganz wichtig: Abstand voneinander halten. In einer überbevölkerten Welt, die immer enger zusammenwächst, fällt das vielen allerdings nicht leicht. Der Einzelhandel hat sich deswegen etwas ganz besonders gewieftes ausgedacht. Nach etlichen Stunden in den Laboren und nach so manchem rauchenden Kopf konnte die Branche stolz ihre Erfindung präsentieren. Mithilfe sogenannter Abstandsstriche sollte vor allem im Kassenbereich gewährleistet werden, dass die Menschen Abstand zueinander hielten. Es handelte sich dabei um speziell angefertigte Klebestreifen in leuchtenden Signalfarben, die die Menschen auf das Abstandsgebot aufmerksam machten.

Den erhofften Erfolg brachte die geniale Maßnahme leider nicht. Trotzdem stellte sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass die Striche noch einen ganz anderen Effekt hatten. So ließen sie ohne viel technischen Schnickschnack für jedermann und jedefrau die Intelligenz der Kundinnen und Kunden erkennen. Ruben V., Filialleiter eines REWE-Marktes in Gütersloh bedauerte: „Es war für uns ein harter Schlag, dass fast zwei Drittel unserer Kundschaft einen Intelligenzquotienten von unter 40 haben. Das ist dümmer als Donald Trump.“

Da nicht in jeder Lebenslage ein Abstandsstrich zur Hand ist, gibt es eine noch alltäglichere Methode, um den IQ seiner Mitmenschen zu ermitteln. Die Art und Weise, wie die Maske getragen wird, spiegelt die Intelligenz des Tragenden sogar noch zuverlässiger wider als die farbigen Linien in den Supermärkten. Sollte jemand mit seiner Mund-Nasen – Bedeckung nur den Mund bedecken, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieser bemitleidenswerte Zeitgenosse nicht weiß, was eine Nase ist. Dies ist Indikator dafür, dass der IQ nicht höher als 10 liegt.

Es gibt in Deutschland Heerscharen an renommierten Wissenschaftlern.

Als sich die pandemische Lage auf der Welt zuspitzte, da hatte ihre Stunde geschlagen: Die Wissenschaft ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und war in aller Munde. Nachdem sich die Menschen gerade in Deutschland ihre Fakten jahrelang zurechtbogen, wie es ihnen passte, hielt nun die faktenbasierte Recherche wieder Einzug. In schier obsessiver Leidenschaft haute so mancher Mitbürger eine wissenschaftlich fundierte Aussage nach der anderen raus. Mancheiner fand sogar den Mut, sich nach jahrelangem Versteckspiel als Wissenschaftler zu outen. Im April hatten wir dazu bereits den 76-jährigen Hermann S. befragt, der schon im Frühjahr einen eindeutigen Standpunkt hatte: „Dieses neuartige Virus ist nicht einmal so gefährlich wie eine Grippe. Studien haben ergeben, dass im Straßenverkehr dreimal so viele Menschen in Autounfällen sterben wie an Corona.“

S. war früher Schaffner bei der Bundesbahn, betrieb aber heimlich ein eigenes Forschungszentrum im Keller, von dem weder seine Frau noch seine drei Kinder wussten. Auf seine Forschungen blickt er mit Stolz zurück: „Jahrzehntelang war es verpönt, empirische Studien zu betreiben. Hinter allem vermuteten die Menschen wirtschaftliche Interessen. Ich bin stolz darauf, meinen kleinen Beitrag zum Wiederaufleben der Gesundheitsforschung zu leisten. Das ist das einzige noch nicht korrumpierte Forschungsfeld, denn immerhin forschen die Labore fast ausschließlich nach einem Impfstoff, der für alle von Nutzen sein wird. Dahinter kann einfach kein Profitinteresse stehen.“

Die richte Aussprache des Worts „Quarantäne“

In Zusammenhang mit der Pandemie ist noch ein weiterer linguistischer Meilenstein gelegt worden. Ähnlich wie bei dem Genus des Wortes „Virus“ ist seit diesem Jahr für alle Zeiten klar, wie die medizinisch verordnete Isolation richtig ausgesprochen wird: Es heißt Karantäne, ohne einen eingeschobenen w-Laut, wie häufig falschgemacht. Eine Kwarantäne gibt es nicht. Diese Wortschöpfung ist genau so falsch wie eine revolutionäre Gerillja (Gerieja!), das stinklangweilige Fach Kemie (weiches ch wie in „rieCHen“) oder wie der klassische Anfängerfehler Leviosah.

Wir sind auf eine Pandemie schlecht vorbereitet

Mit dem Virus haben wir nun schon seit einigen Monaten zu kämpfen. Zeit also für eine Zwischenbilanz. Diese fällt jedoch ernüchternd aus: Obwohl Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist, gibt es eklatante Schwachstellen. Diese betreffen besonders die Frühphase der weltweiten Krise und haben deshalb auch Monate danach schwere Auswirkungen. Nachdem das Virus bereits in den ersten beiden Monaten des Jahres eindrucksvoll demonstriert hat, zu was es fähig ist, wartete man in Deutschland lieber seelenruhig ab, anstatt beizeiten geeignete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Reiserückkehrer aus Risikogebieten konnten unbehelligt ihren Alltag in Deutschland wieder aufnehmen, ohne jemals auf das neuartige Virus getestet worden zu sein oder unter Karantäne gestellt zu werden.

Besonders blamabel an dieser Vorstellung: Geeignete Schutzkonzepte, um die Ausbreitung hochinfektiöser Krankheiten einzudämmen, lagen bereits zu Jahresbeginn vor. Zur Anwendung kam im Frühjahr kaum etwas. Schiefer ging in diesem Jahr einzig der bundesweite Sirenentest. Die Lehre von 2020 ist eindeutig: Wenn eine Krankheit erst einmal zu einer Pandemie ausgeartet ist, ist ambitioniertes Handeln reine Schadensbegrenzung.

Die AfD ist eine bürgerliche Partei

Lange angezweifelt, doch seit diesem Jahr eindeutig bewiesen: Die AfD ist eine Partei, die die Interessen der Mitte der Gesellschaft vertritt. Sie selbst verortet sich schon seit Jahren im konservativ-bürgerlichen Spektrum. Nach der Wahl des Abgeordneten Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen konnten selbst die etablierten Parteien die Augen davor nicht mehr verschließen. Immerhin war es maßgeblich der AfD zu verdanken, dass der Fünf-Prozent – Mann das höchste Amt im Freistaat bekleiden durfte, wenn auch nur für ein paar Stunden.

Die Partei unter Führung von Bernd Höcke hat am 5. Februar gezeigt, dass sie staatspolitische Verantwortung übernehmen kann, als sie dem glatzköpfigen Liberalen den Weg an die Spitze der thüringischen Regierung ebnete. Auch der frisch vereidigte Kemmerich signalisierte der bürgerlichen Höcke-Partei Entgegenkommen. Anders als so manche beleidigte Leberwurst im Saal warf er ihm weder einen Blumenstrauß vor die Füße noch verweigerte er ihm den Handschlag.

Die Internetabdeckung im Land ist grottig

Völlig überraschend mussten in diesem Jahr Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern feststellen, wie schlecht es um die Verbindung mit dem Internet bestellt ist. Nachdem auch die Politikerinnen und Politiker pandemiebedingt im Home Office arbeiten mussten, bemerkten sie plötzlich, dass sie völlig vergessen hatten, das Internet in Deutschland einzuschalten. Von dem Fauxpas betroffen waren auch viele Schülerinnen und Schüler. Die per E-Mail gesendeten Hausaufgaben haben sie nie erreicht. Im schlimmsten Fall kassierten sie dafür sogar einen Strich.

Um diesem Problem zügig Abhilfe zu verschaffen, kündigte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) jüngst an, in allen deutschen Ortschaften großzügig Milchkannen zu verteilen. Diese seien prädestiniert für einen ruckelfreien Internetempfang.

Wir haben ein Rechtsextremismus- und Antisemitismusproblem

Hanau und Halle sind zwei Städte, die in diesem Jahr traurige Bekanntschaft erlangt haben, die weit über die deutsche Bundesgrenze hinausreicht. Sie stehen symbolisch für die schlimmsten rechtsextremen Anschläge, die es in Nachkriegsdeutschland je gab. Die beiden Täter metzelten auf ihren rassistischen Mordzügen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Sie mögen Einzeltäter gewesen sein, doch gleichzeitig sind sie auch Ausdruck eines viel tieferliegenden Problems. Wenn in Deutschland regelmäßig jüdische Friedhöfe geschändet werden, dann ist es umso trauriger, dass es der beiden Täter aus Halle und Hanau bedurfte, um auf dieses eindeutige Rechtsextremismus- und Antisemitismusproblem aufmerksam zu werden.

Die Bereitschaft, vieler Demonstrierenden, rechtsextremen Symbolen hinterherzulaufen und sich gleichzeitig als ganz besonders überzeugte Demokraten zu gerieren, ist nicht nur heuchlerisch, sondern vor allem besorgniserregend. Die Grenzen zwischen Legitimität und absolutem No-Go verschwimmen immer mehr. Die Stimmen, die sich dagegen wehren, werden an vielen Stellen niedergebrüllt. Das Gewaltmonopol des Staats steht nicht zuletzt deshalb in Frage, weil selbst in der Polizei seit langem ein rechtsextremer Geist herumspukt. Anstatt dieses Problem ernstzunehmen und der Mehrheit der rechtschaffenden Polizistinnen und Polizisten den Rücken zu stärken, schiebt unser werter Herr Innenminister in einem Anfall von altersbedingter Sturheit und Senilität das Problem einfach beiseite. Horst Seehofer ist nicht die Lösung des Problems, sondern ein Teil davon.

Sophie Scholl lebt

Lange lehrten uns die Geschichtsbücher, dass die mutige Widerstandskämpferin Sophie Scholl am 22. Februar 1943 von den Nazis ermordet wurde. In diesem Jahr kam es aber in Hannover zu einer wundersamen Wendung. Die bisher unscheinbare Jana aus Kassel trat nämlich auf einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen auf und machte unmissverständlich klar: Der Geist von Sophie Scholl ist in sie eingefahren und hat sie zur Gegenbewehr berufen. Nicht noch einmal sollte es so weit kommen, dass Deutschland von angeblichen Demokraten zu einer Diktatur umgebaut würde. Dieses Mal seien sie und ihre Gefährten besser gerüstet: tausende Menschen auf Demonstrationen statt ein paar Dutzend Flugblätter an der Uni, öffentliche Entrüstung statt stillem Protest, mediale Aufmerksamkeit statt klammheimlicher Gerichtsverfahren. Ihre 1,0 im Leistungskurs bei Herrn Höcke hat sich dieses Mädel wahrlich verdient!

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„Last Christmas“ von Wham! ist ein nerviger Song

Der Pandemie fiel dieses Jahr auch ein echter Kultklassiker zum Opfer. Kein Weihnachtsfest der vergangenen 30 Jahre verging ohne den legendären Ohrwurm von Wham!, der uns Jahr für Jahr darauf einschwor, im nächsten Jahr nicht so leichtgläubig das eigene Herz zu verschenken. Er lief wirklich überall: im Radio, im Supermarkt, im Kaufhaus, in der Bahnhofshalle, teilweise sogar im Fahrstuhl. In der Zwischenzeit konnte man sich mit seinen Liebsten treffen und sich über die virtuosen Vorzüge dieses Meisterwerks austauschen. Genau diese Gelegenheit fiel dieses Jahr wegen Corona weg. Die Menschen hatten keine Möglichkeit, dieses Lied wenigstens für ein paar Minuten hinter sich zu lassen. Schnell verkam der sonst so beliebte Weihnachtssong zu einer nervtötenden Begleitmusik, die wir im nächsten Jahr sicher nicht mehr hören wollen.

Gegenvorschlag:

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Wider die Instinkte – Wenn Intelligenz tötet

Beitragsbild: Gerd Altmann, pixabay.

Lesedauer: 11 Minuten

Unter all den Lebewesen, die sich auf unserem Planeten tummeln, neigt wohl keine andere Spezies so sehr zu irrationalem und dummen Verhalten wie der Mensch. Seit Anbeginn aller Zeiten fasziniert er durch sein widersinniges und absolut unlogisches Verhalten. Der angeblich intelligentesten Spezies der Welt steht dabei oftmals der eigene Instinkt im Wege. Ob es nun Fluch oder Segen ist, dass diese Instinkte von schier unendlicher Intelligenz übermannt werden, ist in manchen Fällen kaum unterscheidbar.

Intelligenz ist nicht alles

Schaut man sich die Äußerungen mancher Menschen an, grenzt es schon fast an Komik, dass die Evolutionstheorie ausgerechnet diese Spezies zur intelligentesten auf dem Erdenrund geadelt hat. Anstatt die Klimakatastrophe zu betrauern, sollte man lieber deren Verursacher beklagen. Aber eines muss man den Menschen wirklich zugestehen: Sie sind tatsächlich intelligent. Diese Intelligenz verschafft ihnen nicht nur eine deutlich schnellere Auffassungsgabe, sondern befähigt sie auch zum Sprechen, Schreiben und Lesen. Womit Intelligenz allerdings niemals verwechselt werden sollte, ist Schläue. Die Intelligenz ist viel eher die Grundausstattung, über die der Mensch im Normalfall verfügt. Dieser Speicherplatz kann gefüllt werden. Muss er aber nicht.

Gerade im Zusammenhang mit hochaktuellen Themen wird mal wieder offensichtlich, dass der Mensch eine apokalyptische Neigung zur Selbstauslöschung in sich trägt. Zwei Themen machen das ganz besonders deutlich: die leidvolle Debatte um das Tempolimit auf deutschen Autobahnen einerseits und die linksgrün-versiffte Idee eines Böllerverbots andererseits.

Bleiben wir doch zunächst bei der Geschwindigkeitsbegrenzung. Die hartgesottenen Gegner des Limits halten eine solche Regelung für unsinnig, weil die deutschen Autobahnen als die sichersten weltweit gelten. In diesem Punkt haben sie sogar recht. Und noch etwas anderes ist auffällig: die wenigsten tödlichen Unfälle geschehen auf der Autobahn. Wer das als valides Argument gegen ein Tempolimit nimmt, der müsste in der Konsequenz auch das deutsche Strafgesetz abschaffen. Statistiken belegen nämlich, dass die Anzahl polizeilich erfasster Straftaten in den letzten Jahren rückläufig ist.

Need for Speed

Natürlich käme keiner ernsthaft auf eine solch absurde Idee. Gerade die Mordrate ist in den letzten Jahren gestiegen. Ein ähnliches Prinzip gilt auch auf der Autobahn. Auf diesen Straßen sind vielleicht die wenigsten tödlich verunglückt, die meisten unter ihnen allerdings aufgrund zu hoher Geschwindigkeit.

Es sollte eigentlich unbestritten sein, dass ein Tempolimit immer dazu führt, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit sinkt. Wo zu hohe Geschwindigkeit die Top-Ursache tödlicher Unfälle ist, da sollte nicht mehr über das Ob, sondern möglichst bald über das Wie diskutiert werden.

Freie Fahrt auf der Autobahn? Viele Menschen halten nichts von einem Tempolimit.
Bild: Rolf van Melis, Autobahn A44 1, CC BY-SA 2.0 DE.

Und da sich die Gegner des Tempolimits so gerne damit rühmen, die deutschen Autobahnen seien die sichersten: Perfektionismus endet nicht, wenn man gut ist, sondern wenn man perfekt ist. Eine generell niederschwellige Gefahrenlage auf deutschen Autobahnen sollte eigentlich erst recht Anlass dazu sein, noch sicherer zu werden. Man hört ja schließlich auch nicht auf, seine Kinder impfen zu lassen, weil das Ansteckungsrisiko gering ist. Oder etwa doch?! Und noch einmal: Ein Tempolimit kann nur dazu führen, dass die Zahl der Toten aufgrund von zu hoher Geschwindigkeit zurückgeht. Und jeder Tote auf deutschen Straßen ist ein Toter zu viel.

Höher, schneller, weiter

Schneller heißt schließlich immer auch unkontrollierbarer. Der Mensch strebt danach, Dinge zu kontrollieren. Hier ist eine neue Möglichkeit. Doch dass viele Menschen mit solch einleuchtenden Grundprinzipien gebrochen haben, wird auch bei der Diskussion um ein Böllerverbot an Silvester deutlich. Hier setzen sich viele sogar über einen Urinstinkt aller Lebewesen auf der Erde hinweg: der Angst vor dem Feuer.

Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Sprengstoff hat in den Händen von Laien nichts zu suchen. Deswegen ist die Begründung vieler Einzelhandelsketten, auf den Böllerverkauf zu verzichten, auch so scheinheilig. Viele springen auf den Klimazug mit auf, obwohl die enorme Gefahr von Schwarzpulver & Co. schon viel länger bekannt ist.

Feuerwerke erfreuen sich an Silvester weiterhin großer Beliebtheit – trotz offensichtlicher Gefahren.
Bild: Gerd Altmann, pixabay.

Schon der Neandertaler wollte das Feuer unbedingt kontrollieren. Wie soll das funktionieren, wenn man hochexplosives Material anzündet und wegwirft? Eine einmal gezündete Rakete, die in die Lüfte schnellt, ist nicht kontrollierbar, zumindest nicht von Menschenhand. Wozu in den Himmel entsendetes Feuer führen kann, wurde uns dieser Tage auf tragischste Art und Weise in Krefeld erneut vor Augen geführt. Ein generelles Umdenken wird das aber trotzdem nicht bedeuten. Es war ja schließlich keine Rakete…

Explosiver Schwanzvergleich

Dabei ist die Alternative so naheliegend. Wenn man an Silvester schon unbedingt ein zünftiges Feuerwerk will, dann kann man sich doch an vielen US-amerikanischen Städten orientieren. Dort ist es seit langem Gang und Gäbe, dass Pyrotechniker an zentralen Stellen ein Himmelsschauspiel entfesseln. Auch das ist natürlich nicht ohne Risiko. Vielleicht wären zentrale Lasershows dann doch besser. Denn natürlich ist ein Feuerwerk schön. Das ist ein Atompilz aber irgendwie auch.

Beim Thema Böllern geben sich viele Menschen allerdings einsichtig. Doch die Ankündigung, in diesem Jahr auf jeden Fall weniger bis gar nicht zu böllern, war von Anfang an zum traurigen Ritus verdammt. Denn spätestens wenn einem die – Achtung, Wortwitz – Knallerpreise regelrecht entgegenfliegen, gibt es für viele kein Halten mehr. Längst hat das Auto Konkurrenz bekommen, wenn es darum geht, dass testosterongesteuerte Supermarktstricher ihre verkümmerten Schwänzchen kompensieren müssen.

100.000 Jahre Schnee

Hat das noch was mit Intelligenz zu tun? Man weiß es nicht. Wenigstens geben sich viele Menschen beim Thema Böllerverbot gar keine Mühe, sonderlich intelligent zu wirken. Geht es allerdings um den Klimawandel, sieht die Sache schon anders aus. Beim neuen globalen Lieblingsthema ist es inzwischen zur guten Sitte geworden, sich mit Fakten und Zahlen zu bombardieren und zu übertrumpfen. Manche dieser „Argumente“ lassen dann jedoch schnell wieder an der Intelligenz mancher Möchtegern-Klimaforscher zweifeln.

So gibt es doch tatsächlich Menschen, die die derzeitige Situation auf unserem Planeten mit der letzten Eiszeit vergleichen. Sicherlich kennen die meisten derer nicht den Unterschied zwischen einem Eiszeitalter und einer Kaltzeitperiode, aber Wikipedia erweist sich auch in diesem Falle als guter Lehrmeister. Selbst wenn man die letzte Kälteperiode tatsächlich als Eiszeit bezeichnet, so dauerte sie mehr als 100.000 Jahre an. Sicherlich wurde dabei nicht ein Schalter umgelegt, was der Welt hundert Jahrtausende Schnee verschaffte. Irgendwie verhält es sich aber so mit der derzeitigen Wärmeperiode.

Seit Jahrzehnten beobachten wir einen besorgniserregenden Anstieg der Durchschnittstemperatur. Natürlich kommt ein solcher Zeitabschnitt dem Menschen lange vor. Doch er ist überhaupt nicht vergleichbar mit der Dimension der gennannten Kältezeit. Die einsetzende Wärme ist kongruent mit der einsetzenden Industrialisierung auf der Erde. Natürlich ist die derzeitige Klimakrise menschengemacht.

Die süße Wonne des Nichtstuns

Doch was hilft es, die Ursachen zu beklagen, wenn das Problem längst da ist? Fast noch schlimmer sind doch die Lehren, die aus dem abstrusen Vergleich mit der Eiszeit gezogen werden. Ohne großes menschliches Zutun ging noch jede Eiszeit vorbei. Die jetzige Klimakatastrophe allerdings ist menschengemacht und kann auch nur vom Menschen beendet werden. Die Klimakrise ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Mensch zur Selbstzerstörung neigt. Die Fakten liegen auf dem Tisch, doch eine natürlich angeborene kleinbürgerliche Bequemlichkeit macht es vielen unmöglich, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ein weiteres beliebtes Argument der selbsternannten Klimakritiker ist der begrenzte Einfluss, den Deutschland auf die Rettung des Klimas hat. Erst kürzlich betonte Alexander Gauland erneut, dass der CO2-Ausstoß Deutschlands kaum maßgeblich für den raschen Temperaturanstieg sein kann. Die Fakten und Zahlen wurden hierbei erneut ins beinah lächerliche uminterpretiert. Denn Deutschland, ein zwar dicht besiedeltes, aber relativ kleines Land macht nur 1 Prozent der Weltbevölkerung aus, verursacht aber 2 Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen. Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand.

Gute Menschen, schlechte Menschen

Es wird von manchen immer wieder in Zweifel gezogen, dass Deutschland eine wichtige Vorreiterrolle bei der Klimarettung einnehmen kann. Selbst diese Menschen sind sich allerdings einig darin, dass die angestrebten Maßnahmen, viel Geld kosten würden. Wenn sich ein so hochindustrialisiertes und reiches Land wie Deutschland dem Klimaschutz komplett verweigert, wer soll denn bitteschön dann mit der Rettung des Klimas beauftragt werden? Das bis ins Mark verarmte und geplünderte Afrika vielleicht?

Man sieht: Viele Menschen haben ein regelrechtes Faible dafür, den offensichtlichen Fakten zum Trotz ins Verderben zu marschieren. Auch der wachsende Zuspruch von Rechtspopulisten ist nicht anders zu erklären. Der Frust und der Protest ist mehr als gerechtfertigt, doch der gewählte Lösungsweg führt direkt zur Schlachtbank. Da glauben doch viele ernsthaft, die AfD sei der Schlüssel gegen alle Probleme im Land. Falsch: Die AfD ist ein gut getarnter Metzger, der vom Bestehen der Probleme profitiert.

Diese Partei hat weder eine Antwort auf die Frage der prekären Wohnungssituation noch auf das kriselnde Rentensystem. Solche Probleme werden stets auf den nächsten Parteitag verschoben. Viel einfacher ist es doch, andere für das Schlamassel verantwortlich zu machen. Die Deutschen haben ein Dach über dem Kopf verdient und den Deutschen muss Hartz-IV gezahlt werden. Wann begreifen endlich auch die letzten, dass es eine solche Einteilung in gute und in schlechte Menschen nicht gibt?

„Jetzt grinst mich der Kerl an“

Dabei sollten doch gerade diese Deutschen wissen, wohin eine solche Einteilung in letzter Konsequenz führt. Die Parallelen zur Vergangenheit sind nicht von der Hand zu weisen und trotzdem machen viele Wutbürger einen auf taubstumm, wenn es um dieses ungeliebte Thema geht. Einen besonders gelungenen Beitrag zu dem Thema sendete Stern TV im vergangenen Herbst.

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Manchmal ist es doch zum Heulen: Ob Böllern, Impfen oder Klima, der Mensch fühlt sich aller Gefahren erhaben. Die Fähigkeit, arterhaltende Instinkte zu überwinden, um bis dahin unüberwindbares unter Kontrolle zu bringen, unterscheidet den Menschen von anderen Lebensformen auf der Erde. Manche nennen das Intelligenz. Doch immer mehr wird diese Gabe zur Gefahr nicht nur für die eigene Art, sondern für den Planeten insgesamt. Vielleicht wird die Menschheit in Millionen von Jahren von einer noch intelligenteren Spezies verlacht werden. Auf jeden Fall muss der Mensch lernen, dieses kleine selbstzerstörende Element in sich selbst zu überwinden, bevor die Natur ihn überwindet.

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