Linksextremismus in Deutschland – Eine Geschichte von Relativierung, Unkenntnis und Überzeugung

Lesedauer: 9 Minuten

Vor einigen Wochen debattierte der Bundestag über die Errichtung eines Mahnmals der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in der DDR. Viele Reaktionen waren vorhersehbar, andere erschreckend. Offensichtlich wurde das Problem der Linkspartei, sich von DDR und Kommunismus zu distanzieren. Doch nicht nur die Linken haben Schwierigkeiten mit diesem Thema. Auch der Durchschnittsbürger kommt beim Thema Linksextremismus ins Schlingern. Ein Mahnmal scheint überfällig.

Ein Glücksfall der Geschichte

Vor gut 30 Jahren brachten mutige Bürgerinnen und Bürger die Berliner Mauer zum Einsturz. Damit lehnten sie sich gegen eine repressive Diktatur auf – wohlgemerkt die zweite auf deutschem Boden im vergangenen Jahrhundert. Nach 40 Jahren war Schluss für Kommunismus, Bespitzelung und Stasi. Die Menschen der DDR träumten von Freiheit, von Einheit und von Demokratie. Es ist ein Glücksfall der deutschen Geschichte, dass mit den Demonstrationen im Herbst 1989 der Einheitsprozess von Deutschland in Gang gesetzt wurde – und dass sie nicht mit beispielloser Gewalt niedergeschlagen wurden wie in anderen Teilen der Welt.

Nach 40 Jahren Planwirtschaft und Ein-Parteien – Staat war das Ausmaß dieser Diktatur verheerend, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Kritiker und Gegner des Sozialismus reden oft und gerne davon, dass diese Wirtschaftsordnung noch niemals einen Erfolg verzeichnen konnte. Aber die Bilanz der DDR umfasste mehr als eine desolate Wirtschaftssituation. Über Jahrzehnte bespitzelte die Stasi unzählige Menschen in ihren privaten Wohnungen, sofern man in diesem System von Privateigentum sprechen kann. Unliebsame Kritiker wurden im besten Falle ausgebürgert und im schlimmsten Fall ermordet. Nicht nur im Grenzstreifen fanden viele ihr trauriges Ende.

Die alte Laier

Höchste Zeit also, dass auch den Opfern dieses brutalen Systems gedacht wird, anstatt immer nur das Versagen oder die Verbrechen führender Köpfe der DDR zu beklagen. Die Bundesregierung sah das kürzlich genau so und so brachten die Unionsfraktion und die SPD-Fraktion im vergangenen Dezember einen wichtigen Antrag in den Bundestag ein. Sie forderten darin die Errichtung eines Mahnmals, um der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland zu gedenken.

Selbstredend fielen in der nachfolgenden Debatte die längst totgedroschenen Phrasen zur DDR-Mangelwirtschaft und natürlich wurde auch die Linksfraktion mal wieder unreflektiert als SED 2.0 diffamiert. Deswegen lagen die Erwartungen hoch, was wohl die Rednerin aus den Reihen der Linken zu dem Antrag zu sagen hatte. Wer allerdings glaubte, die sonst so besonnene Abgeordnete Simone Barrientos würde sich sachlich mit dem Antrag der Regierungsfraktionen auseinandersetzen, der wurde schon bald eines besseren belehrt. Die Rede der Abgeordneten machte viel eher ein altes Problem erneut offensichtlich. Die Partei Die Linke hat in weiten Teilen ein Problem mit dem Linksextremismus – und das anscheinend auch auf Bundesebene.

Ein System mit Fehlern oder Fehler mit System?

Ich möchte hier keinem Abgeordneten des Bundestags gezielt unterstellen, ein Feind der Verfassung zu sein. Und ganz bestimmt wäre es unhaltbar, Abgeordnete der Linksfraktion dem linksextremen Spektrum zuzuordnen. Barrientos‘ Rede machte hingegen offensichtlich, dass es der Linken weiterhin schwerfällt, sich eindeutig von linksextremem Gedankengut zu distanzieren. So bezweifelte die Würzburger Abgeordnete doch allen Ernstes, dass es mit der DDR eine kommunistische Gewaltherrschaft gegeben hätte. Stattdessen stilisiert sie diesen Staat zu einem System mit vielen Fehlern. Ihrer Meinung nach überwogen die Fehler in diesem System wohl. Sie übersieht dabei getrost, dass das System der Fehler war.

Das Ansinnen der Menschen sei gewesen „eine bessere DDR“ herbeizuführen. Einverstanden. Eine andere DDR. Eine bessere DDR. Wie auch immer. Hauptsache ohne Mauer und Gesinnungshaft. Dann allerdings bezweifelt sie, dass eine friedliche Revolution eine Gewaltherrschaft hätte stürzen können. Einerseits verneint sie hier eindeutig die Existenz einer Gewaltherrschaft. Andererseits, und das mit Sicherheit unbewusst, verbreitet sie die These, dass Gewalt ein legitimes Mittel sei, um ein Regime zu stürzen. Beides wird dem Mut der ehemaligen DDR-Bürger nicht gerecht.

Extremismus im Selbstversuch

Barrientos‘ Äußerungen reihen sich nahtlos in die Äußerungen anderer Vertreter der Linkspartei ein. So bezeichnete die ehemalige NRW-Landtagsabgeordnete Bärbel Beuermann die DDR als einen legitimen Versuch, den Kapitalismus endgültig zu überwinden, natürlich nur „[a]us der Sicht der Menschen, die diesen Staat damals gegründet haben“. Für Sahra Wagenknecht handelte es sich bei den Ausschreitungen im Umfeld des G20-Gipfels in Hamburg vor knapp drei Jahren nicht um Linksradikale, sondern lediglich um krawallmachende Chaoten. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke übernimmt die Moderation einer Podiumsdiskussion über die Wege zum Kommunismus. Besonders brisant: An der Diskussion beteiligt sich auch die verurteilte RAF-Terroristin Inge Viett, die den tosenden Beifall, der ihr entgegenschwemmt, sichtlich genießt.

Die Linke spielt also gerne mit dem Feuer. Anstatt sich eindeutig vom äußersten linken Rand zu distanzieren, scheuen manche Mitglieder dieser Partei die Nähe zu Extremisten nicht. Wie soll man sich aber auch effektiv von etwas distanzieren, was bei vielen Menschen hilfloses Gedruckse verursacht?

Ich selbst habe den Selbstversuch gewagt. Ich habe Freunde und Bekannte gefragt, was für sie Rechtsextremismus bedeutete und warum sie ihn verurteilten. Die Antworten waren eindeutig. Mir wurden brennende Asylantenheime genannt, homophobe und rassistische Beleidigungen und die NS-Diktatur. Anschließend wiederholte ich die Frage in Bezug auf Linksextremismus. Die wenigsten konnten mir eine zufriedenstellende Antwort geben. Manche nannten als Beispiel noch die RAF, kaum jemand erkannte in der DDR eine linksextreme Apparatur.

YouTube

YouTube schaut derzeit noch in die Röhre. Laden Sie das Video, akzeptieren Sie gleichzeitig die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Und was sagt die Straße?
Ein Meister der Tarnung

Ist der Linksextremismus also möglicherweise gar nicht so gefährlich wie viele uns das weismachen wollen? Mitnichten. Nur weil eine Gefahr nicht eindeutig als solche wahrgenommen wird, macht sie das nicht automatisch ungefährlicher. Das Gegenteil ist richtig. Gerade die Fähigkeit des Linksextremismus besonders gut im verborgenen agieren zu können, macht ihn so gefährlich.

Die Motivation rechtsradikaler Straftäter ist für viele offensichtlich: Sie glauben nicht, dass alle Menschen gleich viel wert sind, dass andere es womöglich verdient haben, angezündet und getötet zu werden. Viele von ihnen sehen sich von einer schieren Flutwelle an Migranten überrollt und wollen sich ihr heißgeliebtes Heimatland zurückerobern. Das klingt ziemlich hirnverbrannt. Und das ist es mit Sicherheit auch.

Der Motivation linksradikaler Straftaten hingegen können die wenigsten folgen. Auch wenn sie die Attacken von rechts scharf verurteilen, sie begreifen die Beweggründe dahinter viel eher ohne sie gutzuheißen. Wie oft las man von „unbelehrbaren Terroristen“, wenn bis vor einigen Jahren über die Freilassung der letzten inhaftierten RAF-Mitglieder diskutiert wurde? Diese Menschen sind nicht unbelehrbar oder gar wirr im Kopf. Es sind Überzeugungstäter. Einige von ihnen sind diesen Überzeugungen bis heute treugeblieben.

Ein immer wiederkehrender Traum

Soll das jetzt heißen, dass der Rechtsextremismus in der Gesellschaft eher akzeptiert wird als der Linksextremismus? Ganz bestimmt nicht. Das Manko der linken Revoluzzer ist schlicht und ergreifend, dass links schon immer viel abstrakter war als rechts. Die Rechten sprechen immerhin ein urmenschliches Bedürfnis an: die Bequemlichkeit.

Denn kein Mensch will sich verändern. Der Mensch hasst Veränderung. Rechtsextreme auch. Die AfD hat es doch nur deshalb so leicht, weil sie sich gegen jedwede Veränderung sperrt und sich nach der guten alten Zeit sehnt, wo sich niemand Sorgen machen musste. Diese Welt hat so allerdings noch nie existiert und wird auch niemals existieren.

Gerade heute wird immer mehr die Aktualität und Richtigkeit von Brechts Zitat mit dem Schoß und der Fruchtbarkeit offensichtlich. In Bezug auf den linken Extremismus versagt das Zitat allerdings. Der Grund dafür ist einfach erklärt: Während die Deutschen in den 1930ern mehrheitlich für die Nazis stimmten, wurde ihnen das sowjetische System im Folgejahrzehnt ungefragt übergestülpt.

Es wird höchste Zeit

Nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland wurden manche Menschen als Mitläufer klassifiziert. Sie sind ein typisches Beispiel dafür, wie sich rechtsextremes Gedankengut in den Menschen hineinfressen kann, der davor vielleicht kein überzeugter Nazi war. Nach dem Zusammenbruch der DDR war eine solche Einteilung schwieriger. Die Aufarbeitung war freilich eine andere, wenn es sie überhaupt gab. Jemanden als typischen Mitläufer in der DDR zu bezeichnen ist fast unmöglich. Die meisten Menschen arrangierten sich über viele Jahre mit dem bestehenden System mit all seinen Nachteilen. Sie unterwarfen sich dabei wahren Überzeugungstätern.

Die Aufgabe eines Mahnmals für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft ist daher eine andere als eines solchen, das an den Holocaust erinnert. Ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus müsste vorrangig die Frage beantworten, warum eine Gesellschaft, in der alle gleich sind, keine erstrebenswerte Daseinsform ist.

Beim Rechtsextremismus sind sich die meisten einig: nicht nur der Genozid als letzte Konsequenz dieses Regimes ist verurteilungswürdig, sondern auch die menschenverachtende Ideologie dahinter. Beim Linksextremismus sind viele von einer solchen Einsicht noch weit entfernt. Sie beklagen die Auswüchse eines solchen Systems und sprechen von Mauertoten, Zwangsadoptionen und Gesinnungshaft. Dass auch hinter einer solchen Herrschaft eine völlig falsche und verbrecherische Ideologie steht, ist vielen nicht bewusst. Es wird höchste Zeit für ein Mahnmal.

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!

Sozialer Rassismus – Unterschätzte Gefahr

Die Rechtspopulisten sind weiter auf dem Vormarsch – auch in Deutschland. Für viele ist es schier unbegreiflich, warum manche Menschen eine Partei wählen, die offen rassistische Ressentiments schürt. Sind denn jetzt alle Rassisten geworden? Wohl kaum. Die meisten waren viel zu lange viel zu stille Opfer. Andere befürchten zurecht, bald welche zu werden. Die wenigen übrigen sind echte Rassisten, die sich diese Ängste zunutzemachen.

Eine Horde Rassisten

Am Frankfurter Hauptbahnhof wirft ein Mann einen achtjährigen Jungen und dessen Mutter unvermittelt vor einen einfahrenden Zug. Für den Jungen kommt jede Hilfe zu spät. In Augsburg wird ein stadtbekannter Feuerwehrmann im Streit von einem 17-jährigren Jugendlichen totgeschlagen. Im Juni 2018 wird die 14-jährige Susanna F. aus Mainz tot aufgefunden. Ein 20-jähriger hatte sie zunächst vergewaltigt und dann erwürgt. Alle diese Fälle eint, dass sie von männlichen Tätern mit Migrationshintergrund begangen wurden. Alle Fälle eint auch, dass sie von Rechtspopulisten für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert wurden.

Diese Instrumentalisierung ging sogar so weit, dass die AfD eigenmächtig eine Gedenkminute für die ermordete Susanna aus Mainz abhielt. Im Fokus dieses Eklats stand allerdings nicht das Opfer der grausamen Tat, sondern der Täter. In ekelerregender Manier verschoben die Rechtspopulisten den Blickwinkel auf die Herkunft des Täters – und tanzten dadurch auf dem Grab eines Mordopfers. Immer wieder verweist die nationalkonservative Partei auf eine Vielzahl an Straftaten, die von männlichen Tätern mit Migrationshintergrund begangen werden. Sie verwahren sich gegen Vorwürfe, rassistisch zu handeln.

Doch genau das tun sie. Sie weisen auf einen Zusammenhang zwischen krimineller Tat und der nationalen Herkunft der Täter hin. Im Prinzip teilen sie dabei Menschen in verschiedene Gruppen ein, von der einige gewaltbereiter sind als andere. Sie stellen die Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft pauschal als unzivilisierte Barbaren dar, als tickende Zeitbomben, die jederzeit hochgehen könnten. Wer davon ausgeht, bestimmte Bevölkerungsgruppen hätten generell bestimmte Eigenschaften, der ist ein Rassist.

Wir sind mehr!

Ganz bewusst schürt die AfD also fremdenfeindliche Ressentiments. Genau so zuverlässig, wie die AfD ihre Stimme gegen Migration erhebt, so regelmäßig fällt auch der viel lautere Widerspruch gegen solche Stimmungsmache aus. Gerade in Deutschland ist man weiterhin äußerst sensibel dafür, wenn bestimmte Kräfte eine ganze Gruppe unter Generalverdacht stellen. Wo immer Rechtspopulisten ihre Kundgebungen und Demonstrationen abhalten, da schlägt auch eine Vielzahl von Gegendemonstranten auf, die sehr viel lauter die Werte der freiheitlichen Demokratie verteidigen.

Nach dem fürchterlichen Anschlag in Halle zeigten sich die meisten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland entsetzt darüber, wie kaltblütig ein Mensch handeln kann. Gerade wenn in diesem Land Jüdinnen und Juden in welcher Form auch immer angegriffen werden, wissen die meisten: So nicht! Es ist Zeit zu handeln.

In einem Land mit einer so dunklen Geschichte wissen die Menschen sehr genau, wann Grenzen überschritten werden. Und es bedürfte noch nicht einmal dieser finsteren Vergangenheit. Rassismus und Antisemitismus sind immer falsch. Immer!

Entwürdigendes Schauspiel

Ich finde es richtig, wenn sich Menschen solchen Entwicklungen entgegenstellen und mit lauter Stimme dagegenhalten. An anderen Stellen bleibt die Entrüstung leider viel zu leise. Wenn ein Rentner in einem absurd reichen Land wie Deutschland in Parks und in Bahnhöfen im Müll nach Pfandflaschen suchen muss, quittieren viele das bestenfalls mit einem genervten Augenverdrehen. Pfandflaschensammelnde Rentner gehören inzwischen leider zum gutbürgerlichen Panorama der Nation. Was bleibt diesen Menschen anderes übrig? Nach jahrzehntelanger Arbeit wird ihnen die Rente so pervers zusammengekürzt, dass viele sich weiter krummmachen müssen – ob im Betrieb oder über dem Mülleimer.

Und was macht die Gesellschaft? Ein genervtes Verdrehen der Augen, ein Wegschauen oder ein verächtliches Schnauben ist meist die wohlwollendste Antwort auf ein solches Phänomen. In widerlicher Überheblichkeit diffamieren einige solche Menschen als Asoziale, die der Gesellschaft mehr schaden als nutzen. Jüngstes Beispiel für diese völlige Verkennung der Tatsachen ist der vom WDR produzierte Song, der gegen die ältere Generation wettert. Angeprangert wird hier unter anderem, dass sich die Oma billiges Fleisch beim Discounter kauft. Wo denn auch sonst von einer so mickrigen Rente?!

Ich bin dann mal hartzen

Pfandflaschensammler oder auch Hartz-IV – Empfänger müssen es sich gefallen lassen, immer häufiger und immer unverblümter als Taugenichtse und als Last hingestellt zu werden. Natürlich gibt es immer genügend Beispiele von Menschen, die sich aus dem Hartz-IV herausarbeiten oder trotz der Sozialhilfe nicht 15 Jahre alt sind, kiffen und auf den Namen Cindy-Chantal hören. Diese Einzelfälle sind notwendig, um die Vielzahl der anderen noch erschreckender und abartiger erscheinen zu lassen. Genau so funktioniert übrigens auch herkömmlicher Rassismus.

Doch woher kommt diese gefühlte Überlegenheit über andere Bevölkerungsschichten? Ein Blick ins heutige TV-Programm reicht aus, um diese Frage zumindest teilweise zu beantworten. Während im WDR besagter Oma-Song in Dauerschleife läuft, reiht sich bei RTL II eine Frauentausch-Folge an die andere. Auf anderen Sendern bietet sich ein ähnliches Bild. Diese Geschichten spielen natürlich mitten im Leben von sozialschwachen Menschen. Der Begriff dafür: Assi-TV. Nicht für Assis, sondern mit Assis. Gezeigt werden bevorzugt Hartz-IV – Empfänger, die entweder zu faul oder zu blöd zum Arbeiten sind. Dass dabei eine deutliche Minderheit an den Pranger gestellt wird, ist egal. Diese Allgegenwärtigkeit schlechter Beispiele ist ebenso typisch für Rassismus.

Plötzlich Rassist?

Die Bundesregierung zeigt sich indes völlig entsetzt darüber, dass die AfD ihre völkischen Ideen verbreitet und den Rassismus im Lande streut. Dabei war und ist es doch die Regierung und ihre Vorgänger, die den Grundstein dafür gelegt hat. Mit Hartz-IV installierte die damalige Rot-Grüne Regierung ein Sanktionssystem, das die Gesellschaft natürlich spaltete. Arm wurde gegen Reich ausgespielt. Der Sozialhilfeempfänger gegen den fleißigen Arbeiter. Und selbstverständlich schürt das Ängste vor dem eigenen sozialen Abstieg.

Die Folge war sozialer Rassismus, der wie ein Riss durch das Land ging. Die AfD nutzte diese Spaltung aus. Die Opfer von Sozialrassismus konnten sich so wieder Gehör verschaffen. Obendrauf befreiten die Rechtspopulisten sie von den Fesseln der sozialen Unterdrückung. Diese Menschen wollten keine Opfer mehr sein. Opfer sind nun andere. Die vielen Flüchtlinge nämlich, die sich laut rechter Propaganda in unsere Sozialsysteme einschleichen und zum Dank deutsche Frauen vergewaltigen und serienweise deutsche Männer abstechen.

Ethnischer Rassismus hatte es schon immer sehr einfach, die Opfer von Sozialrassismus auf seine Seite zu ziehen. Die Menschen sagen: „Ich habe ja nichts gegen die Ausländer, aber…“ Und genau das stimmt. Die Menschen haben nichts gegen Ausländer. Wie soll das auch gehen? Ehrenhafte Bürger mutieren mir nichts dir nichts zu überzeugten Rassisten?! Klingt abwegig. Ist es auch.

Einen Schritt weiter

Das soll aber nicht heißen, dass die AfD einzig aus einer Truppe sozial abgehängter und vernachlässigter besteht. Das würde das Potenzial dieser Partei verharmlosen. Zündfunke der rechtspopulistischen Bewegung war echter Rassismus und rechtsextremes Gedankengut. Das ist übrigens nicht nur in Deutschland so, sondern in vielen anderen Ländern auch. Hinter jedem Aufmarsch sogenannter Wutbürger steht mindestens ein Scharfmacher, der die Protestierenden wie Marionetten an seinen Strippen führt.

Die AfD ist gut damit beschäftigt, ethnischen Rassismus in unserer Gesellschaft salonfähig zu machen. Sie haben es noch nicht ganz geschafft. Offener Rassismus ist in weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor tabu. Die Regierungen der letzten Jahre waren da erfolgreicher. Wenn ein Hartz-IV – Empfänger als „Assi“ beschimpft wird, trifft das auf breiteren Konsens. Keiner würde sagen: „Ich habe ja nichts gegen Hartz-IV – Empfänger, aber viele davon sind einfach dumm und faul.“ Der erste Teil des Satzes wäre für viele eine Lüge.

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!

Deutsche Sprache, fremde Sprache?

Beitragsbild: Bru-nO, Pixabay, Bildausschnitt von Sven Rottner.

Lesedauer: 9 Minuten

All-You-Can-Eat, Lifting, Jackpot – die Zahl von Anglizismen in der deutschen Sprache kann inzwischen Seiten füllen. Nicht jeder befürwortet diese sprachliche Bereicherung. Viele sehen darin eine ernsthafte Bedrohung für die eigene Landessprache. Einige wollen Deutsch sogar im Grundgesetz verankern. Dass sie damit weit über das Ziel hinausschießen und ihr Ziel sogar verfehlen, ist den meisten gar nicht bewusst. Denn Anglizismen sind ein vergleichsweise kleines Problem, wenn es um den Erhalt von Sprache geht.

Warum kompliziert, wenn es einfach geht?

Der Pfeifenbläser Julian Assange ist in Equador verhaftet worden. Gestern hätte ich eine Verabredung gehabt, aber mir wurde über den Botschafter abgesagt. Der Haupt-Ausführungsoffizier hat angekündigt, sich aus der ersten Reihe des Unternehmens zurückzuziehen. Klingt bescheuert? Finde ich auch. In all diesen Sätzen würde der Durchschnittsdeutsche Anglizismen verwenden, um sich verständlich auszudrücken. Aus Pfeifenbläser würde Whistleblower, aus der schnöden Verabredung ein Date, aus dem Botschafter der Messenger und der Oberguru eines erfolgreichen Unternehmens ist natürlich der CEO (Chief Executive Officer, für all diejenigen, die nicht wissen, was sich hinter dieser salbungsvollen Abkürzung verbirgt).

Viele finden wiederum, dass die Anglizismen inzwischen Überhand nehmen. Mancheiner sieht die deutsche Sprache ernsthaft in Gefahr. Sie fühlen sich von der US-amerikanischen Sprachpolizei überrumpelt. Eigentlich wollen sie Begriffe wie Management, Container und Styling gar nicht in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch verwenden. Oder etwa doch? Schließlich tun sie es ja. Ist es also wirklich ein rein externes Phänomen, etwas was den Deutschen übergestülpt wird?

Handy Handy

Bis zu einem bestimmten Grad sind Anglizismen unvermeidbar. Die deutsche Sprache lieh sich schon immer leidenschaftlich gerne Begriffe aus anderen Sprachen aus. Deutsch ist und bleibt eben eine Lehnsprache. Das Date hieß früher mal Rendez-Vous. Klingt auch nicht viel deutscher. Andere Begriffe sind inzwischen allerdings so fest in unserem Sprachgebrauch verankert, dass man erst beim zweiten Lesen bemerkt, dass sie gar nicht deutschen Ursprungs sind. Nehmen wir zum Beispiel den Wasserboiler. „to boil“ ist englisch und bedeuten sieden oder kochen. Tada!

Es gibt auch noch eine ganze Reihe anderer Wörter, die sich im Alltag etabliert haben. Bei den meisten von ihnen ist offensichtlich, dass sie englischen Ursprungs sind, doch sie werden allgemein akzeptiert. Das Handy und der Computer sind Begriffe, die gleichzeitig auch den Zeitgeist definieren. Alltagstaugliche deutsche Wörter gab es für sie nie. Es dauert ja auch schließlich fast dreimal so lange „Mobiltelefon“ zu sagen.

Es ist dabei aber schon erstaunlich, dass der Begriff „Handy“ zwar dem Englischen entstammt, aber in dieser Sprache nicht die gleiche Bedeutung hat wie in Deutschland. Das Gerät ist zwar handy, aber kein Engländer nennt es so. Ein Anglizismus um der Anglizismen willen also. Aber sei’s drum, es ist gut so wie es ist.

We are all sitting in one boat

Grotesker mutet es schon an, wenn man einen Blick in die Arbeitswelt wirft. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger wusste bereits vor gut zehn Jahren als einer der ersten, dass Englisch die Arbeitssprache werden würde. Doch, oh Schreck! Dass es gleich solch verheerende Ausmaße annehmen würde, konnte selbst das sprachaffine Landesoberhaupt nicht wissen.

On the one hand, haben wir da einige Begriffe, die so kompliziert sind, dass keiner sie ernsthaft aussprechen würde. Beim CEO begnügt man sich mit der Abkürzung. Es wissen so oder so nur die wenigsten, was damit genau gemeint ist (außer sie haben diesen Beitrag gelesen). On the other hand, werden tatsächlich deutsche Begriffe ohne Not durch englische ersetzt. Weil sie angeblich besser klingen. Viele Unternehmen inserieren heute Stellenangebote für ein exklusives Traineeship in ihrem Hause. Vielleicht eine erste Maßnahme, um unqualifizierte Bewerber abzuschrecken, die tatsächlich ein nautisches Abenteuer befürchten.

Von Krauts und Autobahn

Vielleicht regen sich manche Deutsche wirklich zu sehr auf. Anscheinend wissen viele nämlich nicht, dass die Sache mit den Anglizismen auf dem uralten Prinzip des Gebens und Nehmens beruht. Dass Begriffe wie „sauerkraut“, „lederhosen“ und „autobahn“ längst ihren Weg ins Englische gefunden haben, dürfte allgemein bekannt sein. Nicht jedoch, dass sich so mancher Engländer am glockenspiel erfreut, dass seine Kaffeemaschine kaput(t) gehen kann oder dass manche Dinge strengstens „verboten“ sind. Spätestens wenn sich eine Spinne an einer Hauswand abseil(t), gerät mancher Anglizismenkritiker ins Staunen.

Man sieht, auch deutsche Wörter sind im englischen Sprachgebrauch fest verankert. Und Vokabeln sind doch sowieso nur Ziffern, die eine Sprache alltagstauglich machen. Aber Sprache ist mehr. Wer sich über die angeblich viel zu große Zahl an Anglizismen echauffiert, der lenkt sich selbst von einem weitaus bedrohlicheren Schauplatz ab. Auch wenn es einzelne deutsche Wörter ins Englische geschafft haben, so gibt es in dieser Weltsprache eines nicht: Sprachstrukturen werden nicht zugunsten einer anderen Sprache aufgegeben. Im Deutschen ist das anders.

So werden bestimmte grammatikalische Strukturen ebenfalls durch die aus der englischen Sprache ersetzt. „Die Zahl an Straftaten in 2019 lag um 1,5 Prozent höher als noch es noch in 2018 der Fall war.“ Häh?! Seit wann bitteschön werden konkrete Jahreszahlen mit der Präposition „in“ verwendet? Das funktioniert im Englischen, aber nicht im Deutschen. Es ist einfach falsch!

Virale Influencer? Gesundheit.

Bevor ich jetzt vorschnell der Riege der ewig Gestrigen zugeordnet werde, gebe ich eines zu bedenken: Sprache verändert sich laufend. Nicht nur Wörter verändern ihre Konnotation, auch grammatikalische Eigenheiten sind diesem Wandel unterworfen. Es mutet allerdings schon ein wenig merkwürdig an, wenn dieser Wandel mit der Geschwindigkeit eines Lidschlags vollzogen wird und obendrein kaum vom englischen Original unterscheidbar ist. Auch dass es Konflikte IM Irak gibt und ein Krieg mit DEM Irak unter allen Umständen vermieden werden muss, wird immer mehr vom englischen Pendant verdrängt, welches bestens ohne bestimmte Artikel auskommt.

Der Gipfel der sprachlichen Verirrung wurde allerdings vor einigen Jahren erreicht, als viele Dinge viral gingen. Ähnlich wie beim Influencer handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine ansteckende Krankheit. Es soll lediglich verdeutlicht werden, dass etwas durch die Decke ging. Dass das Verb „gehen“ in der deutschen Sprache niemals gleichbedeutend mit dem Wort „werden“ ist, scheint vielen egal zu sein. Schließlich ist es in der englischen Sprache ja so konnotiert, was kümmert mich da mein deutsches Original?

Eine zwangsläufige Entwicklung?

Mit Sicherheit hat das Internet maßgeblichen Anteil an diesen Entwicklungen. Und wer weiß? Vielleicht entwickelt sich Sprache in Zeiten des Internets tatsächlich rasanter als früher. Immerhin lebt Sprache von der Kommunikation. Und Kommunikation ist durch das Internet einfacher als jemals zuvor. Gut möglich also, dass zusätzliche Kommunikationskanäle die Sprachentwicklung beschleunigen. Also doch lieber ein Tempolimit für Sprachen anstatt auf der Autobahn?

Doch auch eine andere Deformation der deutschen Sprache stößt hart auf. Was wurde eigentlich aus dem formellen „Sie“? Liest man so manche Stellenanzeige oder hört sich eine besonders hippe Werbung an, könnte man meinen, die Höflichkeitsform hätte aufgehört zu existieren. „Bewirb dich jetzt und bereichere unsere Crew“ könnte aus jeder x-beliebigen Stellenanzeige kommen. Eigentlich sollte man dieses Phänomen einmal auf die Spitze treiben und die Personalverantwortlichen in der Bewerbung ebenfalls duzen. Führt dann wahrscheinlich nicht zum erhofften Erfolg, aber ein Denkmal würde man sich damit allemal schaffen.

Sprache per Gesetz?

Das Problem liegt also definitiv nicht an den Vokabeln, sondern an grammatikalischen Eigenheiten, die denen aus der englischen Sprache immer ähnlicher werden. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Eine gesetzliche Regelung, wie es den Rechtspopulisten vorschwebt, halte ich für den absolut falschen Weg. Eine Sprache ist eben kein Gesetz. Sie kann nicht in Stein gemeißelt werden. Sie ist immer abhängig von der jeweiligen Situation und der jeweiligen Zeit. Ihr können von außen keine Vorschriften gemacht werden, eine Veränderung muss von innen kommen. Ein Gesetz würde der Sprache wiederum vorschreiben, wie sie zu sein hat. Und genau das funktioniert eben nicht.

Stattdessen ist jeder selbst gefragt. Man kann sich im Klein-Klein der Anglizismen verlieren. Man kann aber auch selbst entscheiden, wie weit man mitgehen möchte. Wer statt „Party“ lieber „Feier“ sagen möchte, kann das doch tun. Keiner ist daran gehindert, fremde Menschen weiterhin zu siezen. Und keiner bricht sich einen Zacken aus der Krone, eben nicht insane zu gehen, wenn etwas total wunderbares geschieht.

Deutsch ist schön

Die am lautesten von der Abschaffung der deutschen Sprache reden, haben selbst den Sinn für diese schöne Sprache verloren. In zahllosen Kommentaren vergewaltigen sie ihre Muttersprache höchstselbst, wenn sie sich zu Rettern derselben aufschwingen. Einfachste Regeln der Rechtschreibung und der Kommasetzung werden einfach übergangen, die Konjunktion „dass“ scheint non-existent.

Deutsch ist eine Sprache, die so reich an unterschiedlichen Begriffen ist wie kaum eine andere Sprache. Was kümmert es denn da, wenn ein paar Begriffe aus anderen Sprachen den Alltag bereichern? Viel wichtiger ist doch zu wissen, wann manche Begriffe angebracht sind und wann nicht. Es macht nämlich durchaus einen Unterschied, ob ich in Magdeburg oder in Stuttgart einen Pfannkuchen bestelle. Fordert deshalb ernsthaft jemand eine Vereinheitlichung dieser Begriffe? Ich glaube nicht.

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!