Keine Sprachpolizei

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Die zweite selbstorganisierte bundesweite Volksabstimmung steht in den Startlöchern. Momentan können die Bürgerinnen und Bürger auf der Beteiligungsplattform consul über die eingereichten Themenvorschläge abstimmen. Weiterhin erhitzt dabei das Gendern die Gemüter vieler Menschen. Das Ansinnen diverser Sprache ist edel, das Mittel aber schlecht gewählt. Ein pauschales System wie Sprache kann niemals alle konstruierten Kategorien überwinden. Das gelingt auch dann nicht, wenn man Sprechweisen in Gesetze gießt. Ein Verbot des Genderns schließt sich also ebenso aus wie die Pflicht zur genderneutralen Sprache.

Eine Fülle an Möglichkeiten

Für manche ist es inzwischen selbstverständlich, andere regen sich bei jeder Sprechpause auf’s neue auf: Das Gendern bringt Diversität auch in die Sprache. Mithilfe des Sternchens, eines Doppelpunkts oder des Binnen-i sollen sich möglichst alle Menschen angesprochen fühlen. Das Problem: Rein formal schafft es die Gendersprache nicht einmal zwei der vielfältigen Geschlechter abzubilden. Sie stößt deshalb so schnell an ihre Grenzen, weil die deutsche Grammatik nur drei Genus kennt.

Wer von „Kund:innen“ spricht, der meint damit alle Menschen, die in einem Geschäft einkaufen. Er spricht im besten Falle aber die weiblichen Vertreterinnen unter ihnen an. Der Doppelpunkt schließt angeblich alle Geschlechter mit ein. Es verwundert bei dieser Argumentation allerdings schon, warum die weibliche Endung dann trotzdem explizit erwähnt wird.

Grenzen von Sprache

Um Diversität wirklich authentisch sprachlich abzubilden, wären mehr geschlechtsanzeigende Suffixe nötig. Jedes erdenkliche Geschlecht bekäme dann seine eigene Endung. Allein die Vorstellung genügt, um zu verstehen, dass das nicht möglich ist.

Geschlechtervielfalt über Sprache zu erzeugen ist grundsätzlich der falsche Weg. Denn Sprache ist ein pauschales Konstrukt, das über Kategorisierungen funktioniert. Bei der Diversität geht es aber genau darum, solche konstruierten Einordnungen zu überwinden. Die Sprache kann gar nicht anders, als die Bemühungen gendersensibler Menschen zunichtezumachen.

Keine Sprachpolizei

Die vordefinierten Wortendungen und Sprechpausen machen auf die Einordnung einer Person in eine konstruierte Gruppe aufmerksam. Das Gendern betont also jene Unterschiede, die es in einer vielfältigen Welt abzuschaffen gilt. Die Unterschiede werden stattdessen manifestiert und damit über Gebühr betont. Es entsteht eine Art Diversitätsparadox, weil sich das Gendern einerseits über etablierte Sprachregelungen hinwegsetzt und dadurch andererseits seinem eigentlichen Ziel zuwiderläuft.

Das alles macht das Gendern zu einer äußerst fragwürdigen Angelegenheit. Eine Bedrohung ist es dadurch aber lange nicht. Gefährlich wird es erst, wenn es für den Sprachgebrauch fest geregelt wird. Sprache entwickelt sich über die Zeit, das Gendern aber kam quasi über Nacht. Sprachregeln haben im Gesetz nichts zu suchen. Der Versuch, Sprache über Gesetze zu regeln ist staatliche Übergriffigkeit in Reinform und die absurdeste Perversität, die man Sprache antun kann.

Das gilt in die eine wie in die andere Richtung. Auch wer Gendern per Gesetz verbieten will, vergreift sich an unserer Sprache. Notwendig ist nicht ein Verbot des Genderns, notwendig ist keine gesetzliche Festschreibung desselben.


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Nur zweite Wahl?

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Zum Schwarzärgern

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In den vergangenen Wochen meldeten sich gleich mehrere Verkehrsunternehmen zu Wort: In ihren Bussen und Bahnen soll Schwarzfahren künftig nicht mehr möglich sein. Fahrgäste können sich die entsprechende Leistung zwar weiterhin erschleichen, was sie aber dann tun, soll fortan einen Namen tragen, welcher nicht mehr diskriminierend aufgefasst werden kann. Mit dem Vorstoß wird ein weiteres altes deutsches Wort praktisch unbrauchbar, weil es derart rassistisch entstellt wird, damit es danach niemand mehr ungestraft in den Mund nimmt. An echtem Rassismus ändert die Entscheidung wenig. Das Image der Verkehrsunternehmen poliert sie dafür ordentlich auf.

Aus Spaß wird Ernst

Vor kurzem gaben die Verkehrsbetriebe München und Berlin bekannt, dass sie in Zukunft auf den Begriff „Schwarzfahren“ verzichten wollten. Sie reagierten damit auf eine erhöhte Sensibilität gegenüber sprachlicher Diskriminierung. Das Fahren ohne gültigen Fahrschein stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die bundesweit zu hohen Bußgeldern führen kann. Man wollte diesen Regelverstoß nicht in Zusammenhang mit Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit afrikanischen Wurzeln bringen. Zwischenzeitlich zogen die Hannoverschen Verkehrsbetriebe bei dieser Antidiskriminierungskampagne nach. Auch sie verzichten fortan auf die Bezeichnung des Schwarzfahrens.

Vor wenigen Jahren hätte auf diese Weise eine bissige Satire begonnen. Sie hätte gezeigt, wie leicht ein an und für sich gutes Anliegen ad absurdum geführt werden kann. Die genannten Verkehrsunternehmen haben diese Überspitzung nun in die Tat umgesetzt. Aus Fiktion wurde Realität, aus Satire bitterer Ernst.

Zurück zu den Wurzeln

Dabei ist selbst den Verkehrsunternehmen klar, dass sich das Wort „Schwarzfahren“ nicht von der Farbe ableitet. Das Wort entstammt dem Jiddischen, wo „shvarts“ so viel wie „arm“ bedeutet. Schwarzfahrer sind also eigentlich arme Menschen, die sich eine Leistung erschleichen, weil sie nicht genug Geld haben, um dafür zu bezahlen. Doch wie man es dreht und wendet, es bleibt eine Ordnungswidrigkeit, die in bestimmten Fällen sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Natürlich möchte man niemanden pauschal mit dieser illegalen und sinistren Note versehen.

Immerhin wissen die Befürwortern nur zu gut, dass das Konstrukt Sprache einem ständigen Wandel unterliegt. Fast jeder assoziiert den Begriff „Schwarzfahren“ heute mit der Farbe Schwarz und denkt dabei an nichts Gutes. Gleichzeitig hat sich das Wort „Schwarze“ für Menschen mit ursprünglich afrikanischer Herkunft eingebürgert. Dieses unweigerliche Paradox muss nun unter allen Umständen aufgelöst werden.

Sprache im Wandel

Was liegt da näher als die Kriminalisierung des Worts „Schwarzfahren“? Die Debatte um diesen Begriff erfreut sich besonders in linksliberalen Kreisen großer Beliebtheit. Gerade Vertreter aus diesem Milieu weisen immer wieder auf den immerwährenden Wandel von Sprache hin. Sie erkennen dabei aber stets nur einen einseitigen Wandel. Dieser Wandel zielt immer auf die Diskriminierung von Minderheiten ab. Aus diesem Grund ist der Begriff „Zigeuner“ heute auch nicht nur aus den Supermarktregalen verschwunden, es ist heute ebenfalls verpönt, unartige Kinder ebenso zu bezeichnen. Allerdings haben die meisten Menschen dabei gar keine diskriminierenden Hintergedanken. Ein Wandel des Worts hin zu einer belanglosen Beschreibung von schlechtem Benehmen ist für den selbsternannten linksliberalen Sprachforscher nicht denkbar.

Keinen Menschen interessiert heute mehr, dass das Wort „Schwarzfahren“ seinen Ursprung im Jiddischen hat. Für die meisten ist die Farbe Schwarz eine böse Farbe, eine finstere Farbe. Sie haben damit nicht Unrecht. Von jeher wurde die Farbe Schwarz mit dem Bösen assoziiert. In der Literatur war sie schon immer die Farbe der Nacht und des Todes. Daher ist es auch kein Zufall, dass sich der Begriff „Schwarzfahren“ für dieses Erschleichen von Leistungen etabliert hat. Besonders gut untermauerte der Begriff das Verbotene an dieser Verhaltensweise.

Am Ziel vorbei

Die linksliberalen Sprachforscher stecken nun in einer schwierigen Zwickmühle. Einerseits müssen sie anerkennen, welche Bedeutung die Farbe Schwarz in Literatur und Kultur hat, andererseits haben sie selbst den Begriff „Schwarze“ für Menschen mit afrikanischen Wurzeln durchgedrückt, um wirklich rassistische Bezeichnungen für diese Menschen zu unterbinden. Wenn sie nun den Begriff „Schwarzfahren“ aus dem Sprachgebrauch verbannen möchten, um weiter gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen, erweisen sie diesem wichtigen Anliegen allerdings einen Bärendienst. Sie verlagern fast die gesamte Aufmerksamkeit auf die negative Konnotation des Worts „schwarz“ und schüren damit rassistische Ressentiments, wenn manche Mitmenschen als „Schwarze“ bezeichnet werden.

Immer deutlicher wird dadurch, dass nicht der Begriff des Schwarzfahrens rassistisch ist, sondern die generelle Pauschalisierung bestimmter Menschen als Schwarze. Plakativ gesprochen reißen die größten Gegner des Worts „Schwarzfahren“ mit dem Hinterteil das ein, was sie mit den Händen aufgebaut haben. Außerdem gibt es einige Anhaltspunkte, dass es diesen Verfechtern politisch korrekter Sprache überhaupt nicht um Antidiskriminierung geht.

Ein PR-Gag

Wenn einzelne Verkehrsunternehmen das Wort „Schwarzfahren“ aus ihrem Vokabular verbannen, weil es ihrer Meinung nach rassistisch aufgegriffen werden kann, dann ist das ihr gutes Recht. Sprache ist nicht in Stein gemeißelt. Die deutsche Sprache bietet eine Fülle anderer Möglichkeiten, die besagte Ordnungswidrigkeit zu umschreiben. Sobald sie dieses Vorhaben allerdings derart penetrant publik machen, dazu Pressemitteilungen verschicken und Interviews geben, wird ihre wahre Motivation deutlich.

Die Verkehrsunternehmen haben erkannt, dass es inzwischen durchaus gesellschaftliche Pluspunkte zu sammeln gibt, wenn man sich öffentlich derart vielfältig und tolerant darstellt. Das bloße Statement, möglichst antirassistisch zu sein, zählt mehr als der wahre Schutz von Minderheiten vor tatsächlicher Diskriminierung. Immerhin schüren diese Betriebe rechte Ressentiments, wenn sie die Aufmerksamkeit derart auf die negative Konnotation des Worts „schwarz“ lenken.

Dass es diesen Unternehmen in erster Linie um die Abgabe politisch gefeierter Statements geht, wird aber auch aus einem anderen Grund offensichtlich. In vielen anderen Verkehrsunternehmen ist es nämlich längst üblich, auf den alten Begriff des Schwarzfahrens zu verzichten. Hier wurde diese Bezeichnung ebenfalls durch andere Begriffe ersetzt. Diese entsprechen in den meisten Fällen außerdem der geschätzten deutschen bürokratischen Präzision. Und damit ist der Kuchen gegessen. Viele Verkehrsverbünde begnügten sich damit, diese Angelegenheit schnell und reibungslos über die Bühne zu bringen. Sie hatten nie vor, das Thema derart aufzubauschen und ihren Fahrgästen ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie bestimmte Begriffe verwendeten. Kein Hahn hätte danach gekräht. Aber genau das ist den Verkehrsunternehmen von München, Berlin & Co. zu leise.

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Eine heile Welt

Lesedauer: 8 Minuten

Der Überfall des Osmanischen Reichs auf Großdeutschland hat begonnen. Zumindest könnte man das meinen, wenn man die Kommentare mancher Zuschauerinnen und Zuschauer der tagesthemen liest. Ein abartiges Spektakel hat sich ihnen kurz zuvor geboten: Da empfing sie Moderatorin Pinar Atalay an diesem Abend doch tatsächlich auf Türkisch. Die vielen negativen Reaktionen überraschen leider kaum noch jemanden. Sie sind trotzdem überaus aufschlussreich und offenbaren eine Weltsicht, in der für Fremdes kein Platz ist.

Hier kommt die Maus

Die Maus wird 50. Ein Grund zum Feiern könnte man meinen. Immerhin erklären Maus, Elefant & Co. den kleinen Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern seit 50 Jahren, wie die Welt funktioniert. Die Kiddies erfahren, wie der Joghurt in den Becher kommt, wie ein Flugzeug gebaut wird oder wie man mit einem Dudelsack Musik macht. Ganz coronakonform finden die Feierlichkeiten hauptsächlich auf der Mattscheibe statt, einen großen Festakt gibt es leider nicht. Die ARD hat sich trotzdem einiges ausgedacht, um der Maus einen würdigen 50. Geburtstag zu bereiten.

Am 5. März beispielsweise sagte nicht die bekannte Frauenstimme die tagesthemen um Viertel vor 10 an, sondern Maus-Sprecher Armin Maiwald. Auch Moderatorin Pinar Atalay war nicht allein im Studio. Neben ihr stand eine digital eingefügte orangene Maus, natürlich mit dem charakteristischen Augenklappern. Und auch die Begrüßung von Atalay fiel an diesem Abend anders aus. Statt mit dem routinierten „Guten Abend, meine Damen und Herren“ hieß sie die Zuschauerinnen und Zuschauer dieses Mal auf Türkisch zu den tagesthemen willkommen.

Reflexartige Atemnot

Dieses liebevoll gestaltete Sonder-Intro schlug in den sozialen Medien und in den Kommentaren unter dem YouTube-Video sogleich hohe Wellen. Bestimmte Zuschauerkreise bekamen sogleich Schnappatmung, als es die Moderatorin wagte, die Zuschauer auf der Muttersprache ihrer Eltern zu begrüßen. Die gleichen empörten Zuschauer hätten vermutlich laut applaudiert, hätte man diesen Teil der Sonderbegrüßung weggelassen.

Doch durch diesen geringfügigen türkischen Input fühlten sie sich sofort persönlich angegriffen. Anstatt über dieses wertschätzende Gimmick zu lachen, reduzierten sie Moderatorin Pinar Atalay reflexartig auf das Fremde – was in ihrem Weltbild deckungsgleich mit dem Feindlichen zu sein scheint.

Die Verhaltensweise ist bekannt. Aus den Schubladen kommen Minderheiten nur schwer heraus. Sobald sie etwas tun, was eindeutig in diese Schublade gehört, werden alle anderen Charakterzüge ausgeblendet. Wenn sich zwei Männer auf offener Straße küssen, ziehen sie unter Garantie massenhaft Blicke auf sich. Mancheiner lässt sich auch zu beleidigenden Äußerungen hinreißen. Etwas ähnliches ist Pinar Atalay nun passiert. Ihr Name lässt schon nichts Gutes vermuten. Dass sie die Zuschauer nun tatsächlich auch auf Türkisch ansprach, empfinden manche als bodenlose Unverschämtheit. In ihrer naiven und einfältigen Sicht auf die Dinge, empfinden sie gleich ein Gefühl des Überranntwerdens.

Das Problem der Anderen

Unsere Gesellschaft geriert sich immer gerne als ganz besonders tolerantes Trüppchen. Das gilt in der Praxis dann aber nur, solange es die eigenen Belange nicht berührt. Nach jedem rassistischen Angriff, der in den Nachrichten kommt und nach jedem homophoben Übergriff ist das Entsetzen groß. Die meisten beeilen sich, der Opfergruppe absolute Solidarität zuzusichern und sich von den Taten zu distanzieren. Wie kann es dann sein, dass immer wieder solche Taten passieren, wenn die allermeisten doch so gut und tolerant sind?

Es ist ein Unding, dass sich besonders queere Jugendliche hilfesuchend an Gruppen und Beratungszentren wenden müssen, weil sie im Alltag massiv diskriminiert werden oder ihre Eltern sie sogar rausgeschmissen haben. Das Argument „Mir doch egal, solange sie es nicht vor meinen Augen machen“ erhält hier eine ganz neue Dimension.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Genau davor haben viele Menschen Angst: Dass sich Minderheiten an die Oberfläche trauen, dass sie so leben, wie sie leben möchten und – mit Abstand am schlimmsten – dass sie ihre Rechte einfordern. In den Köpfen vieler Menschen spukt noch immer die Überzeugung herum, dass es vollkommen ausreicht, Minderheiten zu dulden. Mehr ist definitiv nicht verhandelbar. Die Einforderung von Rechten wird als unverschämt interpretiert.

Das war bei vielen Minderheiten schon immer so und bei manchen ist es bis zum heutigen Tage so. Die Arbeitskraft der Gastarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg war eine bequeme Entlastung und hatte maßgeblichen Anteil am schnellen Wirtschaftsaufschwung. Völlig akzeptiert waren diese Arbeiterinnen und Arbeiter aber nie. Viel mehr wurden diese Menschen als Störfaktor in einer Welt verstanden, welche die Gastarbeiter doch eigentlich gar nicht mehr nötig hat. Die oberflächliche Dankbarkeit von gestern schwang in den offenen Hass von heute um. Menschen wie Pinar Atalay bekommen ihn zu spüren, wenn sie es wagen, auch nur für einen kurzen Moment aus der Reihe zu tanzen.

Bei der Ehe für Alle verhält es sich ähnlich. Natürlich werden Schwule und Lesben geduldet. Aber die gleichen Rechte für diese Menschen? No way. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Mehrheit zwischenzeitlich trotzdem für die Einführung queerer Eheschließungen ausgesprochen hat.

Recht auf Rechte

Gleiche Rechte stellen Minderheiten immer auf die gleiche Stufe wie die Mehrheit. Für viele ist das ein Problem. Minderheitenrechte entziehen ihnen eine für sie wichtige Berechtigung, die anderen an der kurzen Leine zu halten. Wie nach Gutsherrenart nehmen sie für sich in Anspruch, darüber entscheiden zu können, wer welche Rechte erhält. Es darf bei Minderheiten aber nicht um die Gewährung irgendwelcher Rechte gehen. Diese Rechte stehen jedem Menschen zu, egal ob das anderen passt oder nicht.

Die Vorenthaltung mancher Rechte ist eine Sache. Sie legitimiert aber auch immer Diskriminierung – zumindest in den Augen der Aggressoren. Vielfach äußert sich das in beleidigenden Äußerungen. Diese verbalen Angriffe sagen allerdings mehr über den Täter und dessen Selbstwertgefühl aus als über das Ziel der sinnlosen Aggression.  Diesen Menschen mangelt es nicht nur an Selbstvertrauen. Sie zweifeln auch an der Standfestigkeit der eigenen Wahrheit, der eigenen Kultur und ihrer gewohnten Umgebung. Ständig rechnen sie mit einem Angriff, der ihre heile Welt ins Wanken bringt. Ein Dialog mit anderen Kulturen auf Augenhöhe ist mit solchen Leuten nicht möglich.

Sie dümpeln lieber in ihrer trostlosen Realität vor sich her, wo die kleinste Banalität ein Erdbeben auslösen kann. Diese persönliche Schwäche ist allumfassend. Sie beschränkt sich nicht nur auf die Angst vor dem Verlust der eigenen Sprache und Kultur, wenn die tagesthemen ausnahmsweise mal etwas anders beginnen. Auch die eigene Sexualität fällt den Minderwertigkeitskomplexen dieser Leute zum Opfer.

Wenn Freiheit fremd ist

Im Umgang mit schwulen Männern lassen viele heterosexuellen Zeitgenossen oft den Spruch fallen: „Solange er nichts von mir will.“ Warum denn eigentlich nicht? Was wäre so schlimm daran? Wäre das nicht sogar der Beweis für die eigene Attraktivität? Man müsste sein Gegenüber natürlich vor den Kopf stoßen, den anderen eventuell verletzen. Aber darum geht es solchen Machos nicht. Die Homosexualität anderer Männer gereicht ihnen bestenfalls zum Zweifel an ihrer eigenen Heterosexualität.

Anscheinend haben solche Typen auch ein grotesk falsches Bild von Schwulen. Sie scheinen ernsthaft zu glauben, dass diese sie jederzeit in einen Hinterhalt locken, sie vergewaltigen und sie dadurch ihrer heiligen Heterosexualität berauben könnten. Ähnlichen Argwohn geben sie anderen Minderheiten zu spüren. Pinar Atalay sprach in der Sprache eines anderen Kulturkreises zu ihnen. Welch hinterlistiger Angriff! Nun müssen sie alles tun, um sich vom Verdacht der türkischen Indoktrination reinzuwaschen.

Die türkische Sprache ist diesen Menschen fremd. Die islamische Kultur ebenso. Vielen wahrscheinlich auch die Vorzüge der orientalischen Küche. Und das ist an sich überhaupt nicht schlimm. Es ist nicht schlecht, manche Dinge nicht zu kennen. Sich so konsequent neuen Eindrücken zu entziehen und immer dichtzumachen, sobald sich das Fremde nähert – das ist nicht gut. Solche Menschen leben in einer Blase, in der sie nie die Gelegenheit haben, frei zu sein und Neues zu erleben. Bis die Blase eines Tages platzt…

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