Schuld und Sühne

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Die Festnahme der ehemaligen RAF-Terroristin Daniela Klette ist ein später Erfolg für die Behörden. Mehrere Jahrzehnte war sie auf der Flucht, mit ihren Komplizen von damals verübte sie mutmaßlich weitere Straftaten. Eine Aussage zum Verbleib weiterer flüchtiger ehemaliger Terroristen bleibt sie weiter schuldig. Mit ihrem beharrlichen Schweigen ist sie kein Einzelfall. Gespielte Ahnungslosigkeit eint viele der Täter von damals.

Nach fast 30 Jahren auf der Flucht sitzt die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette seit dem 26. Februar 2024 in Haft. Gesucht wurde sie neben ihren terroristischen Aktivitäten in den 1980er und 1990er Jahren wegen zahlreicher Raubüberfälle, mit deren Beute sie mutmaßlich ihr Leben in der Illegalität bestritt. Die Festnahme der seit Jahrzehnten gesuchten Terroristin ist in erster Linie ein großer Erfolg für die Polizei. Sie ist aber auch ein Beleg für die Standhaftigkeit des Rechtsstaats: Auch nach über 30 Jahren sind die Verbrechen von damals nicht vergessen. Die Täter können sich niemals sicher fühlen. Daniela Klette tat es doch. Und das wurde ihr zum Verhängnis.

Dröhnendes Schweigen

Der große Ermittlungseifer der Behörden seit Ende 2023, als sich die Hinweise auf den Aufenthaltsort von drei weiterhin flüchtigen ehemaligen RAF-Terroristen verdichteten, sendet auch an die Opfer der Taten und an deren Hinterbliebenen ein wichtiges Signal. Sie erkennen dadurch, dass niemals vergessen ist, was ihnen angetan wurde. Endlich gibt es die Möglichkeit, lange vergangene Taten zu sühnen. Um auf diesem Weg nicht ins Stocken zu geraten, hoffen die Ermittler auf die Aussage der gefassten Ex-Terroristin. Möglicherweise kann sie die Ermittler zu den beiden flüchtigen Mittätern Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub führen. Doch Daniela Klette macht von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch. Das mag rechtsstaatlich in Ordnung sein, ist aber typisch für viele gefasste RAF-Täter.

Denn durch umfassende Aussagen haben sich die Terroristen von damals bislang nicht hervorgetan. Die meisten bevorzugen es, den Mund zu halten und so zu tun, als würde keiner von ihnen wissen, wer die tödlichen Schüsse auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback abgegeben hat oder wer direkt an der Exekution von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer beteiligt war. Viele Urteile liegen Jahrzehnte zurück, alle inhaftierten ehemaligen Terroristen sind heute wieder auf freiem Fuß.

Unbelehrbar?

Diese Entlassungen wurden vor einigen Jahren kontrovers diskutiert. Von unbelehrbaren Terroristen war die Rede, weil manche von ihnen weiterhin durch bedenkliche Äußerungen auffielen. Gegen Verena Becker wurde sogar zeitweise neu ermittelt. Möglicherweise saß sie mit auf dem Motorrad, von dem aus Siegfried Buback ermordet wurde. Eine weitere Haftstraße schloss sich jedenfalls an. Auch sie hüllte sich in ominöses Schweigen. Ihr Unwissen nahm ihr keiner so recht ab.

Auch Inge Viett, unter anderem verantwortlich für den Tod eines Polizisten, machte in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen. Mal kam es zu Ausschreitungen auf Demonstrationen, mal rief sie dazu auf, Waffen und Kriegsgerät abzufackeln. Auch sie geriet nach ihrer Haftentlassung in den 1990ern mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt.

Ausreißerin ist einzig die DDR-Aussteigerin Silke Maier-Witt. Nach ihrer Enttarnung saß sie mehrere Jahre in Haft und setzt sich heute für Frieden auf dem Balkan ein. Medienwirksam traf sie sich 2017 sogar mit Jörg Schleyer, dem Sohn des ermordeten Arbeitgeberpräsidenten, um ihn um Verzeihung zu bitten. Auf die Frage, welche Terroristen direkt am Mord beteiligt waren, wusste sie aber ebenfalls keine Antworten.

Die „kleinen Fische“, die Ahnungslosen, sind eher zu Aussagen bereit, können aber seltener zur Aufklärung der Taten von damals beitragen. Die Akteurinnen und Akteure aus der ersten Reihe schweigen eisern – dabei müssen sie mehr wissen als sie zugeben. Fahndungserfolge gab es insbesondere nach der Wende viele. 1993 wurde schließlich Birgit Hogefeld geschnappt, eine der führenden Köpfe der sogenannten dritten Generation der RAF. Doch auch zu Zeiten, als sich die Festnahmen häuften, blieben echte Ermittlungsfortschritte meist aus. Viele Taten sind weiterhin nicht aufgeklärt, über die dritte Generation weiß man erschreckend wenig.

Verbohrtes Schweigen statt echter Reue

Das beharrliche Mauern der Ex-Terroristen triggert bei vielen Menschen ein Gefühl der Ungerechtigkeit. Sie empfinden es als Hohn, wenn Menschen aus der Haft entlassen werden, obwohl sie weder Anzeichen von Reue gezeigt haben, noch jemals zur Aufklärung früherer Taten beigetragen haben. Sie wollen Entschuldigungen und Aussagen – kein stilles Vergessen und verbohrtes Schweigen.

Für die Täter ist das Schweigen möglicherweise alles andere als ein Zeichen von Kontinuität. Nach Jahren der Haft und Isolation starten sie in ein für sie völlig unbekanntes Leben. Die Taten von damals haben darin keinen Platz für sie. Ständig daran erinnert zu werden, mögen sie sogar als Provokation empfinden. Wie anders ist die Unterlassungserklärung von Brigitte Mohnhaupt aus dem Jahr 2007 zu erklären, dass sie nicht mehr „Mörderin“ genannt werden möchte? Das irritiert die Menschen. Sie können sich nicht in die Gedankenwelt von ehemaligen Terroristen hineinversetzen. Und das ist gut so.

Keine Antworten

Trotzdem suchen sie nach weiteren Erklärungen für das Ausbleiben jeglicher Antworten. Dass Daniela Klette mit Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub all die Jahre in Kontakt stand und mit ihnen mutmaßlich sogar weitere Straftaten verübte, lässt viele zu dem Schluss kommen, dass die Täter von heute und damals weiterhin vernetzt sind und zumindest aus Solidarität zueinander den Mund über die Anschläge und Morde halten. Scham vor den unfassbar grausamen Taten lassen die meisten als Motivation zur Aussageverweigerung zumindest nicht gelten.

Ob Scham, Solidarität oder fehlende Einsicht: Auch die zu erwartenden Festnahmen weiterer RAF-Täter werden wohl kaum zur umfassenden Klärung aller Umstände führen. Es wird zu weiteren Verurteilungen kommen, um zumindest formal den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Echte Aufklärung wird ausbleiben.

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Auf ewig Opposition?

Lesedauer: 10 Minuten

Seit die SPD großspurig ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ins Rennen geschickt hat, scheint eine Option zumindest wieder denkbar: Rot-Rot-Grün. Doch nicht nur eine fehlende Mehrheit macht es vielen schwer, sich diese Konstellation ernsthaft vorzustellen. Viele Menschen zweifeln zudem an der Regierungsfähigkeit der darin wenig erprobten Linken. Ihre Bedenken stützen sich dabei immer wieder auf kurzsichtige Vorverurteilungen. Doch diese Partei hat noch andere Probleme, die es vor einer eventuellen Regierungsübernahme zu regeln gilt.

Chronisch regierungsunfähig?

Die wollen aus der NATO raus. Die wollen mit Putin kuscheln. Sie hassen die USA. Die schwimmen im beiseitegeschafften DDR-Vermögen. Wer soll das bezahlen? Diese Argumente und noch einige mehr werden regelmäßig ins Feld geführt, wenn man den Linken die Regierungsfähigkeit absprechen will. Viele dieser angeblichen Gründe sind wenig stichhaltig, manche sogar widerlegbar, andere stimmen hingegen. Die Auflösung der NATO zum Beispiel. In den Augen der Linken ist dieses Bündnis seit langem obsolet. In Zeiten des Kalten Kriegs gegründet, sollte es die westliche Welt vor der feindlichen Sowjetmacht schützen. Nun gibt es Stalin, die Mauer und die UdSSR heute nicht mehr. Die Idee der Linken, die NATO durch ein Bündnis zu ersetzen, das nicht auf Konfrontation gebürstet ist, sondern Dialog und Zusammenarbeit vorsieht, ist in dieser Hinsicht bestimmt nicht falsch. Dass das mit Russland ein hartes Stück Arbeit ist – keine Frage.

Unkonventionelle und unbequeme Forderungen machen eine Partei eben nicht automatisch regierungsunfähig. Allein der allgemeine Mythos, die Linkspartei sei partout nicht dazu in der Lage, konstruktive Regierungsarbeit zu leisten, ist von der Realität längst eingeholt. Die ausgesprochen erfolgreiche Regierungsbeteiligung in mehreren Bundesländern ist Zeugnis genug. In Thüringen stellt die Partei links der SPD seit 2014 sogar den Ministerpräsidenten. Nach fünf Jahren Ramelow konnte die Linke in Thüringen sogar noch zulegen und selbst die CDU vom Thron der stärksten politischen Kraft im Freistaat stoßen. Wenn das nicht Ausdruck von Beliebtheit und Regierungsfähigkeit ist, was dann?

Das reichste Prozent

Trotzdem kann keiner ernsthaft bestreiten, dass die Linke immer wieder mit der Vision einer Regierungsbeteiligung hadert. Und dieses Problem ist nicht vorrangig mit dem Programm der Partei zu begründen. Viel eher ist es ein personelles Problem. Genau so wie Ramelow die Regierungsfähigkeit seiner Fraktion in Thüringen verkörpert, so gibt es auf Bundesebene Vertreter, die ebendieser Fähigkeit zum Regieren diametral entgegenstehen. Das fängt schon bei der Parteispitze an. Bernd Riexinger ist nicht eingeschritten, als eine Parteikollegin davon sprach, das reichste Prozent der Bevölkerung zu erschießen. Erst auf Nachfrage witzelte er, man wollte diese Menschen lediglich zu Arbeit verpflichten. Ob man daraus schließen kann, dass er sie im Arbeitslager internieren will, sei mal dahingestellt. Fakt ist allerdings, dass diesem Mann das Gespür dafür fehlt, welche Äußerungen wann angebracht sind und welche politische Tragweite sie entwickeln können. Anstatt sich im Bundestag persönlich klipp und klar von solchem Gedankengut zu distanzieren, schickte er seine Co-Vorsitzende Kipping ins Feld, die ihn als mustergültigen Demokraten über den grünen Klee lobte.

Riexinger selbst saß währenddessen wie ein getadelter Schuljunge zwischen seinen Fraktionskollegen und wünschte sich wohl nichts sehnlicher, als unter der Fraktionsbank zu verschwinden. Als Parteivorsitzender ist er scheinbar völlig ungeeignet und wird seine Partei wohl niemals in eine Regierung führen können. Anlass dazu, seine demokratische Grundüberzeugung anzuzweifeln, gibt es wohl eher nicht. Das sieht bei einigen seiner Genossen allerdings anders aus.

So hielt seine Kollegin Gesine Lötzsch im Jahr 2011 die Eröffnungsrede bei einer Veranstaltung, die offen nach den Wegen zum Kommunismus fragte. Auch im Vorfeld war die damalige Parteichefin wegen umstrittener Äußerungen zu ebendiesem Thema bereits aufgefallen. Sie beteuerte bei der Rede allerdings ihre unbedingte Treue zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das kann man bei einer Kommunismus-Veranstaltung natürlich gerne tun. Ob man das dann glaubt, ist eine andere Frage.

Natürlich darf geschossen werden

Noch schlimmer trieb es allerdings die ebenfalls noch heute im Bundestag sitzende Ulla Jelpke. Bei genau der gleichen Veranstaltung moderierte sie eine Podiumsdiskussion, wie der Kommunismus denn am besten realisiert werden könnte. Sie diskutierte dort allen Ernstes mit prominenten Linksradikalen wie der verurteilten RAF-Terroristin Inge Viett. Diese Frau hat sich von den Entführungen, den Morden und den Anschlägen der Vereinigung nie distanziert. Auch bei besagter Diskussion rechtfertigte sie den Einsatz von Gewalt und Brandanschlägen, um die heiligen Ziele zu erreichen. Diese Einstellung deckt sich natürlich mit den Taten, die diese Frau zu ihren besten Zeiten begangen hat. Um einer Festnahme zu entgehen, schoss sie seinerzeit auf einen Polizisten, der Jahre später an den Folgen der Tat starb. Viett wurde für die Äußerungen auf der Kommunismus-Veranstaltung übrigens rechtskräftig verurteilt.

Wie weit darf die Linke gehen?
Bernd Kudanek alias bjk on Indymedia, IngeViettUllaJelpkeCC BY-SA 2.0 DE

Ulla Jelpke schien das herzlich wenig zu stören. Sie griff während der Gewaltverherrlichungen der Terroristin ebenso wenig ein, wie Riexinger bei den Eliminierungsfantasien in diesem Jahr. Stattdessen ließ sich Jelpke mit der linksradikalen Viett unter der Fahne der Linkspartei bei einer Demonstration fotografieren. Solange eine Partei solche Personen in ihren Reihen duldet und dafür auch noch die Parteifahne zur Verfügung stellt, sollte sie wirklich keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Ein Unrechtsstaat?

Dass die Linke auch anders kann, stellte sie bereits mehrfach unter Beweis. Seit 2006 stellt sie mit Petra Pau eine Vizepräsidentin des Bundestags, die nun wirklich nicht unter Extremismusverdacht steht. Lange Zeit wurde die Bundestagsfraktion von einer Frau mitgeleitet, die noch vor einigen Jahren als untragbare Verfechterin der DDR und des Kommunismus verschrien war. Heute ist Sahra Wagenknecht glatt zur Vorzeigepolitikerin der Linken aufgestiegen. Gegner nehmen sie inzwischen nicht mehr als versponnene DDR-Nostalgikerin wahr, sondern immer mehr als ernstzunehmende Stimme aus der Opposition. Sie setzen sich mit ihr verstärkt inhaltlich auseinander, ohne ihr die Berechtigung abzusprechen, Politikerin zu sein.

Das wohl bekannteste Argument, warum die Linkspartei so abgöttisch regierungsfähig sei, ist mit Sicherheit der Umgang der Partei mit der DDR-Vergangenheit. So weigert sich ein Großteil der Partei bis heute, die DDR als Unrechtsstaat anzuerkennen. In den Augen vieler Parteimitglieder kann die DDR schon deshalb kein Unrechtsstaat gewesen sein, weil bereits das Dritte Reich mit diesem Begriff belegt ist. Kunststück. Aber folgt man dieser Ideologie, so sind die Begriffe „Unrechtsstaat“ und „Nazi-Deutschland“ untrennbar miteinander verwoben. Für viele Linke sind es Synonyme. Vor einer Wahrheit verschließen sie dabei jedoch die Augen: Es gibt schier unendlich viele Wege, Recht zu brechen und Unrecht zu verbreiten. Es gibt aber nur eine Möglichkeit, sich an Recht zu halten.

(K)ein legitimer Versuch

Selbstverständlich war die DDR ein Unrechtsstaat. Dieser Staat fußte darauf, einer beträchtlichen Zahl seiner Bürgerinnen und Bürger elementare Rechte abzuerkennen. Mit Stasi, Spitzeleien und allgegenwärtigem Druck sollte das Volk unter Kontrolle gehalten werden. Natürlich ist das Unrecht. Das heißt aber nicht, dass die DDR eine Unrechtsgesellschaft war, genau so wenig wie das Dritte Reich. Die meisten Menschen arrangierten sich lediglich mit den Zuständen, weil sie zu viel zu verlieren hatten. Ihnen im Nachhinein einzureden, ihre Leben wären Unrecht gewesen oder waren vergeudet, halte ich für grundfalsch. Vielleicht sträubt sich die Linke auch deshalb gegen den Begriff des Unrechtsstaats.

Aber selbst die meisten Linken sehen ein, dass die DDR natürlich kein Rechtsstaat war. Bis auf wenige Ausnahmen: Die damalige linke Spitzenkandidatin für NRW Bärbel Beuermann bezeichnete die DDR im Wahlkampf als legitimen Versuch, den Kommunismus zu etablieren, zumindest aus Sicht der Menschen damals. Und als ob das noch nicht genug wäre, zweifelte sie die Rechtmäßigkeit des Verfassungsschutzes an. Natürlich gibt es gewichtige Gründe, nach NSU, Lübcke und Hanau die Effektivität des Verfassungsschutzes anzuzweifeln. Aber ihn gleich für überflüssig zu erklären?

Die Demokratie kann’s besser

Ähnlich geschichtsvergessen zeigen sich viele Linke auch, wenn es daraus geht, die Lehren aus dem DDR-Unrecht zu ziehen. So wandte sich die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos in ihrer Bundestagsrede am 13. Dezember 2019 strikt gegen ein Mahnmal der Gewaltherrschaft in der DDR. Stattdessen versteifen sich viele Linke darauf, die Vorzüge der DDR geradezu zu glorifizieren. Sie sprechen davon, dass es die sozialen Ungleichheiten wie wir sie heute erleben, in der DDR nicht gegeben hätte. Na und? Anstatt der DDR in diesem Punkt nachzueifern und sich die alten Zeiten im schlimmsten Falle sogar zurückzuwünschen, müssten solche Erkenntnisse jede funktionierende Demokratie doch dazu anspornen, es noch besser zu machen. Und zwar ohne staatsverordneten Terrorismus.

Ein anderer Blick auf die DDR ist nötig und bestimmt kein Zeugnis von Regierungsunfähigkeit. Dieses Misstrauen gegenüber den Linken muss endlich abgebaut werden – von der einen Seite wie auch von der anderen. Unangebrachte Stasi-Vergleiche stärken das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wenig wie obsessive DDR-Nostalgien und das Gerede von Erschießungen. Solange die Linke diese notwendigen Schritte nicht macht, wird sie für einen Großteil der Menschen immer regierungsunfähig bleiben.


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Linksextremismus in Deutschland – Eine Geschichte von Relativierung, Unkenntnis und Überzeugung

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Linksextremismus in Deutschland – Eine Geschichte von Relativierung, Unkenntnis und Überzeugung

Lesedauer: 9 Minuten

Vor einigen Wochen debattierte der Bundestag über die Errichtung eines Mahnmals der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in der DDR. Viele Reaktionen waren vorhersehbar, andere erschreckend. Offensichtlich wurde das Problem der Linkspartei, sich von DDR und Kommunismus zu distanzieren. Doch nicht nur die Linken haben Schwierigkeiten mit diesem Thema. Auch der Durchschnittsbürger kommt beim Thema Linksextremismus ins Schlingern. Ein Mahnmal scheint überfällig.

Ein Glücksfall der Geschichte

Vor gut 30 Jahren brachten mutige Bürgerinnen und Bürger die Berliner Mauer zum Einsturz. Damit lehnten sie sich gegen eine repressive Diktatur auf – wohlgemerkt die zweite auf deutschem Boden im vergangenen Jahrhundert. Nach 40 Jahren war Schluss für Kommunismus, Bespitzelung und Stasi. Die Menschen der DDR träumten von Freiheit, von Einheit und von Demokratie. Es ist ein Glücksfall der deutschen Geschichte, dass mit den Demonstrationen im Herbst 1989 der Einheitsprozess von Deutschland in Gang gesetzt wurde – und dass sie nicht mit beispielloser Gewalt niedergeschlagen wurden wie in anderen Teilen der Welt.

Nach 40 Jahren Planwirtschaft und Ein-Parteien – Staat war das Ausmaß dieser Diktatur verheerend, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Kritiker und Gegner des Sozialismus reden oft und gerne davon, dass diese Wirtschaftsordnung noch niemals einen Erfolg verzeichnen konnte. Aber die Bilanz der DDR umfasste mehr als eine desolate Wirtschaftssituation. Über Jahrzehnte bespitzelte die Stasi unzählige Menschen in ihren privaten Wohnungen, sofern man in diesem System von Privateigentum sprechen kann. Unliebsame Kritiker wurden im besten Falle ausgebürgert und im schlimmsten Fall ermordet. Nicht nur im Grenzstreifen fanden viele ihr trauriges Ende.

Die alte Laier

Höchste Zeit also, dass auch den Opfern dieses brutalen Systems gedacht wird, anstatt immer nur das Versagen oder die Verbrechen führender Köpfe der DDR zu beklagen. Die Bundesregierung sah das kürzlich genau so und so brachten die Unionsfraktion und die SPD-Fraktion im vergangenen Dezember einen wichtigen Antrag in den Bundestag ein. Sie forderten darin die Errichtung eines Mahnmals, um der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland zu gedenken.

Selbstredend fielen in der nachfolgenden Debatte die längst totgedroschenen Phrasen zur DDR-Mangelwirtschaft und natürlich wurde auch die Linksfraktion mal wieder unreflektiert als SED 2.0 diffamiert. Deswegen lagen die Erwartungen hoch, was wohl die Rednerin aus den Reihen der Linken zu dem Antrag zu sagen hatte. Wer allerdings glaubte, die sonst so besonnene Abgeordnete Simone Barrientos würde sich sachlich mit dem Antrag der Regierungsfraktionen auseinandersetzen, der wurde schon bald eines besseren belehrt. Die Rede der Abgeordneten machte viel eher ein altes Problem erneut offensichtlich. Die Partei Die Linke hat in weiten Teilen ein Problem mit dem Linksextremismus – und das anscheinend auch auf Bundesebene.

Ein System mit Fehlern oder Fehler mit System?

Ich möchte hier keinem Abgeordneten des Bundestags gezielt unterstellen, ein Feind der Verfassung zu sein. Und ganz bestimmt wäre es unhaltbar, Abgeordnete der Linksfraktion dem linksextremen Spektrum zuzuordnen. Barrientos‘ Rede machte hingegen offensichtlich, dass es der Linken weiterhin schwerfällt, sich eindeutig von linksextremem Gedankengut zu distanzieren. So bezweifelte die Würzburger Abgeordnete doch allen Ernstes, dass es mit der DDR eine kommunistische Gewaltherrschaft gegeben hätte. Stattdessen stilisiert sie diesen Staat zu einem System mit vielen Fehlern. Ihrer Meinung nach überwogen die Fehler in diesem System wohl. Sie übersieht dabei getrost, dass das System der Fehler war.

Das Ansinnen der Menschen sei gewesen „eine bessere DDR“ herbeizuführen. Einverstanden. Eine andere DDR. Eine bessere DDR. Wie auch immer. Hauptsache ohne Mauer und Gesinnungshaft. Dann allerdings bezweifelt sie, dass eine friedliche Revolution eine Gewaltherrschaft hätte stürzen können. Einerseits verneint sie hier eindeutig die Existenz einer Gewaltherrschaft. Andererseits, und das mit Sicherheit unbewusst, verbreitet sie die These, dass Gewalt ein legitimes Mittel sei, um ein Regime zu stürzen. Beides wird dem Mut der ehemaligen DDR-Bürger nicht gerecht.

Extremismus im Selbstversuch

Barrientos‘ Äußerungen reihen sich nahtlos in die Äußerungen anderer Vertreter der Linkspartei ein. So bezeichnete die ehemalige NRW-Landtagsabgeordnete Bärbel Beuermann die DDR als einen legitimen Versuch, den Kapitalismus endgültig zu überwinden, natürlich nur „[a]us der Sicht der Menschen, die diesen Staat damals gegründet haben“. Für Sahra Wagenknecht handelte es sich bei den Ausschreitungen im Umfeld des G20-Gipfels in Hamburg vor knapp drei Jahren nicht um Linksradikale, sondern lediglich um krawallmachende Chaoten. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke übernimmt die Moderation einer Podiumsdiskussion über die Wege zum Kommunismus. Besonders brisant: An der Diskussion beteiligt sich auch die verurteilte RAF-Terroristin Inge Viett, die den tosenden Beifall, der ihr entgegenschwemmt, sichtlich genießt.

Die Linke spielt also gerne mit dem Feuer. Anstatt sich eindeutig vom äußersten linken Rand zu distanzieren, scheuen manche Mitglieder dieser Partei die Nähe zu Extremisten nicht. Wie soll man sich aber auch effektiv von etwas distanzieren, was bei vielen Menschen hilfloses Gedruckse verursacht?

Ich selbst habe den Selbstversuch gewagt. Ich habe Freunde und Bekannte gefragt, was für sie Rechtsextremismus bedeutete und warum sie ihn verurteilten. Die Antworten waren eindeutig. Mir wurden brennende Asylantenheime genannt, homophobe und rassistische Beleidigungen und die NS-Diktatur. Anschließend wiederholte ich die Frage in Bezug auf Linksextremismus. Die wenigsten konnten mir eine zufriedenstellende Antwort geben. Manche nannten als Beispiel noch die RAF, kaum jemand erkannte in der DDR eine linksextreme Apparatur.

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Und was sagt die Straße?
Ein Meister der Tarnung

Ist der Linksextremismus also möglicherweise gar nicht so gefährlich wie viele uns das weismachen wollen? Mitnichten. Nur weil eine Gefahr nicht eindeutig als solche wahrgenommen wird, macht sie das nicht automatisch ungefährlicher. Das Gegenteil ist richtig. Gerade die Fähigkeit des Linksextremismus besonders gut im verborgenen agieren zu können, macht ihn so gefährlich.

Die Motivation rechtsradikaler Straftäter ist für viele offensichtlich: Sie glauben nicht, dass alle Menschen gleich viel wert sind, dass andere es womöglich verdient haben, angezündet und getötet zu werden. Viele von ihnen sehen sich von einer schieren Flutwelle an Migranten überrollt und wollen sich ihr heißgeliebtes Heimatland zurückerobern. Das klingt ziemlich hirnverbrannt. Und das ist es mit Sicherheit auch.

Der Motivation linksradikaler Straftaten hingegen können die wenigsten folgen. Auch wenn sie die Attacken von rechts scharf verurteilen, sie begreifen die Beweggründe dahinter viel eher ohne sie gutzuheißen. Wie oft las man von „unbelehrbaren Terroristen“, wenn bis vor einigen Jahren über die Freilassung der letzten inhaftierten RAF-Mitglieder diskutiert wurde? Diese Menschen sind nicht unbelehrbar oder gar wirr im Kopf. Es sind Überzeugungstäter. Einige von ihnen sind diesen Überzeugungen bis heute treugeblieben.

Ein immer wiederkehrender Traum

Soll das jetzt heißen, dass der Rechtsextremismus in der Gesellschaft eher akzeptiert wird als der Linksextremismus? Ganz bestimmt nicht. Das Manko der linken Revoluzzer ist schlicht und ergreifend, dass links schon immer viel abstrakter war als rechts. Die Rechten sprechen immerhin ein urmenschliches Bedürfnis an: die Bequemlichkeit.

Denn kein Mensch will sich verändern. Der Mensch hasst Veränderung. Rechtsextreme auch. Die AfD hat es doch nur deshalb so leicht, weil sie sich gegen jedwede Veränderung sperrt und sich nach der guten alten Zeit sehnt, wo sich niemand Sorgen machen musste. Diese Welt hat so allerdings noch nie existiert und wird auch niemals existieren.

Gerade heute wird immer mehr die Aktualität und Richtigkeit von Brechts Zitat mit dem Schoß und der Fruchtbarkeit offensichtlich. In Bezug auf den linken Extremismus versagt das Zitat allerdings. Der Grund dafür ist einfach erklärt: Während die Deutschen in den 1930ern mehrheitlich für die Nazis stimmten, wurde ihnen das sowjetische System im Folgejahrzehnt ungefragt übergestülpt.

Es wird höchste Zeit

Nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland wurden manche Menschen als Mitläufer klassifiziert. Sie sind ein typisches Beispiel dafür, wie sich rechtsextremes Gedankengut in den Menschen hineinfressen kann, der davor vielleicht kein überzeugter Nazi war. Nach dem Zusammenbruch der DDR war eine solche Einteilung schwieriger. Die Aufarbeitung war freilich eine andere, wenn es sie überhaupt gab. Jemanden als typischen Mitläufer in der DDR zu bezeichnen ist fast unmöglich. Die meisten Menschen arrangierten sich über viele Jahre mit dem bestehenden System mit all seinen Nachteilen. Sie unterwarfen sich dabei wahren Überzeugungstätern.

Die Aufgabe eines Mahnmals für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft ist daher eine andere als eines solchen, das an den Holocaust erinnert. Ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus müsste vorrangig die Frage beantworten, warum eine Gesellschaft, in der alle gleich sind, keine erstrebenswerte Daseinsform ist.

Beim Rechtsextremismus sind sich die meisten einig: nicht nur der Genozid als letzte Konsequenz dieses Regimes ist verurteilungswürdig, sondern auch die menschenverachtende Ideologie dahinter. Beim Linksextremismus sind viele von einer solchen Einsicht noch weit entfernt. Sie beklagen die Auswüchse eines solchen Systems und sprechen von Mauertoten, Zwangsadoptionen und Gesinnungshaft. Dass auch hinter einer solchen Herrschaft eine völlig falsche und verbrecherische Ideologie steht, ist vielen nicht bewusst. Es wird höchste Zeit für ein Mahnmal.

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