Tempolimit nur so halb

Lesedauer: 7 Minuten

Im vorletzten Jahr starben mehr als 400 Menschen durch Verkehrsunfälle auf deutschen Autobahnen. Damit setzte sich der Trend einer steigenden Opferzahl fort. Trotzdem protestieren viele gegen ein generelles Tempolimit auf der Autobahn. Dem Parlament ist es bisher nicht gelungen, ein solches gegen den enormen Widerstand einzuführen. Ein Kompromiss des Bundesverkehrsministeriums soll nun Abhilfe schaffen. Ein Tempolimit wird zwar eingeführt, doch jeder hat zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, dem zu widersprechen.

Ein guter Kompromiss?

Karl Lauterbach mag mit seinem Vorstoß für die Widerspruchslösung bei der Organspende vergangenen Monat im Bundestag gescheitert sein. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmten für die Entscheidungslösung, die unter anderem die Grünen-Vorsitzende Annalena Bearbock befürwortet. Ganz vom Tisch ist das Konzept „Widerspruch“ allerdings nicht. Jüngst konnten sich führende Verkehrspolitiker mit einem ähnlichen Anliegen in Bezug auf das hochumstrittene Tempolimit auf deutschen Autobahnen durchsetzen. Obwohl Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) immer wieder betonte, er sei gegen ein generelles Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde, musste er dem Kompromiss zähneknirschend zustimmen.

Dieser sieht vor, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Sachen auf Autobahnen zwar ab sofort in Kraft tritt, geschädigte Autofahrer allerdings jederzeit die Möglichkeit haben, Widerspruch gegen diese Regelung einzulegen. So soll unter anderem gewährleistet werden, dass jeder deutsche Autofahrer frei und ohne jede Einmischung von außen sein Fahrzeug führen kann. Wer nicht widerspricht, muss sich natürlich an die zulässige Höchstgeschwindigkeit halten.

Ein wünschenswerter Effekt

Die Verkehrspolitiker sahen dringenden Handlungsbedarf. Immerhin ist überhöhte Geschwindigkeit die häufigste Ursache für tödliche Verkehrsunfälle. Auf Autobahnen gäbe es zwar die wenigsten Unfälle dieser Art, aber die meisten tödlichen. Angelehnt an die Widerspruchslösung bei der Organspende wollen die Abgeordneten nun die Anzahl der Todesfälle auf deutschen Autobahnen drastisch reduzieren.

Die Idee hinter der neuen Verkehrsregel ist simpel: In Ländern, in denen der Organentnahme ausdrücklich widersprochen werden muss, steigt die Zahl an erfolgreichen Organtransplantationen kontinuierlich. Die wenigsten Menschen in diesen Ländern widersprechen einer Organspende. Die Verkehrspolitiker erhoffen sich eine ähnliche Entwicklung beim Tempolimit. Wenn möglichst wenige Menschen aktiv widersprechen, kann sich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gesellschaftlich etablieren.

Fortsetzung folgt?

Die Abgeordneten sind sich einig: Sie haben einen guten Kompromiss gefunden. Einerseits tragen sie der hohen Zahl an Verkehrstoten Rechnung, andererseits zwingen sie niemanden, mit weniger als 200 Kilometern pro Stunde über die Autobahn zu brettern. CDU-Abgeordnete Claudia Höckers ist sich sicher: „Mit diesem Beschluss haben wir der Debatte eine Menge an Zündstoff entnommen.“

Auf Drängen der Union ist nun eine Ausweitung der Regelung auf alle deutschen Straßen im Gespräch. So sollen auf ausgewählten Streckenabschnitten die Verkehrsschilder, die auf eine zulässige Höchstgeschwindigkeit hinweisen, probeweise mit einem grünen statt einem roten Rand versehen werden. So ist ersichtlich, ob die Begrenzung für alle Verkehrsteilnehmer gilt oder nur für solche, die nicht widersprochen haben.

Ein einfaches Prozedere

Der tatsächliche Widerspruch kann bei jeder Stadt- oder Gemeindeverwaltung beantragt werden. Entsprechende Antragsformulare gibt es außerdem bei den meisten Beerdigungsinstituten sowie auf der Internetseite der Landesverkehrsministerien und des Bundesministeriums. Die weitere Prozedur ist mit dem Verfahren beim Widerspruch zur etwaigen Organspende vergleichbar. So muss der Widersprecher im weiteren Verlauf eine Stellungnahme von mindestens 1.000 Wörtern formulieren und sich bei einer öffentlichen Anhörung zu seinem Widerspruch äußern. Die schriftliche Stellungnahme darf nicht von Dritten verfasst werden und ist mit einer eidesstattlichen Versicherung zu beglaubigen.

Die öffentliche Anhörung findet in der Regel vor dem Bezirksamtsgericht statt. Der Anhörung wohnen neben dem Widersprecher und einem unabhängigen Richter auch ein Beauftragter des zuständigen Landesverkehrsministeriums sowie 100 zufällig ausgewählte Zuschauer bei, deren nahe Angehörige bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind. Der Tempolimit-Gegner hat das Recht auf einen rechtlichen Beistand, nicht aber den Anspruch darauf. Alle zugelassenen Anwesenden haben die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen. So können die Zuschauer das Anliegen des Widersprechers kritisch hinterfragen und auf seine Ernsthaftigkeit überprüfen.

Am Ende der Verhandlung muss der Antragssteller zudem sein bestes Stück zur Schau stellen. Der geschulte Mitarbeiter des Ministeriums nimmt dann Maß. So soll verhindert werden, dass der Antragssteller nicht nur deswegen über die Autobahn preschen will, um die Winzigkeit besagten Körperteils zu kompensieren. Die gesetzlichen Mindestlängen gibt jedes Bundesland gesondert vor. Dies rief besonders bei männlichen Abgeordneten Unmut hervor, die diesen Teil der Regelung kritisieren. CSU-Mann Joseph Gerstmaier ist entrüstet: „Hier wird aktiv das Klischee befördert, dass manche Bundesdeutsche ein größeres Gemächt haben als andere, gestaffelt nach Bundesland. Dabei wissen doch alle, dass wir Bayern…Sie wissen, was ich meine.“

Widerspruchslösung ohne Widerspruch

Effektiv trat die neue Regelung zu Jahresbeginn in Kraft. Die Resonanz darauf ist unterschiedlich. Von den prognostizierten 5 Millionen zu erwartenden Anträgen bereits im ersten Monat des Jahres gingen bei den zuständigen Behörden bundesweit gerade einmal vierzehn solcher Anträge ein. Grundlage für die verfehlte Prognose waren entsprechende Bekundungen von Tempolimit-Gegnern in sozialen Netzwerken. Offenbar halten es viele Skeptiker allerdings für einfacher, sich an eine Höchstgeschwindigkeit zu halten, anstatt die Mühlen der Bürokratie zu durchlaufen.

Von den eingegangenen Anträgen mussten zehn bereits im Ansatz abgelehnt werden, weil die schriftlichen Stellungnahmen nicht den geforderten Kriterien entsprachen. So schafften es rund 70 Prozent der Antragssteller bisher nicht, mehr als drei Sätze zu ihrem Anliegen zu formulieren. In allen vorliegenden Anträgen wiesen die Stellungnahmen zudem eklatante Mängel in Bezug auf Rechtschreibung und Zeichensetzung auf. Experten führen das auf eine Verrohung nicht nur der deutschen Sprache, sondern insbesondere der deutschen Rechtschreibung im Internet zurück. Sofern die Gründe für den Widerspruch aus den Stellungnahmen ersichtlich wurden, erinnerten sie in den meisten Fällen eher an die Kommentarspalte von sozialen Netzwerken. Fast die Hälfte der Antragssteller versahen ihre schriftlichen Ausführungen mit Emojis.

Es geht um Menschenleben

Eine kürzlich durchgeführte Straßenumfrage lieferte ein ganz neues Bild. Von den 155 zufällig befragten Passanten konnten gerade einmal zwei etwas mit der Widerspruchslösung in Bezug auf eine Höchstgeschwindigkeit anfangen. Alle anderen Befragten gingen schulterzuckend weiter oder dementierten, jemals etwas von einer solchen Regelung gehört zu haben. Anscheinend hat die neue Gesetzeslage noch nicht die Algorithmen von facebook & Co. erreicht und konnte somit auch noch nicht in die Blase mancher Menschen vordringen.

Trotzdem gaben gut zwei Drittel der Befragten an, sie stünden einem Tempolimit zwar skeptisch gegenüber, würden einer solchen Regelung allerdings nicht aktiv widersprechen. Die meisten begründeten das mit einem zu hohen bürokratischen Aufwand oder schlichten ethischen Bedenken. So ist die Grafikdesignerin Lydia Schulz (Name geändert) besorgt: „Ein generelles Tempolimit halte ich zwar für nicht sinnvoll, aber trotzdem habe ich Skrupel, dem zu widersprechen. Es geht hier immerhin um Menschenleben.“

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Deutsche Sprache, fremde Sprache?

Beitragsbild: Bru-nO, Pixabay, Bildausschnitt von Sven Rottner.

Lesedauer: 9 Minuten

All-You-Can-Eat, Lifting, Jackpot – die Zahl von Anglizismen in der deutschen Sprache kann inzwischen Seiten füllen. Nicht jeder befürwortet diese sprachliche Bereicherung. Viele sehen darin eine ernsthafte Bedrohung für die eigene Landessprache. Einige wollen Deutsch sogar im Grundgesetz verankern. Dass sie damit weit über das Ziel hinausschießen und ihr Ziel sogar verfehlen, ist den meisten gar nicht bewusst. Denn Anglizismen sind ein vergleichsweise kleines Problem, wenn es um den Erhalt von Sprache geht.

Warum kompliziert, wenn es einfach geht?

Der Pfeifenbläser Julian Assange ist in Equador verhaftet worden. Gestern hätte ich eine Verabredung gehabt, aber mir wurde über den Botschafter abgesagt. Der Haupt-Ausführungsoffizier hat angekündigt, sich aus der ersten Reihe des Unternehmens zurückzuziehen. Klingt bescheuert? Finde ich auch. In all diesen Sätzen würde der Durchschnittsdeutsche Anglizismen verwenden, um sich verständlich auszudrücken. Aus Pfeifenbläser würde Whistleblower, aus der schnöden Verabredung ein Date, aus dem Botschafter der Messenger und der Oberguru eines erfolgreichen Unternehmens ist natürlich der CEO (Chief Executive Officer, für all diejenigen, die nicht wissen, was sich hinter dieser salbungsvollen Abkürzung verbirgt).

Viele finden wiederum, dass die Anglizismen inzwischen Überhand nehmen. Mancheiner sieht die deutsche Sprache ernsthaft in Gefahr. Sie fühlen sich von der US-amerikanischen Sprachpolizei überrumpelt. Eigentlich wollen sie Begriffe wie Management, Container und Styling gar nicht in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch verwenden. Oder etwa doch? Schließlich tun sie es ja. Ist es also wirklich ein rein externes Phänomen, etwas was den Deutschen übergestülpt wird?

Handy Handy

Bis zu einem bestimmten Grad sind Anglizismen unvermeidbar. Die deutsche Sprache lieh sich schon immer leidenschaftlich gerne Begriffe aus anderen Sprachen aus. Deutsch ist und bleibt eben eine Lehnsprache. Das Date hieß früher mal Rendez-Vous. Klingt auch nicht viel deutscher. Andere Begriffe sind inzwischen allerdings so fest in unserem Sprachgebrauch verankert, dass man erst beim zweiten Lesen bemerkt, dass sie gar nicht deutschen Ursprungs sind. Nehmen wir zum Beispiel den Wasserboiler. „to boil“ ist englisch und bedeuten sieden oder kochen. Tada!

Es gibt auch noch eine ganze Reihe anderer Wörter, die sich im Alltag etabliert haben. Bei den meisten von ihnen ist offensichtlich, dass sie englischen Ursprungs sind, doch sie werden allgemein akzeptiert. Das Handy und der Computer sind Begriffe, die gleichzeitig auch den Zeitgeist definieren. Alltagstaugliche deutsche Wörter gab es für sie nie. Es dauert ja auch schließlich fast dreimal so lange „Mobiltelefon“ zu sagen.

Es ist dabei aber schon erstaunlich, dass der Begriff „Handy“ zwar dem Englischen entstammt, aber in dieser Sprache nicht die gleiche Bedeutung hat wie in Deutschland. Das Gerät ist zwar handy, aber kein Engländer nennt es so. Ein Anglizismus um der Anglizismen willen also. Aber sei’s drum, es ist gut so wie es ist.

We are all sitting in one boat

Grotesker mutet es schon an, wenn man einen Blick in die Arbeitswelt wirft. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger wusste bereits vor gut zehn Jahren als einer der ersten, dass Englisch die Arbeitssprache werden würde. Doch, oh Schreck! Dass es gleich solch verheerende Ausmaße annehmen würde, konnte selbst das sprachaffine Landesoberhaupt nicht wissen.

On the one hand, haben wir da einige Begriffe, die so kompliziert sind, dass keiner sie ernsthaft aussprechen würde. Beim CEO begnügt man sich mit der Abkürzung. Es wissen so oder so nur die wenigsten, was damit genau gemeint ist (außer sie haben diesen Beitrag gelesen). On the other hand, werden tatsächlich deutsche Begriffe ohne Not durch englische ersetzt. Weil sie angeblich besser klingen. Viele Unternehmen inserieren heute Stellenangebote für ein exklusives Traineeship in ihrem Hause. Vielleicht eine erste Maßnahme, um unqualifizierte Bewerber abzuschrecken, die tatsächlich ein nautisches Abenteuer befürchten.

Von Krauts und Autobahn

Vielleicht regen sich manche Deutsche wirklich zu sehr auf. Anscheinend wissen viele nämlich nicht, dass die Sache mit den Anglizismen auf dem uralten Prinzip des Gebens und Nehmens beruht. Dass Begriffe wie „sauerkraut“, „lederhosen“ und „autobahn“ längst ihren Weg ins Englische gefunden haben, dürfte allgemein bekannt sein. Nicht jedoch, dass sich so mancher Engländer am glockenspiel erfreut, dass seine Kaffeemaschine kaput(t) gehen kann oder dass manche Dinge strengstens „verboten“ sind. Spätestens wenn sich eine Spinne an einer Hauswand abseil(t), gerät mancher Anglizismenkritiker ins Staunen.

Man sieht, auch deutsche Wörter sind im englischen Sprachgebrauch fest verankert. Und Vokabeln sind doch sowieso nur Ziffern, die eine Sprache alltagstauglich machen. Aber Sprache ist mehr. Wer sich über die angeblich viel zu große Zahl an Anglizismen echauffiert, der lenkt sich selbst von einem weitaus bedrohlicheren Schauplatz ab. Auch wenn es einzelne deutsche Wörter ins Englische geschafft haben, so gibt es in dieser Weltsprache eines nicht: Sprachstrukturen werden nicht zugunsten einer anderen Sprache aufgegeben. Im Deutschen ist das anders.

So werden bestimmte grammatikalische Strukturen ebenfalls durch die aus der englischen Sprache ersetzt. „Die Zahl an Straftaten in 2019 lag um 1,5 Prozent höher als noch es noch in 2018 der Fall war.“ Häh?! Seit wann bitteschön werden konkrete Jahreszahlen mit der Präposition „in“ verwendet? Das funktioniert im Englischen, aber nicht im Deutschen. Es ist einfach falsch!

Virale Influencer? Gesundheit.

Bevor ich jetzt vorschnell der Riege der ewig Gestrigen zugeordnet werde, gebe ich eines zu bedenken: Sprache verändert sich laufend. Nicht nur Wörter verändern ihre Konnotation, auch grammatikalische Eigenheiten sind diesem Wandel unterworfen. Es mutet allerdings schon ein wenig merkwürdig an, wenn dieser Wandel mit der Geschwindigkeit eines Lidschlags vollzogen wird und obendrein kaum vom englischen Original unterscheidbar ist. Auch dass es Konflikte IM Irak gibt und ein Krieg mit DEM Irak unter allen Umständen vermieden werden muss, wird immer mehr vom englischen Pendant verdrängt, welches bestens ohne bestimmte Artikel auskommt.

Der Gipfel der sprachlichen Verirrung wurde allerdings vor einigen Jahren erreicht, als viele Dinge viral gingen. Ähnlich wie beim Influencer handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine ansteckende Krankheit. Es soll lediglich verdeutlicht werden, dass etwas durch die Decke ging. Dass das Verb „gehen“ in der deutschen Sprache niemals gleichbedeutend mit dem Wort „werden“ ist, scheint vielen egal zu sein. Schließlich ist es in der englischen Sprache ja so konnotiert, was kümmert mich da mein deutsches Original?

Eine zwangsläufige Entwicklung?

Mit Sicherheit hat das Internet maßgeblichen Anteil an diesen Entwicklungen. Und wer weiß? Vielleicht entwickelt sich Sprache in Zeiten des Internets tatsächlich rasanter als früher. Immerhin lebt Sprache von der Kommunikation. Und Kommunikation ist durch das Internet einfacher als jemals zuvor. Gut möglich also, dass zusätzliche Kommunikationskanäle die Sprachentwicklung beschleunigen. Also doch lieber ein Tempolimit für Sprachen anstatt auf der Autobahn?

Doch auch eine andere Deformation der deutschen Sprache stößt hart auf. Was wurde eigentlich aus dem formellen „Sie“? Liest man so manche Stellenanzeige oder hört sich eine besonders hippe Werbung an, könnte man meinen, die Höflichkeitsform hätte aufgehört zu existieren. „Bewirb dich jetzt und bereichere unsere Crew“ könnte aus jeder x-beliebigen Stellenanzeige kommen. Eigentlich sollte man dieses Phänomen einmal auf die Spitze treiben und die Personalverantwortlichen in der Bewerbung ebenfalls duzen. Führt dann wahrscheinlich nicht zum erhofften Erfolg, aber ein Denkmal würde man sich damit allemal schaffen.

Sprache per Gesetz?

Das Problem liegt also definitiv nicht an den Vokabeln, sondern an grammatikalischen Eigenheiten, die denen aus der englischen Sprache immer ähnlicher werden. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Eine gesetzliche Regelung, wie es den Rechtspopulisten vorschwebt, halte ich für den absolut falschen Weg. Eine Sprache ist eben kein Gesetz. Sie kann nicht in Stein gemeißelt werden. Sie ist immer abhängig von der jeweiligen Situation und der jeweiligen Zeit. Ihr können von außen keine Vorschriften gemacht werden, eine Veränderung muss von innen kommen. Ein Gesetz würde der Sprache wiederum vorschreiben, wie sie zu sein hat. Und genau das funktioniert eben nicht.

Stattdessen ist jeder selbst gefragt. Man kann sich im Klein-Klein der Anglizismen verlieren. Man kann aber auch selbst entscheiden, wie weit man mitgehen möchte. Wer statt „Party“ lieber „Feier“ sagen möchte, kann das doch tun. Keiner ist daran gehindert, fremde Menschen weiterhin zu siezen. Und keiner bricht sich einen Zacken aus der Krone, eben nicht insane zu gehen, wenn etwas total wunderbares geschieht.

Deutsch ist schön

Die am lautesten von der Abschaffung der deutschen Sprache reden, haben selbst den Sinn für diese schöne Sprache verloren. In zahllosen Kommentaren vergewaltigen sie ihre Muttersprache höchstselbst, wenn sie sich zu Rettern derselben aufschwingen. Einfachste Regeln der Rechtschreibung und der Kommasetzung werden einfach übergangen, die Konjunktion „dass“ scheint non-existent.

Deutsch ist eine Sprache, die so reich an unterschiedlichen Begriffen ist wie kaum eine andere Sprache. Was kümmert es denn da, wenn ein paar Begriffe aus anderen Sprachen den Alltag bereichern? Viel wichtiger ist doch zu wissen, wann manche Begriffe angebracht sind und wann nicht. Es macht nämlich durchaus einen Unterschied, ob ich in Magdeburg oder in Stuttgart einen Pfannkuchen bestelle. Fordert deshalb ernsthaft jemand eine Vereinheitlichung dieser Begriffe? Ich glaube nicht.

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Wider die Instinkte – Wenn Intelligenz tötet

Beitragsbild: Gerd Altmann, pixabay.

Lesedauer: 11 Minuten

Unter all den Lebewesen, die sich auf unserem Planeten tummeln, neigt wohl keine andere Spezies so sehr zu irrationalem und dummen Verhalten wie der Mensch. Seit Anbeginn aller Zeiten fasziniert er durch sein widersinniges und absolut unlogisches Verhalten. Der angeblich intelligentesten Spezies der Welt steht dabei oftmals der eigene Instinkt im Wege. Ob es nun Fluch oder Segen ist, dass diese Instinkte von schier unendlicher Intelligenz übermannt werden, ist in manchen Fällen kaum unterscheidbar.

Intelligenz ist nicht alles

Schaut man sich die Äußerungen mancher Menschen an, grenzt es schon fast an Komik, dass die Evolutionstheorie ausgerechnet diese Spezies zur intelligentesten auf dem Erdenrund geadelt hat. Anstatt die Klimakatastrophe zu betrauern, sollte man lieber deren Verursacher beklagen. Aber eines muss man den Menschen wirklich zugestehen: Sie sind tatsächlich intelligent. Diese Intelligenz verschafft ihnen nicht nur eine deutlich schnellere Auffassungsgabe, sondern befähigt sie auch zum Sprechen, Schreiben und Lesen. Womit Intelligenz allerdings niemals verwechselt werden sollte, ist Schläue. Die Intelligenz ist viel eher die Grundausstattung, über die der Mensch im Normalfall verfügt. Dieser Speicherplatz kann gefüllt werden. Muss er aber nicht.

Gerade im Zusammenhang mit hochaktuellen Themen wird mal wieder offensichtlich, dass der Mensch eine apokalyptische Neigung zur Selbstauslöschung in sich trägt. Zwei Themen machen das ganz besonders deutlich: die leidvolle Debatte um das Tempolimit auf deutschen Autobahnen einerseits und die linksgrün-versiffte Idee eines Böllerverbots andererseits.

Bleiben wir doch zunächst bei der Geschwindigkeitsbegrenzung. Die hartgesottenen Gegner des Limits halten eine solche Regelung für unsinnig, weil die deutschen Autobahnen als die sichersten weltweit gelten. In diesem Punkt haben sie sogar recht. Und noch etwas anderes ist auffällig: die wenigsten tödlichen Unfälle geschehen auf der Autobahn. Wer das als valides Argument gegen ein Tempolimit nimmt, der müsste in der Konsequenz auch das deutsche Strafgesetz abschaffen. Statistiken belegen nämlich, dass die Anzahl polizeilich erfasster Straftaten in den letzten Jahren rückläufig ist.

Need for Speed

Natürlich käme keiner ernsthaft auf eine solch absurde Idee. Gerade die Mordrate ist in den letzten Jahren gestiegen. Ein ähnliches Prinzip gilt auch auf der Autobahn. Auf diesen Straßen sind vielleicht die wenigsten tödlich verunglückt, die meisten unter ihnen allerdings aufgrund zu hoher Geschwindigkeit.

Es sollte eigentlich unbestritten sein, dass ein Tempolimit immer dazu führt, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit sinkt. Wo zu hohe Geschwindigkeit die Top-Ursache tödlicher Unfälle ist, da sollte nicht mehr über das Ob, sondern möglichst bald über das Wie diskutiert werden.

Freie Fahrt auf der Autobahn? Viele Menschen halten nichts von einem Tempolimit.
Bild: Rolf van Melis, Autobahn A44 1, CC BY-SA 2.0 DE.

Und da sich die Gegner des Tempolimits so gerne damit rühmen, die deutschen Autobahnen seien die sichersten: Perfektionismus endet nicht, wenn man gut ist, sondern wenn man perfekt ist. Eine generell niederschwellige Gefahrenlage auf deutschen Autobahnen sollte eigentlich erst recht Anlass dazu sein, noch sicherer zu werden. Man hört ja schließlich auch nicht auf, seine Kinder impfen zu lassen, weil das Ansteckungsrisiko gering ist. Oder etwa doch?! Und noch einmal: Ein Tempolimit kann nur dazu führen, dass die Zahl der Toten aufgrund von zu hoher Geschwindigkeit zurückgeht. Und jeder Tote auf deutschen Straßen ist ein Toter zu viel.

Höher, schneller, weiter

Schneller heißt schließlich immer auch unkontrollierbarer. Der Mensch strebt danach, Dinge zu kontrollieren. Hier ist eine neue Möglichkeit. Doch dass viele Menschen mit solch einleuchtenden Grundprinzipien gebrochen haben, wird auch bei der Diskussion um ein Böllerverbot an Silvester deutlich. Hier setzen sich viele sogar über einen Urinstinkt aller Lebewesen auf der Erde hinweg: der Angst vor dem Feuer.

Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Sprengstoff hat in den Händen von Laien nichts zu suchen. Deswegen ist die Begründung vieler Einzelhandelsketten, auf den Böllerverkauf zu verzichten, auch so scheinheilig. Viele springen auf den Klimazug mit auf, obwohl die enorme Gefahr von Schwarzpulver & Co. schon viel länger bekannt ist.

Feuerwerke erfreuen sich an Silvester weiterhin großer Beliebtheit – trotz offensichtlicher Gefahren.
Bild: Gerd Altmann, pixabay.

Schon der Neandertaler wollte das Feuer unbedingt kontrollieren. Wie soll das funktionieren, wenn man hochexplosives Material anzündet und wegwirft? Eine einmal gezündete Rakete, die in die Lüfte schnellt, ist nicht kontrollierbar, zumindest nicht von Menschenhand. Wozu in den Himmel entsendetes Feuer führen kann, wurde uns dieser Tage auf tragischste Art und Weise in Krefeld erneut vor Augen geführt. Ein generelles Umdenken wird das aber trotzdem nicht bedeuten. Es war ja schließlich keine Rakete…

Explosiver Schwanzvergleich

Dabei ist die Alternative so naheliegend. Wenn man an Silvester schon unbedingt ein zünftiges Feuerwerk will, dann kann man sich doch an vielen US-amerikanischen Städten orientieren. Dort ist es seit langem Gang und Gäbe, dass Pyrotechniker an zentralen Stellen ein Himmelsschauspiel entfesseln. Auch das ist natürlich nicht ohne Risiko. Vielleicht wären zentrale Lasershows dann doch besser. Denn natürlich ist ein Feuerwerk schön. Das ist ein Atompilz aber irgendwie auch.

Beim Thema Böllern geben sich viele Menschen allerdings einsichtig. Doch die Ankündigung, in diesem Jahr auf jeden Fall weniger bis gar nicht zu böllern, war von Anfang an zum traurigen Ritus verdammt. Denn spätestens wenn einem die – Achtung, Wortwitz – Knallerpreise regelrecht entgegenfliegen, gibt es für viele kein Halten mehr. Längst hat das Auto Konkurrenz bekommen, wenn es darum geht, dass testosterongesteuerte Supermarktstricher ihre verkümmerten Schwänzchen kompensieren müssen.

100.000 Jahre Schnee

Hat das noch was mit Intelligenz zu tun? Man weiß es nicht. Wenigstens geben sich viele Menschen beim Thema Böllerverbot gar keine Mühe, sonderlich intelligent zu wirken. Geht es allerdings um den Klimawandel, sieht die Sache schon anders aus. Beim neuen globalen Lieblingsthema ist es inzwischen zur guten Sitte geworden, sich mit Fakten und Zahlen zu bombardieren und zu übertrumpfen. Manche dieser „Argumente“ lassen dann jedoch schnell wieder an der Intelligenz mancher Möchtegern-Klimaforscher zweifeln.

So gibt es doch tatsächlich Menschen, die die derzeitige Situation auf unserem Planeten mit der letzten Eiszeit vergleichen. Sicherlich kennen die meisten derer nicht den Unterschied zwischen einem Eiszeitalter und einer Kaltzeitperiode, aber Wikipedia erweist sich auch in diesem Falle als guter Lehrmeister. Selbst wenn man die letzte Kälteperiode tatsächlich als Eiszeit bezeichnet, so dauerte sie mehr als 100.000 Jahre an. Sicherlich wurde dabei nicht ein Schalter umgelegt, was der Welt hundert Jahrtausende Schnee verschaffte. Irgendwie verhält es sich aber so mit der derzeitigen Wärmeperiode.

Seit Jahrzehnten beobachten wir einen besorgniserregenden Anstieg der Durchschnittstemperatur. Natürlich kommt ein solcher Zeitabschnitt dem Menschen lange vor. Doch er ist überhaupt nicht vergleichbar mit der Dimension der gennannten Kältezeit. Die einsetzende Wärme ist kongruent mit der einsetzenden Industrialisierung auf der Erde. Natürlich ist die derzeitige Klimakrise menschengemacht.

Die süße Wonne des Nichtstuns

Doch was hilft es, die Ursachen zu beklagen, wenn das Problem längst da ist? Fast noch schlimmer sind doch die Lehren, die aus dem abstrusen Vergleich mit der Eiszeit gezogen werden. Ohne großes menschliches Zutun ging noch jede Eiszeit vorbei. Die jetzige Klimakatastrophe allerdings ist menschengemacht und kann auch nur vom Menschen beendet werden. Die Klimakrise ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Mensch zur Selbstzerstörung neigt. Die Fakten liegen auf dem Tisch, doch eine natürlich angeborene kleinbürgerliche Bequemlichkeit macht es vielen unmöglich, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ein weiteres beliebtes Argument der selbsternannten Klimakritiker ist der begrenzte Einfluss, den Deutschland auf die Rettung des Klimas hat. Erst kürzlich betonte Alexander Gauland erneut, dass der CO2-Ausstoß Deutschlands kaum maßgeblich für den raschen Temperaturanstieg sein kann. Die Fakten und Zahlen wurden hierbei erneut ins beinah lächerliche uminterpretiert. Denn Deutschland, ein zwar dicht besiedeltes, aber relativ kleines Land macht nur 1 Prozent der Weltbevölkerung aus, verursacht aber 2 Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen. Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand.

Gute Menschen, schlechte Menschen

Es wird von manchen immer wieder in Zweifel gezogen, dass Deutschland eine wichtige Vorreiterrolle bei der Klimarettung einnehmen kann. Selbst diese Menschen sind sich allerdings einig darin, dass die angestrebten Maßnahmen, viel Geld kosten würden. Wenn sich ein so hochindustrialisiertes und reiches Land wie Deutschland dem Klimaschutz komplett verweigert, wer soll denn bitteschön dann mit der Rettung des Klimas beauftragt werden? Das bis ins Mark verarmte und geplünderte Afrika vielleicht?

Man sieht: Viele Menschen haben ein regelrechtes Faible dafür, den offensichtlichen Fakten zum Trotz ins Verderben zu marschieren. Auch der wachsende Zuspruch von Rechtspopulisten ist nicht anders zu erklären. Der Frust und der Protest ist mehr als gerechtfertigt, doch der gewählte Lösungsweg führt direkt zur Schlachtbank. Da glauben doch viele ernsthaft, die AfD sei der Schlüssel gegen alle Probleme im Land. Falsch: Die AfD ist ein gut getarnter Metzger, der vom Bestehen der Probleme profitiert.

Diese Partei hat weder eine Antwort auf die Frage der prekären Wohnungssituation noch auf das kriselnde Rentensystem. Solche Probleme werden stets auf den nächsten Parteitag verschoben. Viel einfacher ist es doch, andere für das Schlamassel verantwortlich zu machen. Die Deutschen haben ein Dach über dem Kopf verdient und den Deutschen muss Hartz-IV gezahlt werden. Wann begreifen endlich auch die letzten, dass es eine solche Einteilung in gute und in schlechte Menschen nicht gibt?

„Jetzt grinst mich der Kerl an“

Dabei sollten doch gerade diese Deutschen wissen, wohin eine solche Einteilung in letzter Konsequenz führt. Die Parallelen zur Vergangenheit sind nicht von der Hand zu weisen und trotzdem machen viele Wutbürger einen auf taubstumm, wenn es um dieses ungeliebte Thema geht. Einen besonders gelungenen Beitrag zu dem Thema sendete Stern TV im vergangenen Herbst.

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Manchmal ist es doch zum Heulen: Ob Böllern, Impfen oder Klima, der Mensch fühlt sich aller Gefahren erhaben. Die Fähigkeit, arterhaltende Instinkte zu überwinden, um bis dahin unüberwindbares unter Kontrolle zu bringen, unterscheidet den Menschen von anderen Lebensformen auf der Erde. Manche nennen das Intelligenz. Doch immer mehr wird diese Gabe zur Gefahr nicht nur für die eigene Art, sondern für den Planeten insgesamt. Vielleicht wird die Menschheit in Millionen von Jahren von einer noch intelligenteren Spezies verlacht werden. Auf jeden Fall muss der Mensch lernen, dieses kleine selbstzerstörende Element in sich selbst zu überwinden, bevor die Natur ihn überwindet.

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