Fortschritt will Vorteil haben

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Die wichtigste Zutat für Fortschritt ist Veränderung. Der Mensch ist allerdings so gestrickt, dass er auf Veränderung keine Lust hat. Auf Veränderungen lässt er sich nur ein, wenn er sich einen erheblichen Vorteil davon verspricht. Ansonsten geht er nicht selten auf die Barrikaden und versucht alles, um die unliebsame Veränderung abzuwehren. So lassen sich die Unterwanderung von Klimaschutzgesetzen erklären, aber auch der Erfolg und Misserfolg mancher Politiker.

Das Duell der Gleichen

Vor wenigen Tagen standen sich Susanne Eisenmann von der CDU und der amtierende baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim TV-Duell gegenüber. In etwas mehr als 60 Minuten bezogen sie Stellung zu aktuellen landes- und bundespolitischen Themen. Echte Spannung gab es an diesem Abend keine und die meisten Zuschauer waren wohl froh, als die Schlussworte folgten. Viele Momente bei der Live-Konfrontation erinnerten in erschreckender Weise an so manches Kanzlerduell der letzten Jahre.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die beiden Kandidaten waren sich in zu vielen Punkten einig. Immer wieder waren sich Eisenmann und Kretschmann grün. Wie kommt es also, dass sich gerade diese beiden Pappaufsteller in ihren Parteien gegen alle anderen Kandidaten durchgesetzt haben? Warum haben andere Parteien keine Chance auf den Posten des Ministerpräsidenten?

Nötig dafür wäre ein echter Politikwechsel. Ein solcher Umschwung entsteht aber nicht aus netten Sonntagsreden, wie sie neulich wieder zu beobachten waren. Eine politische Kehrtwende erfordert immer den Mut zur Veränderung. Leider mangelt es bei den meisten hier aber bereits beim Willen dazu.

Fortschritt durch Nichtstun

Der Mensch ist ein Herdentier, das immerwährend nach Fortschritt strebt. Der Mensch ist aber auch extrem harmoniebedürftig. Veränderung passt ihm da gar nicht in den Kram. Ohne Veränderung gibt es aber auch keinen echten Fortschritt.

Einfaches Beispiel: Fragt man einen zufälligen Passanten, ob er für mehr direkte Demokratie ist, so fällt die Antwort zu 98 Prozent positiv aus. Bohrt man dann weiter nach, ob man denn bereit wäre, für dieses Ziel konkrete Maßnahmen zu ergreifen, so schwindet die Kooperationsbereitschaft zusehends. Ähnlich ist es beim Klimawandel. Jeder weiß, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern und jeder schreit danach, man möge die nötigen Schritte einleiten. Und trotzdem gibt es viel zu viele Menschen, die meinen, der Kampf gegen den Klimawandel sei die Angelegenheit von Experten. Viel zu wenige werden selbst tätig. Das ist einerseits ein Kommunikationsproblem, andererseits aber auch Bequemlichkeit.

Enorme Kraftanstrengung

Der Mensch lässt sich nur dann auf Veränderung ein, wenn sie ihm einen konkreten Nutzen bringt. Der Erfolg muss die Anstrengung deutlich übersteigen. Es reicht nicht aus, wenn der Gewinn am Ende zwar reichlich ist, die Opfer aber auch. Vielleicht ist dieses Verhalten evolutionär erklärbar. Immerhin steht der Mensch heute nicht umsonst an der Spitze der Nahrungskette. Mit ausgeklügelten Strategien erarbeitete er sich stets einen Vorteil gegenüber möglichen Fressfeinden. Das machte nur Sinn, wenn dieser Vorteil kein Zufallstreffer war, sondern nachhaltig die Existenz der eigenen Spezies gesichert hat.

Trotzdem liebt der Mensch den Weg des geringsten Widerstands. Kurzsichtige Menschen würden nun das Beispiel des Discounterschnitzels heranziehen. Wenn sich mancheiner sein Fleisch lieber im Regal von Aldi & Co. besorgt, anstatt den beschwerlichen Weg zum Metzger anzutreten, sehen das viele als unwiderlegbaren Beweis dafür, dass die reine Kostenfrage einem nachhaltigen Lebensstil im Wege steht. Sie übersehen dabei allerdings, dass sich diese Discountersünder das Schnitzel beim Metzger gar nicht leisten können und ihre Kaufentscheidung weniger mit Bequemlichkeit als mit politischen Rahmenbedingungen zu tun hat.

Diese politischen Rahmenbedingungen spielen auch dann eine zentrale Rolle, wenn es tatsächlich um den Weg des geringsten Widerstands geht. Denn wie durch Magie gelingt es besonders großen Verbänden und Unternehmen immer wieder, Schutzgesetze zu unterwandern. Sie ziehen eine kurzfristige Mobilisierung der Kräfte einem langfristigen Kraftakt stets vor. Eine beachtliche Menge an Energie wird dazu eingesetzt, Schlupflöcher in der neuen Gesetzeslage auszukundschaften und für den eigenen Vorteil zu nutzen. In vielen Fällen ist fast die gleiche Anstrengung nötig, die Schutzstandards dauerhaft einzuhalten. Für die Unterwanderung dieser Standards ist die Kraftaufbringung aber zeitlich begrenzter.

Glasklares Kommunikationsproblem

Diese himmlische Fügung für viele Unternehmen und Konzerne kann man vor allem bei den Themen Klimaschutz und Schutz der Arbeitnehmerschaft beobachten. Durch miese Tricks und durchsichtige Manöver werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihren Lohn geprellt. Maßnahmen zum Schutze der Umwelt und der Natur bedeuten für die Unternehmen ebenfalls enorme Mehrausgaben, die sie durch Anstrengung wieder reinholen müssten. Anstatt sich daran zu halten, suchen sie lieber nach Wegen, wie sie diese Anstrengung umgehen können.

Im Grunde basiert auf diesem Mechanismus ein beträchtlicher Teil des Erfolgs der AfD. Die rechtspopulistische Partei nutzt es gezielt für sich aus, dass es den anderen Parteien nicht gelingt, den erheblichen Nutzen ihrer Vorhaben zu kommunizieren. Dadurch fällt es den Rechten spielend leicht, die kurzfristigen negativen Auswirkungen solcher Pläne bis ins groteske zu übersteigern. Sie profitieren davon, dass es besonders den regierenden Parteien immer schwerer fällt, die Menschen abzuholen und mitzunehmen. Lieber soll alles beim Alten bleiben. Der Fortschritt wird sich schon von allein einstellen – hoffentlich zumindest.

Keine Chance

Ein ähnliches Denkmuster liegt den Wahlen ranghoher Politiker zugrunde. Gerade vergangenen Montag konnte man sehen, was die politische Stunde im Ländle geschlagen hat. Die Zeichen stehen eben nicht auf Veränderung. Auf Fortschritt wird trotzdem gehofft. Winfried Kretschmann musste sich nicht anstrengen, um seine Herausforderin Susanne Eisenmann alt aussehen zu lassen.

Kretschmann war dabei in einer ähnlichen Position wie Angela Merkel als sie auf ihre Herausforderer Steinmeier, Steinbrück und Schulz traf. Je krampfhafter die Kontrahenten versuchten, sich von der Gegenseite abzuheben, desto lächerlicher wurde es. Warum die Herren von der SPD und die Dame von der CDU so schlechte Karten hatten, hat zwei Gründe: Erstens unterschieden sie sich nur minimal von ihren politischen Gegnern und zweitens hat es keiner von ihnen vermocht, die Vorteile und den Fortschritt ihrer Politik deutlich zu machen.

Wie soll man Menschen die verhasste Veränderung denn schmackhaft machen, wenn sie sich nicht einmal einen Ansatz von Fortschritt von der neuen Politik erhoffen dürfen? Dann soll doch lieber alles beim Alten bleiben. Keiner will sich auf die Veränderung an der Spitze einlassen, wenn nicht das Bonbon Fortschritt und Vorankommen winkt. Gut, Frau Eisenmann hatte das zusätzliche Problem, dass sie sich mit jemandem aus der eigenen Partei zu duellieren versuchte. Eine Chance hatte sie mit ihren Argumenten aber von vornherein nicht.


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Vertrauter Feind

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Die neuen Anti-Corona – Maßnahmen treffen Gastronomie und Kultur bis ins Mark. Viele Betriebe stehen endgültig vor dem Ruin, wenn nicht bald gegengelenkt wird. Steif und fest behaupten viele, für die steigenden Fallzahlen nicht verantwortlich zu sein. Die Zahlen steigen trotzdem weiter. Immer offensichtlicher wird: Die Übeltäter sind an anderer Stelle zu suchen. Sie sind praktisch überall und verstehen es meisterlich, sich aus der Schusslinie zu bringen. Den Frust kriegen währenddessen andere ab…

Wer war’s?

Seit Montag gelten bundesweit verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Explosionsartig steigende Infektionszahlen zwingen die Verantwortlichen dazu, erneut solch drastische Maßnahmen zu treffen. Schulen und Kitas sollen so lange wie möglich geöffnet bleiben. Gaststätten, Hotels und fast sämtliche Einrichtungen des Kulturbetriebs müssen ihre Pforten allerdings für die nächsten vier Wochen schließen. Unmut darüber macht sich breit. Die wirtschaftlichen Folgen des ersten Lockdowns sind noch lange nicht überschaubar und erst recht nicht verdaut. Viele befürchten, dass es finanziell nun solchen Betrieben an den Kragen geht, die in der ersten Jahreshälfte relativ glimpflich davongekommen sind.

Das ist berechtigt und nachvollziehbar. Immer wieder zweifeln vor allem betroffene Betriebe an, dass die steigenden Fallzahlen aus ihrem Bereich herrühren. Gastronomen verweisen auf die strikte Maskenpflicht in ihren Häusern. Erst am Platz und zum Einnehmen der Speisen dürfen die Masken abgenommen werden. Ähnlich argumentieren Vertreter aus dem Kulturbereich. Abstandhalten und freie Plätze bei Kinovorstellungen und öffentlichen Darbietungen gehören längst zur Normalität der Branche. Auch der Tourismus versteift sich vehement darauf, dass von Reiserückkehrern kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehe. Nun kann man den Beteuerungen aus den verschiedenen Bereichen unterschiedliches Gewicht beimessen. Fakt ist allerdings: Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Zahl der Neuinfektionen die 20.000er-Marke knackt.

Bekanntes Muster

Viele der Argumentationen in dieser Frage laufen den wissenschaftlichen Erkenntnissen in eklatant auffälliger Weise entgegen. Es mag fundierte und seriöse Auswertungen und Studien geben, die das unterschiedliche Infektionsrisiko aus den verschiedenen Bereichen belegen. Doch der Hinweis darauf, dass es gerade in diesem oder in jenem Bereich kaum zu Ansteckungen kommt, ist inzwischen längst zur ausgeleierten Floskel verkommen. Da wird auch schon das ein oder andere Mal auf „Studien“ verwiesen, die die eigene Argumentation untermauern. Viele dieser spontanen wissenschaftlichen Erkenntnisse basieren allerdings auf Hörensagen. Mit vermeintlichen Fakten versucht man eine Wahrheit zu generieren, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine Meinung.

Diese Meinung wird mit zusammengeklaubten Zahlen und Analysen zum unumstößlichen Fakt gestutzt. Das hat bereits in der Flüchtlingskrise bestens funktioniert. Hier dichtete man den Asylantinnen und Asylanten vier- oder fünfstellige Geldbeträge an, die sie angeblich an Sozialleistungen erhielten. Belege dazu? Fehlanzeige. Und so wurde die Meinung von eben zur dreisten Lüge. Ich halte es für brandgefährlich, in der Coronakrise auf den gleichen Zug aufzuspringen und wahllos mit vermeintlich wissenschaftlichen Fakten um sich zu werfen.

Das Phantom der Krise

Nun behauptet fast jede Branche, dass sie nicht für die steigenden Coronazahlen verantwortlich ist. Die Fallzahlen steigen indes ungehindert weiter. Es gibt daher mehrere Möglichkeiten: entweder die Betriebe und Einrichtungen sagen die Wahrheit und die Infektionen entstehen tatsächlich an anderer Stelle oder sie lügen. Vielleicht machen sie aber auch von beidem ein bisschen. Möglicherweise gibt es gar nicht „den“ Hotspot. Was wäre denn, wenn sich die Übeltäter branchenübergreifend bewegten? Und das nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Raum? Was, wenn nicht die Branchen an sich für die Neuinfektionen verantwortlich sind, sondern das Verhalten von einigen Gästen, Kunden und Besuchern?

Man sieht sie schließlich überall: in Bahnen, in Geschäften, in dicht gedrängten Einkaufsstraßen. Die obligatorischen Falschträger und Maskenverweigerer gehören fast so lange zum Bild wie es die Pandemie gibt. Wie Quotenmenschen schlängeln sie sich durch alle Bereiche des Lebens. Diese unverantwortlichen Mitbürger pfeifen auf die geltenden Hygienebestimmungen. Tagsüber tragen sie die Maske bestenfalls direkt unter der Nase. Erbarmt sich der Bahnfahrer dazu, die Heizung anzustellen, wandert der Stofffetzen gerne auch mal bis unter das Kinn. Zwischendurch beglücken sie zwei Aldi- und eine REWE-Filiale mit ihrem Besuch. Dort greifen sie beherzt in die Obst- und Gemüseauslage – keine Frucht kann ihrem Griff entkommen. An der Kasse fehlt ihnen die Bewegung. Sie merken, dass sie frieren und kuscheln sich vertraut an die wartende Person vor ihnen. Den Tag runden sie mit einer legendären Coronaparty ab, zu der neben den 270 facebook-Freunden auch sämtliche Follower von Instagram eingeladen sind.

Vertrauter Feind

Diese Menschen sind dafür verantwortlich, dass die Zahlen ins unermessliche steigen und Restaurants, Hotels und Fitnessstudios wieder dichtmachen mussten. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir erneut solch schwere Einschränkungen ertragen müssen. Und hier wird’s schwierig: Diese Unverantwortlichen sind ausgesprochen heterogen. Es sind nicht überwiegend Männer und auch nicht vorwiegend Frauen. Sie können jung und alt sein, groß und klein. Sie können einen Professorentitel tragen oder ihre schulische Karriere bereits nach der neunten Klasse Hauptschule beendet haben. Für Bequemlichkeit ist Intelligenz kein Hindernis. Das einzige, was diese Menschen gemeinsam haben, sind schöne Nasen. Diese wollen sie mit der ganzen Welt teilen. Keine Maske, kein Abstandsstrich, keine Kontaktbeschränkung und erst recht keine Sperrstunde kann sie davon abhalten.

Vielleicht gäbe es ja aber doch eine Möglichkeit, dem unverantwortlichen Treiben dieser Menschen Einhalt zu gebieten. Wenn sie ausreichend gesellschaftlichen Druck zu spüren bekämen, würden viele von ihnen möglicherweise einlenken. Stattdessen werden sie seit Monaten geduldet, um nicht zu sagen hofiert. Der Frust und der Zorn richtet sich gegen die Politik, insbesondere gegen die Bundesregierung. Sicher kann die Zielgenauigkeit und auch das Zustandekommen der beschlossenen Maßnahmen kritisiert werden. Ist es sinnvoll, sämtliche Restaurants zuzumachen? Hätte nicht vorher das Parlament befragt werden müssen? Sicher ist aber auch, dass die Regierung aufgrund der jüngsten Entwicklungen unter gewaltigem Zugzwang stand. Sie lenkt dagegen, weil sie es muss. Den Grund dafür haben andere geschaffen.

Gefährliche Dynamik

Eine kleine Minderheit in der Bevölkerung lässt keine Gelegenheit aus, die Hygienemaßnahmen zu unterwandern und mit Füßen zu treten. Immer wieder muss die Mehrheit das Fehlverhalten dieser Minderheit ausbaden – ob durch Hamsterkäufe, verschärfte Maskenpflicht oder gestrichene Theaterbesuche. Es ist falsch, andere dafür verantwortlich zu machen. Der Finger muss auf jeden deuten, der in der Bahn die Maske runterzieht, sobald der Kontrolleur sich umdreht. Stattdessen versteifen sich immer mehr auf die Politik als den Unheilbringer in der Coronakrise. Den absoluten Tiefpunkt an menschlichem Niveau erreichten kürzlich der Wirt einer Bar in Berlin: Er erteilte der Bundeskanzlerin kurzerhand Hausverbot. Als die Zustimmung dafür vorwiegend aus der rechten Ecke kam, ruderte er zurück. Den fragwürdigen Beifall hätte man leicht vorhersehen und vermeiden können. Aber es eben immer leichter, gegen eine weit entfernte Gruppe vorzugehen als sich mit den Offensichtlichkeiten auseinanderzusetzen.

Eine dieser Offensichtlichkeiten sind schlechte Vorbilder, die auch in der Politik vertreten sind. Die AfD gibt all denen Rückhalt, die zu feige sind, sich den Problemen zu stellen. Im Falle der Hygienemaßnahmen sind die Rechtspopulisten sogar aufgestiegen. Sie sind nun nicht mehr nur geistige Brandstifter, sondern aktive Vormacher. Immer wieder fallen die Abgeordneten der Fraktion im Bundestag durch eine sehr laxe Handhabung der allgemein gültigen Verordnungen auf. Wie soll die Pandemiebewältigung gelingen, wenn selbst im Bundestag Menschen sitzen, die mehr Probleme schaffen als welche zu lösen?

Solche Menschen setzen eine gefährliche Dynamik in Gang. Das Fehlverhalten weniger provoziert umfangreichere und härtere Maßnahmen, um der Lage Herr zu werden. Diejenigen, die den bisherigen Einschränkungen skeptisch gegenüberstanden, fühlen sich in ihren Ansichten bestätigt und torpedieren die härteren Maßnahmen. Die Querdenker und Querschießer der Nation haben Zulauf und machen ihrem Namen alle Ehre. Sie kommen der Sicherheit und der Gesundheit der Bevölkerung nämlich tatsächlich in die Quere. In ekelhafter Selbstgefälligkeit rühmen sie sich dafür, eine andere Meinung zu haben als die Mehrheit. Sie merken nicht, dass echte Kritik immer eine Verbesserung beabsichtigt. Sie aber zerstören.


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Im Namen des Volkes

Lesezeit: 5 Minuten

Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist schuldig der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, gemäß dem Paragraphen 89a, Absatz 1, Absatz 2 und Absatz 2a. Er wird daher zu einer Freiheitsstrafe von einem 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Er trägt die Kosten des Verfahrens.

Sie haben ganz richtig gehört: keine Bewährung. Das Gericht ist nämlich nicht der Ansicht, dass die Gründe für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung gegeben sind, aber dazu später mehr. Nun erst einmal zu den Gründen, weswegen wir Sie schuldig gesprochen haben.

Die meisten Bürgerinnen und Bürger werden den Straftatbestand, weswegen Sie verurteilt wurden, überhaupt nicht kennen. Und das ist auch gut so. Immerhin sprechen deutsche Gerichte selten ein solches Urteil. In Ihrem Fall ist das aber leider dringend notwendig.

Ich bin mir auch sicher, dass die meisten Menschen wenig mit diesem Straftatbestand anzufangen wissen: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Was soll das sein? Die meisten werden jetzt einen schwerbewaffneten Terroristen vor Augen haben, der sich irgendwo hinstellt und eine Explosion herbeiführt. Natürlich ist das auch eine schwere Gewalttat, aber sie ist selten staatsgefährdend – zumindest ist sie nicht dazu geeignet, wenn es bei einem einzelnen Täter bleibt.

Was Sie getan haben, eignet sich allerdings viel zu gut dazu, die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik zu untergraben oder sogar außer Kraft zu setzen. Denn durch Ihr Verhalten provozieren Sie ja geradezu einen zweiten Lockdown und eventuell sogar Ausgangssperren. Das mag dann zwar durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt sein, aber die Notwendigkeit für diese Maßnahme, die haben Sie erzeugt. Allerdings nicht alleine, denn Sie haben ja, wissentlich oder unwissentlich, eine ganze Reihe an Mittätern. Und mit diesen Mitstreitern zwingen Sie den Staat förmlich dazu, die Bewegungsfreiheit seiner Bürger massiv einzuschränken. Mit freier persönlicher Entfaltung wie sie im Grundgesetz verbrieft ist, hat das dann nur noch bedingt zu tun.

Jetzt muss für eine Verurteilung noch ein weiterer Aspekt erfüllt sein: Die Straftat muss sich gegen das Leben anderer richten – und zwar gemäß den Paragraphen 211 oder 212 im Strafgesetzbuch. Das heißt konkret: Mord und Totschlag. Letzteres sehen wir hier nicht, aber ein Mordmerkmal ist hier allemal erfüllt. Tausende Menschen sind bereits am Coronavirus gestorben und das maßgeblich auch, weil Menschen wie Sie zu bequem waren, die Maske richtig aufzusetzen. Das kann man einerseits als Mord durch Unterlassen bewerten, aber eben auch als Bequemlichkeit. Und was, wenn nicht Bequemlichkeit, ist denn bitteschön ein niederer Beweggrund? Außerdem ist das Virus auf jeden Fall ein gemeingefährliches Mittel, mit dem die Tat begangen wird.

Da wären wir auch schon beim nächsten Thema: dem Virus. Wissen Sie, was das Problem ist? Das Virus lebt nicht, im Prinzip ist es ein Gegenstand. Als solches kann es problemlos als Waffe verwendet werden. Und dass es ein gesundheitsgefährdender Stoff ist, ich denke, darüber besteht Einvernehmen im Saal.

Sie waren in den letzten Wochen im Urlaub; auf Mallorca um genau zu sein. Solche Reisen sind glücklicherweise nicht verboten, aber was Sie dort gemacht haben, das schlägt dem Fass den Boden aus. Hemmungslos waren Sie viermal innerhalb einer Woche „hart Party machen“, wie Sie es nennen. Soll ich Ihnen verraten, was die deutsche Justiz dazu sagt? Beschaffung und Verwahrung der Waffe zur letztendlichen Tatbegehung. Selbstverständlich sind Sie daher auch nach Absatz 2a zu verurteilen, immerhin sind Sie trotz der aktuellen Gefahrenlage auf die Balearen gereist und haben dort trotz aller Widrigkeiten zügellos gefeiert. Es war Ihnen in diesem Moment mindestens egal, ob andere dabei zu Schaden kommen. Auch dafür kennt die Rechtsprechung einen Begriff: Eventualvorsatz.

Einen minderschweren Fall, wie er ja im Gesetz angedeutet wird, sieht die Kammer hier nicht, das ergibt sich aus der kopflosen Feierei, die Sie da drüben getrieben haben. Statt sich nach Ihrer Rückkehr in freiwillige Quarantäne zu begeben oder zumindest die Alltagsmaske richtig zu tragen, setzen Sie sich in den vollgestopften Bus und husten erst einmal, was das Zeug hält.

Dieses Urteil ist vielleicht auch gar nicht das letzte, was Sie von der Justiz zu hören bekommen. Denn der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich die Möglichkeit vorbehalten, gegen Täter wie Sie Führungsaufsicht anzuordnen. Das heißt im günstigsten Fall regelmäßige Termine beim Bewährungshelfer und im schlimmsten Fall eine elektronische Fußfessel. Darüber hat aber im Falle des Falles ein anderes Gericht zu entscheiden. Sie sollen aber wenigsten schon mal davon gehört haben.

Und nun kommen wir noch einmal auf unsere Entscheidung zu sprechen, die Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Wir glauben, dass von ihnen weiterhin eine hohe Gefahr ausgeht, weitere ähnliche Straftaten zu verüben. Durch ihre konsequente Weigerung während dieser Verhandlung, die Maske über die Nase zu ziehen haben Sie das erneut unter Beweis gestellt. Auch wenn Sie nicht vorbestraft sind, ist das keine Garantie dafür, dass Sie Bewährung erhalten. Eine Milderung der Strafe nach Absatz 6 des Gesetzes kommt ebenfalls nicht in Betracht, immerhin haben Sie durch Ihr anhaltendes Falschtragen nicht dazu beigetragen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Gegen dieses Urteil kann noch innerhalb einer Woche ab heute Revision eingelegt werden. Die Verhandlung ist geschlossen.


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