Gut angelegtes Geld?

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Die zweite selbstorganisierte bundesweite Volksabstimmung steht in den Startlöchern. Momentan können die Bürgerinnen und Bürger auf der Beteiligungsplattform consul über die eingereichten Themenvorschläge abstimmen. Spätestens seit dem Sondervermögen für die Bundeswehr beklagen viele einen Kontrollverlust, was mit Steuergeldern geschieht. Ein Vorschlag sieht nun vor, dass die Bürger entscheiden können, dass ihre Steuern nur zivilen Zwecken zugutekommen. Sie vergessen dabei, dass auch die Landesverteidigung ein wesentlicher Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens ist.

Notwendige Pflicht

Steuern sind eine lästige Angelegenheit. Für ein gerechtes und friedliches Zusammenleben sind sie jedoch unverzichtbar. Es ist wichtig, darüber zu reden, was mit dem Steuergeld der Bürger passiert und wofür es ausgegeben wird. Immer wieder gibt es Steuerzwecke, die nicht nur auf Gegenliebe stoßen.

Jüngstes Beispiel für eine solche Kontroverse ist das Sondervermögen für die Bundeswehr. Der Bundestag beschloss mehrheitlich, dass 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr fließen, um die Ukraine bestmöglich bei der Verteidigung ihres Landes gegen Russland zu unterstützen. Eine Steuer ist das Sondervermögen zwar nicht, es ist aber offensichtlich, dass das Geld irgendwo herkommen muss.

Es ist fraglich, ob das Sondervermögen für die Bundeswehr von einer Mehrheit in der Bevölkerung unterstützt wird. Da es auf Bundesebene keine Volksentscheide gibt, lassen sich solche Mehrheitsverhältnisse nur erahnen. Schwierige Diskussionen und fiskalpolitische Unzufriedenheit sind aufgrund dieses demokratischen Defizits vorprogrammiert.

Ein Teil des Ganzen

Steuern finanzieren unser gesellschaftliches Zusammenleben. Jeder soll sich solidarisch am Gelingen des Gemeinwesens beteiligen – auch finanziell. Dazu zählen die Kosten von Schulen und Krankenhäusern, aber auch der Bundeswehr. Sie dient der Landesverteidigung und ist daher sinnvoll angelegtes Geld. Man kann sich eine friedliche Welt noch so sehr wünschen, dass wir meilenweit davon entfernt sind, ist leider traurige Realität.

Würden sich einzelne Steuerzahler der Finanzierung der Landesarmee verweigern, würde ein wichtiger Teil unseres Gesellschaftssystems wegbrechen. Die Forderung, Steuergeld ausschließlich für zivile Zwecke einzusetzen, mag edel sein, ignoriert aber den Willen eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung, der sich eine gut ausgestattete Bundeswehr wünscht.

Gelebter Neoliberalismus

Es ist wichtig, dass durch Steuern alle Teile unseres Zusammenlebens abgedeckt sind. Die Bürgerinnen und Bürger müssen dennoch ein Mitspracherecht bei diesen Mittelflüssen haben. Hier sind stärkere Beteiligungsmöglichkeiten wünschenswert. Die individuelle Wahlmöglichkeit, was mit dem Geld geschieht, würde jedoch das gesamte Konstrukt infrage stellen.

Eine steuerliche Wahlfreiheit wäre im Grunde nichts anderes als gelebter Neoliberalismus. Das Steuersystem hätte nur noch das Individuum im Blick, das Gemeinwesen würde verschwimmen. Bei einer solchen Handhabung wäre ein solidarisches und friedliches Zusammenleben auf Dauer nicht möglich.


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Nur zweite Wahl

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(K)eine Zeit für Schubladen

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Querdenker, Solidarität, Pazifismus – Begriffe, die früher hauptsächlich positiv besetzt waren, werden heute immer häufiger als politische Kampfbegriffe verwendet. Das Ziel ist klar: die Schwächung gegensätzlicher Positionen und die eigene moralische Aufwertung. Der Trend ist simpel, scheint aber unaufhaltsam. Unaufhaltsam ist leider auch der Schaden, den Demokratie und Meinungsvielfalt von dieser antipluralistischen und pauschalisierenden Weltsicht davontragen.

Gestern hui, heute pfui

Es gab eine Zeit, da war man als Querdenker ein gern gesehener Gast. Man galt als geistreiche Persönlichkeit mit teilweise unkonventionellen, aber in jedem Fall erfrischenden Ideen. Nichts war verkehrt daran, manche Dinge anders zu sehen und Eingefahrenes zu hinterfragen. Manche belächelten die Querdenker zwar, aber die meisten schätzten ihre eigenwillige Art, mit der sie stets für frischen Wind sorgten.

In den ersten Jahren des Jahrtausends entwickelte sich sogar eine Kultur, die das Querdenkertum aktiv förderte. Besonders im kreativen Bereich war in dutzenden Stellenausschreibungen zu lesen, man wünsche sich einen Querdenker für die offene Stelle. Kein seriöses Unternehmen würde sich heute trauen, mit dieser Wortwahl auf Kandidatensuche zu gehen.

Seit dem ersten Lockdown im Land sind Querdenker Menschen, die auf die Straße gehen, um obskure Theorien zu verbreiten. Sie glauben nicht, dass es sich bei Corona um eine gefährliche und hochinfektiöse Krankheit handelt, die verordneten Einschränkungen sehen sie als nicht gerechtfertigte staatliche Schikane. Sie sehen eine Diktatur, wo keine ist und vermuten hinter der Impfkampagne eine groß angelegte Verschwörung.

Waffen für den Frieden

Auch anderen Wörtern und deren Bedeutung ging es in der Pandemie und danach an den Kragen. Der Begriff „Solidarität“ hat in den letzten Jahren einiges seines Bedeutungsspielraums eingebüßt und wurde eine Zeit lang fast ausschließlich in einem bestimmten Kontext verwendet. Solidarisch war plötzlich nicht mehr, wer auf einen eigenen Vorteil oder Rechte verzichtete, um die Gesellschaft voranzubringen. Solidarisch war der, der bereit war, sich seine eigenen Rechte durch eine Impfung zurückzuerkaufen. Garniert wurde das ganze mit der Legende, man trüge zur Herdenimmunität bei.

Die bemerkenswerteste Wandlung macht aber derzeit eine uralte politische Begrifflichkeit durch. Der Pazifist von heute entspricht nicht mehr dem Pazifisten von gestern. Der neue Mainstream-Pazifist befürwortet den Einsatz von Krieg und Waffen ausdrücklich, um wieder Frieden herzustellen. Gemäß dem Motto „You can’t have peace without a war“ sieht man das brutale Töten von Menschen als Vorstufe einer besseren Welt.

Eine klare Grenze

Schaut man sich die Gruppierung der Querdenker genauer an, stellt man schnell fest, dass sie im Grunde all das erfüllen, was man bereits vor 2020 von einem waschechten Querdenker erwarten durfte. Sie stellen sich gegen den Mainstream, hinterfragen Political Correctness und haben zu vielen Themen eine andere Meinung als die Mehrheitsgesellschaft. Die Nachwuchsquerdenker haben aber noch eine weitere nervige Eigenschaft entwickelt: Sie sind unüberhörbar laut und quatschen zu fast allen Themen unqualifiziert dazwischen.

Sie mussten sich dieses nervtötende Verhalten angewöhnen, um ein Alleinstellungsmerkmal zu haben, denn mit den Querdenkern von einst können sie sich intellektuell nicht messen. Sie profitieren aber auch auf andere Weise von der Umdeutung des Begriffs „Querdenker“.

Wer sich ausdrücklich nicht als Querdenker definiert, für den sind diese Aufmärsche grundsätzlich etwas schlechtes. Mit diesen Menschen will man lieber nicht in Verbindung gebracht werden, denn sie stehen auf der anderen, auf der falschen Seite. Die Querdenker sehen das umgekehrt genau so und deswegen ist es in ihrem Interesse, die Bezeichnung als Querdenker für sich zu reservieren und damit eine klare Linie zwischen sich und den anderen zu ziehen.

Sie suhlen sich geradezu in ihrem fragwürdigen Erfolg, von der Mehrheit als komplette Vollidioten wahrgenommen zu werden, die keinen Bezug mehr zur Realität haben. Andererseits macht es ihnen der Mainstream erschreckend einfach, eine Sonderrolle zu spielen. Das Wort „Querdenker“ ist heute ein Totschlagargument, mit dem jede sachliche Diskussion sofort beendet ist. Lange vorbei sind die Zeiten, als es chic war, ein Querdenker zu sein. Heute ist dieser Begriff eine schlichte Rollenzuweisung, mit der bestimmte Menschen gezielt diffamiert werden, wenn sie eine abweichende Meinung haben.

Moralische Überlegenheit

Auch die abgewandelte Bedeutung des Worts „Solidarität“ dient definitiv der Ausgrenzung. Wer sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen eine Impfung entscheidet, bekommt sogleich die Solidaritätskeule übergebraten – zumindest war das Ende 2021 so. Das Wort eignet sich hervorragend zur persönlichen Auf- und Abwertung. Wer sich impfen lässt, kann sich damit profilieren, weil er als besonders solidarisch gilt. Wer die Impfung ablehnt, ist unsolidarisch und damit ein schlechter Mensch.

Der Pazifismus eignet sich heute fast noch besser dafür, Menschen mit unliebsamen Meinungen mundtot zu machen. Wer sich auf die traditionell pazifistischen Werte beruft, hat schnell einen Ruf als verträumter Naivling weg. Persönlichkeiten wie Anton Hofreiter (Grüne) reden uns ein, ein durch und durch pazifistisches Weltbild sei nicht mehr zeitgemäß. Die Ablehnung von Waffenlieferungen und Kriegsbeteiligungen habe die Welt nicht sicherer gemacht, sondern Putin enormen Vorschub geleistet. Einem wahren Pazifisten müssen solche Äußerungen geisteskrank vorkommen. Es ist doch genau die endlose Aufrüstung, die Tyrannen wie Putin auf den Plan ruft.

Schubladendenken

Immer weiter entfernen wir uns angesichts globaler Krisen von sachlichen Diskussionen mit rationalen Argumenten. Die Welt wird immer komplexer, da flüchten sich viele in ein Weltbild, das mit Chiffren und Rollenzuweisungen funktioniert. Die Rollenzuweisungen wie Querdenker und naive Pazifisten befördern aber ein Schubladendenken, das ganz sicher nicht in unserem Sinne ist. Es ist extrem klischeebeladen und vereinfachend, weil es sämtliche Nuancen ausblendet und nur maximale Meinungen zulässt. Die Übergänge zwischen den Sichtweisen blendet ein solcher Ansatz aus, ein Dazwischen wird nicht mehr geduldet.

Letztendlich geht das auf Kosten von Demokratie und Meinungsvielfalt, weil Diskussionen eher verhindert als angeregt werden. Wenn Menschen einen Teil ihrer Meinung unterdrücken müssen, um nicht als die Monster von der anderen Seite zu gelten, dann belastet das die Demokratie auf Dauer schwer. Die Diskussionskultur im Land hat sich in eine Richtung entwickelt, die immer weniger darauf abzielt, Andersdenkende mitzunehmen. Stattdessen steht der Triumph der eigenen Position im Mittelpunkt. Die meisten Menschen haben auf dieses Spielchen keine Lust und halten den Mund. Wir sollten das Feld trotzdem nicht denen überlassen, die sich als besonders kompetente Querdenker oder friedensstiftende Neupazifisten verstehen.


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Die schweigende Mehrheit

Überzeugungstäter

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Ehrlicher Protest und echte Solidarität

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Der völkerrechtswidrige Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine schockt die Welt. In diesen schwierigen und unberechenbaren Zeiten ist es wichtig zusammenzustehen. Bei zahllosen Demonstrationen, Friedenskundgebungen und anderen Veranstaltungen haben viele Menschen gezeigt, dass sie den Krieg ablehnen. Sie beweisen Solidarität mit Frauen, Männern und Kindern, die vor Tod und Zerstörung fliehen oder im eigenen Land eingekesselt werden. Einige dieser Bekundungen sind nicht zu Ende gedacht. Manche verfallen dem Irrtum, dass Solidarität mit der Ukraine gleichbedeutend ist mit einer grundsätzlichen Ablehnung gegenüber Russland.

Neue Kontroverse

Seitdem die russischen Truppen am 24. Februar 2022 in die Ukraine eingefallen sind, dominiert dieses Thema die Medien. Fast minütlich vermelden die unterschiedlichsten Kanäle und Nachrichtensender die neuesten Entwicklungen im russischen Krieg gegen die Ukraine. Daneben diskutieren Politiker, Politikwissenschaftler und andere Strategen über die Lage. Sie geben Statements ab oder ordnen die neuesten Geschehnisse in einen Kontext ein.

Nicht alle diese Wortbeiträge werden von der Mehrheit gefeiert. Erst kürzlich machte eine Gruppe linker Abgeordneter von sich reden, als sie sich mit den Kriegsgründen auseinandersetzte. Man warf ihnen Russlandnähe, eine Affinität für Wladimir Putin und ein Verdrehen von Fakten vor.

Genosse der Bosse

Ähnliche Aggressionen bekommt dieser Tage auch ein Mann zu spüren, der sich seit Jahren für ein russisches Wirtschaftsprojekt einsetzt. Sein Engagement für das russische Unternehmen Gazprom und die damit verbundene Nordseepipeline Nord Stream 2 wird Altkanzler Gerhard Schröder nun zum Verhängnis. Seitdem der Konflikt in der Ukraine eskaliert, rufen ihn seine alten Parteifreunde immer wieder dazu auf, sich von Putin zu distanzieren und die Unterstützung des russischen Energielieferanten aufzukündigen.

Im Raum steht nicht weniger als ein Ausschluss aus der Partei. Man wirft dem Ex-Kanzler vor, dass sein Engagement nicht dem Wohlstand Deutschlands diene, sondern auf seine politische Freundschaft mit dem russischen Machthaber zurückzuführen sei. Es stößt vielen hart auf, dass Schröder dennoch eine üppige Pension aus deutschem Steuergeld bezieht. Der „Genosse der Bosse“ hat ein Problem.

Diese Agitationen gegen den früheren Regierungschef sind aber insoweit unehrlich, als dass sich jahrelang kein SPD-Abgeordneter ernsthaft an Schröders fragwürdigen Lobbykontakten gestört hat. Sein Engagement für Gazprom reicht viele Jahre zurück und wurde an der ein oder anderen Stelle sicher kritisiert. Die Vehemenz der Kritik, die Schröder nun entgegenweht, ist aber opportunistisch und unehrlich.

Späte Kritik

Gerhard Schröder ist einer der prominentesten Vertreter des sogenannten Drehtüreffekts. Es ist zwischenzeitlich quasi gute Sitte geworden, dass Politiker nach Ende ihrer Abgeordnetenlaufbahn fast nahtlos in ebenjene Branchen wechseln, mit denen sie zuvor politisch zu tun hatten. Getreu dem Motto „Gezahlt wird später“ holen sie sich in der Wirtschaft den Verdienst ab, der sie als aktive Politiker in die Nähe des Korruptionsverdachts katapultiert hätte.

Von diesem Phänomen profitiert auch die SPD seit vielen Jahren. Mit Gerhard Schröder haben sie sogar einen Pionier dieser dubiosen Praxis in ihren Reihen. Anstatt mit dieser Tradition nun aber für immer zu brechen, monieren sie lieber Schröders unliebsame Verbindungen nach Russland, mit der er so gar nicht in die SPD von heute passt. Es stellt sich die Frage, warum den Sozialdemokraten dieses Licht nicht bereits aufging, als Schröder mit Hartz-IV und anderen Sozialabbauprogrammen um die Ecke kam.

Ein starkes Zeichen

Von jedem wird erwartet, eine Meinung zu dem Krieg in der Ukraine zu haben und diese möglichst auffallend kundzutun. Die zahlreichen Mahnwachen und Friedensdemonstrationen sind ein starkes Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden. Allein in Berlin haben sich an einem Tag rund 500.000 Menschen zusammengetan, um gegen Putins Einmarsch in die Ukraine zu protestieren. Dieses Engagement zeigt deutlich, dass die Menschen den Glauben an Diplomatie und Nachbarschaft nicht verloren haben. Solche Veranstaltungen sind Hoffnungsschimmer in einer viel zu düsteren Zeit.

Die Demonstrationen und Friedensmärsche sind ein ziviles und angemessenes Mittel, auf Russlands Aggressionen zu reagieren. Es ist nachvollziehbar, dass sich auch in Deutschland viele Menschen Sorgen machen. Sie befürchten zwar keinen unmittelbar bevorstehenden Einmarsch russischer Truppen ins Land, aber sie wissen, dass von Russland eine Menge abhängt. Besonders die Aufrechterhaltung einer verlässlichen Energieversorgung steht auf dem Spiel.

Es ist richtig, diese wirtschaftliche Abhängigkeit bei der politischen Einordnung des Konflikts miteinzubeziehen. Es ist ebenso sinnvoll, diese Sorgen beim Protest gegen Putins Krieg nicht außer Acht zu lassen. Jeder weiß, dass uns Putin den Gashahn zudrehen kann und keiner will, dass das tatsächlich geschieht.

Nicht zu Ende gedacht

Es ist insofern schwer nachvollziehbar, wenn sich einige Menschen besonders solidarisch mit der Ukraine fühlen, indem sie für eine Stunde die heimische Heizung abdrehen. Sie wollen Putin zeigen, dass sie sich des Risikos bewusst sind. Das sind sie nicht. Eine Stunde Pulli anziehen ist nichts im Vergleich zur drohenden Versorgungslücke und den horrenden Energiepreisen, sollte Putin ernstmachen. Wer wirklich seine Unabhängigkeit von Russland demonstrieren möchte, der möge seine Heizung nicht nur für einige wenige Stunden abdrehen, sondern für immer.

Im übrigen sind solche öffentlichkeitswirksamen Aktionen kaum geeignet dazu, Solidarität mit der Ukraine zu zeigen. Den Ukrainerinnen und Ukrainern ist weitaus mehr geholfen, wenn sie sichere Häfen vorfinden, über sichere Fluchtrouten außer Landes kommen können und anhand des lauten Protests in anderen Ländern sehen können, dass sie nicht allein sind.

Auch ein grundsätzlicher Boykott russischer Unternehmen ist wenig zielführend. Der Europapark in Rust hat kürzlich seine Kooperation mit Gazprom beendet, um Distanz zum russischen Regime zu signalisieren. Besucherinnen und Besucher hatten angekündigt, die beliebte Achterbahn BlueFire nicht mehr zu fahren, weil bereits der vollständige Name der Attraktion auf die Kooperation mit dem russischen Energiekonzern hinweist. Abgesehen davon, dass die wenigsten von der Achterbahn „BlueFire Megacoaster- Powered by Nord Stream 2“ sprechen, sind fast alle russischen Unternehmen dem autokratischen Machthaber unterstellt. Es fehlen schlicht die geeigneten Alternativen.

Unbequeme Position

Die fragwürdige Praxis des Europaparks ist eine Blaupause des politischen Umgangs mit wirtschaftlichen Fragen zu Russland. Der Bau der Nordseepipeline Nord Stream 2 war vielen bereits in den letzten Jahren ein Dorn im Auge. Verschiedene Lobbygruppen und politische Strömungen hatten immer wieder gegen das Wirtschaftsprojekt mit Russland mobilgemacht. Als ihnen die umweltpolitischen Argumente mangels tragbarer Alternativen ausgingen, konzentrierten sie sich auf die politische Dimension. Immer wieder betonten sie, man dürfte mit autokratischen Ländern wie Russland keine Geschäfte machen, weil dort Menschenrechte verletzt werden würden. Es ist bemerkenswert, dass der gleiche Maßstab nicht bei Ländern wie den USA angelegt wird.

Der Krieg in der Ukraine dient diesen Interessensgruppen als willkommene Begründung dafür, das Projekt „Nord Stream 2“ endgültig ad acta zu legen. Fakt ist aber: Wir sind leider nicht in der bequemen Position, dass wir uns aussuchen können, woher wir welche Rohstoffe beziehen. Wir stehen in dieser Frage in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Russland. Es ist richtig, wenn die Bundesregierung nun Maßnahmen ergreift, um den Ausbau erneuerbaren Energien voranzutreiben. Dann könnten wir in Zukunft einen Großteil der benötigten Energie selbst erzeugen. Und dann haben wir auch eine Wahl, ob wir in Zukunft mit Ländern wirtschaftlich zusammenarbeiten, deren politisches System unserem eigenen so offensichtlich zuwiderläuft.

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