Vorteile mit vielen Nachteilen

Lesedauer: 6 Minuten

Die Maske ist das offensichtlichste Symbol der Corona-Pandemie. Und sie ist eine der Hauptakteurinnen in der kontroversen Debatte um die Schutzmaßnahmen. Richtig angewendet, bietet sie einen guten Schutz vor einer Infektion mit dem Virus. Aber nicht jeder hält sich an die Maskenpflicht. Die Vorteile der Alltagsmaske sind viel zu wenig greifbar und treten hinter den unmittelbaren Nachteilen der Maßnahme zurück. Immer weniger Menschen scheinen in der Zwischenzeit dazu bereit zu sein, sich ernsthaft an dieser solidarischen Schutzmaßnahme zu beteiligen.

Nachteile auf hohem Niveau

Sie ist störend. Sie fühlt sich blöd an. Man bekommt schlechter Luft. Unter ihr wird es gerade im Sommer schnell stickig. Die Brille beschlägt. All diese Eigenschaften tragen mit Sicherheit nicht zur Beliebtheit der Alltagsmaske bei. Denn von Tag 1 an hat jeder diese Erfahrungen mit ihr gemacht. Und jeder, der etwas längere Haare hat, weiß auch: Sie ist nicht mit jeder Frisur kompatibel. Und beim Friseur ist sie gleich dreimal ungünstig. Trotz dieser Nachteile mit erstweltlichem Ausmaß ist sie DER Hit auf Plattformen wie Instagram & Co. Würde man die geteilten Bilder nach dem Kriterium „Maske“ filtern, man würde schier ertrinken in der Flut an Bildern, die einem inzwischen entgegenschwemmt.

Die Influencer in den sozialen Medien versuchen das beste aus der Krise herauszuholen. Sie funktionieren die Maske zu modischen Accessoires um, versehen sie mit glitzerndem Strass wie man es eigentlich nur von Lady Gaga erwarten würde. Wer sagt eigentlich, dass eine Schutzmaßnahme nicht auch gut aussehen darf? Doof anfühlen tut sie sich ja bereits.

Trotzdem sträuben sich immer mehr Menschen gegen die Maskenpflicht. Sie ziehen sie aus den oben genannten „Gründen“ entweder falsch auf oder verzichten ganz auf sie – als ob die Einschätzung der Infektiosität in ihren Händen läge. Viele Brillenträger unter ihnen machen sich dabei eine Art Behindertenbonus zunutze. Bei korrekt anliegender Maske könnten sie ja gar nichts sehen, die Brille würde ja aufgrund der warmen Atemluft sofort und dauerhaft beschlagen. Als Brillenträger kann ich euch nur sagen: ein Ammenmärchen. Aber gut, überlassen wir diesen Unbelehrbaren selbst die Entscheidung darüber, ob sie wegen eines angeblich übersehenen Laternenpfahls oder wegen einer Corona-Infektion auf der Intensivstation landen wollen.

Maskenmanko

Eine Brille ist übrigens keine legitime Befreiung von der allgemein gültigen Maskenpflicht. Aber nicht nur Brillenträger sehen die Maske inzwischen als nichts anderes als eine lästige Pflicht, die kaum Tragekomfort bietet und selbst mit Strasssteinen behämmert aussieht. Als solche kann sie praktisch nur Minuspunkte sammeln. Weil sie angeblich nur Nachteile mit sich bringt, lädt sie geradezu zur Umgehung ein. So rutscht die Maske gerne einmal unbemerkt unter die Nase und bedeckt mit viel Glück vielleicht noch die Unterlippe. Jeder Mensch weiß schließlich, wie hochinfektiös das menschliche Kinn ist.

Das große Manko der Maske: Man kann ihren Erfolg kaum sehen, geschweige denn mit Händen greifen. Denn die Maske ist eine Schutzmaßnahme. Sie soll also etwas abwehren. Gelingt ihr das, so gibt es kein positives Ergebnis. Immer wieder wird die Fallschirm-Metapher bemüht. Wir haben durch die Maske und andere Maßnahmen bereits so viel erreicht, lasst uns den Fallschirm jetzt nicht mitten im Fall abschnallen! Das ist ein zutiefst logisches Bild, das hier gezeichnet wird. Es ist aber leider keines, das die Masse überzeugt.

Denn der Mensch glaubt nur das, was er sieht. Verhinderte Infektionen lassen sich zwar aus sinkenden Infektionszahlen herausinterpretieren, es gibt aber keinen Counter, der die genaue Zahl abgewehrter Krankheitsfälle mitzählt. Und selbst die Anzahl an Neuinfektionen steigt seit Wochen wieder an. Wir haben es einer Minderheit von Verweigerern zu verdanken, dass sich auch in Deutschland wieder deutlich mehr Menschen mit dem Virus infizieren. Und das kann man anhand der Zahlen sehen. Bei vielen kommt dann an: Wir haben steigende Fallzahlen trotz Maskenpflicht. Das ist so aber nur die halbe Wahrheit. Wir haben steigende Zahlen wegen rücksichtsloser Menschen.

Schutz für sich selbst, Arbeit für andere

Auch einen weiteren Faktor sollte man nicht übersehen: Bei korrekter Anwendung schützt die Alltagsmaske vor allem andere vor einer Infektion, nicht den Träger selbst. Wir sind also darauf angewiesen, dass andere sich ebenso an die Maskenpflicht halten. Der mittelbare Erfolg der Maske kommt also gar nicht dem Träger zugute, sondern der Allgemeinheit. Das ist vielen zu wenig. Und es bleiben zu viele übrig, auf die man die Verantwortung abwälzen kann. Wenn ich mich hier nicht an die Maskenpflicht halte, aber anscheinend alle anderen doch, dann ist das Risiko auch weiterhin minimal. Diese Milchmädchenrechnung machen viele. Viel zu viele.

Sie sind nicht bereit, den geringen Tragekomfort und alle anderen Widrigkeiten der Maske auf sich zu nehmen, um die Gemeinschaft zu schützen. Dass sie sich damit selbst in Gefahr bringen, begreifen diese Leute nicht. Sie sehen nur die anderen, die sie gefälligst vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen haben – notfalls mit dem Leben. Sie nehmen den Schutz der anderen gerne in Anspruch, ohne selbst etwas dazu beizutragen. Der Duden kennt dafür ein eindeutiges Wort: unsolidarisch.

Die Größe macht’s

Solidarität hängt nämlich häufig mit der Größe der Gemeinschaft zusammen. Je größer eine Gruppe oder Gemeinschaft, desto geringer ist die Bereitschaft von einzelnen, sich solidarisch daran zu beteiligen. Im Gegensatz zu Steuerzahlungen kann der Staat die Maskenpflicht zwar verordnen, aber nur sehr viel schwerer effektiv überwachen. Im Gegensatz zu Steuern hat bei der Maske letztendlich jeder die freie Wahl, ob er sie aufsetzt oder nicht.

Je größer die Gruppe ist, desto geringer ist auch die allgemeine Überzeugung von solidarischen Maßnahmen wie der Maskenpflicht. Im Mittel wird sie auf Dauer weniger ernsthaft praktiziert, wenn sich der einzelne der Zugehörigkeit zu einer weitaus größeren Gruppe versichert weiß. Ob die Maske getragen wird oder nicht, macht für den Moment selten einen Unterschied. Es sind die längerfristigen, kaum zuordbaren Folgen, von denen der Erfolg oder der Misserfolg der Schutzmaßnahme abhängt. Verweigerer sind also genau jene Schlupflöcher, die das Virus braucht, um sich weiter auszubreiten.


Mehr zum Thema:

Wenn Verdrängen absichtlich passiert

Der politische Star der Pandemie

Smartphone und Verantwortung in einer Hand

Kein Rückgrat

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!

Kein Rudeltier

Lesedauer: 8 Minuten

Schneller, weiter höher – das Erfolgsrezept für Innovation treibt die Menschen von jeher an. Laufend fühlt man sich herausgefordert, andere zu überbieten. Keiner will in einem schlechten Licht dastehen. Wer nicht mitkommt, wird notfalls auch im Regen stehengelassen. Der Mensch kann nicht mit seinen Artgenossen, aber eben auch nicht ohne. Gemeinsam bewegen sie sich wie eine Herde ständig weiter. Den Schritt geben die Ersten vor, ihn zu halten ist Aufgabe der Mitte. Rücksicht und Solidarität sind in einer solchen Konstellation Werte, die oft auf der Strecke bleiben.

Going with the Flow

Follower auf Instagram, Likes auf facebook – die Währung in den sozialen Medien ist von Klicks abhängig. Jeder will sich profilieren, keiner schlecht dastehen. Wer nicht mitmacht, hat schon verloren. Ein neuer Foodporn auf Instagram. Manche verdrehen genervt die Augen, andere klatschen heftig Applaus. Entziehen kann sich solchen Trends keiner, nicht mal Totalverweigerer. Denn die müssen sich zumindest dafür rechtfertigen, dass sie die neueste App noch nicht auf ihrem nagelneuen Smartphone installiert haben.

Mitmachen und sich irgendwie über Wasser halten. Mit dem Strom schwimmen. So denken und handeln viele. Bloß nicht abgehängt werden. In dieser Umgebung keimen viele neue Ideen auf. Mancheine Errungenschaft setzt sich durch – die eine nur kurzfristig, die andere auf Dauer. Es gab eine Zeit, da war das Telefon der heißeste Scheiß. Wer es hatte, war ein Trendsetter. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit. Und so war es bei vielen Neuerungen: kaum einer hypet heute noch das Internet wie es unsere Vorfahren aus den 1990ern gemacht haben. Es ist fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Keiner tut sich mehr besonders damit hervor, wenn er verkündet, dass er jetzt Internet hat.

Zusehen und lernen

Einige wenige fangen damit an. Es werden immer mehr, dann muss es ja gut sein. So wird ein Hype zum Massenphänomen. Dieses Prinzip funktioniert bei wirklichen Innovationen wie Auto, Telefon und Internet genau so wie bei nicht so erfreulichen Erscheinungen wie Hamsterkäufen. Was?! Das Klopapier wird knapp, jeder kauft sich eine Rolle? Schnell auch noch gegen akute Diarrhoe wappnen. Nicht dass die zwanzig Dosensuppen schlecht geworden sind.

Nach diesem Muster hat sich der Mensch schon immer fortbewegt. Schauen, was die anderen machen, es nachmachen, es besser machen. Dieses Fressneid-Gen wohnt praktisch jedem Menschen inne. Manche haben es gut im Griff, andere sind im Griff. Denn viel zu oft befördert diese Art des Handelns ein unreflektiertes Denken. Viel zu viele Menschen gehen davon aus, dass etwas automatisch gut ist, wenn viele es machen. Im schlimmsten Fall legen sie dann noch eins oben drauf, um zu beweisen, dass sie es am besten können.

Die Maskenpflicht wurde zunächst von den meisten akzeptiert, weil sie glaubten, es wäre eine sinnvolle Maßnahme. Dann hatten sie das erste Mal eine Maske auf und -huch! Brille beschlagen. Auweia, Schweiß im Gesicht! Hätten sich nicht so viele an die Maskenpflicht gehalten, hätten einige das Teil bereits nach einmaligem Tragen in die Ecke verbannt. Eigentlich hatten sie gar keinen Bock auf den Fetzen, aber alle machten es, also besser ruhig sein. Inzwischen gibt es die Maskenpflicht seit mehreren Monaten, irgendwann ist auch mal gut. Die im April noch schwiegen, werden immer lauter.

Kein Rudeltier

Wie in einer Herde orientieren sich die Menschen stets daran, was die anderen machen. Denn ein Rudeltier ist der Mensch garantiert nicht. Dafür ist er viel zu innovativ, viel zu dynamisch und viel zu egoistisch. In der Herde zählt einzig das Vorankommen, der Fokus liegt auf der Mitte, wenn nicht gar auf der Spitze. Ein Rudel hingegen orientiert sich immer an den schwächsten aus seinen Reihen. Die Herde hat kein Problem damit, die schwächsten Glieder abzukoppeln. Wer nicht mithalten kann, wird zum Sterben zurückgelassen.

Gerade in der Sozialstruktur unserer heutigen Gesellschaft wird dieser Ellbogengedanke immer deutlicher. Sozialschwachen wird bereits durch diese Begrifflichkeit eingetrichtert, dass sie schwächer sind als andere. Auf sie wird herabgesehen, sie zählen weniger in der Gesellschaft. Anders als ein gewisser Slogan propagiert, gewinnt in unserer Gesellschaft immer mehr das Ich, immer weniger das Wir. Getrimmt werden wir darauf bereits sehr früh und in immer stärkerem Ausmaß. Einst zeigte das Fernsehgerät kleinen Gruppen, wo es langging. Heute wurde die Röhre von handlichen Smartphones abgelöst, die jedem in Privatvorstellungen den Weg zum ewigen Glück weisen.

Stärker als die anderen

Auch wenn jedes Herdenmitglied die anderen indirekt antreibt, hat jeder die Möglichkeit, zu jedem beliebigen Zeitpunkt aus der Herde auszubrechen. Denn in der Herde bleibt jeder ein Individuum. Die wenigsten trauen sich diesen Ausbruch überhaupt, noch wenigeren wird gefolgt. Deswegen begnügen sich die meisten damit, die anderen einfach zu überholen, um das Tempo zu beeinflussen. Dann fühlen sie sich ganz besonders stark, übersehen allerdings, dass sie weiterhin an die Herde gebunden sind. Diese vermeintliche Individualität befriedigt den Selbstgeltungsdrang, der jedem Menschen innewohnt. Echte Solidarität wird dadurch jedoch eher verhindert. Warum soll ich für jemanden aufkommen, der so penetrant aus der Reihe tanzt? Der entweder einen Ausbruchsversuch gewagt hat oder nicht schnell genug ist, um hinterherzukommen.

In einer Gesellschaft, die in solchen Mustern denkt, haben es die Schwachen immer schwer. Das persönliche Vorankommen wird über alles gestellt, was es blockieren könnte, wird als Bedrohung bekämpft. Mit dieser Grundeinstellung begegnen viele übrigens auch den Flüchtlingen aus Syrien und anderswo, die vor Krieg, Tod und Vertreibung flüchten. Sie sehen diese Menschen als Klotz am Bein, deren Mission daraus besteht, sie zu schröpfen. Sie geben die Missachtung, die sie bis vor kurzem selbst zu spüren bekamen an die neuen Schwächsten weiter, ohne zu merken, dass sie sich damit zum Handlanger der Stärksten machen.

Der Zug hält nur in der Krise

Jetzt erlebt die Menschheit eine für alle nie dagewesene Pandemie, die viele Gesundheitssysteme an den Rand des Zusammenbruchs treibt. Menschen leiden und Menschen sterben. Menschen helfen aber auch. Viele tun das unter den widrigsten Umständen beruflich, andere unterstützen Freunde, Bekannte und Nachbarn. Von einer riesigen Welle der Solidarität ist die Rede. Was wir in den letzten Wochen und Monaten allerdings beobachtet haben, ist nicht zwangsläufig Solidarität. Es ist Barmherzigkeit. Echte Solidarität entsteht nicht plötzlich. Sie braucht Zeit, um sich zu entfalten. Und sie überdauert die Krise. Sie ist vor der Krise da und sie ist nach der Krise da.

Eine aus der Krise geborene Solidarität, so erfreulich sie auch sein mag, ist selten von langer Dauer. In einer Gesellschaft, die wenig an Solidarität gewohnt ist, schlägt sie nach einiger Zeit eher in Frust um. Genau das ist momentan bei der Maskenpflicht zu beobachten. Wer wirklich solidarisch ist, der trägt jetzt eine Maske, gerade um Not zu verhindern. Das ist übrigens auch der Unterschied zwischen Solidarität und Barmherzigkeit: das eine verhindert Not, während das andere die Not lindert.

Die Konjunkturprogramme der Bundesregierung sollten daher auch eher Barmherzpakete heißen. Oder vielleicht auch Herdentreiberpakete. Denn sie versorgen in der Krise unverhältnismäßig die, welche sich vor der Krise wirklicher Solidarität stets entzogen haben – und es auch nach der Krise wahrscheinlich weiter tun werden. Sie stopfen die Löcher derer, die es eben gerade zu verantworten haben, dass andere von schweren Zeiten so hart getroffen werden. Nun lecken sie sich ihre Wunden, denn der Zug ist für alle vorerst zum Stillstand gekommen. Doch bald wird die Herde weiterziehen, angeleitet von den Schnellsten, während die Langsameren immer weiter zurückliegen.


Mehr zum Thema:

Hamsterkäufe und anderer Volkssport

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!

Klatschen statt Kleckern

Lesedauer: 7 Minuten

Im ganzen Land erfüllen Solidaritätsbekunden für medizinisches Personal, für Kassiererinnen und Kassierer und für Polizei- und Feuerwehrbeamte die sozialen Netzwerke. Manche Menschen stellen sich sogar demonstrativ an ihre Fenster oder auf ihre Balkons, um für diese Pfeiler unserer Gesellschaft zu applaudieren. Der Bundestag hat sich daran nun ein Beispiel genommen und es den Bürgerinnen und Bürgern gleichgetan. Die nachfolgenden Reaktionen und Entwicklungen überraschten dabei selbst die erfahrensten Parlamentarier.

Geste mit Wirkung

Am 25. März erhoben sich die Abgeordneten des Bundestags und die Mitglieder der Bundesregierung von ihren Plätzen, um den Menschen in sogenannten systemkritischen Berufen Respekt zu zollen. Die stehenden Ovationen galten all denjenigen, die während der Corona-Krise die Infrastruktur des Landes aufrechterhalten – also Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Polizistinnen und Polizisten, aber auch Verkäuferinnen und Verkäufer sowie alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Was als Akt der Anerkennung und der Ermutigung gedacht war, entfaltete schon bald eine noch erfreulichere Dynamik. Denn tausende Jugendliche waren von dieser menschlichen Geste der Parlamentarier derart gerührt, dass sie sich spontan für eine Ausbildung in den angesprochenen Berufen entschieden. Vor allem Krankenhäuser wurden in den Folgetagen von einer Welle an Bewerbungen geradezu überflutet.

Die angespannte Lage in den Kliniken aufgrund der Corona-Krise lässt eine zeitnahe Sichtung der zahlreichen Bewerbungen allerdings nicht zu. Viele Klinikleitungen signalisierten bereits, dass eine Auswahl frühestens im Sommer getroffen werden könnte. Man sei hocherfreut darüber, dass so viele junge Menschen nun einen Beruf im Gesundheitswesen ergreifen wollen, doch stehe die Versorgung der an Covid-19 erkrankten derzeit im Vordergrund.

Klatschen statt Kleckern

Nicht nur die Jugend wurde von der herzerwärmenden Aktion im Bundestag ergriffen. Tarifpartner und Gewerkschafter fielen sich sprichwörtlich in die Arme (also nur virtuell). Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben sie bereits einen Tag später bekannt, dass es ab dem 1. Mai eine Lohnsteigerung von durchschnittlich 20 Prozent für Angestellte im Gesundheitswesen geben würde. Auch einen verbindlichen Personalschlüssel stellten die Vertreter stolz vor.

Doch damit riss die Serie an glücklichen Wendungen lange nicht ab. Anonyme Großunternehmer investierten ihre milliardenschweren Renditen sogleich in die Herstellung lebensrettender Beatmungsgeräte und Intensivbetten, die den Kliniken ab kommender Woche zur Verfügung stehen sollen.

Die Mitglieder des Bundestags merkten schnell, dass sie auf eine politische Goldader gestoßen waren. Im Eilverfahren beschlossen sie, bei schwierigen Themen langatmige Debatten zukünftig durch mehrminütiges Klatschen zu ersetzen. Davon versprechen sie sich schnellere und bessere Ergebnisse als bisher. Die Offensive nennen sie „Klatschen statt Kleckern“.

Zeichen gegen Mietwucher

Die neue Herangehensweise trägt auch in anderen Bereichen bereits Früchte. Um die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, ließen sich die Abgeordneten erneut zu langanhaltendem Klatschen hinreißen. Einzelne Mandatsträger der Koalitionsparteien stiegen sogar auf ihre Tische, um dem Applaus noch mehr Wirkungskraft zu verleihen. Der Beifall gebührte in diesem Fall all den Mietern, die gierigen Vermietern und Miethaien trotz aller Widrigkeiten tapfer die Stirn boten.

Auch in diesem Fall ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Angesichts der unglaublichen Zustände auf dem Wohnungsmarkt stellten viele private Miet- und Wohnungsunternehmen ihre Scham öffentlich zur Schau. In zahlreichen Beiträgen in sozialen Netzwerken zeigten sie sich entsetzt darüber, in welch abgefahrener Situation sich viele Mieterinnen und Mieter befänden. Sie kündigten weitreichende Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsituation in Deutschland an.

Der Vermieterbund München wurde dabei deutlich konkreter. Er vereinbarte eine Senkung der innenstädtischen Miete um durchschnittlich ein Drittel der jetzigen Kaltmiete. Die Mieterleichterungen dort sollen ab Herbst in Kraft treten.

Bundesweit gründete sich spontan der Verbund zur Schaffung von Wohnraum (VSW). Es handelt sich dabei um ein Konglomerat aus privaten Vermietern, Großunternehmern der Branche und Politikern. Gemeinsam können sie vor allem Großstädten mehrere Millionen Euro für den Bau von Wohnungen zur Verfügung stellen. Experten erwarten, dass sich bereits in wenigen Monaten eine Entspannung der Lage im ganzen Land abzeichnen wird.

Applaus gegen Altersarmut

Ganz aktuell klatschte der Bundestag für Rentnerinnen und Rentner, die tagein tagaus und bei Wind und Wetter Pfandflaschen aus überfüllten Müllbehältern fischen. Die betroffenen Senioren fühlten sich dadurch enorm ermutigt. Viele von ihnen nutzten die allgemeinen Ausgangsbeschränkungen, um öffentliche Plätze von herumliegendem Pfandgut zu befreien. Mehrere lokale Tageszeitungen berichteten von diesen Trümmerrentnern, die wie nach dem Krieg ihr bestes gaben, um die Szenerie in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

Spärliche Reaktionen auf den erneuten Beifall der Bundestagsabgeordneten gab es bisher von Seiten der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Es ist allerdings davon auszugehen, dass diese Behörde aufgrund eines WLAN – Schadens bisher noch gar nichts von der rührenden Aktion mitbekommen hat. In verschiedenen Interviews zeigten sich Abgeordnete zuversichtlich, dass auch die DRV bald entsprechende Maßnahmen ergreifen würde.

Ein Grund zur Hoffnung

Die Volksvertreter sind indes rundum zufrieden mit der bravourösen Offensive. Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz gab Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bekannt, dass weitere Applausstürme geplant seien. So ist vorgesehen, noch im April etwas gegen den um sich greifenden Mangel an Kita-Plätzen zu unternehmen.

Manuela S. (34), Kindertagesbetreuerin in Krefeld, sitzt bereits jetzt schon täglich mit ihren Schützlingen der Notbetreuungsgruppe gespannt vor dem Fernsehgerät, um die neuesten Entwicklungen auf keinen Fall zu verpassen. Sie freut sich auf die Zeit, wenn sie während der Arbeitszeit endlich wieder entspannt zur Toilette gehen kann. Momentan ist das nicht ohne Gewissensbisse möglich, ist sie doch allein für zehn Kleinkinder verantwortlich.

Auch Eltern blicken hoffnungsvoll in die Zukunft. Sie spekulieren auf eine deutliche Absenkung der Anmeldefristen an Kitas auf sechs Monate. Momentan warten Eltern im Durchschnitt drei Jahre auf einen Platz in der Krippe. Politiker sind sich sicher, dass schnöder Anstandsapplaus in diesem Fall kaum helfen wird. Sie richten sich bereits auf orgasmische Freudenstürme im Plenarsaal ein.

Teile diesen Beitrag als erstes. Naaa looos!