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Donald Trump inszeniert sich weiter als Friedensengel. Großspurigen Ankündigungen folgen nun konkrete Taten: Er war es, der Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zurückbrachte. Die europäischen Staats- und Regierungschefs stehen indes bedröppelt an der Seitenlinie oder sitzen wahlweise lausbubenhaft im Oval Office und lassen sich Vorhaltungen machen. Gelernt aus über drei Jahren Krieg hat niemand.
Es ist ein Bild, das in die Geschichte eingehen wird: US-Präsident Donald Trump sitzt an seinem Eichenschreibtisch im Oval Office und trägt das Skript für den Friedensschluss mit Russland vor. Um ihn herum sitzen gebannt lauschend die Staatschefs der EU und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Nach dem für Europa ruinösen Zolldeal kann auch sie es kaum erwarten, die nächsten Instruktionen des großen Bruders entgegenzunehmen. In der Runde ebenfalls vertreten: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der gerade erfährt, dass er bei den Verhandlungen bestenfalls eine Nebenrolle spielen darf. Onkel Donald hat ihm schon vor langer Zeit und vor den Augen der Weltöffentlichkeit eingeimpft, dass er das Sagen hat.
An der Seitenlinie
Trump liebt die Inszenierung. Und nichts anderes ist auf diesem Bild zu sehen. Es ist eine bloße Machtdemonstration eines durchgeknallten Multimilliardärs. Dennoch ist dem mächtigsten Rechtspopulisten der Welt gelungen, woran die Europäer – und allen voran Deutschland – seit über drei Jahren scheitern: Ein Ende des Kriegs in der Ukraine ist nach langer Zeit wieder in Sicht.
Für die Europäer ist nicht nur das Foto eine Schmach. Wie schon in den vergangenen Jahren werden die Staatschefs auch dieses Mal nur an der Seitenlinie sitzen, während jemand anderes den Karren aus dem Dreck zieht. Die Strategie der moralischen Überheblichkeit hat nicht funktioniert. Das Vertrauen in die europäische Staatengemeinschaft, der Glaube an ihre Durchschlagkraft ist auf nicht absehbare Zeit beschädigt. Selbsternannte Demokraten beteuerten immer wieder: Putin will nicht verhandeln. Ein zutiefst korrupter Rechtspopulist hat das Gegenteil bewiesen. Es ist zum Davonlaufen.
Demütigung nach Drehbuch
Von der Leyen, Macron, Selenskyj – sie alle wissen ganz genau: Trump macht das. Und dennoch bleiben sie alle ihrem Kurs treu. Schon im Frühjahr 2022 setzten sie alles daran, die damals gut laufenden Gespräche zwischen Russland und der Ukraine zu torpedieren. Sie taten das übrigens nicht, weil sie so kriegslüstern sind. Sie störte lediglich, dass der sich abzeichnende Verhandlungserfolg nicht demütigend genug für Putin war. Nun demütigt Trump die Europäer – und allen voran die Ukraine.
Aber auch das Treffen in Alaska gab der Koalition der Willigen nicht zu denken. Stattdessen beharren die Europäer darauf, dass Putin schon eroberte Gebiete im Zuge der Verhandlungen wieder an die Ukraine abtritt, inklusive der bereits 2014 annektierten Krim, versteht sich. Das ist vielleicht nett gemeint, aber völlig unrealistisch. Ein solches Szenario war vielleicht in der ersten Jahreshälfte 2022 noch denkbar. Heute kann die Ukraine froh sein, wenn wenigstens in einem Teil der okkupierten Gebiete Referenden über deren territoriale Zukunft abgehalten werden.
Zum vergifteten Frieden
Das Leitmotiv der europäischen Staaten in dieser Frage ist simpel: Irgendwie wird es zum Frieden kommen und irgendwie wird der auch halten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist derweil überzeugt davon, dass die Stationierung deutscher und europäischer Soldaten an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland ein konstruktiver Beitrag zur nachhaltigen Friedenssicherung ist. Kein Gedanke wird daran verschwendet, dass das Heranrücken der NATO den Ausschlag für den russischen Angriff gegeben hat oder dass sich deutsche Soldaten an der Grenze zu Russland möglicherweise nicht so gut machen. Immerhin war da mal was vor ein paar Jahrzehnten…
Unter dem Strich bieten die sogenannten NATO-Friedenstruppen bestenfalls die Grundlage für einen instabilen und vergifteten Frieden. Jederzeit kann die tatsächliche NATO-Präsenz an der russischen Staatsgrenze eine neue Eskalation heraufbeschwören. Beteiligt sich Deutschland an dieser Mission, wären wir unweigerlich direkte Kriegspartei.
Auf dem Schachbrett der Macht
Egal für welchen Weg sich die USA, Russland und Europa entscheiden, eines steht schon heute fest: Größte Verliererin wird die Ukraine sein. Von Anfang an war sie nichts weiter als ein Spielball größerer Mächte. Sie ist bis heute Schauplatz eines verheerenden Stellvertreterkries zwischen Russland und den USA.
Nichts machte das so deutlich, wie das Treffen zwischen US-Präsident Trump und Kremlchef Putin in Alaska. Obwohl es sein Land ist, das seit über drei Jahren unter russischem Beschuss steht, war Präsident Selenskyj nicht geladen. Ihm wurden die Ergebnisse des Gesprächs nachträglich mitgeteilt.
Dass die Ukraine ihre Souveränität verloren hat, war aber schon lange davor ausgemacht. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Ukraine nicht aus freien Stücken aus den ersten Friedensverhandlungen 2022 zurückzog. Das geschah vermutlich auf Druck von Großbritannien und der damaligen US-Administration unter Joe Biden.
Neue Wege
Mehr als drei Jahre später kam zumindest auf amerikanischer Seite der Sinneswandel. Für die Ukraine kam er drei Jahre zu spät. Heute wird sie viele ihrer Gebiete wohl kaum retten können. Selbst wenn es gelingt, den jetzigen militärischen Konflikt einzufrieren: Unter den momentanen Voraussetzungen wird sich in den umkämpften Gebieten kein nachhaltiger Frieden einstellen.
Es reicht nicht aus, wenn die Waffen endlich schweigen. Wenn das Töten ein Ende gefunden hat, dürfen auf keinen Fall die alten Wege beschritten werden. Es muss darum gehen, Russland perspektivisch in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden, statt auf Konfrontation und Machtdemonstrationen zu setzen. Diese Machtspiele sind am 24. Februar 2022 brutal eskaliert. Hunderttausende Menschen sind seither gestorben. Machen wir den gleichen Fehler nicht zweimal.