Ein heuchlerisches Geschäftsmodell

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Peter Altmaier möchte gerade in den Aufzug steigen, da kommt eine Frau auf ihn zugeschnellt. Sie beleidigt und bepöbelt den Bundeswirtschaftsminister. Das ganze hält sie auf Kamera fest. Zutritt zum Reichstagsgebäude hatte die Dame dank einiger AfD-Abgeordneter. Offiziell bedauert die rechtspopulistische Partei diesen Vorfall. Doch immer berechtigter stellt sich die Frage: „Hätte man das nicht kommen sehen?“

Nach dem unglaublichen Vorfall auf der Treppe des Reichstagsgebäudes, haben sich AfD-Sympathisanten nun Zutritt ins Herz der deutschen Demokratie verschafft. Vier Gäste von AfD-Abgeordneten pöbelten verschiedene Abgeordnete an, bedrängten und beleidigten sie. Das Präsidium des Bundestags lässt derweil rechtliche Konsequenzen prüfen – auch gegen die AfD-Abgeordneten Hemmelgarn, Bystron und Müller, die als Türöffner für die Störenfriede fungiert haben. Eventuell ist hier der Paragraph 106 des Strafgesetzbuches erfüllt, der eine Nötigung oder Bedrängung von Abgeordneten explizit unter Strafe stellt.

Provokationen als Geschäftsmodell

Der jüngste Zwischenfall war zugegeben mehr als eine Provokation oder ein Affront gegen die verfemten Altparteien. Es war ein direkter Angriff auf das deutsche Parlament. Seit Bestehen der Partei hält sich die AfD durch solche Eskapaden im Gespräch. Immer und immer wieder fällt sie inner- als auch außerhalb des Bundestags durch Tabubrüche und Grenzüberschreitungen auf. Die ehemalige Parteichefin Frauke Petry wollte ihrerzeit das Wort „völkisch“ wieder in den politischen Diskurs einführen und am besten positiv besetzen. Beatrix von Storch erwog in den sozialen Medien, man solle an der deutschen Grenze notfalls auch auf Frauen und Kinder schießen. Der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz inszenierte nach dem Mord an der 14-jährigen Susanna F. aus Mainz eine Schweigeminute und zog damit das Andenken an die getötete Teenagerin in den Dreck.

All diese Beispiele gibt es und alle wurden in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Die Medien scheuten sich teilweise nicht, sie zum Dreh- und Angelpunkt politischer Debatten zu erklären. Sie sprangen in vielen Fällen nur zu gerne über die Stöckchen, die ihnen die AfD hinhielt. Denn rein politisch wäre die AfD nach sechs Monaten abgefrühstückt gewesen. Nörgelnd, inhaltlos und verbohrt könnte sie ihre Anliegen ohne die ständigen Zwischenfälle überhaupt nicht vorbringen. Diese andauernden Provokationen gehören fest zum Geschäftsmodell der rechtspopulistischen Partei.

Auf der Maus abgerutscht

Hanebüchene Erklärungen und Entschuldigungen runden die Provokationen ab. Frauke Petry will das alles gar nicht so gemeint haben. Es sei eine rein theoretische Überlegung gewesen. Thomas Seitz und die übrigen Abgeordneten sind sich keiner Schuld bewusst und inszenieren sich stattdessen als Opfer einer angeblich rigiden Sitzungsleitung durch Claudia Roth. Absolutes Highlight an Absurditäten war aber Beatrix von Storchs Ausrede, sie sei leidglich auf der Maus abgerutscht. Auch diese chronische Zurückruderei verfehlt ihren Zweck nicht. Die Stänkereien der AfD bleiben damit sogar noch länger im Gespräch.

Ein tatsächliches Eindringen ins Reichstagsgebäude war dabei nur die logische nächste Eskalationsstufe. Nachdem vor einigen Wochen Demonstranten mit Reichskriegsflaggen die Treppe vor dem Reichstagsgebäude blockiert hatten, begegnete die AfD diesem Zwischenfall mit Verständnis und Sympathie. Sie verharmlosten diese glasklare Drohgebärde in Richtung Demokratie und Parlamentarismus. Dieses Verhalten war nichts anderes als eine indirekte Einladung der Aggressoren in das Gebäude hinein.

Denn schon häufig betätigten sich Abgeordnete der AfD als geistige Brandstifter für Ideen, die dann tatsächlich in die Tat umgesetzt wurden. Mit ihren Hetzreden gegen Andersdenkende und mit ihrer rhetorischen Aufrüstung bestärkte die AfD Täter wie solche in Halle, Hanau, Chemnitz und anderswo. Im aktuellen Fall machte die AfD sogar direkt vor, was nun geschah: Bereits am 17. Januar entgleiste der AfD-Abgeordnete Petr Bystron verbal und beschimpfte den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer am Rednerpult als Arschloch. Petr Bystron ist übrigens genau einer der AfDler, die die Störer ins Parlament einließen.

Von Chaoten und Einzelfällen

Alexander Gauland bezeichnete das Verhalten der Störer als unanständig und unzivilisiert. Tatsächlich haben sich die Störenfriede genau so verhalten. Doch die krampfhafte Distanzierung des Fraktionschefs von dem Vorfall sind an Heuchelei kaum zu überbieten. Immer wieder zeigen sich Mitglieder der AfD entsetzt über rechtsradikale Ausschreitungen und Anschläge. Wenn sie nicht sofort auf die Gefahren des Linksextremismus und des Islamismus hinweisen, so bestreiten sie doch alle reflexartig, überhaupt nichts mit solchen Zwischenfällen zu tun zu haben. Gerade in Zusammenhang mit Hygienedemos nennt die AfD am liebsten Begriffe wie „Chaoten“ oder „Einzelfälle“, um die eigene Schuld zu verschleiern.

Solche Vorkommnisse sind aber gerade keine Einzelfälle. Und die AfD darf sich hier nicht so ohne weiteres aus der Affäre ziehen. Am liebsten würde diese Partei wohl vergessen, wo sie herkommt. Sie wurde aus einer Protestbewegung heraus geboren. Selbsternannte Wutbürger waren besonders zu Beginn ihres Bestehens ihr Lebenselixier. Oder ist es wirklich Zufall, dass die AfD gerade dann in die ersten Landesparlamente einzog, als Pegida der heißeste Scheiß war?

Die Flüchtlingskrise ab 2015 leistete der Rechtsaußen-Partei weiter enormen Vorschub. Für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und das marode Sozialsystem hatte die Partei plötzlich eine Erklärung und einen greifbaren Sündenbock. Und nach diesem Sündenbock wurde in den letzten Jahren viel zu häufig gegriffen. Die AfD soll es nicht wagen, die Mitverantwortung für diese Entwicklungen nun scheinheilig von sich zu weisen.

Die Fraktion der Krokodilstränen

Vereinzelt lassen es Parteimitglieder nicht damit bewenden, diese Offensichtlichkeiten medienwirksam vor den Kameras zu bedauern. Manche gehen konsequentere Schritte und distanzieren sich von der Partei als ganzes. Frauke Petry beispielsweise ließ die Bombe kurz nach der Bundestagswahl 2017 platzen. Sie verließ die Partei, weil sie vor bestimmten Dingen nicht mehr die Augen verschließen konnte. Ihr folgten in der laufenden Legislaturperiode vier weitere Abgeordnete der AfD.

Bravo, mögen da einige rufen. Aber worüber wundern sich diese Abgeordneten denn bitteschön? Darüber, dass die AfD einen rechtsextremen Weg eingeschlagen hat? Der war doch schon immer vorprogrammiert, wenn nicht gar latent vorgesehen. Ein brennendes Streichholz in einen Benzinkanister fallenlassen und sich dann über das Schlamassel wundern – ist klar. Merkwürdig ist auch, dass all diesen Abgeordneten erst dann ein Licht aufging, nachdem sie dank ihres Engagements für die AfD in den Bundestag eingezogen waren. Man sollte ehrlich darüber nachdenken, auf der rechten Seite des Parlaments Taschentuchspender zu installieren.

Eine vorprogrammierte Entwicklung

Dankbarer Abnehmer davon wäre sicherlich Parteichef Jörg Meuthen. Man ist hin- und hergerissen, wie man seinen aussichtslosen Kampf gegen den rechtsextremen Flügel bewerten möchte. Ist dieser Mann einfach nur ein besonders verlogener Heuchler oder ein extrem hilfloser Naivling? Begreift er denn nicht, dass dieser angebliche Kampf längst entschieden ist? Dass seine Partei ohne die rechtsextremen Einflüsse nichts anderes wäre als eine besonders bockige FDP? Auch wenn sich die Liberalen zunächst gesträubt haben, im Bundestag neben der AfD zu sitzen – die Sitzordnung macht Sinn.

Trotzdem bleibt Meuthen optimistisch und würde am liebsten das Kapitel Rechtsextremismus in seiner Partei beenden. Deutlich wurde das auch bei der Elefantenrunde 2017, als er noch öffentlich bestritt, es gäbe Rechtsextreme in seiner Partei. Durch diese Taktik versucht die Partei natürlich, allen ihren Wählerinnen und Wählern, die teilweise völlig zurecht empört sind, die Schuld zu nehmen. Menschen wie Meuthen oder Petry gaukeln einem Teil der Wählerschaft vor, den rechten Flügel der Partei gut unter Kontrolle zu haben. Dabei muss jedem Mitglied und jedem Wähler klar sein, worauf sie sich einlassen: Jede Stimme für die AfD ist eine Stimme für den Extremismus von rechts.


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Eigentlich war Hitler ein Versager

Vorschaubild: Gerd Altmann, Pixabay.

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Es gibt in unserem Land Menschen, die lange den Mund hielten. Heute sprechen Sie von Gesinnungshaft, Volksaustausch und Schießbefehl. In der AfD haben Sie ein Forum gefunden, sich Gehör zu verschaffen. Viele bewundern und bejubeln diese Partei, von anderen wird sie scharf kritisiert. Immer häufiger werden ihr faschistoide Tendenzen bescheinigt. Ja, es gibt Menschen, die lange den Mund hielten – und das aus gutem Grund.

Eine aufgeklärte Gesellschaft

Vor etwas mehr als zehn Jahren verkündete meine damalige Deutschlehrerin, dass sie ihren Unterricht etwas anders gestalten wollte. Die Zeit des langatmigen Bücherwälzens und Aufsatzschreibens sollte ein Ende haben. Stattdessen wollte sie uns literarisch wertvolles möglichst zeitgemäß vermitteln. Konkret bedeutete das: ein Ausflug ins Kino. Mit Sicherheit gibt es bessere Filmbegleitungen als eine überdreht-enthusiastische Deutschlehrerin und einer Horde pubertierender Jugendlicher, von denen man auf die meisten verzichten konnte. Andererseits war der Kinobesuch eine willkommene Abwechslung vom drögen Schulalltag eines Neuntklässlers.

Auch die Filmauswahl hätte schiefer gehen können. Frau Küschder (Name bis zur Unkenntlichkeit verändert) hatte sich für den Film „Die Welle“ mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle entschieden. Zu dem Streifen ist viele Jahre zuvor auch ein gleichnamiger Roman erschienen, doch den wollte uns unsere Deutschlehrerin anscheinend nicht zumuten. Ehrlich gesagt, hat mir der Film tatsächlich gereicht. Kurzes Wrap-Up: In dem Film geht es um einen übermotivierten Lehrer (Parallelen zur Wirklichkeit rein zufällig), der seinen Schülern was über den Faschismus in Deutschland erzählen soll. Die meisten der Kids winken gelangweilt ab: das könnte heute gar nicht mehr passieren, viel zu aufgeklärt wäre die heutige Gesellschaft. Der Lehrer wagt also ein Experiment. Innerhalb kürzester Zeit bildet er seine Schützlinge zu einer Art Schülerarmee (SA?) aus, die „ganz Deutschland überrollen“ soll. Die meisten Jugendlichen lassen sich fasziniert mitreißen bis ihnen Jürgen Vogel klarmacht, dass sie gerade all ihre Beschwörungen einer aufgeklärten Gesellschaft selbst zugrunderichten.

Keine leichte Kost

Ich bin mir bis heute unsicher, ob mich dieser Film faszinierte oder einfach nur verstörte. Vielleicht von beidem etwas. Fakt ist, dass er darauf abzielte, Menschen wachzurütteln. Nur weil einmal etwas schiefging und es uns heute gut geht, heißt das noch lange nicht, dass es nicht wieder zur Katastrophe kommen kann. Die Zeit meinte sogar, der Film sei „der rechte Film zur rechten Zeit.“ Zugegeben leistete der Film eine Menge zu dieser angeblich so aufgeklärten Gesellschaft. Im Endeffekt machte er unsere Gesellschaft noch aufgeklärter.

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Das war vor zehn Jahren. Wie würden die Reaktionen auf einen solchen Film wohl heute ausfallen? Ich wage zu vermuten: völlig anders. Heute würde sich eine beachtliche Gruppe an Menschen darüber echauffieren, dass mal wieder viel zu aggressiv auf eine faschistische Gefahr in unserem Land hingewiesen werden würde. Man kann sich lebhaft Kommentare vorstellen wie: „Alimentierte Messermörder vom IS sind also keine Gefahr?“ oder „Mal wieder typisch, auf dem linken Auge blind.“ Aber wozu solch offensichtliche Reaktionen herausfordern? Der Film hat vor einem Jahrzehnt gut funktioniert. Heute brauchen wir ihn nicht mehr. Es reicht ein Blick in die Realität.

Jeder kann ein Faschist sein

Eines ist völlig gewiss: Viele Reaktionen auf einen solchen Film würden heute auf reine Geschichtsvergessenheit abzielen. Jürgen Vogel will seinen Schülern den Begriff „Faschismus“ näherbringen. Lange Zeit galt dieses Wort als das Böse in Reinform. Und vom Bösen soll man sich fernhalten. Tatsächlich hat das lange Zeit gut geklappt. Der Terminus war eindeutig dem akademischen Milieu zuzuordnen. Geschichtsprofessoren verwendeten diesen Begriff, um über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu sprechen. Möglicherweise kannten viele den Begriff noch nicht einmal oder konnten mit ihm nichts anfangen. Und heute? Ein Blick in die Social Media reicht aus, um eines zu erkennen: „Faschismus“ wird heute beinahe inflationär verwendet. So ist häufig zu lesen, Greta Thunberg sei eine Faschistin, generell alle Klimaschützer seien doch Faschisten. Angela Merkel führe das Land in eine Diktatur.

Was hier geschieht ist schlicht und ergreifend die völlige Entwertung und Neubesetzung dieser Begrifflichkeiten. Ein Kind (!) wird allen Ernstes mit dem Faschismus gleichgesetzt. Einen härteren Schlag ins Gesicht der wenigen noch lebenden Opfer von echtem Faschismus ist kaum möglich.

Der Bundeskanzlerin wird diktatorisches Vorgehen bescheinigt. Es ist beinahe traurig, dass eine Vielzahl derer, die am lautesten schreien, Diktatur am eigenen Leib erlebt haben. Allen Ernstes wird das heutige Deutschland mit der DDR verglichen. Dabei könnten wir heute von Planwirtschaft, Ein-Parteien – Herrschaft und Gesinnungshaft nicht weiter entfernt sein.

Diese groteske Neudefinition von Begriffen resultiert schließlich in einer völligen Enthemmung von Sprache. Frauke Petry möchte das Wort „völkisch“ wieder in den bürgerlichen Diskurs integrieren, Alexander Gauland kündigt an, man werde die Regierungschefin „jagen“. Gestern völkisch, heute jagen. Was wird wohl morgen sagbar sein?

Die Sache mit den Flüchtlingskindern

Die Emotionen in solchen neuen Debatten werden auf ein Minimum reduziert. Mitgefühl, Anteilnahme und Verständnis werden Schritt für Schritt abgeschafft. Zurück bleiben lediglich Wut und Angst. Vor nicht all zu langer Zeit trieb es Alexander Gauland damit auf die Spitze: Man dürfe sich von Kinderaugen nicht erpressen lassen. Was für eine perverse Umkehr vom Opfer zum Täter! Ähnlich wie bei Greta Thunberg wird den Flüchtlingskindern hier eine schädliche Intention unterstellt. Sie würden ihre Kindlichkeit gezielt dazu nutzen, um uns zu erpressen. Scheiß‘ auf deine Urinstinkte. Zur Not kann man schließlich auch auf Kinder schießen. #sweettrixi

Das erschreckende ist: es funktioniert. „Die Welle“ sollte vor gut zehn Jahren vor allem eines hervorrufen: blankes Entsetzen. Bis auf eine traurige Ausnahme sahen alle Schüler ein, dass sie auf einem völligen Holzweg waren. Nur ein Schüler wollte die Bewegung nicht aufgeben. Er rastete komplett aus und erschoss sich schließlich selbst. Unter den Schülern war er ein Einzelfall. Zuvor war er bereits Einzelgänger. Er wurde höchstens belächelt.

Die Herrschaft der Dummen

Vor einigen Monaten beklagte sich ein Freund von mir darüber, dass die AfD nur deshalb solchen Aufwind erführe, weil man den Dummen freie Hand ließe. Dieser Aufstieg der Dummen wäre mit dem Aufstieg der Nazis vor 80 Jahren vergleichbar. Zunächst konnte ich mit dieser Meinung nicht viel anfangen. Ich empfand es als Verharmlosung, Personen wie Gauland, Meuthen oder Höcke zu Dummen zu degradieren. Denn das sind sie mit Sicherheit nicht.

Doch man versuche einmal, sich vorzustellen, jemand hätte eine Äußerung á la Höcke vor zehn Jahren von sich gegeben. Die wenigsten hätten ihm zugehört, die meisten ihn bestenfalls belächelt. Er wäre einer von den Dummen gewesen. Eine Witzfigur.

Und genau das sind doch die Damen und Herren, die seit 2017 rechts der FDP sitzen. Witzfiguren. Bemitleidenswerte Kreaturen, die auf immer dem Gestern nachweinen. Geleitet werden sie von einer schier ekelerregenden kleinbürgerlichen Bequemlichkeit gepaart mit einer völligen menschlichen Inkompetenz. Sie sind Verlierer. Alle. Doch irgendwer hat sie zu Gewinnern gemacht.

Nehmen wir beispielsweise den AfD-Mann Markus Frohnmaier. Seit 2017 sitzt er im Bundestag. Bekannt ist er vor allem durch einen Auftritt in Erfurt 2015, wo er die jubelnde Masse beschwört, es werde bald „ausgemistet“. Ohne zu sehr ins persönliche abdriften zu wollen: der Mann erinnert mich an ein kleines Schweinchen. Als ich ihn das erste Mal sah, war meine prompte Reaktion ein aufmunterndes Lächeln. Als wäre es mir ein dringendes Bedürfnis, ihm zu sagen, dass es auf diesem Planeten bestimmt irgendwo irgendwen gäbe, der ihn liebhat, irgendwie.

Von Anfang an sträubten sich mir die Nackenhaare, dass eine an sich so ulkige Figur ein solches Forum erhielt. Frohnmaier ist tatsächlich die fleischgewordene Herrschaft der Dummen. Mit seinen wahnwitzigen Ideen über ein Abschiebeministerium und einer anschließenden Volkssäuberung hätte er vor einem Jahrzehnt bestenfalls eine Maus in seiner schwäbischen Stammkneipe hervorlocken können. Heute begeistert er tausende.

Über Zugklos, Fernseher und talentfreie Bartträger

Frohnmaier ist beileibe kein Einzelfall. Die Liste der Clowns in der AfD ließe sich beliebig fortsetzen. Doch so waren die Akteure vom rechten Rand schon immer drauf. Gescheiterte Existenzen, die Veränderung um keinen Preis dulden können. Im Prinzip war selbst Hitler eine Lachnummer. Im Ersten Weltkrieg hat er nennenswerte militärische Erfolge verfehlt, auch wenn er später gerne etwas anderes erzählte. Nach dem Krieg hat er es mangels Talents nicht auf die Kunstschule geschafft. Erfolg mit Frauen blieb ebenso aus. Arbeitslos, mittellos, ein Vollversager eben. Mit den AfD-Leuten von heute eint ihn eines: ein nicht zu unterschätzendes rhetorisches Geschick.

Das besitzen sicherlich nicht alle von diesen „Dummen“. Trotzdem wird vielen von ihnen heute zugehört. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Situation in der Regionalbahn. Auf dem Viererplatz hinter mir mokierte sich ein älterer Herr darüber, dass das Zugklo mal wieder defekt sei. Wie eigentlich immer. Aber Hauptsache, die Flüchtlinge könnten sich den neuesten Fernseher in ihre Bude stellen. Bei dieser kausalen Verirrung gluckste ich zunächst leise auf. Das Lachen blieb mir allerdings im Halse stecken, als ihm sogar die Leute im Vierersitz neben ihm bewundernd zustimmten. Sie erkannten nicht, dass dieser grantige alte Mann weder von Menschen noch von Fernsehern etwas verstand.

Pegida-Aufmarsch in Dresden im Januar 2015.
Bild: Kalispera Dell, PEGIDA Demo DRESEDEN 25 Jan 2015 116227104, CC BY 3.0

Dummheit scheint in Mode zu sein. Auch auf Social-Media – Plattformen wie facebook überbieten sich manche User geradezu mit ihrer evidenten Inkompetenz und heißgeliebten Bequemlichkeit. Die Flüchtlingskrise ab 2015 wirkte wie ein Katalysator auf all diejenigen, die sonst wussten, dass sie zu einer politischen Debatte nicht viel sinnvolles beitragen konnten. Urplötzlich brachten sie sich in zahllosen Kommentaren in die politische Debatte ein. Leute, die bis auf ein Teil-mich – Bild noch nie etwas auf facebook gepostet hatten, wussten auf einmal ganz genau Bescheid. Schuld waren natürlich die Flüchtlinge. Davor hatten sie, wie wir alle in Deutschland, in Saus und Braus gelebt. Es gab keine Arbeitslosen, keine Tafeln und kein Hartz IV.

Mein Auto gehört mir!

Befeuert wurde diese „Welle“ an Pöbelnden durch den Dieselskandal. Was bei VW und anderen namhaften Autoherstellern abgegangen ist, ist eine riesengroße Sauerei. Schon bald fanden sich massenweise Menschen zusammen, die durch Demonstrationen und Proteste drohende Fahrverbote abwenden wollten. Dabei war die Lösung zum Greifen nah: Die Betrüger haften und die Gelackmeierten werden fürstlich entschädigt. Doch die Bundesregierung zog den Schwanz ein. Das alles sehen viele der Demonstranten natürlich nicht. Vielen von ihnen geht es wieder einmal nur darum, sich die Bequemlichkeit zu erhalten. Feindbild ist immer weniger die Regierung – und erst recht nicht die kriminellen Autokonzerne. Verbockt haben’s natürlich die Umweltschützer und Klimaaktivisten. Es ist schon auffallend, dass viele der Anti-Fahrverbots – Demonstranten die Positionen der AfD teilen. Aber wen juckt das schon? Die Autokonzerne freut’s.

Mein Vater erzählte mir einst eine Geschichte: In seiner Kindheit in den 1960ern hat er des öfteren gehört, wie sich gerade ältere Menschen Herrn H. zurücksehnten, vor allem, als die Gastarbeiter ins Land geholt wurden. Das alles wurde natürlich nur unter vorgehaltener Hand gemunkelt. Aber Kinder kriegen ja bekanntlich fast alles mit. Ganz verschwunden war diese Idiotie wohl nie. Lange Zeit war man sich aber bewusst, dass man mit so mancher Äußerung besser hinter dem Berg hält. Dieser Zustand hielt bis vor einigen Jahren an. AfD und Pegida verstanden es allerdings meisterlich, die vollkommene Verblödung von ihren eisernen Fesseln zu befreien. Zehn Jahre nach dem Kassenschlager mit Jürgen Vogel fragt man sich zurecht, wer heute noch aufgeklärt ist…

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