Auf ewig Opposition?

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Seit die SPD großspurig ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ins Rennen geschickt hat, scheint eine Option zumindest wieder denkbar: Rot-Rot-Grün. Doch nicht nur eine fehlende Mehrheit macht es vielen schwer, sich diese Konstellation ernsthaft vorzustellen. Viele Menschen zweifeln zudem an der Regierungsfähigkeit der darin wenig erprobten Linken. Ihre Bedenken stützen sich dabei immer wieder auf kurzsichtige Vorverurteilungen. Doch diese Partei hat noch andere Probleme, die es vor einer eventuellen Regierungsübernahme zu regeln gilt.

Chronisch regierungsunfähig?

Die wollen aus der NATO raus. Die wollen mit Putin kuscheln. Sie hassen die USA. Die schwimmen im beiseitegeschafften DDR-Vermögen. Wer soll das bezahlen? Diese Argumente und noch einige mehr werden regelmäßig ins Feld geführt, wenn man den Linken die Regierungsfähigkeit absprechen will. Viele dieser angeblichen Gründe sind wenig stichhaltig, manche sogar widerlegbar, andere stimmen hingegen. Die Auflösung der NATO zum Beispiel. In den Augen der Linken ist dieses Bündnis seit langem obsolet. In Zeiten des Kalten Kriegs gegründet, sollte es die westliche Welt vor der feindlichen Sowjetmacht schützen. Nun gibt es Stalin, die Mauer und die UdSSR heute nicht mehr. Die Idee der Linken, die NATO durch ein Bündnis zu ersetzen, das nicht auf Konfrontation gebürstet ist, sondern Dialog und Zusammenarbeit vorsieht, ist in dieser Hinsicht bestimmt nicht falsch. Dass das mit Russland ein hartes Stück Arbeit ist – keine Frage.

Unkonventionelle und unbequeme Forderungen machen eine Partei eben nicht automatisch regierungsunfähig. Allein der allgemeine Mythos, die Linkspartei sei partout nicht dazu in der Lage, konstruktive Regierungsarbeit zu leisten, ist von der Realität längst eingeholt. Die ausgesprochen erfolgreiche Regierungsbeteiligung in mehreren Bundesländern ist Zeugnis genug. In Thüringen stellt die Partei links der SPD seit 2014 sogar den Ministerpräsidenten. Nach fünf Jahren Ramelow konnte die Linke in Thüringen sogar noch zulegen und selbst die CDU vom Thron der stärksten politischen Kraft im Freistaat stoßen. Wenn das nicht Ausdruck von Beliebtheit und Regierungsfähigkeit ist, was dann?

Das reichste Prozent

Trotzdem kann keiner ernsthaft bestreiten, dass die Linke immer wieder mit der Vision einer Regierungsbeteiligung hadert. Und dieses Problem ist nicht vorrangig mit dem Programm der Partei zu begründen. Viel eher ist es ein personelles Problem. Genau so wie Ramelow die Regierungsfähigkeit seiner Fraktion in Thüringen verkörpert, so gibt es auf Bundesebene Vertreter, die ebendieser Fähigkeit zum Regieren diametral entgegenstehen. Das fängt schon bei der Parteispitze an. Bernd Riexinger ist nicht eingeschritten, als eine Parteikollegin davon sprach, das reichste Prozent der Bevölkerung zu erschießen. Erst auf Nachfrage witzelte er, man wollte diese Menschen lediglich zu Arbeit verpflichten. Ob man daraus schließen kann, dass er sie im Arbeitslager internieren will, sei mal dahingestellt. Fakt ist allerdings, dass diesem Mann das Gespür dafür fehlt, welche Äußerungen wann angebracht sind und welche politische Tragweite sie entwickeln können. Anstatt sich im Bundestag persönlich klipp und klar von solchem Gedankengut zu distanzieren, schickte er seine Co-Vorsitzende Kipping ins Feld, die ihn als mustergültigen Demokraten über den grünen Klee lobte.

Riexinger selbst saß währenddessen wie ein getadelter Schuljunge zwischen seinen Fraktionskollegen und wünschte sich wohl nichts sehnlicher, als unter der Fraktionsbank zu verschwinden. Als Parteivorsitzender ist er scheinbar völlig ungeeignet und wird seine Partei wohl niemals in eine Regierung führen können. Anlass dazu, seine demokratische Grundüberzeugung anzuzweifeln, gibt es wohl eher nicht. Das sieht bei einigen seiner Genossen allerdings anders aus.

So hielt seine Kollegin Gesine Lötzsch im Jahr 2011 die Eröffnungsrede bei einer Veranstaltung, die offen nach den Wegen zum Kommunismus fragte. Auch im Vorfeld war die damalige Parteichefin wegen umstrittener Äußerungen zu ebendiesem Thema bereits aufgefallen. Sie beteuerte bei der Rede allerdings ihre unbedingte Treue zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das kann man bei einer Kommunismus-Veranstaltung natürlich gerne tun. Ob man das dann glaubt, ist eine andere Frage.

Natürlich darf geschossen werden

Noch schlimmer trieb es allerdings die ebenfalls noch heute im Bundestag sitzende Ulla Jelpke. Bei genau der gleichen Veranstaltung moderierte sie eine Podiumsdiskussion, wie der Kommunismus denn am besten realisiert werden könnte. Sie diskutierte dort allen Ernstes mit prominenten Linksradikalen wie der verurteilten RAF-Terroristin Inge Viett. Diese Frau hat sich von den Entführungen, den Morden und den Anschlägen der Vereinigung nie distanziert. Auch bei besagter Diskussion rechtfertigte sie den Einsatz von Gewalt und Brandanschlägen, um die heiligen Ziele zu erreichen. Diese Einstellung deckt sich natürlich mit den Taten, die diese Frau zu ihren besten Zeiten begangen hat. Um einer Festnahme zu entgehen, schoss sie seinerzeit auf einen Polizisten, der Jahre später an den Folgen der Tat starb. Viett wurde für die Äußerungen auf der Kommunismus-Veranstaltung übrigens rechtskräftig verurteilt.

Wie weit darf die Linke gehen?
Bernd Kudanek alias bjk on Indymedia, IngeViettUllaJelpkeCC BY-SA 2.0 DE

Ulla Jelpke schien das herzlich wenig zu stören. Sie griff während der Gewaltverherrlichungen der Terroristin ebenso wenig ein, wie Riexinger bei den Eliminierungsfantasien in diesem Jahr. Stattdessen ließ sich Jelpke mit der linksradikalen Viett unter der Fahne der Linkspartei bei einer Demonstration fotografieren. Solange eine Partei solche Personen in ihren Reihen duldet und dafür auch noch die Parteifahne zur Verfügung stellt, sollte sie wirklich keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Ein Unrechtsstaat?

Dass die Linke auch anders kann, stellte sie bereits mehrfach unter Beweis. Seit 2006 stellt sie mit Petra Pau eine Vizepräsidentin des Bundestags, die nun wirklich nicht unter Extremismusverdacht steht. Lange Zeit wurde die Bundestagsfraktion von einer Frau mitgeleitet, die noch vor einigen Jahren als untragbare Verfechterin der DDR und des Kommunismus verschrien war. Heute ist Sahra Wagenknecht glatt zur Vorzeigepolitikerin der Linken aufgestiegen. Gegner nehmen sie inzwischen nicht mehr als versponnene DDR-Nostalgikerin wahr, sondern immer mehr als ernstzunehmende Stimme aus der Opposition. Sie setzen sich mit ihr verstärkt inhaltlich auseinander, ohne ihr die Berechtigung abzusprechen, Politikerin zu sein.

Das wohl bekannteste Argument, warum die Linkspartei so abgöttisch regierungsfähig sei, ist mit Sicherheit der Umgang der Partei mit der DDR-Vergangenheit. So weigert sich ein Großteil der Partei bis heute, die DDR als Unrechtsstaat anzuerkennen. In den Augen vieler Parteimitglieder kann die DDR schon deshalb kein Unrechtsstaat gewesen sein, weil bereits das Dritte Reich mit diesem Begriff belegt ist. Kunststück. Aber folgt man dieser Ideologie, so sind die Begriffe „Unrechtsstaat“ und „Nazi-Deutschland“ untrennbar miteinander verwoben. Für viele Linke sind es Synonyme. Vor einer Wahrheit verschließen sie dabei jedoch die Augen: Es gibt schier unendlich viele Wege, Recht zu brechen und Unrecht zu verbreiten. Es gibt aber nur eine Möglichkeit, sich an Recht zu halten.

(K)ein legitimer Versuch

Selbstverständlich war die DDR ein Unrechtsstaat. Dieser Staat fußte darauf, einer beträchtlichen Zahl seiner Bürgerinnen und Bürger elementare Rechte abzuerkennen. Mit Stasi, Spitzeleien und allgegenwärtigem Druck sollte das Volk unter Kontrolle gehalten werden. Natürlich ist das Unrecht. Das heißt aber nicht, dass die DDR eine Unrechtsgesellschaft war, genau so wenig wie das Dritte Reich. Die meisten Menschen arrangierten sich lediglich mit den Zuständen, weil sie zu viel zu verlieren hatten. Ihnen im Nachhinein einzureden, ihre Leben wären Unrecht gewesen oder waren vergeudet, halte ich für grundfalsch. Vielleicht sträubt sich die Linke auch deshalb gegen den Begriff des Unrechtsstaats.

Aber selbst die meisten Linken sehen ein, dass die DDR natürlich kein Rechtsstaat war. Bis auf wenige Ausnahmen: Die damalige linke Spitzenkandidatin für NRW Bärbel Beuermann bezeichnete die DDR im Wahlkampf als legitimen Versuch, den Kommunismus zu etablieren, zumindest aus Sicht der Menschen damals. Und als ob das noch nicht genug wäre, zweifelte sie die Rechtmäßigkeit des Verfassungsschutzes an. Natürlich gibt es gewichtige Gründe, nach NSU, Lübcke und Hanau die Effektivität des Verfassungsschutzes anzuzweifeln. Aber ihn gleich für überflüssig zu erklären?

Die Demokratie kann’s besser

Ähnlich geschichtsvergessen zeigen sich viele Linke auch, wenn es daraus geht, die Lehren aus dem DDR-Unrecht zu ziehen. So wandte sich die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos in ihrer Bundestagsrede am 13. Dezember 2019 strikt gegen ein Mahnmal der Gewaltherrschaft in der DDR. Stattdessen versteifen sich viele Linke darauf, die Vorzüge der DDR geradezu zu glorifizieren. Sie sprechen davon, dass es die sozialen Ungleichheiten wie wir sie heute erleben, in der DDR nicht gegeben hätte. Na und? Anstatt der DDR in diesem Punkt nachzueifern und sich die alten Zeiten im schlimmsten Falle sogar zurückzuwünschen, müssten solche Erkenntnisse jede funktionierende Demokratie doch dazu anspornen, es noch besser zu machen. Und zwar ohne staatsverordneten Terrorismus.

Ein anderer Blick auf die DDR ist nötig und bestimmt kein Zeugnis von Regierungsunfähigkeit. Dieses Misstrauen gegenüber den Linken muss endlich abgebaut werden – von der einen Seite wie auch von der anderen. Unangebrachte Stasi-Vergleiche stärken das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wenig wie obsessive DDR-Nostalgien und das Gerede von Erschießungen. Solange die Linke diese notwendigen Schritte nicht macht, wird sie für einen Großteil der Menschen immer regierungsunfähig bleiben.


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Das Extrem ist bequem

Beitragsbild: MarkusMoerth, Pixabay.

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Ich kenne Diktaturen nur aus dem Geschichtsbuch. Ich wurde nach dem Mauerfall und nach der deutschen Einheit geboren. Die DDR habe ich weder aktiv noch passiv erlebt. Die Nazizeit noch viel weniger. Ich bin froh, in einem freiheitlichen, demokratischen Staat aufgewachsen zu sein. Groß geworden bin ich in Baden-Württemberg. Neben Bayern vielleicht das Bundesland, das am wenigsten Grund zum Klagen hat. Doch nicht jeder ist so überzeugt von der Überlegenheit einer rechtsstaatlichen Ordnung wie ich es bin. Manche Menschen sehnen sich gar nach einer Diktatur. Ich kann es nicht ertragen.

Protestwähler wählen blau

Die AfD befindet sich weiter im Umfragehoch. Darin sind sich die meisten Meinungsforschungsinstitute einig. Sie sehen die Partei zwischen 13 und 15 Prozent. In einigen Umfragen überholen die Rechtspopulisten damit erneut die Sozialdemokraten. Doch spätestens seit man Björn Höcke, den Fraktionsvorsitzenden der Thüringer AfD, rechtmäßig als „Faschisten“ bezeichnen darf, ist völlig klar: Wer die AfD wählt, der wählt eine Partei, die mindestens in Teilen rechtsextrem ist. Das Urteil der Meininger Richter kann man sehen, wie man will. Offensichtlich ist allerdings, dass es für diesen Urteilsspruch Gründe gibt. Wer von „Bevölkerungsaustausch“ oder einem „Mahnmal der Schande“ redet, der kann nicht in der Mitte einer angeblich rechtsstaatlichen Partei stehen, wie es der scheidende AfD-Parteichef Gauland kürzlich formuliert hat.

Doch nicht nur Höcke sorgt mit seinen Äußerungen seit Jahren für Wirbel. Der AfD-Sprech von linksgrün-versifften Altparteien, von Schießbefehlen und von nutzlosen Kopftuchmädchen vergiftet die politische Debatte schon lange wie ein wucherndes Geschwür.

Noch bis vor kurzem war der Begriff des „Protestwählers“ geläufig. Diese Menschen wählten die AfD angeblich, um der Regierung einen Denkzettel zu verpassen. Gebracht hat es ihnen nicht viel: die gleiche Regierung fand in Neuauflage für eine weitere Legislatur zusammen. Die erschreckend hohen Wahlergebnisse der AfD in den ostdeutschen Bundesländern, ließ viele Menschen allerdings am Begriff der Protestwähler zweifeln. War es nicht viel mehr so, dass die Menschen die AfD nicht trotz ihrer Nähe zum rechten Rand wählten, sondern gerade wegen ihrer Nähe zum Rechtsextremismus?

Faschismus 2.0

Und was heißt überhaupt Rechtsextremismus? Viele AfD-Sympathisanten verdrehen genervt die Augen, wenn sie mit Phrasen wie „Wehret den Anfängen“ oder „aus der Geschichte lernen“ konfrontiert werden. Intuitiv verbitten sie sich jedweden Vergleich mit den Faschisten aus der NS-Zeit. Und mit einem haben sie dabei recht: Faschismus funktioniert heute tatsächlich anders als er noch vor 80 Jahren funktionierte.

Zum einen haben wir heute eine wesentlich stärkere und wehrhaftere Demokratie als das in den 1920er-Jahren der Fall war. Die Demokratie wird heute nach wie vor von der Mehrheit der Bürger gestützt. Zu Weimarer Zeiten war das anders. Die wenigen echten Demokraten wurden zwischen linksaußen mit ihren kommunistischen Träumereien und von rechtsaußen mit ihren Führer-Fantasien zerrieben. Der Abschied vom Kaiserreich fiel vielen schwer. Hier hat man aus der Geschichte tatsächlich gelernt: Die Fünf-Prozent – Klausel macht es extremistischen Strömungen heute schwerer, im Parlament Fuß zu fassen als es vor rund 100 Jahren der Fall war.

Und natürlich operieren die AfDler nicht so wie die Nazis unter Hitler. Selbstverständlich gehen sie nicht gleich von 0 auf 100. Sie haben heute nämlich einen folgenschweren Nachteil: Ihre Worte werden stets an denen der damaligen Nazis gemessen. Gerade weil es in der deutschen Geschichte schon einmal eine Entfesselung des Faschismus gab, müssen sie heute wesentlich behutsamer und subtiler vorgehen. Und selbst Hitler ging nicht gleich von 0 auf 100. Vielleicht erst mal auf 70. Und die AfD geht heute vielleicht auf 50.

Doch selbst das bewahrt sie selten vor der mächtigen Nazikeule, die sie gerne auch für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert. Den Nachteil, dass es den Faschismus in Deutschland schon einmal gab, münzen die Rechtspopulisten dabei geschickt in einen Vorteil um. Frei nach der Logik „Wenn wir uns nicht so wild aufführen, wie die von damals, kann uns keiner was.“ Stoßen sie auf Widerstand, schwingen sie selbst die Nazikeule und stilisieren sich zu Opfern. Weiterhin gilt, was Brecht einst schrieb: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

30 Jahre für die Tonne?

Vor kurzem jährte sich der Mauerfall zum 30. Mal. Zeit für eine schiere Flutwelle an Dokus und Polit-Talks zu genau diesem Thema. Diskutiert wird bevorzugt, ob Ossis Bürger zweiter Klasse sind. Politiker überschütten sich förmlich mit Vorwürfen, was damals alles schiefging und wie es hätte besser laufen können. Kurzum, an diesen Beiträgen führt kein Weg vorbei.

Auch das rbb trug dem Jubiläum Rechnung und schaute sich die Lage 30 Jahre nach dem Fall der Mauer etwas genauer an. In dem Format „Wir müssen reden!“ vom 7. November kamen allerdings auch Bürger zu Wort, die sich die DDR zurückwünschten. Einer von ihnen meinte sogar, man könne die letzten 30 Jahre in die Tonne treten.

Über Jahrzehnte trennte die Mauer Ost und West. Trotzdem sehnen sich manche nach dieser Zeit zurück.
Bild: Noir, Berlinermauer, CC BY-SA 3.0.

Das ist schon mehr als gesunde Ostalgie. Generell ist der Umgang mit der DDR ein ganz anderer als mit der deutschen NS-Vergangenheit. Dabei waren doch beide Systeme Diktaturen. Trotzdem wird man für Mauerträume nur belächelt. Oftmals werden sie sogar toleriert. Solche Meinungen sind immerhin kein Einzelfall. Weder bei Ossis noch bei Wessis. Gerade in Westdeutschland gibt es eine Menge Leute, die die Mauer heute nicht zum Einsturz bringen würden, sondern am liebsten noch einmal drei Steine obendrauf legen würden.

Doch woher kommt dieser grundlegend andere Umgang mit der DDR? Nazi-Deutschland ist und bleibt das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte. Sehnt man sich nach dieser Zeit zurück, ist man eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. Das ist weiterhin Konsens. Eine spezifische Nostalgie gegenüber dieser Zeit gibt es nicht. Bei der DDR ist das nicht so leicht zu unterdrücken. Immerhin existierte dieser Staat ganze 40 Jahre. Zeit genug, in dieses System hineingeboren zu werden und auch darin zu sterben. Vor allen Dingen aber Zeit genug, mit diesem System zu leben.

Das richtige Leben im falschen?

Es verbietet sich also fast automatisch, alles an der DDR schlechtzureden. Viele Menschen haben einen Großteil ihres Lebens darin verbracht. Um sie nicht komplett abspenstig zu machen, braucht es ein Phänomen wie das der Ostalgie. Die Ampelmännchen und der Sandmann geben ihnen zumindest zeitweise das Gefühl, nicht vollständig in einer Lüge gelebt zu haben.

Darum ist auch der Begriff „Unrechtsstaat“ gegenüber der DDR so umstritten. Ein Unrechtsstaat fußt einzig und allein auf dem Unrecht. Er ist durch und durch schlecht. Dieses Argumentationsmuster mag bei einem Staat funktionieren, der ein Dutzend Jahre gehalten hat. Aber bei einem Staat, der mehrere Generationen hervorgebracht hat? Man kann so vielen Menschen und so vielen Generationen nicht glaubwürdig vorhalten, die meiste Zeit ihres Lebens falsch gelebt zu haben.

Von Sicherheit und Autobahn

Trotzdem war die DDR eine Diktatur. Eine ziemlich brutale sogar. Mauertote, Gesinnungshaft und Zwangsadoptionen waren die Regel. Und trotzdem gibt es Menschen, die selbst im Fernsehen öffentlich dazu stehen, dass sie sich die DDR zurückwünschen. Ihr Totschlagargument ist häufig die soziale Sicherheit. Eine Sicherheit, die sie in der Bundesrepublik so nie empfunden haben. Wie überzeugend dieses Argument ist, bleibt jedem selbst überlassen. Doch eine Frage bleibt: Reicht es aus, um eine Diktatur regelrecht zu glorifizieren?

Ich sage: Nein. Eine Diktatur ist durch nichts zu rechtfertigen. Auch nicht von angeblichen sozialen Sicherungssystemen. Hier schließt sich übrigens auch der Kreis mit den AfD-Wählern. Wählen sie die AfD denn jetzt trotz oder wegen der rechtsextremen Tendenzen? Für mich ist klar: Trotz. Genau wie die Hardcore-Ostalgiker verteidigen sie ein System nicht wegen der Mauertoten oder wegen des rechtsextremen Personals, sondern trotz dieser Offensichtlichkeiten. Weniger gefährlich macht das solche Entwicklungen allerdings nicht.

Ich halte es sogar für gut möglich, dass viele derer, die sich die DDR zurücksehnen, der AfD ihre Stimme geben. Sie träumen von der Zeit einer linksextremen Diktatur und wählen gleichzeitig Rechtsextreme. Was zunächst wie vollständiger politischer Analphabetismus anmutet, ist auf den zweiten Blick doch nachvollziehbar. Das Vorzeichen des Extremismus ist wurschd, es zählt einzig und allein das Ergebnis. Diese Menschen wollen keine Diktatur, sie vermissen soziale Sicherheiten. Das Argument der sozialen Sicherheit hinkt allerdings mindestens genau so stark, wie die Aussage, Hitler hätte Autobahnen gebaut. Beide sind vom gleichen Schlag. Sie verschleiern, dass das negative in diesen Systemen eindeutig überwogen hat.

Das Konzept der schwierigen Antworten

Und trotzdem wenden sich immer mehr Menschen von der Demokratie ab. Sie verlangen nach einfachen Lösungen. Genau das kann ihnen die Demokratie aber nicht bieten. Eine Demokratie beruht immer auf Kompromissen. Es muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Am Ende steht eventuell eine Lösung. Aber die ist häufig schwierig und komplex.

Sich in einer Diktatur über Wasser zu halten, kann einfach sein. Viele ehemalige DDRler sind lebendiger Beweis dafür. Wer die Obrigkeit nicht hinterfragt und sich mit den Gegebenheiten arrangiert, konnte auch dort ein fast gutes Leben führen. In einer Demokratie geht das nicht. Wer 2005 alles auf Merkel setzte, steht heute praktisch mit leeren Händen da.

Die Demokratie steht also vorrangig für zähe Diskussionen und langwierige Verhandlungen. Wirklich recht kann man es in ihr keinem machen. Wenn die Mehrheit entscheidet, wird ein Teil immer der Unterlegene sein. Sie muss also Wege finden, über dieses Defizit hinwegzutrösten. Werden die Lebensbedingungen einer Diktatur als besser empfunden, dann läuft etwas gehörig schief. Kann eine Demokratie nichts mehr bieten, was die Lebensrealitäten einer Diktatur blass aussehen lässt, bleiben nur die schwierigen Antworten. Und der Mensch, sucht eben nach einfachen Antworten…

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