Folgenschweres Opfer

Lesezeit: 9 Minuten

Vor kurzem erschien Sandra Kaudelkas Film über die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht auf DVD. Im Film ist eine kämpferische, aber angeschlagene Frau zu sehen, die für ihre Sache einsteht. Im Film ist aber auch ein skrupelloser und intrigant geführter Machtkampf zu sehen, welcher der Protagonistin immer stärker zusetzt. Am Ende bleibt ihr nichts anderes als der Rückzug. Die Partei opfert damit eine der beliebtesten Politikerinnen des Landes – und verschanzt sich in der Einstelligkeit.

Eine runde Sache

Im März diesen Jahres, da war die Welt fast noch in Ordnung. Es gab zwar bereits massenweise Infektionen mit dem Coronavirus, ein Lockdown ließ allerdings noch ein paar Wochen auf sich warten. Man konnte noch in Restaurants gehen, auf Reisen gehen oder einen Film im Kino schauen. Zum Beispiel den Film über Sahra Wagenknecht von Sandra Kaudelka. Doch kaum war der Film über die Berlinale gelaufen, da fiel er wie vieles andere der Pandemie zum Opfer. Nun ist er auf DVD erschienen und kann ganz legal online gestreamt werden.

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In etwas über 90 Minuten begleitet der Film die Linken-Politikerin vom Wahlkampf 2017 über ihr politisches Wirken in Zeiten einer erneuten großen Koalition bis hin zu ihrem Rücktritt im Jahr 2019. Ihre Entscheidung, auf dem Parteitag im letzten Jahr nicht wieder für den Fraktionsvorsitz anzutreten, ist ein zentrales Element des Films. Gleich zu Beginn bekommt der Zuschauer Wagenknechts Ankündigung zu hören, zukünftig nicht mehr Fraktionsvorsitzende zu sein. Mit ebendiesem Moment schließt der Film auch. Er ist also eine runde Sache.

Aus den eigenen Reihen

Selbst wer nicht weiß, wer Sahra Wagenknecht ist und sie in diesem Film das erste Mal sieht, kann erahnen, worauf die Handlung des Films hinausläuft. Ihr Rückzug kommt und kam für keinen überraschend. Eindrücklich untermauert der Film, unter welchem Druck die Politikerin stand und dass ihr irgendwann gar nichts anderes übrigblieb, als hinzuschmeißen, wenn sie sich nicht komplett kaputtmachen wollte. Die Intrigen gegen Sahra Wagenknecht ziehen sich jedenfalls wie ein roter Faden durch den Film.

Tatsächlich untermauert Kaudelkas Film die ständigen Attacken und parteiinternen Intrigen gegen die Fraktionsvorsitzende als den wahren Grund für Wagenknechts politischen Rückzug. Oft sieht man sie in Interviewsituationen, in denen sie direkt auf das Mobbing in ihrer Partei angesprochen wird. Man sieht ihre Mitarbeiter, wie sie fassungslos die neueste Entgleisung der Parteiführung zur Kenntnis nehmen. Direkt nach einer besonders unverschämten Äußerung sieht man dessen Urheber Bernd Riexinger, wie er bereits drauf und dran ist, ein Statement vor der Presse abzugeben. Plötzlich rauscht seine Co-Vorsitzende Kipping ins Bild und drängt ihn mit den Worten „Wir müssen auf jeden Fall uns erst mal kurz verständigen“ weg von den Journalisten.

Wagenknecht selbst hat immer beteuert, der Grund für ihre Entscheidung seien gesundheitliche Probleme gewesen. Spätestens nach dem Film kann sich aber jeder vorstellen, woher diese gesundheitlichen Probleme kamen. Auch wenn Wagenknecht ein ums andere Mal auf ihren Gesundheitszustand verwies, Intrigen gegen ihre Person teilweise sogar herunterspielte, zeichnet dieser Film in Teilen ein anderes Bild. Allerdings ist völlig klar, dass der Film nicht ihre Krankheit in den Vordergrund rücken kann. Zu intim und viel zu voyeuristisch wäre er ansonsten geworden. Trotzdem sieht man Wagenknecht zigmal mit eindeutigen Erkältungssymptomen im Film.

Kein Fähnchen im Wind

Dass der Politikbetrieb das reinste Haifischbecken ist, verschleiert der Film nicht. Immer wieder sieht man sich in dieser Tätigkeit mit Angriffen von unterschiedlichen Seiten konfrontiert. Wer gestern noch Weggefährte war, kann einem heute eiskalt in den Rücken fallen. Sahra Wagenknecht kann davon sicher ein Lied singen. Verbogen hat sie sich trotzdem nie. Genau das hat sie mit Sicherheit auch für viele so unbequem gemacht. Sie war nie bereit, in essentiellen Fragen Abstriche zu machen, die Prinzipien dem Erfolg unterzuordnen. Ihr Kernanliegen waren stets die Interessen der sozial Benachteiligten. Sie ist eine Kraft, mit der man rechnen muss – und kann. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz hat in der Dokumentation „Rot, Rosa, Sahra“ einmal gesagt, Wagenknecht sei „das Gegenteil von opportunistisch“.

Wie ein Fels in der Brandung hat sie sich gerade in den letzten Jahren politisch bewährt. Sie spürte zwar, dass sich um sie herum vieles veränderte. Sie selbst wich von den meisten ihrer Positionen aber nicht ab. Das führte vielleicht auch dazu, dass man gerade in jüngerer Vergangenheit Schwierigkeiten hatte, sie politisch einzuordnen. In den 1990ern war sie selbst für viele Linke untragbar. Sogar Gregor Gysi hielt sie für zu links. Heute wird die DDR-Verteidigerin von damals immer öfter in die rechte Ecke gestellt. Eigentlich ein Phänomen.

Eine Partei auf Irrwegen

Und grundfalsch. Denn wer wirklich glaubt, unbegrenzte Einwanderung schütze am besten vor Diskriminierung, der hat unsere Wirtschaftsordnung nicht verstanden. Es ist Fakt, dass die unbegrenzte Zuwanderung auf dem Arbeitsmarkt zur Ausbeutung der Migranten führt. Der Druck auf die Stammbelegschaft wächst ebenfalls. Immer deutlicher bekommen Mitarbeitende zu spüren, dass ihre Arbeit auch für weitaus weniger Geld von zugewanderten Arbeitern gemacht werden kann. Das ist Gift für den Arbeitsmarkt und stört den gesellschaftlichen Frieden. Freier Internationalismus sieht wahrlich anders aus. Die Position, die Sahra Wagenknecht in dieser Frage vertritt, ist somit ein urlinker Standpunkt. Sie ist nicht bereit, sich dem linksliberalen Lifestyle zu unterwerfen, dem seit Jahren links der Union gefrönt wird.

Denn auch ihre eigene Partei ist auf Irrwegen. In einer besonders emotionalen Szene des Films wirft eine Parteigenossin Wagenknecht vor, jedwede Debatte zu unterdrücken. Dabei hat Sahra Wagenknecht doch wirklich keine Gelegenheit ausgelassen, neue Diskussionsräume zu eröffnen. Der enorme Widerspruch aus der eigenen Partei zeigt leider deutlich, dass jenseits der Union politisch wenig bis nichts zu reißen ist.

Besonders deutlich wird das an der von Sahra Wagenknecht mitinitiierten Sammlungsbewegung aufstehen. Diese Bewegung erfreut sich bis heute einer Vielzahl von aktiven Ortsgruppen in ganz Deutschland. Medial ist ihr Aufschrei aber längst verklungen. Das verwundert kaum, zeigten doch alle selbsternannten linksgerichteten Parteien der Bewegung die kalte Schulter. Selbst Mitglieder der Linkspartei warfen der Fraktionschefin vor, mit diesem Manöver die Partei spalten zu wollen. Dabei waren es doch deren eigene Eskapaden und Angriffe gegen Wagenknecht, die der Partei enormen Schaden zugefügt hatten. Denn die Demontage einzelner ist immer auch eine Teildemontage der gesamten Partei.

Kanzlerin Wagenknecht?

Sandra Kaudelka hat sich dazu entschlossen, Sahra Wagenknecht zwei Jahre lang zu begleiten und einen Film über sie zu drehen. Warum eigentlich ausgerechnet über Sahra Wagenknecht? Warum nicht über Gregor Gysi, Katja Kipping oder Wagenknechts Co-Vorsitzenden Dietmar Bartsch? Vermutlich, weil diese Politiker kaum Kinobesucher für mehr als 90 Minuten in den Kinositzen halten würden. Unbestritten ist Sahra Wagenknecht nämlich eine der bekanntesten Politikerinnen des Landes. Mit ihrer Geradlinigkeit, ihrem kühlen Kopf und fachlicher Kompetenz kommt sie bei den Bürgern gut an, vor allen Dingen weil sie die Menschen ernstnimmt. Keiner traut ihr zu, dass sie die Wählergunst als Spielball missbraucht. Selbst Angela Merkels Beliebtheitswerten kam sie zeitweise gefährlich nahe. Dass sie die Wunschkanzlerin von vielen ist, macht zumindest eine besonders begeisterte Dame im Film deutlich.

Trotzdem wurde Sahra Wagenknecht viel zu häufig übergangen. Bei der Elefantenrunde 2017 saß Parteichefin Kipping an ihrer statt neben Merkel, Schulz & Co. Dabei lässt der Film bereits nach wenigen Minuten erahnen, dass sich das auch Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht anders gewünscht hätte. Unstrittig ist, dass die Linke bei der Wahl 2017 Stimmen gewonnen hat. Unstrittig ist auch, dass die wenigsten damit zufrieden waren. Zu groß war der Erfolg der AfD, zu schwach das Durchdringen zu abgehängten Wählerschichten.

Folgenschweres Opfer

Winfried Kretschmann zeigte sich im Wahlkampf 2017 unzufrieden mit der Linie seiner Partei. Streckenweise prophezeite er den Grünen sogar weniger als 10 Prozent. Er sollte recht behalten. Als Grund dafür gab er an, die Partei verfolgte eine Politik, die völlig an den Realitäten vorbeiginge. In einer ähnlichen Position befindet sich Sahra Wagenknecht. Anstatt linksliberale Parolen zu schwingen und den Menschen von oben herab zu erklären, was sein darf und was nicht, hätten die Linken gut daran getan, in wesentlichen Punkten ihrer Fraktionsvorsitzenden zu folgen. Dann stünde die Partei heute mit 13 Prozent da, wo die AfD heute steht.

Ein Auffangen der Wählerinnen und Wähler, die enttäuscht der SPD den Rücken gekehrt haben, wäre nämlich durchaus möglich gewesen. Stattdessen hat man sich auf besserverdienende Wählermilieus aus dem Westen mit akademischer Bildung konzentriert. Den Wahlerfolg musste man sich mit den Grünen teilen. Denn noch nie hat eine Partei gewonnen, wenn sie das Original kopiert hat. Das lernen die Linken gerade bei den Grünen. Der wertkonservative Flügel der Union bekam es bereits beim peinlichen Mimikry der AfD zu spüren.

Das fortschrittliche Mitte-Links – Lager muss sich heute mit weniger als 40 Prozent der Stimmen begnügen. Das ist ein Problem. Anstatt es aber durch eine deutlich differenziertere und glaubwürdige linke Politik zu lösen, opfert man durch Intrigen und Machtspiele die einzige Politikerin, die diesen Aufbruch noch verkörpert. Eigentlich unverzeihlich.

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Auf ewig Opposition?

Lesedauer: 10 Minuten

Seit die SPD großspurig ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ins Rennen geschickt hat, scheint eine Option zumindest wieder denkbar: Rot-Rot-Grün. Doch nicht nur eine fehlende Mehrheit macht es vielen schwer, sich diese Konstellation ernsthaft vorzustellen. Viele Menschen zweifeln zudem an der Regierungsfähigkeit der darin wenig erprobten Linken. Ihre Bedenken stützen sich dabei immer wieder auf kurzsichtige Vorverurteilungen. Doch diese Partei hat noch andere Probleme, die es vor einer eventuellen Regierungsübernahme zu regeln gilt.

Chronisch regierungsunfähig?

Die wollen aus der NATO raus. Die wollen mit Putin kuscheln. Sie hassen die USA. Die schwimmen im beiseitegeschafften DDR-Vermögen. Wer soll das bezahlen? Diese Argumente und noch einige mehr werden regelmäßig ins Feld geführt, wenn man den Linken die Regierungsfähigkeit absprechen will. Viele dieser angeblichen Gründe sind wenig stichhaltig, manche sogar widerlegbar, andere stimmen hingegen. Die Auflösung der NATO zum Beispiel. In den Augen der Linken ist dieses Bündnis seit langem obsolet. In Zeiten des Kalten Kriegs gegründet, sollte es die westliche Welt vor der feindlichen Sowjetmacht schützen. Nun gibt es Stalin, die Mauer und die UdSSR heute nicht mehr. Die Idee der Linken, die NATO durch ein Bündnis zu ersetzen, das nicht auf Konfrontation gebürstet ist, sondern Dialog und Zusammenarbeit vorsieht, ist in dieser Hinsicht bestimmt nicht falsch. Dass das mit Russland ein hartes Stück Arbeit ist – keine Frage.

Unkonventionelle und unbequeme Forderungen machen eine Partei eben nicht automatisch regierungsunfähig. Allein der allgemeine Mythos, die Linkspartei sei partout nicht dazu in der Lage, konstruktive Regierungsarbeit zu leisten, ist von der Realität längst eingeholt. Die ausgesprochen erfolgreiche Regierungsbeteiligung in mehreren Bundesländern ist Zeugnis genug. In Thüringen stellt die Partei links der SPD seit 2014 sogar den Ministerpräsidenten. Nach fünf Jahren Ramelow konnte die Linke in Thüringen sogar noch zulegen und selbst die CDU vom Thron der stärksten politischen Kraft im Freistaat stoßen. Wenn das nicht Ausdruck von Beliebtheit und Regierungsfähigkeit ist, was dann?

Das reichste Prozent

Trotzdem kann keiner ernsthaft bestreiten, dass die Linke immer wieder mit der Vision einer Regierungsbeteiligung hadert. Und dieses Problem ist nicht vorrangig mit dem Programm der Partei zu begründen. Viel eher ist es ein personelles Problem. Genau so wie Ramelow die Regierungsfähigkeit seiner Fraktion in Thüringen verkörpert, so gibt es auf Bundesebene Vertreter, die ebendieser Fähigkeit zum Regieren diametral entgegenstehen. Das fängt schon bei der Parteispitze an. Bernd Riexinger ist nicht eingeschritten, als eine Parteikollegin davon sprach, das reichste Prozent der Bevölkerung zu erschießen. Erst auf Nachfrage witzelte er, man wollte diese Menschen lediglich zu Arbeit verpflichten. Ob man daraus schließen kann, dass er sie im Arbeitslager internieren will, sei mal dahingestellt. Fakt ist allerdings, dass diesem Mann das Gespür dafür fehlt, welche Äußerungen wann angebracht sind und welche politische Tragweite sie entwickeln können. Anstatt sich im Bundestag persönlich klipp und klar von solchem Gedankengut zu distanzieren, schickte er seine Co-Vorsitzende Kipping ins Feld, die ihn als mustergültigen Demokraten über den grünen Klee lobte.

Riexinger selbst saß währenddessen wie ein getadelter Schuljunge zwischen seinen Fraktionskollegen und wünschte sich wohl nichts sehnlicher, als unter der Fraktionsbank zu verschwinden. Als Parteivorsitzender ist er scheinbar völlig ungeeignet und wird seine Partei wohl niemals in eine Regierung führen können. Anlass dazu, seine demokratische Grundüberzeugung anzuzweifeln, gibt es wohl eher nicht. Das sieht bei einigen seiner Genossen allerdings anders aus.

So hielt seine Kollegin Gesine Lötzsch im Jahr 2011 die Eröffnungsrede bei einer Veranstaltung, die offen nach den Wegen zum Kommunismus fragte. Auch im Vorfeld war die damalige Parteichefin wegen umstrittener Äußerungen zu ebendiesem Thema bereits aufgefallen. Sie beteuerte bei der Rede allerdings ihre unbedingte Treue zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das kann man bei einer Kommunismus-Veranstaltung natürlich gerne tun. Ob man das dann glaubt, ist eine andere Frage.

Natürlich darf geschossen werden

Noch schlimmer trieb es allerdings die ebenfalls noch heute im Bundestag sitzende Ulla Jelpke. Bei genau der gleichen Veranstaltung moderierte sie eine Podiumsdiskussion, wie der Kommunismus denn am besten realisiert werden könnte. Sie diskutierte dort allen Ernstes mit prominenten Linksradikalen wie der verurteilten RAF-Terroristin Inge Viett. Diese Frau hat sich von den Entführungen, den Morden und den Anschlägen der Vereinigung nie distanziert. Auch bei besagter Diskussion rechtfertigte sie den Einsatz von Gewalt und Brandanschlägen, um die heiligen Ziele zu erreichen. Diese Einstellung deckt sich natürlich mit den Taten, die diese Frau zu ihren besten Zeiten begangen hat. Um einer Festnahme zu entgehen, schoss sie seinerzeit auf einen Polizisten, der Jahre später an den Folgen der Tat starb. Viett wurde für die Äußerungen auf der Kommunismus-Veranstaltung übrigens rechtskräftig verurteilt.

Wie weit darf die Linke gehen?
Bernd Kudanek alias bjk on Indymedia, IngeViettUllaJelpkeCC BY-SA 2.0 DE

Ulla Jelpke schien das herzlich wenig zu stören. Sie griff während der Gewaltverherrlichungen der Terroristin ebenso wenig ein, wie Riexinger bei den Eliminierungsfantasien in diesem Jahr. Stattdessen ließ sich Jelpke mit der linksradikalen Viett unter der Fahne der Linkspartei bei einer Demonstration fotografieren. Solange eine Partei solche Personen in ihren Reihen duldet und dafür auch noch die Parteifahne zur Verfügung stellt, sollte sie wirklich keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Ein Unrechtsstaat?

Dass die Linke auch anders kann, stellte sie bereits mehrfach unter Beweis. Seit 2006 stellt sie mit Petra Pau eine Vizepräsidentin des Bundestags, die nun wirklich nicht unter Extremismusverdacht steht. Lange Zeit wurde die Bundestagsfraktion von einer Frau mitgeleitet, die noch vor einigen Jahren als untragbare Verfechterin der DDR und des Kommunismus verschrien war. Heute ist Sahra Wagenknecht glatt zur Vorzeigepolitikerin der Linken aufgestiegen. Gegner nehmen sie inzwischen nicht mehr als versponnene DDR-Nostalgikerin wahr, sondern immer mehr als ernstzunehmende Stimme aus der Opposition. Sie setzen sich mit ihr verstärkt inhaltlich auseinander, ohne ihr die Berechtigung abzusprechen, Politikerin zu sein.

Das wohl bekannteste Argument, warum die Linkspartei so abgöttisch regierungsfähig sei, ist mit Sicherheit der Umgang der Partei mit der DDR-Vergangenheit. So weigert sich ein Großteil der Partei bis heute, die DDR als Unrechtsstaat anzuerkennen. In den Augen vieler Parteimitglieder kann die DDR schon deshalb kein Unrechtsstaat gewesen sein, weil bereits das Dritte Reich mit diesem Begriff belegt ist. Kunststück. Aber folgt man dieser Ideologie, so sind die Begriffe „Unrechtsstaat“ und „Nazi-Deutschland“ untrennbar miteinander verwoben. Für viele Linke sind es Synonyme. Vor einer Wahrheit verschließen sie dabei jedoch die Augen: Es gibt schier unendlich viele Wege, Recht zu brechen und Unrecht zu verbreiten. Es gibt aber nur eine Möglichkeit, sich an Recht zu halten.

(K)ein legitimer Versuch

Selbstverständlich war die DDR ein Unrechtsstaat. Dieser Staat fußte darauf, einer beträchtlichen Zahl seiner Bürgerinnen und Bürger elementare Rechte abzuerkennen. Mit Stasi, Spitzeleien und allgegenwärtigem Druck sollte das Volk unter Kontrolle gehalten werden. Natürlich ist das Unrecht. Das heißt aber nicht, dass die DDR eine Unrechtsgesellschaft war, genau so wenig wie das Dritte Reich. Die meisten Menschen arrangierten sich lediglich mit den Zuständen, weil sie zu viel zu verlieren hatten. Ihnen im Nachhinein einzureden, ihre Leben wären Unrecht gewesen oder waren vergeudet, halte ich für grundfalsch. Vielleicht sträubt sich die Linke auch deshalb gegen den Begriff des Unrechtsstaats.

Aber selbst die meisten Linken sehen ein, dass die DDR natürlich kein Rechtsstaat war. Bis auf wenige Ausnahmen: Die damalige linke Spitzenkandidatin für NRW Bärbel Beuermann bezeichnete die DDR im Wahlkampf als legitimen Versuch, den Kommunismus zu etablieren, zumindest aus Sicht der Menschen damals. Und als ob das noch nicht genug wäre, zweifelte sie die Rechtmäßigkeit des Verfassungsschutzes an. Natürlich gibt es gewichtige Gründe, nach NSU, Lübcke und Hanau die Effektivität des Verfassungsschutzes anzuzweifeln. Aber ihn gleich für überflüssig zu erklären?

Die Demokratie kann’s besser

Ähnlich geschichtsvergessen zeigen sich viele Linke auch, wenn es daraus geht, die Lehren aus dem DDR-Unrecht zu ziehen. So wandte sich die Linken-Abgeordnete Simone Barrientos in ihrer Bundestagsrede am 13. Dezember 2019 strikt gegen ein Mahnmal der Gewaltherrschaft in der DDR. Stattdessen versteifen sich viele Linke darauf, die Vorzüge der DDR geradezu zu glorifizieren. Sie sprechen davon, dass es die sozialen Ungleichheiten wie wir sie heute erleben, in der DDR nicht gegeben hätte. Na und? Anstatt der DDR in diesem Punkt nachzueifern und sich die alten Zeiten im schlimmsten Falle sogar zurückzuwünschen, müssten solche Erkenntnisse jede funktionierende Demokratie doch dazu anspornen, es noch besser zu machen. Und zwar ohne staatsverordneten Terrorismus.

Ein anderer Blick auf die DDR ist nötig und bestimmt kein Zeugnis von Regierungsunfähigkeit. Dieses Misstrauen gegenüber den Linken muss endlich abgebaut werden – von der einen Seite wie auch von der anderen. Unangebrachte Stasi-Vergleiche stärken das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wenig wie obsessive DDR-Nostalgien und das Gerede von Erschießungen. Solange die Linke diese notwendigen Schritte nicht macht, wird sie für einen Großteil der Menschen immer regierungsunfähig bleiben.


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