Eine Klientelpartei hebt ab

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Das Votum der Wählerinnen und Wähler bei der letzten Bundestagswahl war eindeutig: Nach sechzehn Jahren in der Opposition sollten die Grünen wieder Regierungsverantwortung tragen. Besonders gut schnitt die Partei bei den Erstwählern ab. Knapp anderthalb Jahre nach Vereidigung der Ampel wird jedoch immer deutlicher, dass die Grünen zwar viele gute Ideen haben, aber leider keinen Plan. Sie wären gerne Volkspartei, sind diesem Anspruch auf Bundesebene aber nicht gewachsen. Sie können viel bewegen, aber lenken sollten sie nicht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis ‘90/Die Grünen) hat in seiner Amtszeit bisher wenig mit Kompetenz geglänzt. Zu Beginn des Jahres musste ihm sogar vor laufender Kamera erklärt werden, was eine Insolvenz ist. Auch seine jüngsten Äußerungen und Pläne bezüglich des Einbaus von Wärmepumpen schlagen hohe Wellen. Seine Absichten mögen noch so gut sein, ohne Plan richtet er mehr Schaden als Nutzen an. Er steht exemplarisch für die kopflose Politik einer ganzen Partei.

Gut gemeint

Die Grünen mussten in ihrer Parteigeschichte schon so manchen Shitstorm über sich ergehen lassen. In ihren Anfangstagen galt die neue Partei als Unruhestifterin, in der sich minderbemittelte und wenig leistungsfreudige Studienabbrecher zusammenfanden. Mittlerweile hat sich die Partei etabliert und ist aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Doch die Unkenrufe von damals flammen in den letzten Jahren wieder auf. Besonders Rechtsaußen überzieht die Grünen mit einer Diffamierungskampagne, die nicht selten jegliches Gespür für Anstand und Sitte vermissen lässt.

Leider begegnen die Grünen diesen plumpen Stammtischparolen nicht mit überzeugender und guter Politik. Stattdessen verirren sich in ideologischen Abenteuern und machen sich durch eine künstliche moralische Aufwertung unangreifbar. Sie profitieren dabei von der Tatsache, dass ihre Ideen und Vorstellungen bei einzelner Betrachtung wirklich nicht schlecht sind.

Atomkraftwerke sind ein enormes Sicherheitsrisiko. Ein kleiner Störfall reicht im Zweifelsfall aus, um ganze Regionen für Jahrhunderte mit radioaktiver Strahlung zu verseuchen. Die Kohle ist eine klimapolitische Todsünde. Ihre Emissionen tragen maßgeblich zur globalen Erwärmung bei. Putin ist ein skrupelloser Aggressor. Der Überfall auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist.

So recht die Grünen mit vielen ihrer Anliegen haben mögen: Politik setzt sich nicht aus gutgemeinten Einzelforderungen zusammen. Es ist das Gesamtbild, das zählt. Die komplette Erfüllung mancher Forderungen der Grünen steht im Widerspruch zu anderen Zielen der Partei. Ein gleichzeitiger Ausstieg aus Atomkraft und Kohle birgt das Risiko einer energetischen Unterversorgung. Die erneuerbaren Energien wurden unter Kanzlerin Merkel sträflich vernachlässigt. Das zu beklagen allein, macht die Versäumnisse der Vergangenheit nicht wett.

Realitätscheck

Anscheinend merken auch immer mehr Grünen-Wähler, dass von dieser Partei kein großer Wurf zu erwarten ist. In Umfragen fielen die Grünen jüngst sogar wieder hinter die AfD zurück. Sie erleben diesen Rückgang an Zustimmung nicht zum ersten Mal: Schon nach der Nominierung von Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin vor zwei Jahren konnten die Grünen ihre Traumergebnisse von deutlich über 20 Prozent in den Umfragen nicht halten. Den potenziellen Wählern missfiel damals anscheinend, dass Robert Habeck als Kandidat der Herzen eine Absage erteilt wurde.

Doch auch der Sunnyboy der Grünen wird ganz offensichtlich an seinen Taten gemessen. Immer mehr Menschen scheint die gutgemeinte Politik der Bündnisgrünen nicht mehr zu reichen. Dabei vermochte es die Partei bei der letzten Bundestagswahl meisterlich, die wichtigen Erstwähler von sich zu überzeugen.

Eine Klientelpartei hebt ab

Die Grünen haben das Potenzial, vielen Wählerinnen und Wählern eine politische Heimat zu bieten. Bei ihrer Gründung füllten sie geschickt eine politische Repräsentationslücke und brachten ordentlich Schwung in den Laden. Den rebellischen Gründungsgeist haben die Grünen heute freilich abgelegt und dennoch ist der schwindende Zuspruch nicht nur ein Problem für die Partei selbst. Auch wenn die Grünen für die AfD das Feindbild überhaupt sind, ist es durchaus denkbar, dass manche Wähler in den Grünen das letzte demokratische Ventil für ihre politische Enttäuschung sahen – und nun den Gegnern der Demokratie ihre Stimme geben.

Es bewahrheitet sich nun, was schon im Bundestagswahlkampf 2021 überdeutlich war: Die Grünen überschätzen sich in ihrer Rolle und in ihren Möglichkeiten maßlos. Auch wenn es auf Länderebene teilweise anders aussieht, sind sie im Bund nach wie vor eine Klientelpartei. Sie vertreten die Interessen einer bestimmten Gruppe in der Bevölkerung. Der Anspruch, eine Volkspartei zu sein, welche die Breite der Bevölkerung repräsentiert, ist vermessen und abgehoben.

In ihrem Programm finden sich durchaus populäre Einzelforderungen, mit denen sie in einer Regierung grüne Akzente setzen können. In einer Koalition mit der SPD können sie den Unterschied machen, ob sich die Regierung an bürgerlichen und liberalen Themen orientiert oder einen linken Kurs verfolgt. Es fehlt ihnen jedoch die Gesamtvision in Form einer kohärenten Politik, was sie als führende Kraft in einer wie auch immer gearteten Regierung disqualifiziert. Aus diesem Grund wirkte auch Annalena Baerbocks Kanzlerkandidatur unglaubwürdig und streckenweise grotesk.

(K)eine Konkurrenz für die Volksparteien

Bei einem so starken Wahlergebnis wie nach der Bundestagswahl 2021 ist es zwangsläufig, dass die Grünen früher oder später enttäuschen. Einen anderen Weg hat die Partei beispielsweise in Baden-Württemberg eingeschlagen. Dort ist sie inzwischen fest als Volkspartei etabliert. Sie hat ihren Gründungsgedanken geopfert und macht den ehemaligen Volksparteien ordentlich Konkurrenz. Unter Kretschmann hat sich die Partei immer mehr dem bürgerlichen Spektrum angenähert und die CDU teilweise obsolet werden lassen. Auch das ist einer der Gründe, warum die Konservativen in ihrem ehemaligen Stammbundesland inzwischen so schwach abschneiden.

Auf Bundesebene sind die Grünen noch lange nicht so weit, andere Volksparteien zu ersetzen. Viel mehr profitieren sie von einem allgemeinen Trend, der dem Konzept der Volksparteien eindeutig zuwiderläuft. Doch wie es aussieht, hat sich diese Erkenntnis zumindest auf der Regierungsbank noch nicht durchgesetzt. In der Folge eifert der grüne Wirtschaftsminister einer Fantasterei nach der anderen hinterher und merkt nicht, dass er damit nicht nur Deutschlands Rolle als Handels- und Wirtschaftspartner auf’s Spiel setzt, sondern den Alltag vieler Menschen im Land immer unerträglicher macht.

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Verhandeln statt schießen

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Der Krieg in der Ukraine ist die größte Katastrophe, die Europa in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Die Brutalität, mit der Putin vorgeht, hat uns alle überrumpelt und geschockt. Führende Politiker stimmen die Menschen auf harte Zeiten ein. Besonders der drohende Importstopp für Rohstoffe aus Russland wird nicht spurlos an uns vorübergehen. Die Verzichtsrhetorik verkennt allerdings die Lebensrealität von vielen Menschen im Land. Wenn sie nicht schon davor am Nötigsten sparen mussten, dann spätestens seit der Pandemie. Auch der Umstieg auf Öl aus Katar wird die explodierenden Preise kaum bremsen können. Letztendlich spielt die Herkunft von Öl und Gas eine untergeordnete Rolle, wenn es darum geht, einen Krieg zu beenden und Menschenleben zu retten.

Geschlossene Einigkeit

Seit fünf Wochen bombardiert Putin die Ukraine. Seit 35 Tagen verlassen Familien ihre Heimatdörfer. Sie verstecken sich in U-Bahn – Schächten, bewaffnen sich, viele wissen nicht, wie es ihren nächsten Angehörigen geht. Am Berliner Hauptbahnhof kommen täglich tausende Flüchtende an. In anderen europäischen Ländern ist die Lage ähnlich. Niemals dürfen wir uns mit solchen Zuständen abfinden. Das Entsetzen hält an, die Friedensdemos reißen nicht ab.

Auch viele Vereine, Organisationen und Stiftungen erklären sich weiterhin solidarisch mit der Ukraine. Immer lauter werden die Rufe nach Konsequenzen für Russland. Die Vereinten Nationen haben Russlands Einmarsch in der Ukraine eindeutig als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilt. Viele Nationen beteiligen sich an den finanziellen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, die einen Importstopp für Rohstoffe aus Russland verlangen.

Der Preis der Freiheit

Die Begründung der Maßnahme ist simpel, ihr Ziel überaus edel. Viele sehen es als besonderen Akt der Solidarität mit der Ukraine, wenn wir mit unseren Importen nicht länger Putins Kriegskassen füllen. Der Verzicht von Rohstoffen aus Russland bedeutet spürbare Einschränkungen. Führende Politiker sprechen hier vom Preis der Freiheit. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck schwört die Bevölkerung darauf ein, dass es durchaus angemessen ist, einen Winter lang zu frieren, um ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen.

Ob der nächste Winter besonders kalt wird, bleibt abzuwarten. Der Frühling hat noch gar nicht richtig angefangen. Wir sprechen von einer Zeit, die in weiter Ferne liegt. Immer mehr Menschen spüren aber schon heute, dass der Verzicht längst Einzug hält. Ein Blick in die Supermarktregale reicht aus, um das zu sehen. Vor allem Speiseöl wird immer knapper. Wie in der ersten Coronawelle informieren die Geschäfte auf leuchtenden Zetteln über die geltenden Ausgabebeschränkungen.

Angesichts ihrer Lebensrealität empfinden es manche Menschen als absurd, wenn man sie heute darauf einstimmt, dass sie im kommenden Winter verzichten müssen. Sie tun es bereits heute. Die Energiepreise steigen nicht erst seit Putins Überfall auf die Ukraine. Die Entscheidung Essen oder Heizen müssen schon heute zu viele in Deutschland treffen.

Es wird den meisten nicht gefallen, dass wir nahtlos von einer in die nächste Krise rutschen. Corona hat den Menschen enorm viel abverlangt. Verzicht war etwas, was jeder in dieser schweren Zeit kennengelernt hat. Die Menschen nehmen die Aussicht auf einen kalten Winter im Frühjahr 2022 noch zähneknirschend hin. Die Stimmung kann in einem guten halben Jahr aber leicht kippen.

Erstrebenswertes Bündnis?

Die Bundesregierung hat aber schon einen Plan, wie sie die Energieversorgung des Landes sicherstellen möchte. Statt aus Russland soll unser Öl künftig aus Katar kommen. Wirtschaftsminister Robert Habeck ist dazu beim katarischen Energieminister Saad Scharida al-Kaabi bereits vorstellig geworden. Der Umstieg dürfte mit längeren Lieferzeiten einhergehen, welche die preisliche Attraktivität des Öls sicher nicht steigern werden. Trotzdem ist man entschlossen, die russischen Rohstoffimporte um jeden Preis zu boykottieren. Putins Kriegskassen dürfen nicht durch unseren Energiebedarf gefüllt werden.

Die Regierung wird bei diesem Schritt lange mit sich gerungen haben. Sie blenden dabei aber aus, dass es die Bevölkerung sein wird, die den größten Schaden dieser Wirtschaftssanktionen davonträgt. Sie müssen das teurere Öl aus Katar bezahlen, obwohl die Energiepreise schon heute durch die Decke gehen. Putin kann den Entschluss Deutschlands dafür gelassen nehmen: Er kann sich seine Kassen mittelfristig auch durch Energieimporte in andere Länder füllen. China ist dafür prädestiniert. Ob ein Bündnis zwischen diesen beiden Ländern wirklich erstrebenswert ist?

Diplomatie statt Krieg

Das Argument, man dürfe diktatorische Machthaber und Aggressoren nicht sponsern ist aller Ehren wert, aber genau deshalb mutet der Schritt in Richtung Katar auch so scheinheilig an. Menschenrechtsverletzungen stehen dort an der Tagesordnung, Grundlage für die dortigen Gesetze ist die Scharia. Frauen sind dort nicht Menschen zweiter Klasse, es sind überhaupt keine Menschen. Auf der Flucht vor Russland und auf der Suche nach der reinen Weste knickt unser Wirtschaftsminister buchstäblich ein und lässt sich dabei ablichten. Dieses Bild wird garantiert in die Geschichte eingehen. Es ist beschämend, dass das Vorgehen der Regierung so gefeiert wird.

Mit aller Macht will man sich von Putin und seinem Regime distanzieren. Es ist richtig, wenn die Staaten dieser Welt den Angriff auf die Ukraine als das bezeichnen, was er ist: ein Verbrechen. Trotzdem darf diese strikte Ablehnung des russischen Vorgehens keine Sackgasse sein. Es muss auch eine Zukunft mit Russland geben, sonst hätte Putin erreicht, was er wollte.

Auch wenn vieles dagegenspricht und es sich falsch anfühlt: die Gesprächskanäle nach Russland müssen geöffnet bleiben. Verhandlungen mit der russischen Seite sind nicht gleichbedeutend mit einer Ergebung gegenüber dem Aggressor und sie liefern uns auch nicht schutzlos Putin aus. Das Festhalten an Diplomatie ist stattdessen ein Zeichen von Stärke und Rückgrat. Es würde nämlich zeigen, dass wir verstanden haben, worum es geht: das sinnlose Blutvergießen zu stoppen.

Keine Zeit zum Rechthaben

Sich komplett von Russland abzuwenden, würde das gegenteilige Signal aussenden. Dann ginge es nicht darum, Leben zu retten, sondern darum rechtzuhaben. Ziel solcher Verhandlungen dürfte nicht sein, Russland jedes Zugeständnis zu machen. Es muss darum gehen, klare Bedingungen zu artikulieren, mit der beide Seiten leben können. Außerdem muss verhindert werden, dass der Konflikt in ein paar Monaten oder Jahren erneut eskaliert. Die Ukraine zur neutralen Zone zu erklären, wäre hier ein sinnvoller Vorstoß.

Damit wäre ein grundsätzliches Anliegen von Russland erfüllt. Putin hätte es in der Folge schwerer, seinen Krieg zu rechtfertigen. Natürlich weiß das auch Putin. Es bedarf kluger Verhandlungsführer, um den Frieden in Europa wiederherzustellen. Auch der Westen müsste dabei Abstriche machen. Letztendlich kämen dabei aber alle Beteiligten deutlich besser weg, als wenn wir uns gleich von der nächsten Diktatur abhängig machten. Der Krieg in der Ukraine endet nicht automatisch damit, dass wir unser Öl künftig aus dem arabischen Raum beziehen. Er darf aber auch nicht erst enden, wenn sämtliche Munition verschossen ist und ein Land dem Erdboden gleichgemacht wurde.

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