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Um den Einzug ins Kanzleramt streiten vor der anstehenden Bundestagswahl dieses Mal drei Kandidaten. Einer von ihnen hat besonders gute Chancen: Seit Wochen stellt Olaf Scholz (SPD) seine Kontrahenten in den Schatten. Scholz gibt sich in Interviews offen für verschiedene Regierungskonstellationen. Doch ein anonymer Informant behauptet nun, dass sich Kanzlerkandidat Scholz längst auf eine Koalition festgelegt hat. Die kommenden vier Jahre wolle er vor allem dazu nutzen, Rache an der Union zu nehmen.
Ungleicher Dreikampf
In drei Wochen ist Bundestagswahl. Lange gab es nicht mehr so viel zu entscheiden wie bei dieser Wahl. Ein Sieg von Angela Merkel und ihrer CDU galt bei den letzten Wahlen stets als sicher. Der Einzug der AfD in den Bundestag vor vier Jahren zementierte Merkels Macht dann vollkommen. Völlig richtig stellte sie noch am Wahlabend fest, dass gegen sie und ihre Partei keine Regierung gebildet werden könnte. Bei der Wahl am 26. September sieht das nun völlig anders aus: Merkel kündigte bereits 2019 an, nicht mehr als Kanzlerkandidatin anzutreten. Ihr Nachfolger Armin Laschet reitet die CDU von einem Umfragetief zum nächsten.
Die politische Konkurrenz kann davon nur profitieren. Neben Armin Laschet haben sich in den vergangenen Monaten Olaf Scholz von der SPD und Annalena Baerbock von den Grünen als Kanzlerkandidaten in Stellung gebracht. Die jüngsten Entwicklungen im Rennen auf das Kanzleramt sind eindeutig: Sowohl in den Umfragewerten der Parteien als auch bei den persönlichen Beliebtheitswerten liegt Olaf Scholz klar vorne. Ihm trauen die Menschen im Land am ehesten zu, Deutschland in den kommenden Jahren zu regieren.
Ein überraschendes Comeback
Angesprochen auf mögliche Regierungskoalitionen wollte Olaf Scholz beim ersten Kanzler-Triell nichts ausschließen. Selbst eine Koalition mit den Linken hielt er für möglich, wenn es entsprechende Bewegungen vonseiten der Partei gäbe. Ein interner Whistleblower behauptet nun aber, dass sich Scholz längst auf eine Zielkoalition festgelegt hätte.
Der anonyme Informant verfügt über beste Verbindungen ins Innere der SPD-Parteizentrale und kann bestätigen: Am liebsten würde Olaf Scholz die Koalition mit der Union weiterführen. Diese Option sei bei den vor Wahlen üblichen Spekulationen völlig aus dem Blick geraten und könnte noch in diesem Herbst ihr überraschendes Comeback feiern.
Methode „Kretschmann“
Die Verbindungsperson aus der SPD führte weiter aus, dass es Olaf Scholz nicht so sehr um das Zustandekommen einer Großen Koalition ginge. Momentan lägen Union und Grüne in Umfragen sowieso viel zu dicht beieinander. Verlässliche Aussagen, mit welcher der beiden Parteien eine Große Koalition zustandekommen könnte, wären daher verfrüht.
Viel eher möchte sich Olaf Scholz durch eine Koalition an der Union für die jahrelangen Demütigungen und die völlige Demontage seiner SPD rächen. Viel zu lange habe sich die ehemalige Volkspartei im Dienste des Staates für die Union verbogen und eine Kröte nach der anderen geschluckt. Angeblich soll sich Olaf Scholz bei seinen Bemühungen am baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) orientieren. Dieser hatte die CDU bereits 2016 mit einer Großen Koalition in die Knie gezwungen. Nach der Landtagswahl Anfang des Jahres kostete er seinen Triumph über den Koalitionspartner weiter aus, indem er den desolaten Zustand der CDU ausnutze und ihr eine weitere GroKo aufzwang.
Eine Reihe von Möglichkeiten
Wie auch in Baden-Württemberg werden Ende September mehrere Alternativen jenseits der Großen Koalition möglich sein. So spekuliert Christian Lindner auf eine Regierungsbeteiligung der FDP. Möglich wäre das in verschiedenen Konstellationen. Am wahrscheinlichsten galt lange die Ampelkoalition mit SPD und Grünen. Sollte das Hoch der SPD allerdings Bestand haben, wären die Liberalen für diese Koalition nicht mehr vonnöten. Eine rot-grüne Koalition käme dann auch ohne Lindner auf eine Mehrheit.
Doch egal, wie man es dreht und wendet: Die SPD mischt bei den meisten Farbenspielen mit. Gefährlich werden könnte für Olaf Scholz allerdings der vielgehypte Zusammenschluss von Union und Grünen. Bereits vor den letzten Bundestagswahlen hatten die Grünen keine Gelegenheit ausgelassen, um in Richtung CDU zu blinken. Doch besonders nach den jüngsten Umfragewerten müsste diese Koalition um Lindners FDP erweitert werden. Und das Experiment „Jamaika“ ist vor vier Jahren bekanntlich gescheitert, bevor es richtig losging.
Scholz kann Kanzlerin
Im Prinzip kann Olaf Scholz daher gelassen in Richtung Wahlen blicken. Seine Wunschkoalition mit der CDU ist kein unwahrscheinliches Szenario. Nicht nur die zu erwartenden Mehrheiten spielen Scholz dabei in die Hände, sondern auch sein ausgeprägtes Merkel’sches Talent. Immerhin weist der Kanzler in spe einige Gemeinsamkeiten mit der scheidenden Regierungschefin auf.
Zum einen hat er wie sein Vorbild Angela die Ausstrahlung einer Schlaftablette. Nur ab und zu, und dann völlig unerwartet, lässt er sich zu flapsigen Kommentaren und kurzzeitig emotionalen Momenten hinreißen. Sein Rückgrat ist aus Teflon und kann beliebig verbogen und verdreht werden – viele Jahre Große Koalition waren eine gute Schule.
Er wies dabei stets eine gewisse Distanz zur Grundausrichtung seiner Partei auf. Ein gestandener Sozialdemokrat ist er nicht. Seine politische Laufbahn ist die eines Machtpolitikers, der zur Not fast jeden Kompromiss macht, um nicht unterzugehen. Ähnlich wie Merkel hätte er auch in einer anderen großen Partei Karriere machen können.
Und auch wie Mutti ist er nur deshalb Kanzlerkandidat geworden, weil gerade kein besserer Kandidat zur Hand war. Mit den Fotos für den Spiegel, auf denen er stolz mit Merkelraute posiert, stellte er dann endgültig klar, auf welchen Regierungskurs sich das Land in den nächsten Jahren vorzubereiten hat.
Ein ewiger Kanzler?
Für viele Politikwissenschaftler kommen die Enthüllungen des Insiders nicht überraschend. Trotzdem äußern sich einige besorgt über den Regierungsstil á la Merkel und Scholz. Die meisten Forscher gehen sicher davon aus, dass Olaf Scholz das Rennen um das Kanzleramt machen wird. Für diesen Fall sehen sie voraus, dass sich mögliche Koalitionspartner die Zähne an der Profillosigkeit der SPD ausbeißen werden. Sie prognostizieren, dass Scholz seine Mehrheitsbeschaffer in Grund und Boden regieren wird. Darum halten sie eine Koalition mit der Union auch für am wahrscheinlichsten.
Samuel Peter Derff, Politologe an der Universität Jena, malt ein eher düsteres Bild: „In den vergangenen Jahren hat sich bei der SPD viel Frust aufgebaut. In einer Koalition mit der CDU lässt sich da vieles wettmachen. Allerdings ist eine langjährige Kanzlerschaft von Olaf Scholz zu erwarten.“ Derffs Kollegen schätzen die zu erwartende Amtszeit Scholz‘ auf mindestens zwanzig Jahre. In dieser Zeit wird er vermutlich in wechselnden Koalitionen regieren und seine ehemaligen Partner stets ausgeblutet zurücklassen.
Der Politjournalist Christopher Darian Ulmen gibt allerdings zu bedenken: „Merkel…äh, Scholz wird die politische Landschaft im Land weiter diversifizieren. Wir werden uns künftig nicht nur auf Kanzlertrielle, sondern wohl auch auf -quartelle und -quintelle einstellen müssen.“