Schlechte Stimmung

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Jeder Fünfte in Deutschland hat schlechte Laune. Folgt man der Scholz’schen Logik und traut man den aktuellen Umfragewerten der Parteien, dann müsste das so sein. Denn laut dem Bundeskanzler ist die AfD ein Sammelbecken für Miesepeter, die mit Zukunftsvisionen nichts anfangen können und lieber in der Vergangenheit leben wollen. Die eigene Mitverantwortung für den Siegeszug der Rechtsextremen klammert der Regierungschef bequem aus. Ein Umlenken der Parteien reicht indes nicht mehr. Nötig sind neue direktdemokratische Elemente, die den Bürgern eine Mitentscheidung an wichtigen Entwicklungen garantieren.

Werbung für die AfD

Nie stand die AfD höher in der Gunst der Wähler als heute. Jüngste Umfragen sehen die rechtsextreme Partei bei fast 20 Prozent. Das ist deutlich mehr als die SPD während der letzten Großen Koalition an Umfragewerten einfahren konnte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht dafür eine ganz einfache Ursache: Seiner Meinung nach lege die AfD in den aktuellen krisengeschüttelten Zeiten großen Wert darauf, schlecht gelaunt auf die Vergangenheit zu verweisen. Damit verunsichere sie die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich und zeichne ein besonders düsteres Bild des Landes, welches so gar nicht existiere. Mit solchen Äußerungen schiebt der Kanzler der AfD einen weiteren Prozentpunkt zu.

Die meisten Menschen, welche die AfD wählen, sind nicht schlecht gelaunt. Sie spüren, dass sich viele Bereiche sehr negativ entwickeln und machen sich zurecht Sorgen um ihre Zukunft. Sie sind damit nicht allein: Die Stimmung im Land ist so schlecht wie selten. Das Zerrbild unserer Gesellschaft entsteht, wenn man mit unüberlegten Äußerungen zur AfD allen anderen Wählerinnen und Wählern grundsätzliche Zufriedenheit unterstellt. Alle Menschen spüren, dass sie sich auf vieles nicht mehr verlassen können, was früher einmal selbstverständlich war.

Ein Land auf Talfahrt

In der Bevölkerung rumort es ganz gehörig: Kaum eine Woche vergeht, in der nicht über Tarifstreits bei der Bahn berichtet wird. Hin und wieder drohen die Gewerkschaften Mega-Streiks an, die dann zwar ausbleiben, ihre verunsichernde Wirkung aber nicht verfehlen. Auch andere Berufszweige zeigen sich inzwischen streikfreudiger als je zuvor. So protestierten zunächst die Apotheker wegen der allgemein schlechten Gesundheitsversorgung und der um sich greifenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln und dann auch noch die Ärzte, die das kaputtgesparte Gesundheitswesen nicht länger hinnehmen wollen.

Währenddessen schießen die Lebenshaltungskosten durch die Decke. Der Einkauf im Supermarkt treibt immer mehr Menschen an die Grenze der Zahlungsunfähigkeit, während eine gut geheizte und durchgängig mit Strom versorgte Wohnung für manche langsam zum Luxus wird. Ob versandte Briefe tatsächlich ankommen oder ob der Zug pünktlich und ohne Störungen am Ziel ankommt, erinnert mittlerweile an ein Lottospiel.

Der vielbeschworene Blick in die Zukunft verheißt ebenso nichts Gutes: Im April verkündete eine Ludwigshafener Grundschule, dass 40 ihrer Erstklässler das Klassenziel voraussichtlich nicht erreichen würden. Es ist zynisch, in diesem Zusammenhang von hinter’s Licht geführten schlecht gelaunten Wählern zu sprechen.

Demokratienachhilfe

Ganz offensichtlich hat Kanzler Scholz den Ernst der Lage nicht begriffen. Diese Menschen sind keine Miesepeter, sondern verlorene Wähler. Mit jeder Krise und jedem unnötigen Kommentar wird es schwieriger, sie wieder in den demokratischen Diskurs einzubinden. Dabei war es von Anfang an verpönt, zur AfD übergelaufene Wähler zurückzugewinnen. Mit Rechtsextremen wollte man schließlich nichts zu tun haben. Diese Sichtweise war vermittelbar, als die AfD nur vereinzelt in den Parlamenten saß und bundesweit bei 5 oder 6 Prozent lag. Wenn inzwischen fast jeder fünfte Wähler die AfD einer echten demokratischen Partei vorzieht, muss es die oberste Aufgabe aller anderen Parteien sein, um ebenjene Wähler zu ringen.

Die Bemerkung von Olaf Scholz reiht sich nahtlos ein in eine Kette von Statements und rhetorischen Tiefschlägen, die vor Verachtung für verlorengegangene Wähler nur so triefen. Jeder Grund für ihre Sorgen und Nöte wird ihnen abgesprochen. Sie seien nur nicht schlau genug, die Bemühungen und angeblichen Erfolge der Regierung zu sehen. Andersrum wird ein Schuh daraus: Wenn die Menschen sich abwenden und die Ergebnisse der Politik nicht anerkennen, dann haben die Politiker etwas falschgemacht und nicht die Wähler. Genau so läuft es in einer Demokratie.

Demokratie 2.0

Der einst starke Draht zwischen Wählerinnen und Wählern einerseits und der Politik andererseits ist kaum noch mehr als ein seidener Faden. Immer mehr Menschen wandern ins Nichtwählerlager ab. Andere wählen aus Frust und Enttäuschung die AfD oder sympathisieren mit einer möglichen Wagenknecht-Partei. Diese Entscheidung kann man sehen, wie man will. Sie zeigt aber auch eines: Der Wille mitzureden und im besten Falle mitzuentscheiden ist bei diesen Menschen noch nicht verloren. Gerade deshalb ist es so wichtig, sie vom Irrweg der extremen Rechten auf den demokratischen Pfad zurückzuführen.

Selbst komplette Neuausrichtungen einzelner Parteien reichen dazu vermutlich nicht aus. Es wird immer deutlicher, dass wichtige Instrumente einer nachhaltigen Demokratie fehlen: Bundesweite Volksentscheide und regelmäßige Abstimmungen gäben den Menschen das Gefühl und die Gewissheit, dass sie bei wichtigen Entscheidungen ein Mitspracherecht haben.

Die Möglichkeit von Volkseinwänden würde diese demokratische Kultur weiter stärken. Das Volk könnte die gewählten Abgeordneten damit dazu auffordern, kritische Gesetzesvorhaben nochmals zu prüfen. In letzter Konsequenz könnten die Bürgerinnen und Bürger sogar Gesetze zu Fall bringen, wenn sie in der Bevölkerung nicht ausreichend Rückhalt finden.

Solche direktdemokratischen Elemente sind kein Verrat am Parlamentarismus, sondern eine gewinnbringende Ergänzung dazu. Sie sind kein pauschales Misstrauensvotum gegen die Abgeordneten, sondern stellen sicher, dass der Draht zwischen ihnen und den Wählerinnen und Wählern stark und intakt bleibt. Viel besser könnten die Politikerinnen und Politiker dadurch einschätzen, was ihre Wähler wirklich wollen. Direkte Demokratie auf Bundesebene ist eine Chance, mit denen das „Die da oben“ in Zukunft leiser wird.

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Zum Scheitern verurteilt

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Nach Anne Spiegel (Grüne) im Frühjahr 2022 hieß es nun auch für Christine Lambrecht (SPD) Abschied nehmen von der aktiven Regierungsarbeit. Nach gut einem Jahr Ampel sind schon zwei Ministerinnen zurückgetreten, weil sie sich grobe Fehler geleistet haben. Lambrecht war als Verteidigungsministerin von Anfang an umstritten. Auch ihre langjährige Regierungserfahrung bewahrte sie nicht vor ihrem unrühmlichen politischen Ende. Im Kabinett hinterließ sie eine Lücke, die nicht so leicht zu füllen war. Lange zögerte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), weil es keine geeignete Kandidatin gab, die den Job machen wollte. Letzten Endes warf der Kanzler die Parität im Kabinett über Bord und leistete dem Ansinnen der Gleichstellung damit in vielerlei Hinsicht einen Bärendienst.

Steil nach oben, steil nach unten

Boris Pistorius ist der neue Bundesverteidigungsminister. Der erfahrene SPD-Politiker folgt auf Parteikollegin Christine Lambrecht, die den Posten nach einer Reihe von Versäumnissen, Schlampereien und Faux-pas räumen musste. Wie auch seine Vorgängerin hat der ehemalige Landesminister aus Niedersachsen eine steile Karriere hinter sich. Es bleibt abzuwarten, ob er den gleichen steilen Pfad abwärts nimmt wie vor ihm Karl-Theodor zu Guttenberg, Flintenuschi, AKK oder jüngst Christine Lambrecht.

Denn steil war die Karriere von Lambrecht allemal – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Nach mehreren Jahren als erste parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion erklomm sie Anfang 2018 erstmals ein Regierungsamt und diente unter dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz als Staatssekretärin. Nach dem Wechsel von Justizministerin Katharina Barley (SPD) ins EU-Parlament stieg sie zur Bundesjustizministerin auf.

In diesem Amt machte sie gleich klar, dass mit ihr gerechnet werden musste. Besonders der entschlossene Kampf gegen aufkeimenden Rechtsextremismus war ihr eine Herzensangelegenheit. Als die Abschreiberkönigin Franziska Giffey (SPD) aus dem Bundestag ausschied und Erste Bürgermeisterin Berlins wurde, war offenbar kein Abgeordneter der SPD-Fraktion bereit, den Posten so kurz vor der Bundestagswahl zu übernehmen. Notgedrungen musste Lambrecht gleich zwei Ministerine führen – eine Entscheidung, welche die nachrangige Priorität guter Familienpolitik in der Regierungszeit Merkel ein weiteres Mal deutlich unterstrich.

Fehlbesetzung par exellence

Eigentlich wollte sich Lambrecht mit dem Ende der 19. Wahlperiode aus der ersten Reihe der Bundespolitik zurückziehen. Bei der Bundestagswahl 2021 trat sie nicht wieder an. Eine weitere Karriere als Abgeordnete erübrigte sich damit. Doch als es um die Besetzung des Scholz’schen Kabinetts ging, war sie ein weiteres Mal am Zug. Völlig überraschend ernannte sie der neue Bundeskanzler zur Verteidigungsministerin.

Den Posten hatte Lambrecht wirklich niemand zugetraut. Und tatsächlich gab die Ministerin in ihrer kurzen Amtszeit eine ganz andere Figur ab als im Ressort der Justiz. Das hart erarbeitete Image einer taffen und gewissenhaften Ministerin wich immer mehr dem Bild einer völlig überforderten, unkoordinierten Trauergestalt, die gegenüber den Kameraden und Offizieren der Bundeswehr in ihren chicen Kostümen geradezu grotesk rüberkam.

Beleidigte Leberwurst

Es schlossen sich mehrere folgenschwere Verfehlungen an. Die Debatte um die Mitnahme ihres Sohns in einem Hubschrauber der Bundeswehr wirkte der bereits angeschlagenen Ministerin noch Monate später nach und echte Kriegsfanatiker nehmen es ihr bis heute übel, dass sie die Beschaffung schweren Kriegsgeräts so grandios vermasselt hat. Vollends lächerlich machte sie sich dann, als sie in der Silvesternacht eine Videobotschaft an die Soldatinnen und Soldaten schickte, während ihre Stimme im tosenden Neujahrsfeuerwerk unterging und die Geräuschkulisse eher wie eine besonders geschmacklose Parodie der Zustände in der Ukraine wirkte. Der Postillon hat diesen Tiefpunkt in der Karriere der Christine Lambrecht sogleich aufgegriffen und mehrere Videos dazu veröffentlicht.

Als sich die unbeliebte Verteidigungsministerin endlich dem Druck beugte und ihren Posten abgab, schaffte sie nicht einmal diesen Schritt in Würde. Stattdessen gab ihr Haus eine Pressemitteilung heraus, in der sie sich zum Opfer der Berichterstattung gerierte. In Wahrheit sprach aber aus jeder Silbe der knappen Erklärung die selbstgerechte Verbitterung einer beleidigten Leberwurst.

Jede Menge Schwierigkeiten

Nach dem Weggang von Christine Lambrecht steckte Bundeskanzler Scholz in einem echten Dilemma. Er musste nicht nur die Spitze des Schlüsselressorts neu besetzen, sondern dabei auch noch anderen Vereinbarungen gerecht werden. Die Ampelkoalition hatte sich zu Beginn ihrer Amtszeit auf ein paritätisch besetztes Kabinett verständigt. Es sollten genau so viele Frauen wie Männer Regierungsämter bekleiden. Der Auftrag an Scholz war also klar: Er musste eine Frau für den Posten finden.

An dieser Aufgabe ist er krachend gescheitert. Es gab scheinbar keine geeignete weibliche Abgeordnete für den Posten. Olaf Scholz muss bei dieser Gelegenheit wohl ein Déjà-vu gehabt haben. Immerhin hatte er das Amt der Verteidigungsministerin schon einmal zwingend mit einer Frau zu besetzen. 2021 fiel seine Wahl auf Parteigenossin Lambrecht. Dass diese völlig ungeeignet für den Posten war, hat sie in ihrer dreizehnmonatigen Amtszeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die Mühen einer umfangreicheren Kabinettsumbildung wollte sich der Kanzler offenbar ersparen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP für viele als absolute Favoritin für das Amt galt. Dann wiederum hätte Scholz den Liberalen ein anderes Ministerium, das von einer Frau geführt wird, wegnehmen müssen. Jeder weiß, dass dafür nur Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Frage gekommen wäre.

Oder aber Scholz hätte das Amt mit einem Mann besetzt und dafür einen männlichen Minister über die Klinge springen lassen. Vielleicht hatte er einfach keine Lust auf die ganzen Strapazen, vielleicht reicht seine Autorität nicht aus. Letztendlich zeigt der Fall Lambrecht ein weiteres Mal, dass das Geschlecht niemals das ausschlaggebende Kriterium für einen Job sein darf. Gepaart mit weiteren Voraussetzungen wie Parteizugehörigkeit, Eignung und öffentlicher Akzeptanz entsteht so schnell eine schier unlösbare Aufgabe.

1:0 für den Chauvinismus

Die paritätische Besetzung des Bundeskabinetts sollte der Gleichstellung von Frau und Mann in unserer Gesellschaft einen Schub verpassen. Sie hat das Gegenteil erreicht. Indem sie ebenjene Unterschiede betonte, die sie eigentlich abbauen sollte, erwies sie dem Ideal einer progressiven und emanzipatorischen Gesellschaft einen Bärendienst. Die schnelle Abkehr vom Ziel der Parität hat der Glaubwürdigkeit dieses Konzepts dann vollends den Rest gegeben.

Lambrecht musste scheitern, das war vorprogrammiert. Der Plan, eine paritätische Regierung zu stellen, wurde nach weniger als anderthalb Jahren beerdigt. Letzten Endes hat die ganze Chose den Argwohn gegen eine feministische Politik nur vergrößert. Die Chauvinisten in diesem Land haben einen weiteren Punkt gemacht. Von der Gleichstellung haben wir uns einen weiteren Schritt entfernt.

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Zeitumstellung ade?

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Die Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit sorgt erneut für Unmut unter den Bürgerinnen und Bürgern. Eine unabhängige Studie hat die Politik nun zum Handeln bewogen. Sie möchte die Zeitumstellung überwinden. Am kommenden Sonntag sollen die Uhren noch einmal umgestellt werden – zum wirklich wirklich allerletzten mal.

Eine umstrittene Maßnahme

An diesem Wochenende beginnt die Winterzeit. In der Nacht auf Sonntag werden dazu die Uhren von 3 auf 2 Uhr zurückgestellt. Das hat zur Folge, dass es in den kommenden fünf Monaten früher hell, aber auch früher dunkel wird. Ursprünglich wurde der regelmäßige Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit eingeführt, um besonders in der kalten Jahreszeit Energie zu sparen.

Die Maßnahme ist unter Bürgerinnen und Bürgern jedoch umstritten. Besonders die Umstellung zur Sommerzeit ist unbeliebt, weil viele Menschen das Gefühl haben, ihnen würde dadurch eine Stunde geklaut. Mittlerweile haben sich sogar Initiativen gegründet, welche die Zeitumstellung abschaffen möchten. Auch zum Wechsel auf die Winterzeit regt sich in diesem Jahr Widerstand.

Analoge Uhren und fehlende Ausreden

Sarah K., Floristin aus Halberstadt, stört vor allem die inkonsequente Durchführung der Umstellung: „Wir leben im Jahr 2022 und trotzdem sind wir umgeben von analogen Uhren. Die meisten davon werden erst Wochen, wenn nicht Monate später von Hand umgestellt. Wenn man nicht die Kapazitäten zur Umstellung hat, dann sollte man es lieber lassen.“

Bürokauffrau Nina B. hingegen ärgert sich besonders darüber, dass sich Smartphones standardmäßig von selbst umstellen: „Früher hatte man damit zumindest eine halbwegs gute Ausrede, um zu spät zur Arbeit oder anderen Verpflichtungen zu erscheinen. Heute fallen diese Ausflüchte weg. Ich frage mich, wieso die Zeitumstellung dann noch nötig ist.“

Kein Rückhalt

Das Bundesamt für Verbraucherschutz verfolgt die Debatte um die Zeitumstellung seit vielen Jahren. Inzwischen ist auch die Behörde zu dem Entschluss gekommen, den Unmut in der Bevölkerung ernstzunehmen. Die Verbraucherschützer haben daher eine breit angelegte Studie in Auftrag gegeben, um den Rückhalt der Zeitumstellung in der Bevölkerung zu erfassen. Das Ergebnis war eindeutig: Nicht ein einziger Befragter äußerte sich wohlwollend zur regelmäßigen Umstellung. Besonders niederschmetternd fiel das Ergebnis bei den Befragten über 50 Jahren aus. Die Forscher vermuten, dass diese Menschen aufgrund der zahlreichen Zeitumstellungen in ihrem Leben in noch höherem Maße frustriert sind.

Die Studie wurde ursprünglich im Zeitraum Mai bis Juli 2022 durchgeführt, um gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen vor der nächsten Zeitumstellung im Oktober einzuleiten. In den Monaten August und September wurde die Studie wiederholt und in den ersten Oktoberwochen ausgewertet. Thilo R., Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz, erklärt den Schritt folgendermaßen: „Von dem einstimmigen Votum waren wir so überrascht, dass wir eine weitere Studie durchführten, um einen Irrtum oder eine Manipulation auszuschließen. Wir sind inzwischen überzeugt davon, dass es an dem Ergebnis keinen Zweifel gibt.“

Richtungsstreit in der Politik

Das Bundesamt für Verbraucherschutz sieht nun eindeutig die Politik in der Pflicht, eine Lösung für das Problem zu finden. Thilo R. betont: „Die Zeitumstellung ist nicht mehr haltbar. Die Menschen erkennen keinen Sinn mehr darin. Die Regierung sollte nun dringend über eine Abschaffung nachdenken.“ Das Kabinett hat in einer Presseerklärung bereits bekanntgegeben, dass es an einer neuen Regelung arbeite. Ein Gesetzentwurf wurde zunächst für Anfang 2023 angekündigt.

Manchen Bürgerinnen und Bürgern geht das nicht schnell genug. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, politischen Vereinen und Nichtregierungsorganisationen hat daher einen großen Demonstrationszug angekündigt. Unter dem Motto „Mit Dank zurück“ möchten sie am Sonntag nach der Zeitumstellung exakt eine Stunde vor dem Bundeskanzleramt protestieren, um den Regierenden auf diese Weise symbolisch jene Stunde zurückgegeben, die ihnen in der vorausgegangenen Nacht „geschenkt“ wurde.

Die Verzögerung des Gesetzentwurfs ist auf offene Streitpunkte innerhalb der Regierungskoalition zurückzuführen. Die Grünen etwa würden die Zeitumstellung am liebsten sogar noch ausbauen. Ihnen schwebt eine turnusmäßige Umstellung von zwei Stunden vor. Eine Sprecherin der Bundestagsfraktion erklärte hierzu: „In Zeiten von Klima- und Energiekrise müssen wir Energie sparen, wo es nur geht. Wenn wir mit zwei Stunden Zeitumstellung doppelt so viel Ressourcen einsparen können wie bisher, wäre das ein großer Gewinn für unsere Gesellschaft.“

Die FDP möchte indessen nichts von den Plänen der Grünen wissen. Trotzdem wollen auch die Liberalen die Zeitumstellung nicht sofort kippen. Stattdessen schwebt ihnen eine gestaffelte Abschaffung gemessen an der Einkommenshöhe von Haushalten vor. Ein Sprecher der Parteizentrale rechtfertigt diesen Schritt als gerecht: „Es ist nur legitim, wenn die Leistungsträger unserer Gesellschaft zuerst in den Genuss dieser neuen Regelung kommen. Konkret sollen ab 2023 alle Personen mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 10.000 Euro eine Stunde mehr Zeit pro Jahr zur Verfügung haben. Denn Zeit ist bekanntlich Geld.“

Nie wieder Uhrenumstellen?

Um den Richtungsstreit in dieser Frage zu beenden, machte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch. Er sprach sich dafür aus, die Zeitumstellung so schnell wie möglich zu beenden. Er berief sich dabei auf die Ergebnisse einer eigens eingesetzten Kommission. Diese wies nach, dass aus der regelmäßigen Zeitumstellung quasi kein Nutzen gezogen werden konnte.

Die Kommission, deren Kosten auf rund 15 Millionen Euro beziffert werden, wies auf ein weiteres Problem hin: Die Datenlage zur Zeitumstellung sei derart unstet, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, ob die Abschaffung der Winterzeit oder der Wegfall der Sommerzeit den Normalzustand wiederherstellen würde. Nötig seien hierzu weitere wochenlange Untersuchungen. Es ist also durchaus möglich, dass die Zeitumstellung am kommenden Sonntag nicht die wirklich wirklich allerletzte sein wird. Dafür wird aber die mögliche Umstellung im März die wirklich wirklich wirklich allerletzte sein – ganz sicher.

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