Auf der Schlachtbank des Linksliberalismus

Lesedauer: 9 Minuten

Der Kampf gegen Rechts ist eine schmutzige Schlacht. Kollateralschäden und Blessuren werden dabei gern in Kauf genommen. Dabei übersehen die ärgsten Verfechter viel zu oft, dass es ihren Verfehlungen zu verdanken ist, dass die Rechte überhaupt erst so stark werden konnte. Die Devise ist: Die Rechte verurteilt unseren Weg und allein deshalb muss er der richtige sein. Menschen, die diesen Kurs trotzdem kritisieren, haben in den eigene Reihen nichts mehr zu suchen. Das ist Futter für eine immer wildere rechte Bestie, die durch ideologische Debatten mehr aufgestachelt als gezähmt wird.

Unliebsame Kritik

Mit ihrem neuen Buch Die Selbstgerechten wirbelt Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht jede Menge Staub auf. In ihrer neuesten Veröffentlichung setzt sie sich äußerst kritisch mit dem Weg auseinander, den linke Parteien bereits vor Jahren eingeschlagen haben. Sie spricht von Bevormundung, Belehrung und einer mehr als latenten Selbstgerechtigkeit. Vor allem weist sie auf die zunehmende Entfremdung zwischen linken Parteien einerseits und den Menschen, die solche Parteien einst wählten, andererseits hin. Nicht allen in Wagenknechts Partei gefällt das – wie zu erwarten war.

Denn bereits seit Monaten äußerte sich Wagenknecht stets sehr vage und vorsichtig zu ihrer politischen Zukunft. Dass sie weiterhin als Publizistin tätig sein möchte, daran ließ sie seit ihrem Rückzug von der Fraktionsspitze Anfang 2019 keinen Zweifel. Immer wieder erklärte sie, dass sie nun endlich wieder mehr Zeit hätte zu lesen und zu schreiben. Trotzdem antwortete sie immer ausweichend, sprachen Journalisten sie auf ihre Zukunft in Partei und Fraktion an. Mit ihrem neuen Buch schließt sich dieser Kreis.

Bewusstes Risiko

So ein Buch schreibt sich nämlich nicht von heute auf morgen. Immerhin legt Sahra Wagenknecht auf mehr als 300 Seiten detailliert dar, wo das Problem vieler linken Parteien weltweit liegt. Natürlich wusste sie viele Monate im Voraus, worauf sie sich bei dem Buch einließ. Natürlich kam ihr Verdruss über die Richtung ihrer Partei nicht erst, als das Buch im Handel erhältlich war. Und natürlich war sie sich von Anfang an darüber im Klaren, dass sie das Buch weitere politische Ämter kosten könnte.

In ihrem neuen Buch rechnet Sahra Wagenknecht mit ihrer eigenen Partei ab.

Sie machte es trotzdem. Dafür verdient Sahra Wagenknecht zweifellos Respekt. Diese Achtung genießt sie seit vielen Jahren in der deutschen Bevölkerung. Mancheiner kann sich sogar eine Bundeskanzlerin Sahra Wagenknecht vorstellen. Zumindest verschaffte sie ihrer Partei bei der letzten Bundestagswahl einige Zugewinne. Der prozentuale Anteil der Zweitstimmen für Die Linke stieg 2017 zwar nur leicht, allerdings hatte die Partei mit zwei Konkurrenten mehr zu kämpfen – der wiedereingezogenen FDP und dem Neueinsteiger AfD.

Wagenknechts Partei interessierte diese Zustimmung offenbar wenig. Ungeachtet des enormen Rückhalts, den Sahra Wagenknecht bei den Wählerinnen und Wählern genießt, demontierten die Linken ihre Fraktionschefin Stück für Stück. Irgendwann warf Wagenknecht schließlich das Handtuch und verzichtete auf eine erneute Kandidatur für das Spitzenamt. Die Linke kommt seitdem bei Umfragewerten auf keinen grünen Zweig mehr. Momentan liegen sie bei gerade einmal 7 bis 8 Prozent.

Köder für Rechts

Von dem Zerwürfnis zwischen Wagenknecht und ihrer Partei profitiert keiner so sehr wie die AfD. In der Vergangenheit hatten die Rechtspopulisten die Positionen der Linkenpolitikerin immer wieder vereinnahmt. Erst kürzlich stellte die AfD ein Wahlplakat auf, welches das Konterfei von Sahra Wagenknecht zeigt und ihr scheinheilig rechtgibt. Wagenknecht selbst geht inzwischen rechtlich gegen diese Unverschämtheit vor.

Die Gegner der AfD machen es rechtsaußen aber auch spielend einfach, solche unlauteren Mittel gewinnbringend einzusetzen. Immerhin schwelt in der Linkspartei seit Jahren ein Konflikt um die Richtung der Partei. Längst haben sich viele Parteimitglieder von der einstigen Fraktionschefin distanziert und ihr rechte Tendenzen unterstellt. Vollkommen verblendet haben sie damit jede sachliche Diskussion im Keim erstickt und den Rechten das Feld überlassen. Im Ergebnis konnte die AfD Wagenknechts Position kopieren und mit braunem Gedankengut völlig entstellen.

Hauptsache Spaltung

Das Muster ist bekannt: Die AfD identifiziert einzelne Politikerinnen und Politiker als ernstzunehmende Gefahr, weil diese unkonventionelle Positionen vertreten und sie sogar sachlich begründen können. Weil die Diskussionskultur in Deutschland aber immer weiter verkümmert, scheint für diese Personen kein Platz mehr in ihren Parteien zu sein. Sie werden öffentlich an den Pranger gestellt und geraten wegen ihrer fragwürdigen Positionierungen in Verruf. Letzten Endes können sie sich kaum dagegen wehren, dass die AfD ihre Positionen aufgreift und unter neuer Flagge vermarktet. So ging es nicht nur Sahra Wagenknecht, sondern auch Boris Palmer in Tübingen.

Das Ziel ist völlig klar: Die Rechte will den anderen Parteien die Wähler abspenstig machen. Einerseits hoffen sie darauf, dass tatsächlich Wählerinnen und Wähler auf ihre plumpe Masche reinfallen und bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen neben der AfD machen. Andererseits profitiert sie gerade deshalb davon, weil sie die Wählerschaft der anderen Parteien in zwei Lager spaltet. Die eine Hälfte hält treu zur Partei, die andere kehrt ihr entsetzt den Rücken. Ob diese Menschen dann rechts wählen, ist für die AfD zweitrangig. Hauptsache für die Rechtspopulisten ist, dass die politische Konkurrenz Stimmen verliert und die Polarisierung in der Gesellschaft zunimmt.

Gute Ziele, falsche Debatten

Auf genau diesen Missstand weist Wagenknecht in ihrem neuen Buch hin. Vorstellungen und Ideen, die nicht streng der Linie der Partei folgen, werden abgekanzelt. Den Personen hinter den Ideen wird sogleich Böswilligkeit unterstellt. Fortan stehen sie unter dem Verdacht, die Partei spalten zu wollen oder völlig andere politische Ziele zu verfolgen.

Seit Jahren versuchen viele innerhalb der Partei Die Linke krampfhaft die Grünen zu kopieren. Durch einen sozialen Anstrich versuchen sie, Themen wie Klimakampf und Geschlechtergerechtigkeit eigenes Leben einzuhauchen. Besonders diese beiden Themen sind ausgesprochen wichtig und es ist richtig, dass darüber diskutiert und gerungen wird. Die Stoßrichtung der Debatte ist allerdings grundfalsch und es ist fatal, wenn andere Parteien die Rhetorik der Grünen unreflektiert übernehmen.

Geschlossene Gesellschaft

Die Ansätze der Grünen richten sich nämlich hauptsächlich an ein exklusives Publikum. Ihre Sprache und ihre Forderungen grenzen eher aus als den Eindruck von Gemeinschaft und Solidarität zu vermitteln. Linke Parteien kümmern sich traditionell um die Benachteiligten in einer Gesellschaft. Das kann nicht funktionieren, wenn Forderungen wie Preissteigerungen auf Fleisch und Benzin diese Menschen von vornherein ausschließen.

Auch die Debatte um geschlechterneutrale Sprache inklusive Gendersternchen muss man sich erst einmal leisten können. Für Menschen, denen bereits am 15. das Geld ausgeht, sind solche Fragen bestenfalls zweitrangig. Wirft man ihnen dann noch pauschal vor, rassistisch oder queerfeindlich zu sein, ist die Entfremdung von der Basis perfekt.

Billige Kopien

Traditionell linke Parteien verlieren sich immer mehr in solchen Debatten, die sie von ihrer Stammwählerschaft entfernen. Diese Debatten sind Sache der Grünen und das ist auch gut so. Was mit Parteien passiert, die auf Biegen und Brechen die Konkurrenz imitieren, um Wähler zurückzugewinnen, hat man an der CDU bereits gesehen. In Thüringen beispielsweise zeigte man sich besonders unversöhnlich gegenüber Rot-Rot-Grün und übernahm teilweise sogar die Rhetorik der dort besonders scharfen AfD. Die Wahlergebnisse der letzten Landtagswahl dort sprechen wahrlich Bände. Keine andere Partei verlor so stark wie die CDU. Die Kopie des Originals trieb Wähler eher dorthin als sie zurückzugewinnen.

Ungeachtet dieses politischen Naturgesetzes verfängt sich die politische Linke immer weiter auf dem linksliberalen Irrweg der Grünen. Dabei sind viele Visionen der Grünen absolut unterstützenswert. Es benötigt aber eine starke linke Kraft auf dem Weg dorthin, um weite Teile der Bevölkerung auf diese Reise mitzunehmen. Doch die Signale von angeblich linken Parteien sind seit Jahren eindeutig: Wer unsere Lehren nicht versteht, wer unser Handeln nicht gut findet, der ist dumm und schlecht. Mit Deserteurinnen wie Sahra Wagenknecht wird kurzer Prozess gemacht. Für viele augenscheinlich Linken ist sie inzwischen eine Ikone der Neuen Rechten. Dabei haben gerade diese selbstgerechten Fanatiker vor langer Zeit aufgehört, links zu sein.


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Die Bedrohung aus dem All

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Tübingen sieht sich dieser Tage mit einer ernsten Gefahr bedroht. Vertrauliche Unterlagen belegen, dass Weltraumwissenschaftler der hiesigen Sternwarte einen Asteroiden ausgemacht haben, der geradewegs auf die urige Studentenstadt zusteuert. Das Ausmaß soll verheerend sein. Damit die Tübinger unter euch trotzdem für diesen Ernstfall gewappnet sind, liefere ich hier eine Aufstellung der wichtigsten Veränderungen und Beeinträchtigungen, die der unliebsame Besuch aus dem All mit sich bringt.

Die Berichte über Asteroide und Meteoroide, die der Erde gefährlich nahekommen, häuften sich in den letzten Monaten. Im vergangenen Sommer wurde kurzfristig auf eine erneute Bedrohung aus dem Weltraum aufmerksam gemacht. Mancheiner sah die Erde ein weiteres Mal mit ihrer Totalauslöschung bedroht. Wieder nichts. Dieses Mal jedoch, sind sich die Wissenschaftler einig: Es wird knallen. Ein Asteroid rast mit sagenhaften 24 Kilometern pro Sekunde ungebremst gen Erde (das ist schneller als ein Flugzeug). Der genaue Zeitpunkt der Kollision ist noch strittig. Vermutet wird allerdings ein Einschlag innerhalb der nächsten sieben Tage. Das unglaubliche: Die Einschlagsstelle können die Forscher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jetzt schon ausmachen: Höchstwahrscheinlich wird der Brocken aus dem All direkt in Tübingen einschlagen. Sollte dies tatsächlich so eintreffen, wird nicht mehr viel von der altehrwürdigen Stadt am Neckar übrigbleiben. Diese Wahrheit wird natürlich unter Verschluss gehalten. Wir sehen es allerdings als unsere oberste Pflicht, möglichst viele Menschen darüber zu informieren. Wir wollen außerdem auf die wichtigsten Veränderungen hinweisen, mit denen nach der Kollision in Tübingen zu rechnen sein wird.

1. Ruhe im Karton
Die Mühlstraße probt den Ernstfall: Leergefegte Straßen sollen das Bild nach dem Asteroideneinschlag simulieren.

So bedrohlich die Lage scheint, es gibt tatsächlich auch einen Lichtblick. Nächtlicher Lärm in der Altstadt wird nach dem Einschlag der Vergangenheit angehören. Die Schlagkraft des Asteroiden wird zweifelsohne ausreichen, weite Teile der Tübinger Partymeile (Mühlstraße) dem Erdboden gleichzumachen. Altstadtbewohner wie Partyvolk können gleichsam aufatmen: Erstere werden zukünftig nicht mehr um ihren wohlverdienten Nachtschlaf gebracht. Letztere hingegen sind ab sofort nicht mehr der Gefahr eines saftigen Ordnungsgelds durch ein viel zu wachsames Stadtoberhaupt ausgesetzt.

2. Leben hinter dem Mond
Längste Zeit verlacht: Brot von gestern wird in Tübingen bald wahres Gold wert sein.

Nicht nur das Stadtbild Tübingens wird durch den Asteroiden arg in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch die Bewohner müssen sich auf krasse Beeinträchtigungen einstellen. Definitiv wird es zu einer Unterversorgung mit Waren und Gütern kommen. Tübingerinnen und Tübinger werden bald Schlange stehen, um noch ein Brötchen vom Vortag abzustauben. Das Tübinger Modegewerbe, eines der wichtigsten im Lande, wird wohl oder übel auf Second Hand umsteigen müssen. Der Schuhverkauf wird wohl komplett eingestellt; zu teuer ist die Produktion. Kaum vorstellbar, aber Haremshosen und nackte Füße werden alsbald zur Normalität in Tübingen werden.

Dieser kleine Second-Hand – Laden bekommt bald mächtig Konkurrenz.
3. Zerstörung von Boris Palmers Bordcomputer

Nach diesem düsteren Bild vielleicht wieder etwas erfreuliches: Selbstredend bedeutet der Asteroid eine enorme Gefahr für die digitale Infrastruktur. Mit etwas Glück kann der Schaden in diesem Bereich allerdings begrenzt werden. Wissenschaftler sind sich sicher, dass der Einschlag in unmittelbarer Nähe zum Bordcomputer des Tübinger Oberbürgermeisters geschehen wird. Man stelle sich einmal das Ausmaß dieser Fügung vor: Die ständigen Provokationen von Boris Palmer über facebook, Twitter & Co.  würden endlich ein Ende finden. Der Asteroideneinschlag hätte noch einen weiteren Effekt: Kein einziger Flüchtling würde sich mehr nach Tübingen verirren. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass Palmers Bordcomputer den Einschlag unbeschadet übersteht, könnte der Oberbürgermeister aufgrund mangelnden Zustroms nicht mehr gegen Flüchtlinge hetzen.

4. Zusammenbruch des Verkehrs

Nicht nur die digitale Infrastruktur hätte unter dem gewaltigen Aufprall des Asteroiden zu leiden. Auch das Verkehrswesen der Stadt würde kollabieren. Mit viel Glück lässt sich ein halbwegs funktionierender Busverkehr innerhalb Tübingens aufrechterhalten. Von einem intakten Schienenverkehr wäre die Universitätsstadt allerdings Lichtjahre entfernt. Man stelle sich nur einmal den Mobilitätsverlust vor, wenn Reisende am Hauptbahnhof zukünftig vom Zug in den Bus umsteigen müssen.

5. Chaos beim Prüfungsamt
Forscher der Tübinger Sternwarte brachten eine Wahrheit an Licht, die das Leben vieler verändern wird.

Schlechte Nachrichten auch für Tübinger Studenten: Die kosmische Karambolage wird für reichlich Wirbel in den zentralen Verwaltungsstellen der Uni sorgen. Am schlimmsten werden davon wahrscheinlich die Prüfungsämter betroffen sein. Immerhin geht es hier um wertvolle ECTS-Punkte, die nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden dürfen. Betroffene Studenten werden sich darauf einstellen müssen, mehr als einmal beim Prüfungsamt ihres Vertrauens vorstellig werden zu müssen. Eventuell müssen bereits bearbeitete Scheine mehrfach in den digitalen Notenspiegel eingetragen werden. Dies kann gleichbedeutend mit einer notwendigen Mehrfachausstellung von Scheinen sein. Zeitweise kann es auch zu kurzfristig ausfallenden Sprechstunden von Mitarbeitern und Dozenten kommen. In diesen Fällen werden die Studierenden rechtzeitig über Fresszettel an der Bürotür informiert.

Artikelbilder: Sven Rottner

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