Lockerung auf Bewährung

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Vor wenigen Tagen hat sich die Bund-Länder – Konferenz auf eine bundesweite Öffnungsstrategie verständigt. Die Huldigung des Inzidenzwerts wird beibehalten, Öffnungen unterliegen strengen Auflagen und jeder erhält das Anrecht auf regelmäßige kostenlose Schnelltests. Es wird schwierig, die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen und gleichzeitig den Laden am Laufen zu halten. Auch der Wumms hinter den neuen Regelungen lässt Zweifel zu. Wichtig ist, die neuen Verordnungen nur als ein Puzzleteil im Kampf gegen die Pandemie zu sehen.

Trügerische Hoffnung

Seit dieser Woche dürfen nun endlich auch wieder Buchhandlungen und Gartencenter öffnen. Nach den Friseuren sind die Buch- und Blumenfreunde die nächsten, die in den exklusiven Genuss der Lockerungen kommen. Danach sind gastronomische Betriebe, Kultureinrichtungen und der restliche Einzelhandel vorgesehen – immer vorausgesetzt das Infektionsgeschehen lässt solche Lockerungen zu. Damit Infektionen künftig besser aufgedeckt und nachverfolgt werden können, setzt die Bundesregierung neben der Impfung nun auch auf die Schnelltests. Seit vergangenem Samstag sind diese teilweise für alle Menschen im Land käuflich zu erwerben. Diese systematische Ausweitung der Testkapazitäten soll unkontrollierte Infektionen in den geöffneten Bereichen verhindern.

Besonders die privaten Schnelltests bergen jedoch eine hohe Fehlerquote und erfüllen daher nicht den vorgesehen Zweck. Im Gegensatz zu vielen anderen Schnelltestverfahren geben die neuen Corona-Tests nämlich auch falsche Negativergebnisse aus. Das bedeutet, dass die Tests auch solche Menschen als gesund identifizieren, die sich in Wirklichkeit mit dem Virus infiziert haben. Viele Infektionen bleiben dadurch unerkannt, weil Symptome ebenfalls ausbleiben. Das ist für die Betroffenen weitaus weniger schlimm als für die Risikopatienten, denen sie das Virus unwissentlich weitergeben, weil sie sich durch die Schnelltests in Sicherheit wägen.

Corona-positiv und nichts geschieht

Zum Glück wurde die generelle Schwäche der Schnelltests transparent öffentlich gemacht. Jeder weiß darüber Bescheid. Und hier eröffnet sich das nächste Problem: Auch viele positiv Getestete werden das Ergebnis der Schnelltests unter Verschluss halten. Im eigenen Badezimmer mit einer möglichen Corona-Infektion konfrontiert, werden sie das Ergebnis für einen Fehlalarm halten. Wann sollen sie sich schließlich infiziert haben? Diese Menschen werden sich einem dringend notwendigen PCR-Test verweigern. Auch diese Corona-Fälle bleiben dadurch unerkannt und das Virus breitet sich weiter aus.

Denn das große Manko der privaten Schnelltests ist, dass bei positivem Befund kein automatischer Mechanismus greift. Jedem bleibt es im Grunde selbst überlassen, was er aus dem Testergebnis macht. Die meisten werden bestimmt verantwortungsvoll handeln und das Gesundheitsamt informieren, aber wie wenig Menschen nötig sind, um einen Corona-Hotspot zu erzeugen, haben die letzten Monate immer wieder eindrucksvoll gezeigt.

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Da ist es schon besser, wenn nun auch Apotheken Schnelltests anbieten. Hier kann zwar bei der Anwendung kaum gemogelt werden, an der Zuverlässigkeit der Tests änderts das aber nichts. Wenigstens erfolgt die Feststellung einer möglichen Infektion hier vor Zeugen und Verdachtsfälle können isoliert werden.

Auch die zugesicherten wöchentlichen Gratis-Tests können die erhoffte Wirkung nicht voll entfalten. Bei ihnen handelt es sich ebenfalls um Schnelltests, die nicht zuverlässig genug sind, um das Infektionsgeschehen effektiv einzudämmen. Den Einlass im Einzelhandel oder den Besuch im Theater nun an aktuelle negative Schnelltests zu knüpfen, ist im Prinzip ein richtiger Ansatz im Kampf gegen die Pandemie. Durch die hohe Fehlerquote lässt sich aber auch das nicht wirkungsvoll umsetzen.

Essen nach Zeitplan

In einem weiteren Schritt sieht die aktuelle Öffnungsstrategie vor, den Einzelhandel und die Außengastronomie für solche Menschen zu öffnen, die zuvor einen Termin vereinbart haben. Die Idee dahinter ist simpel: Die Termine gewährleisten einerseits, dass sich nicht zu viele Personen in den jeweiligen Räumlichkeiten aufhalten und das Infektionsrisiko sinkt dadurch. Zum zweiten lassen sich mögliche Infektionen wieder leichter nachvollziehen. Schließlich haben die Besucherinnen und Besucher ihre persönlichen Daten im Vorfeld angegeben. Gepaart mit negativen Testergebnissen ist das eine gute Idee, dem Virus Einhalt zu gebieten.

Die Ausgestaltung dieser Pläne ist allerdings schwierig. Die Betriebe müssen sich die Frage stellen, welche Zeitfenster sie ihren Kunden und Besuchern eröffnen wollen. Bei Kulturbetrieben ist das leicht beantwortet. Hier liegt die Dauer der Vorstellung zugrunde. Doch bereits in der Gastronomie stößt die Umsetzung der vorgesehenen Strategie an ihre Grenzen. Wie lange braucht ein Mensch, um Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch zu sich zu nehmen? Möchte er vielleicht ein zweites Getränk? Was passiert, wenn das Kartelesegerät zickt?

Hier ist eigentlich ein zeitlicher Puffer nötig, damit der Wechsel der Gäste so reibungslos wie möglich vonstattengehen kann. Das führt aber wieder zu Gewinneinbußen der Betriebe, weil sie in dieser Zeit des Wechsels kein Geld einnehmen. Besonders im Einzelhandel wird es hier zu Schwierigkeiten kommen. Wenn nach einer halben Stunde des Shoppens die Glocke läutet, verabschieden sich nicht alle Kunden automatisch. Manche zwängen sich in diesem Moment in der Umkleidekabine in das viel zu enge Oberteil oder sie stehen als letzter in der Schlange an der Kasse. Im übrigen laden nicht nur Klamottenläden zum Verweilen ein. Auch Buchhandlungen tun das. Hier ist eine Terminvergabe aber nicht vorgesehen.

Es wird auch immer wieder Kunden geben, die das Lokal oder das Geschäft vorzeitig verlassen. Lässt man andere Personen dann nachrücken? Wie macht man das, ohne Streitereien zwischen den Wartenden auszulösen? Auch hier steht der zu erwartende Profitverlust der Betriebe einer konsequenten Einhaltung der Regeln entgegen.

Neiddebatten in Sicht

Der frühe Vogel fängt den Wurm. So denken viele. Und genau diese Denkweise wird dazu führen, dass sich viele Menschen schon lange vor dem vereinbarten Termin vor den Geschäften tummeln – man möchte schließlich die ganze Zeit nutzen. Je größer das Geschäft, desto länger die Schlange davor. Was das für das Infektionsgeschehen bedeutet, muss bestimmt nicht erörtert werden. Die Geschäfte sind hier wieder einmal auf das Verantwortungsgefühl der Menschen angewiesen. Wenn das Abstandhalten aber auch an Supermarktkassen mit vorgezeichneten Trennlinien oft nicht reibungslos funktioniert, kann man sich die Zustände in deutschen Einkaufsstraßen lebhaft vorstellen.

Vorprogrammiert ist wohl auch, was geschieht, wenn sich der grüne Impfpass der EU durchsetzt. Dieser soll Auskunft darüber geben, ob jemand bereits gegen Covid-19 geimpft ist oder nicht. Weshalb es da einer neuen digitalen Impfpassvariante bedurfte, weiß so genau wahrscheinlich niemand. Klar hingegen ist, dass ein solcher Impfnachweis nur dann Sinn macht, wenn er mit entsprechenden Vergünstigungen verknüpft ist.

Diese Impfpflicht durch die Vordertür provoziert Neiddebatten geradezu. Durch das derzeitige Impftempo in Deutschland werden diese Debatten weiter angeheizt. Wo kommen wir denn dahin, wenn bestimmte Berufsgruppen eher wieder ins Kino oder in die Kneipe dürfen als andere?

Ein Schimmer Hoffnung

Zudem gibt es überhaupt keine medizinische Notwendigkeit für impfstatusabhängige Lockerungen. Es ist allgemein bekannt, dass die bisher entwickelten Präparate nur unzureichend vor einer Infektion mit dem Virus schützen. Die wenigen Fälle, in denen eine Infektion erfolgreich verhindert wurde, sind eher begrüßenswerte Side Effects der Wirkstoffe. Öffnungen auf dieser Grundlage sind daher sogar kontraproduktiv. Die Gäste und Kunden sind zwar selbst vor schweren Krankheitsverläufen gefeit, nicht aber zwangsläufig andere Personen, zu denen sie außerhalb der Geschäfte Kontakt haben.

Die jetzt beschlossenen Maßnahmen und Voraussetzungen für Lockerungen machen nur dann Sinn, wenn sie nicht das Ende der Fahnenstange sind. Nur wer die regelmäßigen Schnelltestverfahren in Anspruch nimmt, Kontakte auf ein Minimum begrenzt, die Abstandsregeln einhält und konsequent die Maske trägt, verlangsamt die Ausbreitung des Virus erheblich. Vielleicht kriegen wir das ja dieses Mal hin…


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Eine Frage der Möglichkeiten

Lesedauer: 9 Minuten

Der Mensch ist Meister darin, stets das beste aus seiner Situation zu machen. Herausragende Erfindungen und Fortschritte waren so möglich. Dabei findet der Mensch auch immer einen Weg, seine Neigungen und Gelüste auszuleben, zumindest soweit es ihm möglich ist. Neugier, die Lust auf Ungebundenheit und der Drang sich zu beweisen wohnen dem Menschen ganz natürlich inne. Es gibt aber Kanäle, die es kinderleicht machen, diesen Neigungen freien Lauf zu lassen. Viel zu leicht…

Motivation schafft Genies

Seit Jahrtausenden besiedelt der Mensch die Erde. Und er ist zu außergewöhnlichem fähig: er bildete Staaten, bändigte das Feuer, er baute Pyramiden, flog zum Mond und er rottete Krankheiten wie die Pest aus. Mit der richtigen Motivation ist jeder Mensch zu Bestleistungen fähig. Doch so gut wie die menschlichen Errungenschaften auch sind, der Mensch schafft es stets, aus den geschaffenen Möglichkeiten das negativste Potenzial herauszuholen.

„Krieg“ mögen die meisten jetzt denken. Und es stimmt. Ohne den Menschen gäbe es keinen Krieg auf diesem Planeten. Doch so weit muss man gar nicht gehen. Es reicht ein Blick in den Alltag, um zu erkennen, dass manche Muster die Zeiten überdauern.

Altes Problem in neuem Gewand

Man kennt es: Auf einer Autobahn ist ein schwerer Verkehrsunfall passiert. Die Rettungskräfte sind eiligst unterwegs. Beim Bilden der Rettungsgasse stoßen viele an ihr intellektuelles Limit. Feuerwehr und Polizei geraten ins Stocken. Klingt schlimm? Geht aber noch schlimmer.

Kaum ein Bericht über Verkehrsunfälle kommt heute ohne den Verweis auf Gaffer aus, die die Arbeit der Einsatzkräfte zusätzlich erschweren. Anstatt beiseitezutreten und die Profis ihre Arbeit machen zu lassen, denken sie nur an die höchstmögliche Zahl an Klicks, die sie für ihre private Live-Berichterstattung erhalten. In zahlreichen Talkrunden und Fernsehbeiträgen wurde dieses Phänomen aufgegriffen und heiß diskutiert. Das Problem ist also bekannt. Aber nicht neu.

In Sekunden zum Insta-Fame

Zugegeben, neu ist die Ausprägung des Phänomens. Viele werden sagen: „Solche Gaffer hat es früher nicht gegeben.“ Ein bisschen stimmt das auch. Aber woran liegt denn das? Sicher nicht daran, dass der Mensch erst in den letzten Jahren so widerwärtig neugierig und pietätlos geworden ist. Die meisten konnten schlicht und ergreifend nicht so gaffen, wie sie es heute tun.

Man versuche, sich einmal vorzustellen, wie grotesk eine solche Filmerei in den 1980er-Jahren gewirkt hätte. Da stehen sie zuhauf und filmen mit ihren VHS-Kameras jeden Handstreich der Sanitäter. Zu Hause konvertieren sie dann die Aufnahme in ein passendes Dateiformat, um sie per Internet möglichst vielen zugänglich zu machen. Vollkommener Quatsch. Selbst wenn es das Internet deutlich früher gegeben hätte: es wäre viel zu aufwändig gewesen, die Aufnahmen aus den alten Kameras hochzuladen.

Heute ist das natürlich völlig anders. Bereits wenige Sekunden nach Aufnahme können Fotos einem Millionenpublikum präsentiert werden. Das Internet vernetzt schließlich alle. Moderne Technologien wie das Smartphone leisten ihr übriges. Innerhalb weniger Momente kann die menschliche Neugierde sowie der Drang zur Selbstdarstellung befriedigt werden.

Die Macht der Vielen

Mit jedem hochgeladenen Selfie von der Unfallstelle wird der Fotograf gleichzeitig auch zum Herdentreiber. Jedes hochgeladene Bild und jeder veröffentlichte Clip treibt andere dazu, es den glorreichen Entertainern gleichzutun. Dieses Prinzip funktionierte schon immer. Es gibt die Möglichkeit, also wird sie genutzt. Beispiel Silvesterböller: Vollmundig verspricht man, in diesem Jahr weniger zu böllern. Doch was ist das?! Die Knaller gibt’s bei Kaufland im Sonderangebot? Schnell zugreifen, bevor der Nachbar einen besseren Fang macht! Es gibt die Möglichkeit, also wird sie genutzt.

Die Empörung über Silvesterböller steht dabei der Empörung über Gaffer bei Unfällen in nichts nach. Alle bekunden sie, wie abartig und widerwärtig sie das doch finden. Und trotzdem finden sich zahllose solcher Clips im Netz ein. Man kann es ja schließlich machen.

Der Star in dir

Die schier unendliche Reichweite des Internets triggert den Menschen. Jeder strebt ganz natürlich danach, in einem möglichst guten Licht dazustehen und den anderen zu überbieten. Moral und Anstand sind Grenzen, die für andere gelten. Heute kann jeder alles sein. Ob Reporter mit Low-Quality – Bildern vom Unglücksort, ob Politiker mit alternativen Fakten auf facebook oder als das was jeder sein will: Ein Star. Reality-TV á la RTL II macht’s möglich.

Hate Speech in der Kommentarspalte funktioniert übrigens ganz ähnlich wie das sinnfreie Gepose neben einem Autounfall. Viele machen es, also warum nicht auch ich? Es tut doch keinem weh. Und außerdem hat dieser Bastard eine andere Meinung als ich, also schnell mal raushauen, was ich davon halte. Bei der Hate Speech kommt allerdings noch die Anonymität erschwerend hinzu. In Foren mit Fantasienamen ist es schwierig, Autoren für ihre Kommentare haftbar zu machen.

Bei mir geht’s doch nicht

Doch genug von Autounfällen und obskuren Ergüssen im Kommentarfeld. Die Generation „Früher war alles besser“ beklagt nicht nur das grassierende Problem der Gaffer. Ihrer Meinung nach waren die Menschen früher nicht nur anständiger, sondern auch verlässlicher. Und jeder hat es doch schon mal erlebt: Man hat sich mühevoll mit einer anderen Person auf einen Termin geeinigt, um sich nach Monaten der Trennung endlich einmal wiederzusehen. Doch dann funkt die schicksalhafte Nachricht auf WhatsApp dazwischen und macht alle Hoffnungen zunichte: Mit wenigen Buchstaben wurde soeben die komplette Tagesplanung über den Haufen geworfen.

Und warum gab’s so was früher nicht? Ganz einfach, Absagen war früher schwerer. Heute reicht eine belanglose Nachricht über einen Messenger oder ein kleiner Mausklick bei Doodle, um Termine zu stornieren. Das ist nicht nur einfacher, sondern auch unpersönlicher. Früher musste man zumindest zum Telefonhörer greifen, um von dem Malheur mit der Milchflasche zu berichten oder die plötzliche Erkrankung der Hauskatze zu beichten. Die Reaktion über die Leitung erfolgte prompt. Dieser Reaktion kann man sich heute spielend leicht entziehen. Nachricht abgeschickt und schon liegt das Gerät im Eck.

Den meisten wird es aber auch erschreckend einfach gemacht. In einer so eng durchgetakteten Welt wie der heutigen ist ein jeder natürlich froh, wenn die Terminplanung von anderen übernommen wird. Diese externe Terminplanung via Doodle & Co. verkompliziert allerdings eine Sache, die früher wesentlich schneller von der Hand ging. Und wenn doch einmal was dazwischenkommt, dann ist es eben so. So einfach wie heute Absprachen erschüttert werden können, so leicht sollte man doch auch umplanen können. Glauben zumindest viele. Zum Absagen gehört also weiterhin eine gewisse Portion Taktlosigkeit. Doch die Hemmschwelle dazu liegt heute wesentlich niedriger.

Generation „Vielleicht“

„Vielleicht“ avanciert immer mehr zur Universalantwort auf Verabredungen. Vielleicht kann ich, vielleicht aber auch nicht. Schauen wir mal. Der Mensch legt sich eben nicht gerne fest. Früher musste er das. Heute nur noch selten. Bestes Zeugnis für diesen Vielleicht-Lifestyle ist der regelrechte Bestell-Wahnsinn mancher Online-Käufer. Sie bestellen Kleider in verschiedenen Größen, in der Hoffnung, dass eine Anfertigung schon passt. Was nicht passt oder sich doch eher als Fehlgriff erweist, wird kaltschnäuzig zurückgeschickt.

Weil sie es können. Ein Ausflug ins Kaufhaus inklusive mühsamer Anprobe und einer definitiven Entscheidung vor Ort ist eben zeitaufwändig. Vor allem, wenn die gleichen Strapazen für einen Umtausch erneut ins Haus stehen. Was für eine Verrenkung. Muss man allerdings nur einmal klicken, kurz auspacken, die Augen verdrehen und den Kladeradatsch zurückgehen lassen, sieht die Welt schon anders aus. Alles eine Frage der Möglichkeiten.

Eine Frage der Möglichkeiten

Viele glauben, die Gesellschaft hat sich verändert. Sie glauben, bestimmte Zeiten sind daran schuld, dass viele heute so unanständig geworden sind. Sie meinen, es seien die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Menschen mit ihren Smartphones zur Unfallstelle treiben oder zum unberechenbaren Gegenüber machen. Dass die Menschen früher besser waren. Ich muss widersprechen. Denn nicht die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geben die Möglichkeiten vor. Es sind die Möglichkeiten, die gesellschaftliche Rahmenbedingungen befördern.


Ein kleiner Junge liegt am Ufer der Elbe. Er ist tot. Ermordet. Die Spurensicherung und die Polizei sind vor Ort. Die Kommissarin kann es nicht glauben: im Hintergrund drängen sich dutzende Schaulustige gegen die Polizeiabsperrung. Ihre Smartphones ragen empor, sie machen Fotos. Angewidert wendet sich die Kommissarin ab. Sie kann es nicht fassen. Ihre Kollegin beschwichtigt sie: „Die waren immer schon so. Früher gab’s nur keine Smartphones.“ Wie recht die Tatort-Kommissarin hatte.

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