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Das 9-Euro – Ticket wird kommen. Allen Unkenrufen und Boykottierungssuchen
seitens der Opposition zum Trotz können die Bürgerinnen und Bürger ab Juni für
weniger als zehn Euro pro Monat deutschlandweit den öffentlichen
Personennahverkehr nutzen. Die Maßnahme entlastet vor allem Menschen, die
andernfalls unter den steigenden Spritpreisen zu leiden hätten. Das Ticket ist
außerdem ein sinnvolles Werkzeug im Kampf gegen den Klimawandel. Auch wenn das
Ampelprojekt nach drei Monate wieder ausläuft, ist es ein Schritt in die
richtige Richtung. Euphorie hat es dennoch nicht ausgelöst.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Seit Monaten steigen die Preise an deutschen Zapfsäulen auf
schwindelerregende Höhen. Auch wer in der letzten Zeit Heizöl bestellt hat,
erlebte bei einem Blick auf die Rechnung ein böses Erwachen. Autofahren und
Heizen sind so teuer wie nie. Der Krieg in der Ukraine und die verhängten
Sanktionen gegen Russland treiben die Preise weiter an. Eine Entspannung der
Lage ist nicht in Sicht. Viel eher befürchten Experten, dass es besonders in
der kalten Jahreszeit noch einmal zu deutlichen Preissprüngen kommen kann.
An den meisten Menschen im Land geht diese Preisexplosion nicht spurlos
vorbei. Sie müssen immer knapper haushalten, um die gestiegenen Kosten zu
kompensieren. Für viele ist das inzwischen nicht mehr möglich. Die
Bundesregierung begegnet dem rasanten Preisanstieg mit einer Reihe von
Hilfsmaßnahmen, welche die Bürger entlasten sollen. Teil des Pakets ist auch
das 9-Euro – Ticket, mit dem jeder Bundesbürger in den Sommermonaten
deutschlandweit den öffentlichen Personennahverkehr nutzen kann.
Das Ticket wird seit Wochen heiß diskutiert, weil es ein nie dagewesenes
Projekt ist. Es schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Es bedeutet große
Mobilität für kleines Geld und schont dadurch den Geldbeutel der Bürgerinnen
und Bürger. Auf der anderen Seite ist es ein Beitrag im Kampf gegen den
Klimawandel. Der zeitlich begrenzte Umstieg vom Auto auf die Schiene ist gerade
in den Metropolen Balsam für die Umwelt. Manche hätten sich noch etwas mehr
gewünscht, aber: Das 9-Euro – Ticket ist die richtige Maßnahme zur richtigen
Zeit.
Ernsthafte Bedenken
Das Vorhaben der Regierung wurde in der Bevölkerung ausgesprochen gut
aufgenommen. Obwohl manche Menschen leer ausgehen, weil sie beispielsweise eine
Monatskarte besitzen, stößt das Ticket durchaus auf große Sympathie.
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten, und so gibt es auch beim 9-Euro –
Ticket den ein oder anderen ernsthaften Kritikpunkt. Befürchtet wird vor allem
eine Überlastung des Nahverkehrs, weil der Fuhrpark der meisten
Verkehrsunternehmen dem zu erwartenden Andrang nicht standhalten wird.
Angesichts eines weiterhin grassierenden Virus sind diese Bedenken nicht von
der Hand zu weisen.
Indische Verhältnisse?
Alle drei Regierungsparteien waren in den letzten zwanzig Jahren mit
unterschiedlicher Durchschlagskraft an der Demontage des Schienennetzes
beteiligt. Es ist gut, dass SPD, Grüne und FDP angesichts großer
Herausforderungen nun einlenken und eine so sinnvolle Maßnahme auf den Weg
bringen.
Besonders kritische Töne zum 9-Euro – Ticket kommen nun aber vom
Oppositionsführer Union. Sie werfen der Regierung vor, kopflos an die Sache
heranzugehen. Ihrer Meinung nach habe die Ampelkoalition nicht ausreichend im
Blick, dass das Ticket zu einem großen Ansturm auf den öffentlichen Nahverkehr
führen würde. Wenn nicht gleichzeitig mit einem Ausbau des Schienennetzes und
engeren Takten regiert würde, drohten uns Verhältnisse wie in Indien.
Reine Willensfrage
Die Einwürfe aus der Opposition sind fadenscheinig und durchschaubar. Als
regierungsführende Fraktion hat die Union schließlich ordentlich bei den Missständen
mitgemischt, die sie nun kritisiert. Das Muster wiederholt sich immer wieder:
Kaum hinter den Oppositionsbänken, da entdecken manche Parteien plötzlich ihre
soziale Ader.
Trotzdem ist noch nicht bei allen Abgeordneten von CDU und CSU angekommen,
dass sie keine regierungstragende Partei mehr sind. Ihre Aufgabe als
Oppositionspartei besteht nicht darin, möglichst alle Vorhaben der Regierung zu
kritisieren, sondern sinnvolle Alternativen aufzuzeigen. Mit ihrem Geplärre
wegen des 9-Euro – Tickets sendet die Union aber ein fatales Signal an die
Bürgerinnen und Bürger.
So berechtigt einige Kritikpunkte auch sein mögen – wenn man den Menschen
im Land nun auch noch dieses Bonbon wieder wegnimmt, dann wird dabei weiteres
Vertrauen flöten gehen. Seit vielen Jahren verweigert sich die Regierung einer
bürgerfreundlichen Politik, welche die Zeichen der Zeit erkennt. Auf die
Forderungen nach besser ausgestatteten Krankenhäusern, mehr Pflegepersonal oder
qualifizierten Lehrkräften an Schulen folgt von manchen Politikern routiniert
die Frage nach der Finanzierung. 100 Milliarden für den Verteidigungshaushalt erscheinen
aber wie aus dem Nichts. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass vieles keine
Finanzierungs- sondern eine Willensfrage ist. Die Aussetzung des 9-Euro – Tickets
bei dieser Vorentwicklung wäre aus demokratischer Sicht unverzeihlich.
Oppositionsfrust
Es ist eine Schande, dass viele Medien in diesen Chor aus schiefen Tönen
und Disharmonien einstimmen. Sie schlachten die wenigen Ausnahmen über Gebühr
aus und prophezeien schier anarchische Zustände in deutschen Bussen und Bahnen.
Voller Dankbarkeit klammern sich manche Journalisten an diesen von der Union
gereichten Strohhalm aus Frustration und Miesepeterei. Sie werden zu willigen
Helfern in dem Unterfangen, ein Projekt madig zu machen, welches in
Wirklichkeit das Potenzial hat, viel verlorengegangenes Vertrauen
zurückzugewinnen.
Endlich beschließt die Regierung eine Maßnahme, die viele Bürgerinnen und
Bürger spürbar entlastet, wenn auch nur für kurze Zeit. Ganz offensichtlich
gibt es aber ein Kommunikationsproblem, denn die Euphorie über dieses Projekt
blieb bislang aus. Manche haben es zwar wohlwollend zur Kenntnis genommen, als
großer Wurf wird es aber nicht vermarktet.
Man merkt deutlich, dass die kritischen Töne in diesem Land inzwischen von
einer Partei kommen, die zu lange regiert hat und jetzt ein ernsthaftes Problem
damit hat, dass andere Parteien den Finger in die Wunde legen. Anstatt sich
konstruktiv an der Beseitigung des selbstverursachten Scherbenhaufens zu
beteiligen, krakelen die Abgeordneten in Söder’scher Manier lieber wild drauf
los und tun die respektablen Vorhaben der Regierung als naive Tagträumereien
ab.
Regierung ohne Wumms
Zugegeben: Die Ampelregierung macht es der Neuopposition mitunter ziemlich
leicht, das Kartenhaus ins Wanken zu bringen. Eine selbstbewusste Regierung
sieht anders aus. Das könnte aber an der Führungsschwäche des neuen Kanzlers
liegen, der einige Gestalten in sein Kabinett aufgenommen hat, deren Stuhl
schon wenige Monate nach Regierungsantritt wackelt.
Ein Kanzler mit Wumms müsste auf den Tisch hauen und die Erfolge einer
angeblichen Fortschrittkoalition klar benennen. Gepaart mit dem erhöhten
Mindestlohn ab Herbst ist das 9-Euro – Ticket ein Projekt, das sich zur
Abwechslung endlich in Bürgernähe übt. Doch diese Botschaft kommt bei den
Menschen nur unzureichend an. Bisher haben es die Entlastungspakete der
Regierung nicht geschafft, die Menschen aus der politischen Passivität
herauszuziehen.
Die Landtagswahl in NRW ist ein Indiz für die politische Stimmung im Land. Als einzige Ampelpartei konnten die Grünen dazugewinnen, SPD und FDP sind abgeschmiert. Sicher, im Saarland holten die Sozen vor kurzem die absolute Mehrheit und die AfD muss in mehreren Bundesländern um den Fraktionsstatus bangen. Das alles zeigt, dass sich die etablierten Parteien weiter durchsetzen. Es zeigt aber nicht, dass die Menschen mit der Politik zufrieden sind. Die Wählerwanderung, gerade von der AfD ausgehend, zeigt deutlich, dass sich viele zu den Nichtwählern gesellt haben.
Das 9-Euro – Ticket ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es darf ab September nicht wieder Schluss sein mit Bürgernähe. Im nächsten Schritt muss die Schiene wiederbelebt werden, damit viele auch in Zeiten ohne das günstige Ticket eine Alternative zum Auto haben und von den explodierenden Spritkosten verschont bleiben. Vertrauen gewinnt man nicht durch einzelne Maßnahmen zurück. Der Gesamtkurs muss stimmen. Die Regierung muss standhaft bleiben und darf sich nicht bei Gegenwind aus der Opposition wegducken. Gute Politik macht man nicht für die Opposition, sondern für die Menschen im Land.