Rebellion der Klimagören

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Sie besetzen Baumhäuser, sie kleben sich auf der Fahrbahn fest und sie bewerfen Kunstwerke mit Lebensmitteln – Klimaaktivisten drängen auf eine umfassende Lösung der globalen Klimakrise. Der Protest der Gruppe „Letzte Generation“ erreicht in jüngster Zeit jedoch besorgniserregende Dimensionen. Weil junge Aktivisten die Rettung einer verletzten Radfahrerin verzögerten, steht die Bewegung massiv in der Kritik. Immer mehr Menschen sehen in den radikalen Klimaschützern nichts weiter als schlecht erzogene Gören, denen weder fremdes Eigentum noch das Leben anderer heilig ist. Mit ihren Aktionen schadet die „Letzte Generation“ besonders einem – dem Klima.

Seit einigen Monaten machen vornehmlich junge Aktivisten durch fragwürdige Aktionen auf sich aufmerksam. Die meisten von ihnen bewerfen Kunstwerke mit Lebensmitteln oder sie kleben sich mit Sekundenkleber in Museen oder auf Autofahrbahnen fest. Die Proteste der Gruppe „Letzte Generation“ haben durch einen tragischen Zwischenfall nun noch mehr Bekanntheit erlangt. Ende Oktober blockierten einige Aktivisten eine Autobahn, weswegen die Feuerwehr nur verspätet zu einem Unglücksort in Berlin gelangte. Die verletzte Frau ist mittlerweile gestorben. Die Debatte über die Klimaschützer ist seitdem in vollem Gange: Während einige Verständnis für die Drastik der Maßnahmen zeigen, plädieren manche für drakonische Strafen für den zivilen Ungehorsam.

Protest mit Sinn und Verstand

Auf Kunst kann verzichtet werden, auf eine gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln und dem entschlossenen Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel nicht – so das selbsterklärte Ziel der jungen Klimakämpfer. Zumindest für sie ist diese Botschaft völlig offensichtlich. Andere haben schon größere Schwierigkeiten, den Zusammenhang zwischen Kunst und Weltklima zu erkennen.

Auch wenn einigen die Proteste rund um den Hambacher Forst seit 2012 nicht geschmeckt haben dürften – Sinn und Zweck des Widerstands gegen die Abholzung des Walds in Nordrhein-Westfalen lag auf der Hand: Wir brauchen möglichst viele Bäume, um den Klimawandel beherrschbar zu halten. Klimaschädliche Großprojekte wie Autobahnen müssen angesichts dessen zurücktreten. Mit dieser Begründung war es für jeden einleuchtend, warum sich hunderte Aktivisten an Bäume banden oder sich in deren Geäst verbarrikadierten.

Gleiches trifft auf die Demonstrationen von Fridays for Future zu. Besonders Aktionen vor den Büros von Entscheidungsträgern lassen keinen Zweifel an der Logik solcher Kundgebungen. Man will den Abgeordneten damit unübersehbar klarmachen, was man von deren Politik hält.

Klimaschutz auf Abwegen

Diese Logik ist für viele bei Angriffen auf Gemälde nicht erkennbar. Erst mit viel Hirnschmalz und nach einigem Hin- und Herdenken lassen sich die Beweggründe der Aktivisten erahnen. Die Beschmutzung wertvoller Kunstgüter zur Rettung des Weltklimas ist ebenso absurd wie die Verhüllung oder Besudelung von Statuen, um für eine vielfältige Gesellschaft einzutreten. Wer Kunst und Kultur gegen die Erreichung wichtiger Klimaziele ausspielt, der darf sich nicht wundern, wenn ihm Zensur vorgeworfen und autoritäre Denkmuster unterstellt werden.

Es lohnt sich daher, einen Blick auf die Klientel hinter solchen Aktionen zu werfen. Getarnt als normale Museumsbesucher packen die selbsternannten Klimaschützer in den Ausstellungsräumen ihre Wurfgeschosse und den vielzitierten Sekundenkleber aus. Schon aus dieser Vorgehensweise lässt sich ableiten: Die Aktivisten haben das nötige Kleingeld, um den Eintritt ins Museum bezahlen zu können. Das mag unscheinbar wirken, gibt aber eine Menge Aufschluss über den sozialen Hintergrund der Störenfriede.

Sie möchten sich für mehr Verteilungsgerechtigkeit angesichts der sich zuspitzenden Klimakatastrophe einsetzen – und greifen dann zu Nahrungsmitteln, um damit wertvolles Kunstgut zu bewerfen. Dieses Bekenntnis zum Kampf gegen den klimabedingten Hunger auf der Welt ist mehr als obskur.

Privilegierter Protest

Das Festkleben auf Autofahrbahnen ist dann nur der letzte Beweis für die völlige politische Desorientierung der jungen Rebellen. In ihrer ideologischen Verblendung erkennen sie nicht, dass die Autofahrer selbst Opfer einer verfehlten Verkehrs- und Klimapolitik sind. Viele von ihnen haben keine Alternative zu ihrem Wagen, weil sie sich entweder ein E-Auto nicht leisten können oder weil es in ihren Heimatorten keine attraktive ÖPNV-Anbindung gibt. Der Protest richtet sich wieder einmal gegen die falschen.

Dieser Umstand lässt sich besonders leicht ausblenden, wenn man selbst privilegierten Zugang zu klimafreundlichen Alternativen hat. Anders ist nicht zu erklären, dass die Klebe-Attacken fast ausschließlich bei größeren Städten stattfinden. Die „Letzte Generation“ ist eine Bewegung der Stadtkinder. Auf dem Land käme kein Gleichaltriger auf die Idee, den Individualverkehr auf diese Weise zu behindern. Alles eine Frage der Erfahrung und Perspektive.

Auch bei der „Letzten Generation“ lässt sich wie schon bei Fridays for Future erkennen, dass sich hauptsächlich junge Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss beteiligen. Dass dies oftmals mit einem gesicherten sozialen Umfeld einhergeht, ist in Deutschland mittlerweile Realität geworden und sicherlich beklagenswert. Dass diese soziale Sicherheit aber in fehlenden Respekt vor fremdem Eigentum übergeht, ist eine Schande.

An der Gesellschaft vorbei

Wie schon Fridays for Future hat es die „Letzte Generation“ nicht geschafft, die gesellschaftliche Mehrheit mitzunehmen. Zu viele Menschen sehen in den Aktionen das zügellose Treiben einer schlecht erzogenen Rasselbande. Der moralische Zeigefinger der Aktivisten fällt mit Wucht auf sie zurück. Sie gängeln Menschen lieber als sie für sich zu vereinnahmen.

Immer weniger Menschen können den Aktionen der Gruppe etwas Gutes abgewinnen. Nach dem Tod der Radfahrerin in Berlin werden sich die Fronten weiter verhärten. Die Skeptiker der Bewegung werden die Aktivisten für den Tod der Frau verantwortlich machen. Wahrscheinlich wird ein Strafverfahren gegen die Blockierer eröffnet. Den strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns werden sie sich jedenfalls nicht entziehen können.

Der engagierte Kampf gegen den Klimawandel gerät indessen immer weiter in Verruf. Schon mit den Aktionen gegen Kunstwerke haben die angeblichen Klimaretter ihrem eigentlichen Anliegen einen Bärendienst erwiesen. Wenn nun auch noch ein Todesfall mit der Bewegung in Verbindung gebracht wird, sinkt die gesellschaftliche Akzeptanz der Idee weiter.


Der blinde Aktionismus einiger weniger hat uns einem entschlossenen Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel nicht nähergebracht, sondern den gesellschaftlichen Rückhalt dafür weiter abgebaut. In ihrer hypermoralischen und naiven Verblendung vergessen die jungen Aktivisten immer wieder eine wichtige Regel: Der Zweck heiligt niemals die Mittel.

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