Fair Share

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Die zweite selbstorganisierte bundesweite Volksabstimmung steht in den Startlöchern. Momentan können die Bürgerinnen und Bürger auf der Beteiligungsplattform consul über die eingereichten Themenvorschläge abstimmen. Vorschläge zur Eindämmung des menschengemachten Klimawandels kommen dabei nicht zu kurz. Die Initiative „Earth Cent for Future, Peace and Climate“ sieht dabei vor, Unternehmen mit einer kontinuierlich steigenden Abgabe zu belasten und sie damit zum Umstieg auf klimafreundliches Wirtschaften zu animieren. Der Vorschlag ist intelligent und geeignet, muss aber an bestimmte Bedingungen geknüpft sein.

Der Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Deshalb spielen Konzerne und Unternehmen eine zentrale Rolle in dieser Menschheitsaufgabe. Die Bemühungen gegen die Erderwärmung geraten auch deshalb immer wieder ins Stocken, weil die Unternehmen ihre Verantwortung nur halbherzig wahrnehmen, während die Bürger das Gefühl haben, die Lasten des Klimawandels alleine tragen zu müssen. Dabei wäre eine nachhaltige Verhaltensänderung globaler Konzerne viel wirkungsvoller. Ein beherztes staatliches Eingreifen ist überfällig.

Fair Share

Immer wieder führen wirtschaftsnahe Verbände und Interessensgruppen das Argument an, dass ein radikaler Umbau der Unternehmenskultur massiv Arbeitsplätze kosten würde und ein klimafreundliches Wirtschaften dadurch erschwert würde. In vielen Fällen mögen das vorgeschobene Ausflüchte sein – aus der Luft gegriffen ist die Sorge dennoch nicht. Gerade kleinere Unternehmen kann man nicht in demselben Maße in die Pflicht nehmen wie multinationale Konzerne.

Das Konzept von Earth Cent ist hier ein kluger Ansatz, weil es gezielt auf das Ausmaß des klimaschädlichem Verhaltens einzelner Konzerne eingeht und dem einen Riegel vorschieben will. Es ist daher wichtig, dass sich die vorgesehene Steuer nicht nach einer absoluten Zahl richtet, sondern an einem prozentualen Anteil am Umsatz orientiert. Damit wäre sichergestellt, dass sich große Konzerne nicht einfach freikaufen könnten, während kleine und mittelständische Unternehmen über Gebühr belastet würden.

Starthilfe für den Markt

Besonders fair an Earth Cent ist, dass es den Wirtschaftsakteuren Planungssicherheit und Transparenz verspricht. Jeder wüsste, was ihn erwartet und könnte entsprechend einlenken. Die Arbeitnehmer würden stärker eingebunden werden, weil sie durch betriebliches Engagement beizeiten Einfluss nehmen und nötigenfalls Druck auf die Unternehmensführung ausüben könnten, um Arbeitsplätze zu sichern.

Earth Cent richtet sich an die Unternehmen und ihre Art des Wirtschaftens. Die zusätzlichen Abgaben fließen direkt in weiteres Engagement gegen den Klimawandel. Es muss dabei unbedingt verhindert werden, dass die steigenden Kosten an die Kunden weitergegeben werden. Nachhaltige Alternativen müssen bezahlbar sein, sonst machen sie keinen Sinn. Genau so wie es dem Markt immer gelungen ist, Schlupflöcher zu finden, findet der Markt auch kostenschonende Möglichkeiten, wenn eine neue Situation eintritt. Wenn sich klimafreundliche Alternativen unter diesen Voraussetzungen durchsetzen, werden die Kunden dem guten Beispiel von selbst folgen.


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Nur zweite Wahl?

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Die zweite selbstorganisierte bundesweite Volksabstimmung steht in den Startlöchern. Momentan können die Bürgerinnen und Bürger auf der Beteiligungsplattform consul über die eingereichten Themenvorschläge abstimmen. Viele umtreibt dabei die sinkende Repräsentation des Wählerwillens in den Parlamenten, weil sich immer weniger Menschen von den etablierten Parteien vertreten fühlen. Um ihre Stimmen nicht verfallen zu lassen, soll es nun eine Ersatzstimme richten. So originell der Vorschlag auch sein mag, verfehlt er das eigentliche Ziel. Gestärkt wird nicht die demokratische Teilhabe, sondern Verdruss und politischer Stillstand.

Im politischen Abseits

Die Wahlbeteiligung in Deutschland ist zu gering. Auch wenn sich die Quote bei den letzten Wahlen bei ungefähr 75 Prozent eingependelt hat, besteht für Schulterklopfen kein Anlass. Dazu kommt, dass sich immer mehr Menschen von keiner kandidierenden Partei mehr vertreten fühlen oder ihre Stimme nicht gezählt wird, weil die Partei ihrer Wahl an der 5-Prozent – Hürde gescheitert ist. Bei der Bundestagswahl 2013 beispielsweise traf das auf rund ein Zehntel der Wählerinnen und Wähler zu, weil sowohl AfD als auch FDP den Einzug in den Bundestag knapp verpasst hatten.

Immer lauter werden jetzt die Rufe nach einer Ersatzstimme, damit der eigene politische Wille auf jeden Fall abgebildet wird. Falls die erste Wahl nicht in den Bundestag einzieht, zählt die Ersatzstimme für eine der etablierten Parteien. Für ebendiese ist eine solche Regelung auch gedacht. Eine Ersatzstimme gäbe den großen Parteien die Gewissheit, am Ende sowieso gewählt zu werden. Die Ersatzstimme zementiert ihre Macht und verhindert demokratischen Wandel, anstatt ihn zu fördern.

Wählen mit Weitsicht?

Eine dritte Stimme wäre zudem ein Hindernis, um politische Unzufriedenheit auszudrücken. Denn wer wählt aus Protest eine kleine Partei, wenn er sich mit der Ersatzstimme die Option einer großen Partei offenhält? Für echte Protestwähler ist dieser Vorschlag überhaupt nicht geeignet.

Die Ersatzstimme ist außerdem undemokratisch, weil bestimmte Wählerinnen und Wähler dadurch eine Stimme mehr hätten als andere. Wer von der Ersatzstimme Gebrauch macht, bereitet sich auf ein mögliches Szenario vor. Bei freien demokratischen Wahlen geht es aber gerade darum, dass man das Ergebnis nicht kennt und sich entsprechend nicht darauf vorbereiten kann.

Zweite Wahl

Die Gewissheit – oder zumindest der Verdacht – man war für die Wähler nur zweite Wahl, kann sich nachteilig auf politisches Engagement in den Parteien auswirken. Die Gefahr von Abgeordneten zweiter Klasse ist nicht von der Hand zu weisen, wenn manche Parlamentarier einzig aufgrund der Ersatzstimme im Plenum sitzen. Auch politische Innovation wird auf diese Weise unterdrückt.

Die zentrale Überlegung bei einer Ersatzstimme ist die Wahrung der politischen Repräsentation möglichst vieler Menschen. Genau das Gegenteil wird aber eintreten. Es wird immer so sein, dass die zweite Wahl mit höherer Wahrscheinlich zum Zuge kommt als die erste Wahl. Zwar drückt die Ersatzstimme die theoretische Präferenz aus, kleine Parteien werden dennoch abgewürgt.

In Zeiten der zunehmenden politischen Diversifizierung und der gerade beschlossenen Wahlrechtsreform wäre es daher sinnvoller, das Quorum auf beispielsweise 3 Prozent zu senken. So würden auch solche Wähler gehört werden, die sich von keiner der etablierten Parteien vertreten fühlen. Es wäre ein echter Anstoß für die großen Parteien, über ihre Programme nachzudenken.

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Fair statt quer

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Corona erweist sich immer öfter als fataler Katalysator für Probleme in den unterschiedlichsten Bereichen. Es verschärft die prekären Verhältnisse in den Krankenhäusern und im Gesundheitswesen, es verschlimmert die unmenschlichen Zustände in Schlachtereien, aber es treibt auch die Entfremdung von der Demokratie voran, die lange vor Corona einsetzte. Nur ein echter Politikwechsel hin zu mehr Bürgernähe kann dazu beitragen, ein Auseinanderdriften in Zeiten ohne Abstand zu verhindern.

Schlecht, schlechter, Corona

Diskutieren Politiker, Wissenschaftler und andere Experten über die Folgen der Coronakrise, darf eines nicht fehlen: die Brennglas-Metapher. Besonders gut verdeutlicht sie die Missstände, die durch die Pandemie offensichtlich wurden. Dabei ist sie inzwischen schon fast zu einer Floskel verkommen. Das ist schade, bringt sie die Probleme doch besonders wahr und klar zum Ausdruck. Denn einerseits verschärfte sich die Situation in deutschen Krankenhäusern durch das Virus enorm. Wo der Betrieb bisher mit Ach und Krach gerade so am Laufen gehalten wurde, da befindet sich viel medizinisches Personal heute jenseits seines Limits. Andererseits kann das Brennglas auch nur dort verschlechtern, wo bereits zuvor ein Missstand war. Die extrem dünne Personaldecke in den Krankenhäusern oder die katastrophalen Zustände in deutschen Fleischereibetrieben sind keine Erfindung des Virus.

Unter diesen skandalösen Bedingungen konnte das Virus nur besonders gut gedeihen. Plötzlich wusste jeder im Land, dass die ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter jeden Morgen in überfüllten Bussen zur Arbeit gekarrt wurden. Außerhalb der viel zu langen Arbeitszeiten mussten sie in schuhkartonähnlichen Baracken ausharren. Man ist fast geneigt, von Massenarbeiterhaltung zu sprechen.

Ein ernsthaftes Problem

Es ist richtig, dass all das nun endlich an die Öffentlichkeit kam. Es ist ebenso richtig, dass sich die Menschen darüber empören und die Politik unter Druck setzen. Richtig wäre auch, wenn diesen Problemen endlich Abhilfe geschaffen würde. Es stimmt aber leider genau so, dass ein Missstand bis heute viel zu wenig zur Sprache kam. Die Corona-Pandemie hat doch auch offensichtlich gezeigt, in welch schlechtem Zustand sich unsere Demokratie heute befindet.

Ich meine damit übrigens nicht, dass die Parteien darüber streiten, wie sie rechtzeitig zur Bundestagswahl genügend Kandidaten aufstellen sollen oder in welcher Form die Wahlen überhaupt stattfinden. All das sind Probleme, die relativ leicht zu lösen sind. Ich rede vom frappierenden Vertrauensverlust gegenüber der Demokratie, der durch die Pandemie besonders deutlich wurde. Es ist nämlich nicht so, dass die selbsternannten Querdenker lediglich von Stadt zu Stadt ziehen und eine Demo nach der anderen abhalten. Sie ziehen regelmäßig tausende Menschen an, die ihnen folgen, ihnen zuhören und sie sogar bejubeln. Am schlimmsten allerdings ist: Sie glauben ihnen.

Nun kann man leicht die Nase rümpfen und sich über diese Aufläufe echauffieren. Man kann diese Menschen sehr einfach als Nazis, Reichsbürger und anderes undemokratisches Geschmeiß diffamieren. Und ganz bestimmt besteht der harte Kern der Querdenker aus solchen Leuten. Es leuchtet allerdings nicht ein, wo diese Anti-Demokraten auf einmal alle hergekommen sein sollen. Es muss doch einen Anlass dafür geben, warum sie für die Theorien dieser Szene so empfänglich sind. Sie protestieren laut, dass sie die Schnauze endgültig vollhaben. Was also hat ihre Schnauzen so lange gefüllt?

Eine Luftnummer

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Das deutsche Grundgesetz ist eindeutig: Das Volk ist der Souverän. Die Politikerinnen und Politiker sind verpflichtet, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu handeln. Schaut man sich allerdings das Regierungshandeln der letzten Jahre an, so ist von diesem Grundsatz nicht viel geblieben. Menschen arbeiten in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen, die Rente reicht vielen hinten und vorne nicht, in den Schulen bröckelt der Putz von der Decke. Gleichzeitig werden Millionen in unsinnigen Mautbestrebungen versenkt, die Rüstungsindustrie muss nicht einmal mehr „Bitte“ sagen und Banken werden mit Steuergeldern aus der selbstverschuldeten Krise gezogen. Mit echter Demokratie und Volksnähe hat das nichts zu tun.

Seit vielen Jahren hört die Regierung viel eher auf die Befindlichkeiten der Wirtschaft als auf die realen Nöte ihrer Bevölkerung. Den bisherigen Höhepunkt erreichte diese Interessensverirrung tatsächlich in der Coronakrise. Die Regierung steckte Milliarden an Steuergeld in die Lufthansa, um das marode Unternehmen auch in der Krise weich landen zu lassen. Wow, könnte man jetzt meinen, endlich mal was für Arbeitsplätze und soziale Absicherung. Doch weit gefehlt! Nicht ein Cent war an den tatsächlichen Erhalt eines einzigen Arbeitsplatzes geknüpft. Stattdessen kündigte Lufthansa jüngst an, fast 30.000 Stellen zu streichen.

Und raus bist du

Die Bodenhaftung und das Gespür für die Sorgen und Nöte der ganz normalen Bevölkerung hat die Politik vor langer Zeit verloren. Resigniert haben viele längst das Handtuch geworfen und wurden zu Nichtwählern. Es ändert sich ja doch nichts. Man kann wählen, wen man will, die persönlichen Lebensumstände tangiert das nicht einmal peripher. Diese Ignoranz hat viele Menschen vom demokratischen Diskurs entwöhnt. Sie selbst haben viele der Spielregeln der Demokratie verlernt, weil sie lange nicht mitspielen durften. Das führt dann beispielsweise zu einer völligen Umdeutung des Begriffs der Meinungsfreiheit. Für immer mehr bedeutet die Meinungsfreiheit heute, dass sie unwidersprochen sagen können, was sie wollen. Es ist die penetrante Taubheit der Regierung gegenüber den Menschen, die zu dieser verqueren Entwicklung geführt hat.

Durch Corona sind wir einer Situation gelandet, die schnelles und unbequemes Handeln erfordert. Das beinhaltet auch eine temporäre Einschränkung einiger Grundrechte. Selbst in Zeiten einer blühenden Demokratie wäre so etwas eine Zumutung. Doch in der jetzigen Situation haben wir es mit einer großen Zahl an Skeptikern zu tun, die sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen. Die Beschneidung der Grundrechte interpretieren sie doch zwangsläufig als direkten Angriff auf die Demokratie. Nachdem lange an ihnen vorbeiregiert wurde, müssen sie doch jetzt davon ausgehen, dass es tatsächlich ihrer persönlichen Freiheit an den Kragen geht.

Mehr als drei Kreuzchen

Rechten Rattenfängern spielt das natürlich in die Karten. Längst hat sich die AfD mit der Querdenkerszene verbrüdert. Anstatt nun alle Menschen, die auf solche Demos gehen, pauschal als Verschwörungstheoretiker und Rechte abzutun, muss es doch die oberste Priorität echter Demokraten sein, diesem wilden Treiben von rechts Einhalt zu gebieten. Denn die Ultrarechte wird es immer geben. Wichtigstes Anliegen muss sein, die Menschen durch echte Bürgerbeteiligung nicht einmal in diese Richtung denken zu lassen.

Offensichtlich reicht es vielen Menschen nicht aus, alle vier Jahre ein Kreuzchen zu machen. Zwischen den Wahlen fühlen sie sich häufig ohnmächtig. In Deutschland hat sich eine politische Kultur etabliert, in der von den Bürgern erwartet wird, ihre demokratischen Rechte in der Wahlkabine abzugeben. Aber nur wenn die Geschicke des Landes auch nach und vor einer Wahl beeinflusst werden können, entsteht echte Demokratie. Nur wenn das Volk das Parlament effektiv kontrollieren kann, wird Frust zu Begeisterung und Verdruss zu Motivation.

Wenn der Souverän entscheidet

Ein Bürgerrat ist ein sinnvoller Schritt, um die Interessen aus dem Volk ins Parlament zu tragen. Über Bürgervetos sollen die Menschen bemächtigt werden, Nein zu kritischen Gesetzen zu sagen, wenn sie andere konstruktive Vorschläge machen können. Sollten Bürgerbegehren tatsächlich zu Gesetzesvorlagen führen, sollten die Menschen dazu berechtigt sein, in bundesweiten Volksabstimmungen darüber zu entscheiden.

All diese Initiativen würden die Politik enorm beleben. Besonders die Parteien würden davon profitieren, weil sie neue Anreize hätten, möglichst viele Menschen von ihren Ideen zu überzeugen. Auch die Menschen selbst wären zufriedener, weil sie die Gewissheit hätten, dass sie an den Entscheidungen beteiligt waren. Sie würden viel eher hinter Gesetzen stehen, als wenn jemand darüber entscheidet, dem sie vor Urzeiten einmal ihre Stimme gegeben haben.

Das alles lässt sich aber nur dann realisieren, wenn die Politik endlich begreift, dass sie mit ihrer unsäglichen Wirtschaftshörigkeit auf keinen grünen Zweig kommt. Es muss nicht immer darum gehen, dass sie etwas rechnet. In manchen Bereichen hat der Profitgedanke nichts zu suchen. Wirtschaftspolitische Entscheidungen müssen im Einklang mit Bürgerinteressen stehen. Wenn es andersrum erwartet wird, verlieren die Menschen den Glauben an die Demokratie. Stattdessen glauben sie solchen, denen es ganz bestimmt nicht um die Wahrheit geht.


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„Das wird man wohl noch sagen dürfen!“

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