Vertrauter Feind

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Die neuen Anti-Corona – Maßnahmen treffen Gastronomie und Kultur bis ins Mark. Viele Betriebe stehen endgültig vor dem Ruin, wenn nicht bald gegengelenkt wird. Steif und fest behaupten viele, für die steigenden Fallzahlen nicht verantwortlich zu sein. Die Zahlen steigen trotzdem weiter. Immer offensichtlicher wird: Die Übeltäter sind an anderer Stelle zu suchen. Sie sind praktisch überall und verstehen es meisterlich, sich aus der Schusslinie zu bringen. Den Frust kriegen währenddessen andere ab…

Wer war’s?

Seit Montag gelten bundesweit verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Explosionsartig steigende Infektionszahlen zwingen die Verantwortlichen dazu, erneut solch drastische Maßnahmen zu treffen. Schulen und Kitas sollen so lange wie möglich geöffnet bleiben. Gaststätten, Hotels und fast sämtliche Einrichtungen des Kulturbetriebs müssen ihre Pforten allerdings für die nächsten vier Wochen schließen. Unmut darüber macht sich breit. Die wirtschaftlichen Folgen des ersten Lockdowns sind noch lange nicht überschaubar und erst recht nicht verdaut. Viele befürchten, dass es finanziell nun solchen Betrieben an den Kragen geht, die in der ersten Jahreshälfte relativ glimpflich davongekommen sind.

Das ist berechtigt und nachvollziehbar. Immer wieder zweifeln vor allem betroffene Betriebe an, dass die steigenden Fallzahlen aus ihrem Bereich herrühren. Gastronomen verweisen auf die strikte Maskenpflicht in ihren Häusern. Erst am Platz und zum Einnehmen der Speisen dürfen die Masken abgenommen werden. Ähnlich argumentieren Vertreter aus dem Kulturbereich. Abstandhalten und freie Plätze bei Kinovorstellungen und öffentlichen Darbietungen gehören längst zur Normalität der Branche. Auch der Tourismus versteift sich vehement darauf, dass von Reiserückkehrern kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehe. Nun kann man den Beteuerungen aus den verschiedenen Bereichen unterschiedliches Gewicht beimessen. Fakt ist allerdings: Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Zahl der Neuinfektionen die 20.000er-Marke knackt.

Bekanntes Muster

Viele der Argumentationen in dieser Frage laufen den wissenschaftlichen Erkenntnissen in eklatant auffälliger Weise entgegen. Es mag fundierte und seriöse Auswertungen und Studien geben, die das unterschiedliche Infektionsrisiko aus den verschiedenen Bereichen belegen. Doch der Hinweis darauf, dass es gerade in diesem oder in jenem Bereich kaum zu Ansteckungen kommt, ist inzwischen längst zur ausgeleierten Floskel verkommen. Da wird auch schon das ein oder andere Mal auf „Studien“ verwiesen, die die eigene Argumentation untermauern. Viele dieser spontanen wissenschaftlichen Erkenntnisse basieren allerdings auf Hörensagen. Mit vermeintlichen Fakten versucht man eine Wahrheit zu generieren, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine Meinung.

Diese Meinung wird mit zusammengeklaubten Zahlen und Analysen zum unumstößlichen Fakt gestutzt. Das hat bereits in der Flüchtlingskrise bestens funktioniert. Hier dichtete man den Asylantinnen und Asylanten vier- oder fünfstellige Geldbeträge an, die sie angeblich an Sozialleistungen erhielten. Belege dazu? Fehlanzeige. Und so wurde die Meinung von eben zur dreisten Lüge. Ich halte es für brandgefährlich, in der Coronakrise auf den gleichen Zug aufzuspringen und wahllos mit vermeintlich wissenschaftlichen Fakten um sich zu werfen.

Das Phantom der Krise

Nun behauptet fast jede Branche, dass sie nicht für die steigenden Coronazahlen verantwortlich ist. Die Fallzahlen steigen indes ungehindert weiter. Es gibt daher mehrere Möglichkeiten: entweder die Betriebe und Einrichtungen sagen die Wahrheit und die Infektionen entstehen tatsächlich an anderer Stelle oder sie lügen. Vielleicht machen sie aber auch von beidem ein bisschen. Möglicherweise gibt es gar nicht „den“ Hotspot. Was wäre denn, wenn sich die Übeltäter branchenübergreifend bewegten? Und das nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Raum? Was, wenn nicht die Branchen an sich für die Neuinfektionen verantwortlich sind, sondern das Verhalten von einigen Gästen, Kunden und Besuchern?

Man sieht sie schließlich überall: in Bahnen, in Geschäften, in dicht gedrängten Einkaufsstraßen. Die obligatorischen Falschträger und Maskenverweigerer gehören fast so lange zum Bild wie es die Pandemie gibt. Wie Quotenmenschen schlängeln sie sich durch alle Bereiche des Lebens. Diese unverantwortlichen Mitbürger pfeifen auf die geltenden Hygienebestimmungen. Tagsüber tragen sie die Maske bestenfalls direkt unter der Nase. Erbarmt sich der Bahnfahrer dazu, die Heizung anzustellen, wandert der Stofffetzen gerne auch mal bis unter das Kinn. Zwischendurch beglücken sie zwei Aldi- und eine REWE-Filiale mit ihrem Besuch. Dort greifen sie beherzt in die Obst- und Gemüseauslage – keine Frucht kann ihrem Griff entkommen. An der Kasse fehlt ihnen die Bewegung. Sie merken, dass sie frieren und kuscheln sich vertraut an die wartende Person vor ihnen. Den Tag runden sie mit einer legendären Coronaparty ab, zu der neben den 270 facebook-Freunden auch sämtliche Follower von Instagram eingeladen sind.

Vertrauter Feind

Diese Menschen sind dafür verantwortlich, dass die Zahlen ins unermessliche steigen und Restaurants, Hotels und Fitnessstudios wieder dichtmachen mussten. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir erneut solch schwere Einschränkungen ertragen müssen. Und hier wird’s schwierig: Diese Unverantwortlichen sind ausgesprochen heterogen. Es sind nicht überwiegend Männer und auch nicht vorwiegend Frauen. Sie können jung und alt sein, groß und klein. Sie können einen Professorentitel tragen oder ihre schulische Karriere bereits nach der neunten Klasse Hauptschule beendet haben. Für Bequemlichkeit ist Intelligenz kein Hindernis. Das einzige, was diese Menschen gemeinsam haben, sind schöne Nasen. Diese wollen sie mit der ganzen Welt teilen. Keine Maske, kein Abstandsstrich, keine Kontaktbeschränkung und erst recht keine Sperrstunde kann sie davon abhalten.

Vielleicht gäbe es ja aber doch eine Möglichkeit, dem unverantwortlichen Treiben dieser Menschen Einhalt zu gebieten. Wenn sie ausreichend gesellschaftlichen Druck zu spüren bekämen, würden viele von ihnen möglicherweise einlenken. Stattdessen werden sie seit Monaten geduldet, um nicht zu sagen hofiert. Der Frust und der Zorn richtet sich gegen die Politik, insbesondere gegen die Bundesregierung. Sicher kann die Zielgenauigkeit und auch das Zustandekommen der beschlossenen Maßnahmen kritisiert werden. Ist es sinnvoll, sämtliche Restaurants zuzumachen? Hätte nicht vorher das Parlament befragt werden müssen? Sicher ist aber auch, dass die Regierung aufgrund der jüngsten Entwicklungen unter gewaltigem Zugzwang stand. Sie lenkt dagegen, weil sie es muss. Den Grund dafür haben andere geschaffen.

Gefährliche Dynamik

Eine kleine Minderheit in der Bevölkerung lässt keine Gelegenheit aus, die Hygienemaßnahmen zu unterwandern und mit Füßen zu treten. Immer wieder muss die Mehrheit das Fehlverhalten dieser Minderheit ausbaden – ob durch Hamsterkäufe, verschärfte Maskenpflicht oder gestrichene Theaterbesuche. Es ist falsch, andere dafür verantwortlich zu machen. Der Finger muss auf jeden deuten, der in der Bahn die Maske runterzieht, sobald der Kontrolleur sich umdreht. Stattdessen versteifen sich immer mehr auf die Politik als den Unheilbringer in der Coronakrise. Den absoluten Tiefpunkt an menschlichem Niveau erreichten kürzlich der Wirt einer Bar in Berlin: Er erteilte der Bundeskanzlerin kurzerhand Hausverbot. Als die Zustimmung dafür vorwiegend aus der rechten Ecke kam, ruderte er zurück. Den fragwürdigen Beifall hätte man leicht vorhersehen und vermeiden können. Aber es eben immer leichter, gegen eine weit entfernte Gruppe vorzugehen als sich mit den Offensichtlichkeiten auseinanderzusetzen.

Eine dieser Offensichtlichkeiten sind schlechte Vorbilder, die auch in der Politik vertreten sind. Die AfD gibt all denen Rückhalt, die zu feige sind, sich den Problemen zu stellen. Im Falle der Hygienemaßnahmen sind die Rechtspopulisten sogar aufgestiegen. Sie sind nun nicht mehr nur geistige Brandstifter, sondern aktive Vormacher. Immer wieder fallen die Abgeordneten der Fraktion im Bundestag durch eine sehr laxe Handhabung der allgemein gültigen Verordnungen auf. Wie soll die Pandemiebewältigung gelingen, wenn selbst im Bundestag Menschen sitzen, die mehr Probleme schaffen als welche zu lösen?

Solche Menschen setzen eine gefährliche Dynamik in Gang. Das Fehlverhalten weniger provoziert umfangreichere und härtere Maßnahmen, um der Lage Herr zu werden. Diejenigen, die den bisherigen Einschränkungen skeptisch gegenüberstanden, fühlen sich in ihren Ansichten bestätigt und torpedieren die härteren Maßnahmen. Die Querdenker und Querschießer der Nation haben Zulauf und machen ihrem Namen alle Ehre. Sie kommen der Sicherheit und der Gesundheit der Bevölkerung nämlich tatsächlich in die Quere. In ekelhafter Selbstgefälligkeit rühmen sie sich dafür, eine andere Meinung zu haben als die Mehrheit. Sie merken nicht, dass echte Kritik immer eine Verbesserung beabsichtigt. Sie aber zerstören.


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Sommer, Sonne, Sonnenschein

Lesedauer: 10 Minuten

Wochenlang hatten wir unsere Ruhe vor ihr, jetzt feiert sie ihr düsteres Comeback: die Reproduktionszahl. Beachtlich lange schienen wir das Virus gut im Griff zu haben. Die Fallzahlen waren rückläufig, die Maßnahmen schienen zu fruchten. Seit wenigen Wochen allerdings wendet sich das Blatt. Die Infektionszahlen schießen erneut in die Höhe, ganze Betriebe machen zu, Gemeinden werden abgeriegelt. Wir haben es einer gefährlichen Minderheit in der Bevölkerung zu verdanken, dass uns mitten im Hochsommer eine zweite Welle der Pandemie droht.

Blick in die Zukunft oder Hokus Pokus?

In ihrem Buch End of Days schrieb die Autorin Sylvia Browne bereits vor zwölf Jahren von einer Seuche, die Lunge und Atemwege angreifen und die Welt im Jahr 2020 in einem bisher unbekannten Ausmaß heimsuchen würde. Die Symptome und Krankheitsverläufe, welche die amerikanische Schriftstellerin in ihrem Roman beschreibt, haben eine erschreckende Ähnlichkeit mit dem Coronavirus von heute. War Browne also eine Hellseherin? Oder hat sie einfach nur ins Blaue geraten und zufällig einen Volltreffer gelandet? Immerhin lagen zwischen der Veröffentlichung ihres Buches und dem Auftreten erster Coronafälle rund elf Jahre. Ihre Geschichte nimmt übrigens eine unvorhergesehene Wendung: Das Virus verschwindet so abrupt wie es aufgetaucht ist. Spätestens jetzt werden die meisten die Hoffnung aufgegeben haben, dass die Dame über hellseherische Fähigkeiten verfügte.

Denn ein Ende der Pandemie ist in der Realität weiter nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Infektionszahlen schießen auch in Deutschland seit Wochen wieder in die Höhe. Die Lockerungen des Lockdowns haben einige wohl zu dankbar angenommen. Unvorsichtige Auslandsreisende und leidenschaftliche Falschträger der Maske tun ihr übriges. Dabei glaubten viele, gerade der Sommer würde das Ende der Pandemie einläuten. Doch Pustekuchen: Neuere Untersuchungen ergaben, dass weder höhere noch niedrigere Temperaturen dem Virus wirklich beikommen. Kein Wunder also, dass das Virus in so manchem Fleischereibetrieb bei dichtem Gedränge und kühlen Temperaturen so wüten konnte. Leider auch kein Wunder, dass es außerhalb von Tönnies & Co. bei Außentemperaturen von über 30 Grad weiter so gut gedeihen kann.

Mit Hein Blöd am Tisch

Spätestens die Demonstranten von Berlin haben vielen die Hoffnung auf einen Schönwetter-Sieg zunichtegemacht. Das Virus kann nicht einfach so ad acta gelegt werden, wenn es Menschen gibt, die durch ihr unverantwortliches Handeln die große Mehrheit in Gefahr bringen. Virologen empfehlen zwar, die Maske regelmäßig bei mindestens 60 Grad gründlich auszuwaschen, aber 30 Grad im Schatten sind eben lange keine 60 Grad. Auch wenn selbst hohe Außentemperaturen alles andere als ideal für die Ausbreitung des Virus sind, bedarf es weiter einer strikten Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Andernfalls verbreitet sich das Virus auch bei sommerlichen Temperaturen viel zu gut.

Es ist aber auch überhaupt nicht verwunderlich, dass sich das Virus beinahe unbehelligt trotz hoher Temperaturen so ungeniert weiter ausbreitet. Klar kann man sagen, die Lockerungen im gastronomischen Bereich kamen zu früh. Doch gerade im Sommer sollten diese Angebote bei Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln kein zu großes Problem sein. Wenn doch einmal eine Infektion auftritt, können Ketten dank modernster Datenerfassung auf Kritzelblöcken umfassend und vollständig ermittelt und zeitnah abgeschnitten werden. Soweit die Theorie.

In der Praxis kann man durchaus von einem neuen Datenskandal reden. Teilweise liegen die Zettel mit Name, Anschrift und Telefonnummer minutenlang unbeaufsichtigt auf den Plätzen, nachdem die ahnungslosen Datenspender ihren Platz verlassen haben und laden zu allerlei Schabernack damit ein. Wie die Gastronomen dann die gesammelten Zettel aufbewahren, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Und dann gibt es noch solche Spezialisten, die es ganz besonders lustig finden, sich auf den einseitigen Gästebüchern als Hein Blöd oder Donald Duck zu verewigen. Das meinen sie natürlich bitterernst, schließlich muss man der grenzenlosen Ergaunerung der Daten konsequent entgegentreten. Sehen deren Follower auf Instagram, Tinder und WhatsApp übrigens genau so.

Für die Grundrechte, gegen die Verantwortung

Und währenddessen werden vor allem die Abstandsregeln munter gebrochen. Die Schlangen an Supermarktkassen schrumpfen spürbar immer weiter in ihre einstige Länge vor Corona. Abertausende von Schuhsohlen haben die Abstandsstriche auf den Fußböden der Einzelhändler in den letzten Monaten bis zur Unkenntlichkeit weggewetzt. Dem gemeinen Deutschen ist es in aller Regel nicht zuzutrauen, 1,50 Meter per Augenmaß zu bestimmen.

Natürlich hat all das nichts mit den steigenden Infektionszahlen zu tun. Schuld daran sind einzig und allein die Bekloppten vom Ballermann. Es ist auch so einfach, mit falschsitzender Maske vor dem Fernseher zu sitzen und ungläubig den Kopf zu schütteln, während das Partyvolk auf den Balearen in der Tagesschau munter über die Mattscheibe tänzelt. Aber ich muss diese Empörten leider enttäuschen: Auch wenn die Ballermänner und -frauen in erheblichem Maße zu höheren Krankheitsfällen beitragen, laden solche Exzesstäter immer dazu ein, die eigene Verantwortung auszublenden. Diese Urlauber mögen das Virus nämlich wieder ins Land einschleppen – verbreiten tun es aber die, die bei aller Empörung über die wildgewordenen Corona-Touris die eigene Verantwortung am Gemeinwohl ebenfalls mit Füßen treten.

Viele steigen mit falschsitzender oder sogar ganz ohne Maske in den Bus. Andere bemerken unterwegs, dass sie daheim kein Brot mehr haben. Der Supermarkt liegt auf dem Weg, also schnell noch reingehuscht. Dass man dieses eine Mal ausnahmsweise keine Maske trägt, wird schon nicht so schlimm sein, man ist immerhin gleich wieder raus. Zum Glück sind solche Leute weiterhin in der Minderheit. Aber Minderheit bedeutet nicht immer ungefährlich. Und auch die Masken der Vorbildlichen sind kein Universalschutz. Wie wildgewordene Spermien in einem Raum voll löchriger Kondome steuern diese Virenschleudern vom Eingang zum Feinkostregal, in Richtung Kasse und dann zum Ausgang. Zahl geglückter Befruchtungen: 4.

Vor dem heimischen Fernseher sitzen sie dann wieder ganz ungläubig, wenn Susanne Daubner um 20 Uhr von steigenden Infektionszahlen und strengeren Schutzmaßnahmen redet. Eine bodenlose Unverschämtheit. Schnell auf die Straße, um lauthals für die Grundrechte einzustehen. In Berlin ist eine großangelegte Demo? Nix wie hin! Und so tummeln sich zigtausende Hygienedemonstranten dicht an dicht und im Regelfall ohne Maske, um den Angriff auf ihre Bürgerrechte abzuwehren. Verbissen wollen sie eines unbedingt verhindern: einen zweiten Lockdown. Sie sehen nicht, dass es gerade ihr absurd unvorsichtiges Verhalten ist, das ebendiesen immer wahrscheinlicher macht.

Ein Teufelskreis

Die Angst vor einem neuen Lockdown ist übrigens berechtigt. Der alte hat schließlich viele Arbeitsplätze gekostet, tausende Menschen stecken weiterhin in Kurzarbeit. Kleinere Unternehmen kämpfen ums Überleben, von Solo-Selbstständigen will ich gar nicht anfangen. Man muss weder Hellseher noch Star-Ökonom sein, um zu sehen, dass unsere Wirtschaft einen zweiten Lockdown nicht überstehen würde.

Trotz allem war der Lockdown im Frühjahr eine Maßnahme, um die Bevölkerung vor dem verheerenden Virus zu schützen. Die Demonstranten von Berlin und anderswo sehen das nicht so. Einige von ihnen halten das Virus für eine reine Erfindung, die meisten die getroffenen Maßnahmen zumindest für maßlos übertrieben. Dieses Konglomerat aus Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremen, Impfgegnern und wer weiß was sonst noch ist viel zu wenig an der Wahrheit interessiert. Tatsächlich weist diese ungesunde Mischung eine noch höhere Resistenz gegenüber der Wahrheit auf als es das Virus gegen die getroffenen Maßnahmen tut. Sie sehen einen weiteren Lockdown als willkürliche staatliche Schikane, die das pöbelnde Volk mundtot machen soll. Aber wie soll man von solchen Menschen erwarten können, dass sie zeitweise auf Cafés, Bars und Restaurants verzichten, wenn sie es noch nicht einmal schaffen, den gebotenen Mindestabstand zu halten?

Stattdessen ziehen diese verantwortungslosen Bürger laut, aber offensichtlich taub weiter und merken nicht einmal, welchen Teufelskreis sie anstoßen. Jedes Mal, wenn sich ein solcher Pulk zusammenfindet, um Freiheit, Gerechtigkeit und Grundrechte zu verteidigen, rücken ihnen die strengeren Schutzmaßnahmen ein wenig näher auf die Pelle. Dann empfinden sie die Maßnahmen noch eher als Repression und wehren sich noch vehementer dagegen. Die Infektionszahlen steigen währenddessen ungebremst.

Es tobt der Hamster…

Je heftiger die Hygienedemos durch unser Land wüten desto wahrscheinlicher wird ein zweiter Lockdown. Das hätte Folgen. Denn bereits bei der ersten Welle der Pandemie herrschte in vielen Supermärkten der Ausnahmezustand. Wochenlang herrschte gähnende Leere bei Nudeln, Suppenkonserven und Toilettenpapier. Diese Hamsterkäufe waren keine Begleiterscheinung des ersten Lockdowns. Sie waren der Vorbote. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was im deutschen Einzelhandel los wäre, wenn ein zweiter Lockdown tatsächlich unmittelbar bevorstünde. Dieses Mal wissen die Leute, was sie erwartet. Das kann durchaus zusätzlicher Ansporn sein, dieses Mal noch hemmungsloser shoppen zu gehen.

Dazu kommt, dass die Menschen wissen, welch verheerende Konsequenzen ein zweiter Lockdown für Wirtschaft und Arbeitsmarkt hätte. Die Folgen des ersten Lockdowns sind schließlich noch nicht einmal im Ansatz verdaut. Die Angst vor dem Totalkollaps der Wirtschaft kann eine wichtige Rolle spielen, wenn es zu einer weiteren Welle an Hamsterkäufen kommt. Dann werden sich aber auch Einkaufsmöglichkeiten zu Hotspots bei der Virenverbreitung entwickeln.

Umso wichtiger ist es, so frühzeitig wie möglich, Maßnahmen zu ergreifen, um Zustände wie im Frühjahr zu verhindern. Noch bevor der erste Hamster aus seinem Schlummer erwacht, müssen Einlass- und Ausgabebeschränkungen her. Diese suggerieren zwar einen Notstand und könnten Einkäufe herausprovozieren, verhindern aber im gleichen Moment anarchische Zustände in den Läden. Anfang des Jahres kauften die Menschen tagelang ungebremst die Regale leer. Mit rechtzeitigen Beschränkungen kann man den Zeitpunkt leerer Regale zumindest hinauszögern. Anders ist der Minderheit der Rücksichtslosen und Bequemen leider nicht beizukommen. Denn immerhin haben es gerade solche Leute geschafft, mitten im Hochsommer eine zweite Welle der Pandemie loszutreten.


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