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Mehr Waffen erhöhen die Resilienz. Angesichts der unfassbaren Tat in Uvalde am 24. Mai 2022 klingt dieser Satz wie aus einer anderen Welt. Vor knapp zwei Wochen lief dort ein 18-jähriger Täter in einer Grundschule Amok. Er tötete 21 Menschen und zerstörte das Leben von weitaus mehr. Die Bewohner der Kleinstadt, die USA, die ganze Welt ist entsetzt über diese Bluttat. Gleichzeitig fliegen an vielen anderen Orten die Bomben und scharfe Munition wird verschossen. Es wird Zeit, die lobbykratische Geisterfahrt zu beenden und endlich einzusehen, dass Waffen niemals nur der Verteidigung dienen.
Die texanische Kleinstadt Uvalde ergänzt seit dem 24. Mai 2022 die Liste der Städte, in denen sich ein unfassbares Massaker ereignet hat. Der 18-jährige Täter marschierte dort schwer bewaffnet in die Robb Elementary School. Er tötete neunzehn Grundschüler und zwei Lehrerinnen. Zahlreiche weitere Personen wurden bei dem Amoklauf verletzt. Den Täter traf schließlich eine Polizeikugel tödlich. Die 15.000 Einwohner große Ortschaft im Südwesten Texas bleibt fassungslos zurück.
Traurige Routine
Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Besonders US-amerikanische Städte erlangen durch solche Vorfälle immer wieder traurige Bekanntheit. Doch auch in Deutschland sind derartige Exzesstäter leider keine Seltenheit. Die Tat in Uvalde weckt schmerzhafte Erinnerungen an die Amokläufe in Winnenden, in Heidelberg und in Erfurt. Letzterer jährt sich 2022 zum zwanzigsten Mal.
Die Bilder sind nach jedem Angriff die gleichen: Absperrbänder vor den Schulen, Polizisten, die Menschen aus dem Gebäude in Sicherheit bringen, weinende Angehörige, die angesichts dieser Taten zusammenbrechen. Jeder kennt diese Bilder. Jeder kennt aber auch die salbungsvollen Worte, die Politiker nach sämtlichen solcher Angriffe routiniert in die Kameras sprechen: Die Waffengesetze müssen verschärft werden.
Auch US-Präsident Joe Biden beeilte sich nach dem jüngsten Amoklauf, strengere Regeln beim Waffenverkauf in Aussicht zu stellen. Er vergisst dabei, dass viele seiner Vorgänger mehrmals in ihren Amtszeiten von ähnlichen Restriktionen gesprochen haben. Nichts hat sich seitdem geändert: Die Amokläufe gingen weiter, Familien wurden zerstört, Politiker erzählen die gleichen Lügen.
Im Waffenrausch
Joe Biden hat dieses Mal ein ganz besonderes Glaubwürdigkeitsproblem: Erst im vergangenen Jahr hatte der texanische Gouverneur Greg Abbott die Waffengesetze weiter gelockert und es Tätern wie Salvador Ramos spielend leicht gemacht, solche Taten zu verüben. Solche Gesetze begünstigen nicht nur Amokläufe an Schulen: Auch Supermärkte und andere Einrichtungen wurden in den letzten Jahren immer wieder Schauplatz brutalster Verbrechen. Erst vor knapp zwei Wochen eröffnete ein ebenfalls 18-jähriger Täter in einem Geschäft in Buffalo das Feuer und tötete dabei zehn Menschen.
Jeder weiß, dass kein einziger Politiker in den USA die Waffengesetze wirklich verschärfen möchte. Viel zu tief sind die Amtsträger mit der Waffenlobby verstrickt. Heute kommt quasi jeder Bürger der USA völlig legal an potentiell tödliche Schusswaffen. Die Hersteller hätten mit einem bösen Umsatzrückgang zu rechnen, würde in die amerikanische Waffenpolitik endlich Vernunft einziehen.
Auch international zeigen sich die USA in Punto Waffenhandel und -lieferungen selten bescheiden. Ungeniert diktieren sie anderen Nationen, mindestens 2 Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Waffen auszugeben. Weltweit sind die USA Spitzenreiter bei den angeblichen „Verteidigungs“-Ausgaben.
Fatale Dynamik
Das Argument der Verteidigungsfähigkeit ist eine uralte Legende, um höhere Rüstungsausgaben zu rechtfertigen. Die Regierungen der Welt stecken Unsummen in Waffen und Kriegsgerät, um für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Auch Bündnispartnern steht man mit großzügigen Waffenlieferungen gerne zur Seite. Putin hat diese Logik weiter eskalieren lassen und nennt seinen Angriff auf die Ukraine nun einen Präventivkrieg, der den angeblich kriegslüsternen Bestrebungen der NATO etwas entgegensetzen soll.
Das Beispiel Ukraine zeigt deutlich, dass Aufrüstung immer eine gefährliche Spirale in Gang setzt. Keine Seite wird es jemals hinnehmen, dass andere Länder signifikant mehr in Rüstung stecken als man selbst. Steigende Rüstungsausgaben sind immer eine Provokation gegenüber anderen Staaten. Sie mögen die Gefechtsfähigkeit des eigenen Landes aufwerten, erhöhen aber immer die Kriegsgefahr. Im atomaren Zeitalter ist dieses Wettrüsten besonders gefährlich, weil territoriale Konflikte schnell zu einem globalen Inferno ausarten können.
Waffen für’s Schaufenster gibt es nicht. Es ist eine Lüge, wenn man behauptet, man besorgte sich nur deshalb Waffen, um anderen zu zeigen, wozu man unter gewissen Umständen in der Lage wäre. Wer sich eine Waffe anschafft, hat in letzter Konsequenz immer vor, diese auch einzusetzen. Salvador Ramos hat sich sein Gewehr nicht zugelegt, um damit ausschließlich auf Instagram zu prahlen. Er hatte ganz genau geplant, wo und wann diese Waffe zum Einsatz kommen sollte.
Lobbykratischer Realitätsverlust
Taten wie solche in Uvalde passieren in den letzten Jahren immer wieder. Die Täter sind in den meisten Fällen männlich. Bevorzugt schlagen sie an Orten zu, wo sich viele Menschen auf wenig Raum versammeln, zum Beispiel in Einkaufszentren oder in Schulen. Doch noch etwas anderes fällt ins Auge: Sehr viele dieser Taten ereignen sich in den USA. Immer wieder greifen Menschen dort zu Schusswaffen und richten Blutbäder an. Die Skrupellosigkeit und Brutalität der Täter erschüttern immer wieder, obwohl ähnliche Taten auch schon in Deutschland passiert sind.
Liegt es ausschließlich an den laxen Waffengesetzen, dass die USA immer wieder Schauplatz solch verheerender Taten werden? Sicher ist nicht nur die Rechtslage der Grund für die völlige Enthemmung der Amokschützen. Trotzdem hängt das eine direkt mit dem anderen zusammen. Viele Waffen in den USA sind nicht deshalb legal, weil führende Politiker Waffen per se für harmlos halten. Sie wissen um die Gefahren scharfer Waffen, haben sich aber in einem für sie sehr bequemen Lobbyumfeld eingerichtet.
Krankende Gesellschaften
Die schier grenzenlose Lobbyhörigkeit in den USA ist Ausdruck eines zutiefst kapitalistischen Politik- und Gesellschaftsverständnisses: Wer das beste Angebot vorlegt, bekommt den Zuschlag, egal, ob die Vorhaben moralisch vertretbar sind. Gepaart mit einer psychisch immer ungesünderen Gesellschaft sind Massaker wie in Uvalde vorprogrammiert.
Denn der große Einfluss von Lobbys und Wirtschaft auf die Lebenswirklichkeit der Menschen hinterlässt deutliche Spuren. Ist der Markt erst einmal entfesselt und wird keiner kapitalistischen Fantasterei Grenzen gesetzt, kommen die Menschen mit Fair Play immer weniger vom Fleck. In dieser Umgebung wächst eine Ellbogengesellschaft heran, der nicht jeder Zeitgenosse gewachsen ist. Viele menschliche Bedürfnisse bleiben auf der Strecke und die Gesellschaft entwickelt sich unweigerlich in eine fatale Richtung.
Es entsteht eine Gesellschaft der Individuen, in welcher der Zusammenhalt immer weniger zählt. Niemand gibt mehr auf den anderen Acht und so fällt gar nicht auf, dass einige wenige einem krankhaften Wahn verfallen. Wenn Politiker dann davon sprechen, man müsse mehr Geld in Waffen und Kriegsabenteuer investieren oder dass Lehrerinnen und Lehrer noch schwerer bewaffnet werden müssten, rechtfertigt das die menschenverachtende Weltsicht solcher Psychopathen.
Viele Länder dieser Welt haben mit krankenden Gesellschaften zu kämpfen. In ihnen scheint kein Platz mehr zu sein für Rücksicht und Verständnis. Die Menschen in diesen Ländern fühlen sich immer machtloser gegenüber politischen Entscheidungen, die zwar ihre Leben beeinflussen, bei denen sie aber nur wenig Mitspracherecht hatten. Es kommt zu persönlicher Isolation und manchmal eben auch zu Übersprungshandlungen. Erlaubt der Staat dann fast allen Menschen, eine Waffe mit sich zu führen, drückt der eine oder andere tatsächlich ab. Uvalde hätte verhindert werden können. Genau so wie andere Taten, die noch kommen werden.