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Die beschlossenen Lockerungen der Sicherheitsmaßnahmen gegen die weitere Ausbreitung von Covid-19 lösten eine Welle der Erleichterung aus. Nach Wochen der Isolation und der Einschränkung nehmen viele Menschen die wiedergewonnenen Freiheiten nur all zu gerne an. Konkret sollen ab Anfang Mai kleinere Geschäfte wieder öffnen, dazu zählen offiziell auch Autohäuser. Das Aufatmen der Menschen ist verständlich, die Hintergründe der Lockerungen allerdings nicht zu unterschätzen. Wer glaubt, nun läuft wieder alles wie gehabt, sitzt einem gewaltigen Irrtum auf.
Anfang mit Ende
Nach dem allgemeinen Entsetzen über die rasche Ausbreitung des Corona-Virus und den strengen Sicherheitsmaßnahmen hat die öffentliche Debatte ein neues Lieblingsthema gefunden. Es sind die Lockerungen von Kontaktverboten und Ladenschließungen, die derzeit heiß diskutiert und vereinzelt bereits umgesetzt werden. Noch vor einigen Tagen wiesen vor allem Politiker diese Debatten als zu früh ab. Sie zeigten Verständnis für die Belastung der Bevölkerung, riefen aber gleichzeitig zu Zuversicht und Geduld auf. Heute hat sich der Wind gedreht und das Thema Lockerungen scheint in aller Munde zu sein.
Die Diskussion über etwaige Lockerungen wurde über Wochen unterdrückt. Es ist also überhaupt kein Wunder, dass nun so leidenschaftlich darüber debattiert wird. Ausgangssperren wie in Italien gab es kaum in Deutschland. Die getroffenen Maßnahmen waren allerdings einschneidend genug, um die Menschen mürbe zu machen. Dass in diesem Zuge keine Aussicht auf Lockerung oder gar Rücknahme der Verordnungen gegeben wurde, belastete viele zusätzlich. Dabei wäre es dringend geboten gewesen, nicht nur über Einschränkungen und Verbote, sondern auch über deren Ende zu sprechen. Und zwar von Anfang an.
Ein Leben mit dem Virus
Die aktuelle Krise legitimiert die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen. Es ist richtig, dass in Geschäften großer Wert auf einen Mindestabstand von zwei Metern gelegt wird. Es ist genau so richtig, dass öffentliche Großveranstaltungen auf Monate abgesagt sind. Es ist richtig, dass Gottesdienste nicht mehr dicht an dicht in Kirchen stattfinden.
Fast noch richtiger wäre es allerdings gewesen, man hätte von Anfang an auch darüber geredet, wie sich solche Maßnahmen zurücknehmen lassen, ohne ein deutlich erhöhtes gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung einzugehen. Das Virus hat Zeit, das haben wir in den letzten Wochen gesehen. Die Infektionszahlen in Deutschland steigen zwar langsamer an, allgemeine Entwarnung kann aber noch lange nicht gegeben werden. Wir müssen uns darauf einstellen, eine ganze Zeit lang MIT dem Virus, aber OHNE Medikamente zu leben.
Ein solches kann nur gelingen, wenn die viel beschworenen Lockerungen nicht postwendend zu einem sprunghaften Anstieg der Infektionen führen. Das gilt es allerdings zu befürchten, wenn kleine Geschäfte wieder öffnen dürfen, die Versorgung der Bevölkerung mit Schutzmasken allerdings nicht gewährleistet werden kann. Stattdessen gibt es eine dringende Mahnung, die Masken in geschlossenen Räumen zu verwenden. Im Notfall können auch Schals als viraler Schutzschild herhalten. In diesem Punkt bietet unsere Regierung ein blamables Bild.
Maskenpflicht nur so halb
In der Krise lernen wir immer wieder dazu. Wir lernen beispielsweise dieser Tage, wie wichtig es ist, gewisse Sicherungsmaßnahmen frühzeitig einzuleiten und nicht erst dann darüber zu diskutieren, wenn der Unmut in der Bevölkerung wächst. Es muss außerdem regelmäßig geprüft werden, ob die getroffenen Maßnahmen überhaupt noch verhältnismäßig sind. Es heißt nicht umsonst, dass sich ein funktionierender Rechtsstaat am ehesten in seinen dunkelsten Stunden bewährt.
Deswegen verstehe ich die Skepsis und die Empörung mancher Menschen angesichts der Einschränkungen der letzten Wochen. Es ist für die meisten einfach nicht verständlich, warum die Krise in Bayern anders gemanaged wird als in NRW. Warum gibt es in Sachsen eine Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, bundesweit aber lediglich einen Appell an die Bevölkerung? Wieso tritt der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz regelmäßig mit einer Schutzmaske vor die Presse, während sich Angela Merkel noch nie mit einem solchen Teil hat sehen lassen?
All diese Widersprüche verunsichern die Menschen. Sie kosten Vertrauen und sie erinnern an Willkür. Vor allem lassen sie aber die Unkoordiniertheit in dieser Krise offen zu Tage treten. Viele sorgen sich um die Grundrechte. Es geht bei manchen sogar die Angst um, die Krise könne dazu genutzt werden, ihnen diese Rechte dauerhaft zu entziehen. Eine Corona-App stößt bei vielen auf Ablehnung, weil datenschutzrechtliche Bedenken nicht von der Hand gewiesen werden können. Die Datenskandale und Leaks jüngerer Zeit sind dabei nicht gerade vertrauensbildende Maßnahmen gewesen.
Lockerungen einfach so?!
Völlig zurecht werden die harten Einschnitte in das persönliche Leben eines jeden einzelnen kritisch hinterfragt. Deswegen verwundert es auch besonders, dass die gleiche Skepsis nicht bei den aktuellen Lockerungen an den Tag gelegt wird. Klar, man will kein Spielverderber sein und es wäre so viel bequemer, wenn der Biergarten um die Ecke wieder aufhätte. Während sich ein Großteil der Bevölkerung allerdings fragt, wer von den Beschränkungen eventuell profitieren könnte, bleibt eine ähnliche Weitsichtigkeit beim Thema Lockerungen bisher auf der Strecke.
Dabei ist doch völlig offensichtlich, weswegen die ersten Lockerungen nun doch so rasch kommen. Der wirtschaftliche Druck ist einfach zu groß geworden. Wirtschaftsnahe Gesellschaften wie die Leopoldina dominieren die Debatte. Wie eine viel zu laute konstante Begleitmusik mischten sie sich immer wieder in das Management der Krise ein.
Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, auch wirtschaftliche Interessen im Blick zu haben. Es kann nicht sein, dass zigtausende von Menschen die nächsten Monate in Kurzarbeit oder im Zwangsurlaub fristen müssen und die Produktion stillsteht. Dass sich aber kaum jemand ernsthaft fragt, warum der Ausstieg aus der Quarantäne nun doch so zügig vonstattengeht, verwundert doch sehr. Um demokratieschonende Maßnahmen geht es zumindest nicht. Das tut sich nur gut als Legende, um andere Interessen zu kaschieren.
Wenn der Lieferant zehnmal klingelt
Wenn man dennoch einmal aus dem Haus geht und die Leute genau beobachtet, dann wird man schnell feststellen, dass die angekündigten Lockerungen bereits jetzt für viele zu gelten scheinen. Masken werden immer mehr zum Mainstream, also warum nicht selbst eine aufsetzen? Viele scheinen dabei aber leider zu vergessen, dass eine solche Atemschutzmaske keinen Universalschutz bietet. Sie schützt eigentlich sogar nur sehr unzureichend vor einer eigenen Infektion mit was auch immer. Ihr Zweck ist viel mehr, andere zu schützen. Das Robert-Koch – Institut wird nicht müde, diesen Fakt zu kommunizieren und trotzdem legen viele ihre Achtsamkeit und Rücksicht in dem Moment ab, wenn sie die Schutzmasken anlegen. Als würde ein Sicherheitsgurt rücksichtsloses Fahren provozieren…
So sind immer wieder kleine Gruppen zu beobachten, die nach erledigtem Großeinkauf nicht etwa vor den Supermarktpforten oder auf dem Parkplatz ein Schwätzchen halten. Ihr ununterdrückbarer Drang, den neuesten Klatsch und Tratsch auszutauschen überkommt sie, sobald die Kassiererin die Kasse zugeklappt hat. Wer niemanden zum Quatschen hat, der verweilt auch schon einmal eine knappe Stunde in der Textilabteilung von Warenhäusern. Die anderen Läden haben ja schließlich alle dicht. Und immerhin schützen Handschuhe und Maske zuverlässig vor Corona, Filzläusen und braunem Gedankengut.
Hochkonjunktur feiert derzeit auch der Online-Versand. Das Online-Einkaufsverhalten mancher Mitbürgerinnen und Mitbürger erreicht zur Zeit obsessive Ausmaße. Wenn der digitale Kaufrausch einmal so richtig zuschlägt, bleibt kein Wunsch unerfüllt, kein Sparstrumpf voll – und kein Lieferant gesund. Es ist schlichtweg unsolidarisch, seine Einkäufe nun über Gebühr in den digitalen Raum zu verlagern. Von A nach B kommen diese Waren nämlich nur durch die Mitarbeiter eines Subsubsubunternehmens. Und die kratzen auch ohne Corona schon ordentlich am Burn-Out. Und von dem verprassten Geld sehen die … nichts.
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