Dafür oder dagegen

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Der Ausgang der anstehenden US-Präsidentschaftswahl ist völlig ungewiss. Trump schwächelt zwar, ein möglicher Sieg für ihn ist aber weiterhin nicht vom Tisch. Sein Herausforderer Biden hat es bis heute nicht geschafft, den Menschen über Donald Trump die Augen zu öffnen. Das ist auch kein Wunder, wählen viele schließlich nicht FÜR Trump, sondern GEGEN Biden. Auch in der deutschen Parteienlandschaft zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab. Viele wählen nicht für die Populisten, sondern gegen das Establishment.

And the next president is…

Ende des Jahres stehen die US-Amerikaner erneut vor der Wahl: Wer soll ihr Land in den nächsten vier Jahren regieren? Darf sich der amtierende Präsident Donald Trump weiter im Weißen Haus verschanzen, ein sinnvolles Anti-Kriegs – Abkommen nach dem anderen aufkündigen und viele weitere egoistische Wirtschaftsembargos verhängen? Oder soll zukünftig Joe Biden die Geschicke des Staatenbunds bestimmen – ein in die Jahre gekommener Hardcore- Establishmentverfechter, den außer fehlendem Haarvolumen und Make-up nicht viel von seiner glücklosen Vorgängerin Hillary Clinton unterscheidet?

Auch bei der US-Wahl 2020 zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf – Rennen zwischen den beiden Kontrahenten ab. Wie bereits vor vier Jahren ist vollkommen ungewiss, wer die Wahl gewinnen wird. Trump schwächelt zwar in Umfragen, sein Rückhalt ist aber weiterhin enorm. Eines ist allerdings jetzt schon klar: Wer sein Kreuz hinter Trump macht, der stimmt nicht zwangsläufig für den amtierenden Präsidenten. Denn jede Stimme, die Trump einheimsen kann, ist eine Ohrfeige für Biden.

Pest und Cholera

Das Wahlsystem in den USA lässt prinzipiell gar keinen anderen Schluss zu. Im Rennen sind in der Regel nur zwei aussichtsreiche Kandidaten, einer für die Demokraten, der andere für die Republikaner. Und doch ziehen viele Amerikaner den tobsüchtigen, egoisitischen, organenen Mann einem Kandidaten vor, der zwar auf den ersten Blick stinklangweilig wirkt, aber bestimmt auch über eine Menge Lebenserfahrung verfügt. Wie bereits 2016 wird für Trump nicht gestimmt, weil er ein so unfassbar geeigneter Präsident ist, sondern weil sein Gegenspieler ein so unfassbar ungeeigneter Kandidat ist.

Selbst wenn Hilary Clinton 2016 die Wahl gewonnen hätte: Ähnlich wie Trump hätte sie das nur mit einem hauchdünnen Vorsprung geschafft. Und das hat Gründe. Viele Wählerinnen und Wähler spürten, dass es mit einer Präsidentin Clinton nicht vorwärts gegangen wäre. Von ihrer Präsidentschaft versprachen sich viele viel zu wenig. Sie war die Kandidatin des Establishments, der sozialen Unsicherheit und der Reichen und Mächtigen. Es ist ein Trauerspiel, dass die Wähler selbst einem Donald Trump eher das Vertrauen aussprachen – einem offensichtlichen Chauvinisten, der Frauen beschimpft und es mit der Wahrheit überhaupt nicht genau nimmt.

Und auch bei der kommenden Wahl dürfte es eng werden. Es ist natürlich möglich, dass Joe Biden der nächste Präsident der USA wird. Dann aber ganz sicher nicht, weil seine Argumente so überzeugt haben. Auch die schlechten Umfragewerte von Donald Trump hängen direkt mit dessen Missmanagement der Corona-Krise zusammen. Joe Biden ist ein Kandidat, der ausschließlich von der Führungsschwäche Trumps profitiert. Er führt einen Wahlkampf gegen seinen Kontrahenten, aber nicht für seine eigene Sache. Dann müsste er nämlich zugeben, dass er wie Trump ohne echten Plan dasteht. Er müsste gestehen, dass seine Alternative alles andere als erstrebenswert ist. Denn eine Zukunft ohne Trump ist nicht unbedingt eine bessere Zukunft – schon gar nicht, wenn sie Joe Biden heißt.

Eine zweite CDU

In Deutschland haben die Wähler traditionell die Wahl zwischen mehr als zwei Parteien. Man könnte meinen, dass die Wahl einer bestimmten Partei nicht dazu geeignet ist, einer anderen Partei eins auszuwischen. Spätestens seit die AfD am politischen Horizont erschienen ist, hat sich das aber geändert. Natürlich gibt es Menschen, die die AfD aus voller Überzeugung wählen. Das gilt aber nicht für die Mehrheit der AfD-Wähler. Die meisten wählen diese Partei, weil sie sich entweder von keiner der anderen Parteien vertreten fühlen oder weil sie es dem Establishment zeigen wollen.

Einige Parteien im Land tun auch wirklich alles, um die Serie an Wahlerfolgen der AfD nicht abreißen zu lassen. Jüngstes Beispiel ist vermutlich Olaf Scholz. Der stolze Olaf darf die SPD bei der nächsten Bundestagswahl als Kanzlerkandidat vertreten – es sei denn, die Partei besinnt sich rechtzeitig eines besseren.

Olaf Scholz ist nämlich der fleischgewordene Wahlgrund für die AfD. Er steht für alles, was die AfD-Wähler ablehnen. Er gilt als Wegbereiter der Hartz-Reformen, die viele Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse gestürzt haben. Und er war immer mit ganzem Herzen dabei, wenn es um die Errichtung einer großen Koalition ging. Zweimal war er bisher in einer solchen Regierung Minister. Mit Angela Merkel scheint es bisher keine größeren Reibereien gegeben zu haben. Viel eher hat man den Eindruck, Olaf Scholz will die SPD zur neuen Schwesterpartei der CDU umformen. Und genau dieser Mann soll ernsthaft einen Neuaufbruch verkörpern? Tatsächlich verkörpert dieser Mann nur eines: Er ist eine wandelnde Provokation an das wählende Volk. Seine Kandidatur wird keinen einzigen Wähler von der AfD zurückgewinnen. Eher gehen da die Menschen gar nicht zur Wahl.

Eine wandelnde Provokation

Denn auch um die Umfragewerte der AfD ist es seit Monaten nicht besonders gut bestellt. Seitdem die Lockerungen der Corona-Maßnahmen Fuß gefasst haben, steigen die Werte der Partei zwar allmählich wieder, an das Ergebnis der letzten Bundestagswahl kommen sie aber weiter nicht ran. Das hängt ähnlich wie bei Trump aber nicht mit der guten Performance der politischen Konkurrenz zusammen. Einzig die CDU konnte ihren Rückhalt in der Bevölkerung während der Corona-Krise merklich ausweiten. Alle anderen Parteien waren bisher nicht in der Lage, den AfD-Wählern ein besseres Angebot zu unterbreiten. Folglich bleiben diese Menschen bei der AfD – oder werden zu Nichtwählern. So sind die sinkenden Umfragewerte der AfD zu interpretieren. Mit Olaf Scholz und der SPD haben sie wenig zu tun.

Die Leute lassen sich nämlich nicht auf Dauer für blöd verkaufen. Hartz-IV und den maroden Arbeitsmarkt gibt es schon seit längerem, und ganz bestimmt ist Olaf Scholz nicht allein dafür verantwortlich. Doch die Sozialdemokraten haben da gerade jemanden zu ihrem Kanzlerkandidaten gekürt, der momentan bei gleich zwei Skandalen in den Seilen hängt. Zum einen ist da der Cum-Ex – Skandal. Der amtierende Finanzminister und frühere Bürgermeister Hamburgs hat sich in dieser Affäre bereits in zahlreichen Widersprüchen verheddert. Und auch beim noch aktuelleren Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard macht Scholz kaum eine bessere Figur. Als Finanzminister hat er viel zu lange weggesehen und damit die kriminellen Geschäfte von Wirecard zumindest laufen lassen. Wie kann es so jemand eigentlich wagen, den Anspruch zu stellen, deutscher Regierungschef zu werden?

Alles auf Volksnähe

Gerade die Regierung sollte das gesamte Volk im Blick haben. Aber nicht nur in Deutschland wird seit Jahren am Volk vorbeiregiert. Die Interessen der einzelnen jucken die Politiker schon lange nicht mehr. Natürlich spüren das die Wählerinnen und Wähler. Und dann suchen sie sich Alternativen. Die Populisten geben den Enttäuschten zumindest das Gefühl, an ihrer Seite zu stehen. Mit ihren platten Parolen und ihren rassistischen Ressentiments täuschen sie vielen eine Volksnähe vor, die angeblich den Interessen der Bevölkerung dient. In Wahrheit allerdings machen Politiker wie Donald Trump eine fast noch wirtschaftshörigere Politik als das verhasste Establishment. Unter dem Deckmantel des Bürgerverständnisses können sie das aber meist gut verstecken.

Die deutsche Bundesregierung hingegen gibt sich immer weniger Mühe, die beinahe symbiotische Beziehung zur Wirtschaft zu verschleiern. Immer offensichtlicher kommuniziert sie an die Bürger, in wessen Auftrag sie wirklich handelt. Nach dem Dieselskandal machte die Regierung rege von der freien Meinungsäußerung Gebrauch und erklärte, dass ein solches Vorgehen nicht akzeptabel wäre. Schlagkräftige Konsequenzen blieben aber bis heute aus. Stattdessen knickte die Regierung vor dem augenscheinlichen Rechtsbruch der Autokonzerne ein und ließ die Autofahrer bluten. Plötzlich waren umweltpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung des Feinstaubs Priorität Numero uno. Um die Umwelt ging es der Regierung allerdings nicht. Sie hatte einfach Schiss, sich mit den Konzernen anzulegen.

Gegen den politischen Mainstream

Auch bei den Cum-Ex – Geschäften agierte die Regierung nicht im Sinne der Steuerzahler. Anstatt die ergaunerten Steuermilliarden zurückzufordern, pfeifen die Verantwortlichen bis heute darauf, den betrogenen Steuerpflichtigen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und auch die angebliche Rettung von Lufthansa ist das, was sie vorgibt zu sein: die Rettung eines Konzerns, nicht aber der darin prekär Beschäftigten. Die Regierung pumpte gewaltige Steuersummen in das Unternehmen, kann die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichzeitig aber nicht vor Arbeitsplatzverlust schützen.

Moment, eigentlich sollte es eher heißen: Die Regierung will die Beschäftigten nicht schützen. Können tut sie es. Denn was wir in den letzten Jahren erleben, ist kein schlichtes Missmanagement der Politik. Im Prinzip managt die Politik ihre Angelegenheiten sogar ziemlich gut. Die Regierung versagt nicht in ihrem Auftrag, den Willen des Volkes umzusetzen. Sie missachtet ihn. Sie macht keine schlechte Politik für die Menschen im Land; sie macht überhaupt keine Politik für die Menschen im Land. Im Ergebnis ist das dann natürlich auch eine schlechte Politik für die Menschen.

Das schlimme daran: Auch wenn sich die GroKo in letzter Zeit zum Normalzustand der Regierung entwickelt hat, erleben wir das gleiche Trauerspiel in unterschiedlichen Konstellationen. Und plötzlich steht eine neue Partei bereit, die verspricht, den Wählern all das zu geben, was ihnen in den letzten Jahren vorenthalten blieb. Eine Partei, die alle anderen Parteien und Meinungen als politischen Mainstream geißelt und vorgibt, die einzig gute politische Alternative zu sein. Und immer deutlicher wird: Wer diese Menschen wählt, wählt vor allem die anderen nicht.


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