Zum Scheitern verurteilt

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Nach Anne Spiegel (Grüne) im Frühjahr 2022 hieß es nun auch für Christine Lambrecht (SPD) Abschied nehmen von der aktiven Regierungsarbeit. Nach gut einem Jahr Ampel sind schon zwei Ministerinnen zurückgetreten, weil sie sich grobe Fehler geleistet haben. Lambrecht war als Verteidigungsministerin von Anfang an umstritten. Auch ihre langjährige Regierungserfahrung bewahrte sie nicht vor ihrem unrühmlichen politischen Ende. Im Kabinett hinterließ sie eine Lücke, die nicht so leicht zu füllen war. Lange zögerte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), weil es keine geeignete Kandidatin gab, die den Job machen wollte. Letzten Endes warf der Kanzler die Parität im Kabinett über Bord und leistete dem Ansinnen der Gleichstellung damit in vielerlei Hinsicht einen Bärendienst.

Steil nach oben, steil nach unten

Boris Pistorius ist der neue Bundesverteidigungsminister. Der erfahrene SPD-Politiker folgt auf Parteikollegin Christine Lambrecht, die den Posten nach einer Reihe von Versäumnissen, Schlampereien und Faux-pas räumen musste. Wie auch seine Vorgängerin hat der ehemalige Landesminister aus Niedersachsen eine steile Karriere hinter sich. Es bleibt abzuwarten, ob er den gleichen steilen Pfad abwärts nimmt wie vor ihm Karl-Theodor zu Guttenberg, Flintenuschi, AKK oder jüngst Christine Lambrecht.

Denn steil war die Karriere von Lambrecht allemal – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Nach mehreren Jahren als erste parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion erklomm sie Anfang 2018 erstmals ein Regierungsamt und diente unter dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz als Staatssekretärin. Nach dem Wechsel von Justizministerin Katharina Barley (SPD) ins EU-Parlament stieg sie zur Bundesjustizministerin auf.

In diesem Amt machte sie gleich klar, dass mit ihr gerechnet werden musste. Besonders der entschlossene Kampf gegen aufkeimenden Rechtsextremismus war ihr eine Herzensangelegenheit. Als die Abschreiberkönigin Franziska Giffey (SPD) aus dem Bundestag ausschied und Erste Bürgermeisterin Berlins wurde, war offenbar kein Abgeordneter der SPD-Fraktion bereit, den Posten so kurz vor der Bundestagswahl zu übernehmen. Notgedrungen musste Lambrecht gleich zwei Ministerine führen – eine Entscheidung, welche die nachrangige Priorität guter Familienpolitik in der Regierungszeit Merkel ein weiteres Mal deutlich unterstrich.

Fehlbesetzung par exellence

Eigentlich wollte sich Lambrecht mit dem Ende der 19. Wahlperiode aus der ersten Reihe der Bundespolitik zurückziehen. Bei der Bundestagswahl 2021 trat sie nicht wieder an. Eine weitere Karriere als Abgeordnete erübrigte sich damit. Doch als es um die Besetzung des Scholz’schen Kabinetts ging, war sie ein weiteres Mal am Zug. Völlig überraschend ernannte sie der neue Bundeskanzler zur Verteidigungsministerin.

Den Posten hatte Lambrecht wirklich niemand zugetraut. Und tatsächlich gab die Ministerin in ihrer kurzen Amtszeit eine ganz andere Figur ab als im Ressort der Justiz. Das hart erarbeitete Image einer taffen und gewissenhaften Ministerin wich immer mehr dem Bild einer völlig überforderten, unkoordinierten Trauergestalt, die gegenüber den Kameraden und Offizieren der Bundeswehr in ihren chicen Kostümen geradezu grotesk rüberkam.

Beleidigte Leberwurst

Es schlossen sich mehrere folgenschwere Verfehlungen an. Die Debatte um die Mitnahme ihres Sohns in einem Hubschrauber der Bundeswehr wirkte der bereits angeschlagenen Ministerin noch Monate später nach und echte Kriegsfanatiker nehmen es ihr bis heute übel, dass sie die Beschaffung schweren Kriegsgeräts so grandios vermasselt hat. Vollends lächerlich machte sie sich dann, als sie in der Silvesternacht eine Videobotschaft an die Soldatinnen und Soldaten schickte, während ihre Stimme im tosenden Neujahrsfeuerwerk unterging und die Geräuschkulisse eher wie eine besonders geschmacklose Parodie der Zustände in der Ukraine wirkte. Der Postillon hat diesen Tiefpunkt in der Karriere der Christine Lambrecht sogleich aufgegriffen und mehrere Videos dazu veröffentlicht.

Als sich die unbeliebte Verteidigungsministerin endlich dem Druck beugte und ihren Posten abgab, schaffte sie nicht einmal diesen Schritt in Würde. Stattdessen gab ihr Haus eine Pressemitteilung heraus, in der sie sich zum Opfer der Berichterstattung gerierte. In Wahrheit sprach aber aus jeder Silbe der knappen Erklärung die selbstgerechte Verbitterung einer beleidigten Leberwurst.

Jede Menge Schwierigkeiten

Nach dem Weggang von Christine Lambrecht steckte Bundeskanzler Scholz in einem echten Dilemma. Er musste nicht nur die Spitze des Schlüsselressorts neu besetzen, sondern dabei auch noch anderen Vereinbarungen gerecht werden. Die Ampelkoalition hatte sich zu Beginn ihrer Amtszeit auf ein paritätisch besetztes Kabinett verständigt. Es sollten genau so viele Frauen wie Männer Regierungsämter bekleiden. Der Auftrag an Scholz war also klar: Er musste eine Frau für den Posten finden.

An dieser Aufgabe ist er krachend gescheitert. Es gab scheinbar keine geeignete weibliche Abgeordnete für den Posten. Olaf Scholz muss bei dieser Gelegenheit wohl ein Déjà-vu gehabt haben. Immerhin hatte er das Amt der Verteidigungsministerin schon einmal zwingend mit einer Frau zu besetzen. 2021 fiel seine Wahl auf Parteigenossin Lambrecht. Dass diese völlig ungeeignet für den Posten war, hat sie in ihrer dreizehnmonatigen Amtszeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die Mühen einer umfangreicheren Kabinettsumbildung wollte sich der Kanzler offenbar ersparen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP für viele als absolute Favoritin für das Amt galt. Dann wiederum hätte Scholz den Liberalen ein anderes Ministerium, das von einer Frau geführt wird, wegnehmen müssen. Jeder weiß, dass dafür nur Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Frage gekommen wäre.

Oder aber Scholz hätte das Amt mit einem Mann besetzt und dafür einen männlichen Minister über die Klinge springen lassen. Vielleicht hatte er einfach keine Lust auf die ganzen Strapazen, vielleicht reicht seine Autorität nicht aus. Letztendlich zeigt der Fall Lambrecht ein weiteres Mal, dass das Geschlecht niemals das ausschlaggebende Kriterium für einen Job sein darf. Gepaart mit weiteren Voraussetzungen wie Parteizugehörigkeit, Eignung und öffentlicher Akzeptanz entsteht so schnell eine schier unlösbare Aufgabe.

1:0 für den Chauvinismus

Die paritätische Besetzung des Bundeskabinetts sollte der Gleichstellung von Frau und Mann in unserer Gesellschaft einen Schub verpassen. Sie hat das Gegenteil erreicht. Indem sie ebenjene Unterschiede betonte, die sie eigentlich abbauen sollte, erwies sie dem Ideal einer progressiven und emanzipatorischen Gesellschaft einen Bärendienst. Die schnelle Abkehr vom Ziel der Parität hat der Glaubwürdigkeit dieses Konzepts dann vollends den Rest gegeben.

Lambrecht musste scheitern, das war vorprogrammiert. Der Plan, eine paritätische Regierung zu stellen, wurde nach weniger als anderthalb Jahren beerdigt. Letzten Endes hat die ganze Chose den Argwohn gegen eine feministische Politik nur vergrößert. Die Chauvinisten in diesem Land haben einen weiteren Punkt gemacht. Von der Gleichstellung haben wir uns einen weiteren Schritt entfernt.

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