Zeitumstellung ade?

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Die Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit sorgt erneut für Unmut unter den Bürgerinnen und Bürgern. Eine unabhängige Studie hat die Politik nun zum Handeln bewogen. Sie möchte die Zeitumstellung überwinden. Am kommenden Sonntag sollen die Uhren noch einmal umgestellt werden – zum wirklich wirklich allerletzten mal.

Eine umstrittene Maßnahme

An diesem Wochenende beginnt die Winterzeit. In der Nacht auf Sonntag werden dazu die Uhren von 3 auf 2 Uhr zurückgestellt. Das hat zur Folge, dass es in den kommenden fünf Monaten früher hell, aber auch früher dunkel wird. Ursprünglich wurde der regelmäßige Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit eingeführt, um besonders in der kalten Jahreszeit Energie zu sparen.

Die Maßnahme ist unter Bürgerinnen und Bürgern jedoch umstritten. Besonders die Umstellung zur Sommerzeit ist unbeliebt, weil viele Menschen das Gefühl haben, ihnen würde dadurch eine Stunde geklaut. Mittlerweile haben sich sogar Initiativen gegründet, welche die Zeitumstellung abschaffen möchten. Auch zum Wechsel auf die Winterzeit regt sich in diesem Jahr Widerstand.

Analoge Uhren und fehlende Ausreden

Sarah K., Floristin aus Halberstadt, stört vor allem die inkonsequente Durchführung der Umstellung: „Wir leben im Jahr 2022 und trotzdem sind wir umgeben von analogen Uhren. Die meisten davon werden erst Wochen, wenn nicht Monate später von Hand umgestellt. Wenn man nicht die Kapazitäten zur Umstellung hat, dann sollte man es lieber lassen.“

Bürokauffrau Nina B. hingegen ärgert sich besonders darüber, dass sich Smartphones standardmäßig von selbst umstellen: „Früher hatte man damit zumindest eine halbwegs gute Ausrede, um zu spät zur Arbeit oder anderen Verpflichtungen zu erscheinen. Heute fallen diese Ausflüchte weg. Ich frage mich, wieso die Zeitumstellung dann noch nötig ist.“

Kein Rückhalt

Das Bundesamt für Verbraucherschutz verfolgt die Debatte um die Zeitumstellung seit vielen Jahren. Inzwischen ist auch die Behörde zu dem Entschluss gekommen, den Unmut in der Bevölkerung ernstzunehmen. Die Verbraucherschützer haben daher eine breit angelegte Studie in Auftrag gegeben, um den Rückhalt der Zeitumstellung in der Bevölkerung zu erfassen. Das Ergebnis war eindeutig: Nicht ein einziger Befragter äußerte sich wohlwollend zur regelmäßigen Umstellung. Besonders niederschmetternd fiel das Ergebnis bei den Befragten über 50 Jahren aus. Die Forscher vermuten, dass diese Menschen aufgrund der zahlreichen Zeitumstellungen in ihrem Leben in noch höherem Maße frustriert sind.

Die Studie wurde ursprünglich im Zeitraum Mai bis Juli 2022 durchgeführt, um gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen vor der nächsten Zeitumstellung im Oktober einzuleiten. In den Monaten August und September wurde die Studie wiederholt und in den ersten Oktoberwochen ausgewertet. Thilo R., Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz, erklärt den Schritt folgendermaßen: „Von dem einstimmigen Votum waren wir so überrascht, dass wir eine weitere Studie durchführten, um einen Irrtum oder eine Manipulation auszuschließen. Wir sind inzwischen überzeugt davon, dass es an dem Ergebnis keinen Zweifel gibt.“

Richtungsstreit in der Politik

Das Bundesamt für Verbraucherschutz sieht nun eindeutig die Politik in der Pflicht, eine Lösung für das Problem zu finden. Thilo R. betont: „Die Zeitumstellung ist nicht mehr haltbar. Die Menschen erkennen keinen Sinn mehr darin. Die Regierung sollte nun dringend über eine Abschaffung nachdenken.“ Das Kabinett hat in einer Presseerklärung bereits bekanntgegeben, dass es an einer neuen Regelung arbeite. Ein Gesetzentwurf wurde zunächst für Anfang 2023 angekündigt.

Manchen Bürgerinnen und Bürgern geht das nicht schnell genug. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, politischen Vereinen und Nichtregierungsorganisationen hat daher einen großen Demonstrationszug angekündigt. Unter dem Motto „Mit Dank zurück“ möchten sie am Sonntag nach der Zeitumstellung exakt eine Stunde vor dem Bundeskanzleramt protestieren, um den Regierenden auf diese Weise symbolisch jene Stunde zurückgegeben, die ihnen in der vorausgegangenen Nacht „geschenkt“ wurde.

Die Verzögerung des Gesetzentwurfs ist auf offene Streitpunkte innerhalb der Regierungskoalition zurückzuführen. Die Grünen etwa würden die Zeitumstellung am liebsten sogar noch ausbauen. Ihnen schwebt eine turnusmäßige Umstellung von zwei Stunden vor. Eine Sprecherin der Bundestagsfraktion erklärte hierzu: „In Zeiten von Klima- und Energiekrise müssen wir Energie sparen, wo es nur geht. Wenn wir mit zwei Stunden Zeitumstellung doppelt so viel Ressourcen einsparen können wie bisher, wäre das ein großer Gewinn für unsere Gesellschaft.“

Die FDP möchte indessen nichts von den Plänen der Grünen wissen. Trotzdem wollen auch die Liberalen die Zeitumstellung nicht sofort kippen. Stattdessen schwebt ihnen eine gestaffelte Abschaffung gemessen an der Einkommenshöhe von Haushalten vor. Ein Sprecher der Parteizentrale rechtfertigt diesen Schritt als gerecht: „Es ist nur legitim, wenn die Leistungsträger unserer Gesellschaft zuerst in den Genuss dieser neuen Regelung kommen. Konkret sollen ab 2023 alle Personen mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 10.000 Euro eine Stunde mehr Zeit pro Jahr zur Verfügung haben. Denn Zeit ist bekanntlich Geld.“

Nie wieder Uhrenumstellen?

Um den Richtungsstreit in dieser Frage zu beenden, machte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch. Er sprach sich dafür aus, die Zeitumstellung so schnell wie möglich zu beenden. Er berief sich dabei auf die Ergebnisse einer eigens eingesetzten Kommission. Diese wies nach, dass aus der regelmäßigen Zeitumstellung quasi kein Nutzen gezogen werden konnte.

Die Kommission, deren Kosten auf rund 15 Millionen Euro beziffert werden, wies auf ein weiteres Problem hin: Die Datenlage zur Zeitumstellung sei derart unstet, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, ob die Abschaffung der Winterzeit oder der Wegfall der Sommerzeit den Normalzustand wiederherstellen würde. Nötig seien hierzu weitere wochenlange Untersuchungen. Es ist also durchaus möglich, dass die Zeitumstellung am kommenden Sonntag nicht die wirklich wirklich allerletzte sein wird. Dafür wird aber die mögliche Umstellung im März die wirklich wirklich wirklich allerletzte sein – ganz sicher.

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