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Guten Abend, meine Damen und Herren. Selten war eine Wahl so spannend wie die des heutigen Abends. Gleich drei potentielle Kandidatinnen und Kandidaten konkurrierten um den Einzug ins Kanzleramt. Für mindestens eine der dreien dürfte der Traum von der Kanzlerschaft mit dem heutigen Abend allerdings ausgeträumt sein.
Wir möchten heute Abend sprechen mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im nächsten Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Frau Merkel, Sie sehen uns ein wenig verdutzt, dass Sie hier sitzen und nicht Ihr Spitzenkandidat Armin Laschet. Wie kam es dazu?
Merkel: Nun, zu allererst möchte ich betonen, dass wir uns als Union natürlich trotz der starken Verluste sehr darüber freuen, dass wir wieder stärkste Kraft wurden. Trotzdem kann uns dieses Ergebnis nicht zufrieden stimmen und in Angesicht dieser Tatsache bitte ich doch um Verständnis dafür, dass heute Abend nicht Herr Laschet hier sitzt, sondern ich.
Aber Sie nehmen zur Kenntnis, dass die Union das schlechteste Ergebnis in der Parteiengeschichte eingefahren hat?
Merkel: In erster Linie sind CDU und CSU die Wahlsieger des heutigen Abends und darum haben wir erneut einen klaren Regierungsauftrag.
Herr Scholz, Ihre Partei konnte gut zulegen. Sehen Sie die Union auch als die Wahlsiegerin des heutigen Abends?
Scholz: Selbstverständlich sehe ich das nicht so. Die sozialdemokratische Partei belegt zwar nur Platz 2, aber ich bin gespannt darauf, wie Frau Merkel oder Herr Laschet oder wer auch immer unter diesen Voraussetzungen eine stabile Mehrheit zustandebekommen möchte.
Weidel: Vielleicht ja mit einer Großen Koalition, dafür haben Sie doch ein Faible, Herr Scholz.
Frau Weidel, Sie haben das Wort ergriffen, deswegen kommen wir ohne Umschweife zu Ihnen. Schmerzt Sie das Ergebnis des heutigen Abends eigentlich?
Weidel: Sicher müssen wir eingestehen, dass wir nach derzeitigem Stand Stimmen verloren haben. Man sollte aber auch nicht außer Acht lassen, dass die Briefwahl zu Manipulationen geradezu einlädt und gegen die Alternative für Deutschland eine regelrechte Hetzkampagne in diesem Land geführt wurde, besonders vonseiten der Medien.
Habeck: Ach, Frau Weidel, das war wieder vorprogrammiert, dass sie sich als die armen Opfer hinstellen.
Herr Habeck, auch an Sie die Frage: Warum sitzen heute Abend Sie hier und nicht Frau Baerbock?
Habeck: Annalena ist nach diesem wirklich nicht zufriedenstellenden Ergebnis zu dem Schluss gekommen, dass ich die Interessen der Bündnisgrünen in dieser Runde weitaus besser vertreten kann.
Weidel: Die Leute haben sich von Ihrer Verbotspolitik eben nicht beeindrucken lassen.
Herr Lindner, nach ersten Hochrechnungen konnten Sie viele Wähler von der AfD für sich gewinnen. Betrachten Sie das das als Pyrrhussieg?
Lindner: Auf keinen Fall, ich freue mich über jeden Wähler, der zur bürgerlichen Politik zurückkehrt.
Weidel: Mein Gott, ist das alles wieder dümmlich hier…
Lindner: Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Digitalisierung in diesem Land vorankommt. Mit Rot-Rot-Grün hätte es diesen Schub nicht gegeben. Unser starkes Abschneiden hat diesen Staatssozialismus Gott sei Dank verhindert.
Weidel: Staatssozialismus verhindert?! Entschuldigen Sie, Herr Lindner, aber Sie befürworten die Diskriminierung von Ungeimpften genau so wie alle anderen in dieser absurden Runde.
Herr Lindner, bevor Sie darauf eingehen, würden wir gerne Frau Hennig-Wellsow in die Runde holen. Frau Hennig-Wellsow, Rot-Rot-Grün wurde gerade angesprochen. Diese Mehrheit wird es wohl nicht geben. Wie gehen Sie damit um?
Hennig-Wellsow: Das kann ich Ihnen heute Abend noch nicht sagen. Fakt ist, dass wir an der nächsten Bundesregierung nicht beteiligt sein werden und sehr genau intern klären müssen, wie das heutige Ergebnis zustandekommen konnte.
Lag es vielleicht an den Agitationen gegen Ihre Parteigenossin Wagenknecht?
Hennig-Wellsow: Das kann ich mir nicht vorstellen, die gesamte Partei steht hinter Sahra Wagenknecht.
Erst vor kurzem gab es ein Parteiausschlussverfahren gegen die ehemalige Fraktionsvorsitzende.
Hennig-Wellsow: Das ist richtig, aber wie Sie sicher wissen, wurde Frau Wagenknecht nicht aus der Partei ausgeschlossen. Sie war auch fest in unseren Wahlkampf integriert.
Herr Dobrindt, auch Sie hatten mit Problemkindern in den eigenen Reihen zu kämpfen. Wie sehr ist Herr Scheuer für das schlechte Abschneiden Ihrer Partei verantwortlich?
Dobrindt: Das ist viel zu kurz gegriffen, Herr Scheuer hat als Verkehrsminister sehr gute Arbeit geleistet und die Untersuchungen zu anderen Fragen sind noch nicht abschließend geklärt. Mir ist auf jeden Fall sehr wichtig, dass Rot-Rot-Grün keine Mehrheit erhalten hat und der notwendige Klimaschutz nicht zulasten der Arbeitsplätze in diesem Land geht.
Hennig-Wellsow: Sicher, Herr Dobrindt, Sie haben Ihre Schäfchen aus den Chefetagen bereits in Sicherheit gebracht.
Frau Hennig-Wellsow hat es gerade angedeutet – Herr Habeck, wie gedenkt Ihre Partei gegen Lobbyismus vorzugehen? Immerhin könnten Sie an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein.
Habeck: Natürlich ist der Lobbyismus in diesem Land ein großes Problem, aber ich finde, wir reden schon wieder viel zu sehr am drängendsten Problem vorbei und das ist und bleibt der Klimawandel. Wir müssen alles dafür tun, dass wir spätestens 2035 klimaneutral sind.
Lindner: Aber Sie sind den Leuten bis heute eine Antwort schuldig geblieben, wie Sie das finanzieren wollen.
Krisenfinanzierung ist ein gutes Stichwort. Die Bürgerinnen und Bürger interessiert natürlich auch, wer die Kosten der Coronakrise zu tragen hat.
Habeck: Wenn ich das zum Klimaschutz gerade noch zu Ende führen darf. Diese Menschheitsaufgabe wird uns allen enorm viel abverlangen, keine Frage, aber…
Hennig-Wellsow: Sie lösen diese Aufgabe aber sicher nicht durch eine CO2-Bepreisung.
Herr Scholz, Klimakrise und Coronapandemie – wer zahlt am Ende die Zeche?
Scholz: Wir müssen jetzt erst einmal sicherstellen, dass wir nach der Krise keine neuen Schulden machen. Deswegen bin ich stark dafür, die Aussetzung der Schuldenbremse dringend zu überprüfen und…
Hennig-Wellsow: Die Ampel kommt.
Lindner: Nein, Frau Hennig-Wellsow, die wird mit Herrn Habeck sicher nicht kommen.
Hennig-Wellsow: Mit Ihnen kommt auf jeden Fall die soziale Kälte.
Lindner: Sie brauchen an mir jetzt nicht Ihre schlechte Laune über Ihr desaströses Wahlergebnis auszulassen.
Frau Hennig-Wellsow hat da aber einen wichtigen Punkt angeschnitten. Wie wollen Sie für soziale Gerechtigkeit sorgen? Frau Weidel?
Weidel: Naja, bevor wir uns hier in sozialistischen Umverteilungsfantasien verlieren, sollten wir erst einmal dafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land gerecht behandelt werden. Wenn ich mir jetzt schon die systematische Diskriminierung von Ungeimpften ansehe…
Das war zunächst gar nicht die Frage, Frau Weidel. Wir wollten wissen, wie Sie für sozialen Ausgleich sorgen wollen.
Weidel: Wenn Sie mir jetzt schon wieder ständig ins Wort fallen, dann kann ich mir die ganze Sache hier auch sparen. Schönen Abend.
Frau Weidel hat unsere Runde verlassen, deswegen geht die Frage an Sie, Herr Scholz: Mindestlohn 12 Euro, ja oder nein?
Scholz: Wir sollten nicht so tun, als wären durch einen höheren Mindestlohn alle Probleme in diesem Land gelöst. Wir setzen uns für stärkere Tarifpartner ein, damit ein deutlich höherer Mindestlohn erreicht werden kann.
Hennig-Wellsow: Die Ampel wird kommen.
Habeck: Meine Güte, ich krieg‘ gleich schon wieder zu viel! Jetzt reden wir den ganzen Abend schon wieder nur über Koalitionen und persönliche Befindlichkeiten. Stattdessen müssen wir dringend endlich etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Es kann doch nicht sein, dass in diesem Land niemand…
Es kann tatsächlich nicht sein, dass in diesem Land niemand weiß, wie es mit unserer scheidenden Frau Bundeskanzlerin weitergeht. Frau Merkel, was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Merkel: Ach wissen Sie, es tut auch mal richtig gut, wenn man Dinge einfach auf sich zukommen lässt. Im Moment habe ich da noch keine so genau Vorstellung.
Damit sind wir am Ende unserer heutigen Runde. Wir verabschieden uns und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.