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Ein Schock geht durch das Land. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die oppositionsanführende AfD bundesweit zu einer rechtsextremen Partei erklärt. Die Folgen lassen nicht lange auf sich warten: sinkende Zustimmungswerte, reuevolle Ex-Wähler und neuer Antrieb für die Verbotsdebatte. Ist Deutschland die Rechtsextremen in ein paar Monaten wieder los?
Zurück zur Demokratie
Sie ist erst wenige Wochen alt und zeigt dennoch erstaunliche Wirkung: Die bundesweite Einstufung der AfD als rechtsextrem durch den Verfassungsschutz lässt die Zustimmungswerte der Partei dahinschmelzen. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage würden nur noch 11 Prozent der Befragten die AfD wählen, wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl. Damit setzt sich der Negativtrend für die Rechtsaußen-Partei fort. Momentan fällt die Partei auf Werte zurück, die sie das letzte Mal vor drei Jahren erreichte.
Währenddessen legen andere Parteien ordentlich zu. Während die Union weiter stagniert, können sich SPD, Grüne und Linke über einen Zuwachs von insgesamt 12 Prozent freuen. Aus einer Pressemitteilung aus dem Willy-Brand-Haus heißt es, man freue sich darüber, dass die Demokratie endlich wieder „in stabile Fahrwasser zurückgekehrt ist“.
Des einen Leid…
Die Grünen erreichen indes Umfragewerte, die denen aus der Hochphase von Fridays for Future nahekommen. In einem offenen Brief formulieren mehrere Mandatsträger ihre Erleichterung darüber, dass die bundesweite Einstufung der AfD als rechtsextreme Partei scheinbar so vielen Wählern endlich die Augen geöffnet hat.
Die Linke geht sogar einen Schritt weiter. Bei einem kurzfristig anberaumten Parteitag forderte die Parteispitze, den 2. Mai als „Tag der zweiten Befreiung“ zum nationalen Feiertag zu erheben. Die Partei bezieht sich damit auf den Tag, als das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Einstufung der AfD öffentlich gemacht hat.
AfD-Wähler machen sich rar
Wenig überraschend redet die rechtsextreme AfD von einer „Schmutzkampagne“, die gegen sie gefahren wird. Mehrere teils hochrangige Funktionäre der Partei bekundeten öffentlich ihre Treue zu Verfassung und Rechtsstaat. Die bundesweite Einstufung als rechtsextrem reihe sich ein „in eine Serie von Unwahrheiten und Verleumdungen“, ist von offizieller Stelle zu hören.
Die Wähler sehen das allerdings anders. Bei einer repräsentativen Umfrage bekannte sich nur noch ein Bruchteil der Befragten dazu, bei der letzten Bundestagswahl AfD gewählt zu haben. Bei vielen anderen überwog wohl die Scham, einer verfassungswidrigen Partei die Stimme gegeben zu haben. Dennoch reflektierten einige ihre Wahlentscheidung vom Februar.
Gewissensbisse
Die Verkäuferin Anneliese B. aus Düsseldorf beschreibt, wie sie anfing, die Politik der AfD zu hinterfragen: „Die ersten Zweifel kamen mir schon vor Längerem, als über diese Konferenz in Potsdam berichtet wurde. Ich war mir damals nicht sicher, ob Deportationen wirklich ein Indiz für Rechtsextremismus sind. Ich bin froh, dass der Verfassungsschutz das nun klargestellt hat.“
Auch der 56-jährige Bernd K. distanziert sich von seiner einstigen Entscheidung, AfD zu wählen. Seit vielen Jahren empfängt er Bürgergeld und sagt heute: „Wie konnte ich nur jemals glauben, dass diese Partei etwas für mich erreichen will? Wenn ich früher gewusst hätte, dass sie rechtsextrem ist, hätte ich sie vermutlich nie gewählt.“
Dem Bauingenieur Roland P. bleiben solche quälenden Fragen erspart. Er entschied sich am 23. Februar gegen ein Kreuz bei der AfD: „Ich war wirklich drauf und dran, diese Menschen aus Protest zu wählen. Ich glaube, ich könnte nicht mehr ruhig schlafen, hätte ich es wirklich getan.“
Von den Befragten Ex – AfD-Wählern gaben mehr als drei Viertel an, künftig nicht mehr die Rechtsaußen-Partei zu wählen, sondern sich für Parteien der demokratischen Mitte zu entscheiden. Diese Äußerungen passen zu den Prognosen vieler Politikwissenschaftler, die ein weiteres Absinken der AfD auf 5 Prozent oder weniger hervorsagen.
In die Bedeutungslosigkeit
Durch die klare Einstufung des Verfassungsschutzes rückt auch eine weitere Debatte wieder in den Fokus. Über ein mögliches Parteiverbot der AfD soll der Bundestag schon in der kommenden Woche entscheiden. Die Abgeordneten können dabei auf starken Rückhalt der Bevölkerung bauen. Bei einer weiteren repräsentativen Umfrage plädierten knapp 98 Prozent der Befragten dafür, die rechtsextreme Partei zu verbieten.
Politexperten sehen ein solches Vorhaben dennoch kritisch. Sie verweisen auf die Entscheidung zum NPD-Verbotsverfahren von 2017. Die Partei konnte damals unter anderen deshalb nicht verboten werden, weil sie als zu unbedeutend eingestuft wurde. Etwas ähnliches könnte nun mit der AfD bevorstehen. Durch den kontinuierlichen Rückgang an Zustimmung könnte sich das Thema bald von selbst erledigen.
Mika Z. vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat dazu eine klare Haltung: „Natürlich ist es bedauerlich, wenn ein Verbotsverfahren scheitert, aber dennoch sind die aktuellen Umfragewerte eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wir beim BfV waren uns schon immer einig darin, dass es der AfD am meisten schadet, wenn klar benannt wird, dass sie eine rechtsextreme Partei ist. Nur so kommen die Menschen gar nicht erst auf die Idee, sie zu wählen.“