Partei der Täter

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Die Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind erschütternd. Nie standen die demokratischen Parteien schlechter da, in allen drei Bundesländern machte die rechtsextreme AfD einen gewaltigen Sprung nach vorne. An den vergangenen Sonntagen haben sich für die AfD Türen geöffnet, an denen sie lange gerüttelt haben. Ihr starkes Abschneiden gibt ihnen nicht nur neue parlamentarische Macht: Noch effektiver als bisher können sich die Neofaschisten als Opfer inszenieren. In manchen Bundesländern wurde zum Sprung über das nächste Stöckchen schon angesetzt…

Richter von AfDs Gnaden

Korkenknallen bei der AfD – in Brandenburg ziehen sie bei der dritten Landtagswahl in Folge deutlich gestärkt ins Landesparlament ein; und knacken erneut die Sperrminorität. Vor wenigen Wochen erst wurde sie in Thüringen stärkste Kraft – das erste Mal, dass dies einer rechtsextremen Partei in der Geschichte der Bundesrepublik bei einer Landtagswahl gelang. Im Erfurter Landtag ist das starke Abschneiden der extremen Rechten besonders problematisch. Nicht nur geht mit dem ersten Platz theoretisch der Auftrag zur Bildung einer Landesregierung einher, das Rekordergebnis eröffnet der Höcke-Partei auch ganz neue politische Gestaltungsmöglichkeiten. So wird die AfD bei der Besetzung des Landesverfassungsgerichts künftig ein deutliches Wort mitreden. Ihnen unliebsame Personen können sie dann als Verfassungsrichter blockieren – und dadurch indirekt solchen Amtsträgern den Weg in die Richtersessel ebnen, die ihnen eher zugetan sind.

Die Sperrminorität in gleich zwei Landtagen ermöglicht es ihnen außerdem, alle Entscheidungen abzublocken, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Denn obwohl das Zweitstimmenergebnis der AfD in beiden Bundesländern unter 33 Prozent lag, verfügen sie dennoch über mindestens ein Drittel der Landtagssitze. Zustande kommt das durch nicht berücksichtigte Stimmen für Parteien, die an der 5-Prozent – Hürde scheiterten. Relevant ist diese Blockadeoption vor allem bei Änderungen der Landesverfassung. Hier wird künftig kein Weg mehr an den Rechtsextremen vorbeiführen.

In Thüringen hat die AfD außerdem Anspruch, einen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten vorzuschlagen. Ginge es nach Rechtsaußen wäre das die Abgeordnete Wiebke Muhsal. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Parlamentarier sie wählt. Ins Haus steht also eine zähe Konstituierung des neuen Landtags, weil er ohne eine Präsidentin nicht handlungsfähig ist.

Lex AfD, die nächste

CDU und BSW wollen diesen Vorgang gerne beschleunigen und planen daher einen Antrag, der allen Fraktionen schon im ersten Wahlgang ein Vorschlagsrecht einräumt. Vermutlich bekäme dann der Kandidat der CDU am ehesten eine Mehrheit zusammen. Was die beiden Vielleicht-Koalitionäre allerdings ausblenden: Wenn die AfD bei dieser wichtigen Wahl schon von vornherein ausgestochen wird, kann sie sich noch schneller als Opfer inszenieren als es nach der noch gültigen Geschäftsordnung des Landtags möglich wäre.

Wieder einmal springen die demokratischen Parteien über ein Stöckchen, das ihnen die AfD hinhält. Enttäuschend ist das besonders vom BSW. Immerhin wollte man sich konstruktiv und sachlich mit den Demokratiefeinden auseinandersetzen. Stattdessen wird die AfD quasi in die Opferrolle gedrängt – wo sie aber definitiv nicht hingehört. Denn durch ihre menschenfeindliche Hetze sind AfD-Politiker keine Opfer, sondern Täter. Als geistige Brandstifter von Übergriffen, Beleidigungen und sogar schwersten Straftaten haben sie lange Übung.

Täter mit Erfahrung

Mittlerweile wird aber auch immer deutlicher, dass die AfD aktive Straftäter in den eigenen Reihen duldet. Die ominösen Geldströme aus Russland und China rund um die EU-Wahl und die umstürzlerischen Umtriebe der ehemaligen Abgeordneten Malsack-Winkemann dürften dabei nur die Spitze des Eisbergs sein. Bei mehr als 100 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum, die für Bundestagsabgeordnete der AfD arbeiten, dürften bald noch weitere strafrechtlich relevante Sachverhältnisse ans Licht kommen.

Es handelt sich nicht um Opfer, wenn manche Funktionäre der AfD an Konferenzen teilnehmen, wo über die Deportation einer beträchtlichen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern diskutiert wird. Und es ist auch kein böswillig inszeniertes Missverständnis, wenn in Stuttgart zur Kommunalwahl AfD-Plakate hängen, welche die Ausweisung von Migrantinnen und Migranten mit der Schaffung von Wohnraum gleichsetzen. Das ist rechtsextrem, menschenverachtend und schlichtweg erbärmlich.

Gefährlich ist die AfD aber nicht nur für Menschen mit Fluchtgeschichte oder Migrationshintergrund. Schaut man sich das bisschen Sozialpolitik an, das die Partei zu bieten hat, wird einem um den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land angst und bange. Eingedroschen wird ausschließlich auf die Schwächsten in der Gesellschaft. Die AfD träumt von einer Besteuerung, welche die Reichsten im Land stärker bevorteilt als wenn man der FDP freie Hand ließe. Und selbst der AfD ist klar, dass die Ausweisung einer großen Zahl an Menschen nicht spurlos an einem Land vorübergehen kann. Um die verlorengegangene wirtschaftliche Kraft zu kompensieren, schwebt ihnen vor, stattdessen Rentnerinnen und Rentner zur Erwerbstätigkeit heranzuziehen. So geschehen im Bundestag am 28. Juni 2024, vorgetragen von Potsdam-Teilnehmerin Gerrit Huy.

Höchststrafe für die Extremen

Höchste Zeit, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen, wie es viele Spitzenpolitiker nach verlorengegangenen Wahlen gerne fordern – und dann regelmäßig schuldigbleiben. Denn eine inhaltliche und sachliche Befassung mit der Rechtsaußen-Partei heißt eben nicht, ausschließlich über diese Partei zu reden. Die AfD zum Maßstab seines eigenen Denkens und Handelns zu machen, ist der größte Gefallen, den man dieser Truppe machen kann.

Die etablierten Parteien müssen wieder mehr Selbstbewusstsein zeigen und Anträge ungeniert und vorbehaltlos einbringen und für ihre Überzeugungen einstehen. Die Angst davor, in die rechte Ecke gestellt zu werden, hat unsere Parlamente bei vielen Themen zu einem einstimmigen Chor verkommen lassen. Der Mut zum Kanon muss wieder geweckt werden. Wer eine gute Idee hat, der erträgt auch den Applaus der AfD. Der vorgebliche Beifall ist nichts weiter als ein Vorspann zu ihrem Abgesang, weil sich wieder jemand getraut hat, den Finger in die Wunde zu legen, ohne dabei ins Extremistische abzudriften.

Warum nicht mal ganz ruhig und besonnen bleiben, wenn die AfD das Wort ergreift? Reflexartige Empörung und einstudierte Fassungslosigkeit helfen hier nicht weiter und haben noch nie dazu geführt, dass die Partei nennenswert geschwächt wurde. Eine seriöse Auseinandersetzung mit Vorschlägen aus der rechten Ecke wird schnell ans Licht bringen, wie blank die selbsternannte Alternative eigentlich ist. Gepaart mit einer Politik, die keine Scheu davor hat, auf Tuchfühlung mit den Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger zu gehen, lässt die AfD eingehen wie eine Primel. Es muss endlich Schluss damit sein, dieser Partei ein ums andere Mal eine Bühne für ihren Opfermythos und ihre Inszenierungen zu geben. Die AfD hat die Höchststrafe verdient: ernsthafte Diskussionen.

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