Die Alibi-Impfung

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Noch vor einigen Monaten konnten es die meisten kaum erwarten: Die ersten Impfstoffe standen in Deutschland kurz vor der Zulassung. Seitdem hat die Impfkampagne verschiedene Phasen durchgemacht. Nachdem nach deutlichen Startschwierigkeiten endlich genügend Impfstoff für alle da war, wich die Impfvorfreude einer regelrechten Impfeuphorie. Fast allen Menschen in Deutschland konnte ein Impfangebot gemacht werden. Der Fortschritt zeigte Wirkung, die Infektionszahlen schmolzen dahin. Seitdem verliert auch die Impfung zusehends an Popularität. Maßgeblichen Anteil daran haben die Vergünstigungen und Freiheiten, die neuerdings wieder ohne Pieks verfügbar sind.

Unzivilisierte Ungeimpfte

Wieder Ärger mit der Impfkampagne: Doch dieses Mal liegt die Schuld nicht bei Politik und Regierung. Stattdessen ist etwas eingetreten, was vor wenigen Wochen noch völlig undenkbar schien. Reihenweise verzichten Bürgerinnen und Bürger auf ihre Zweitimpfung. Anstatt aber geordnet und zivilisiert abzusagen, kreuzen viele einfach nicht zu ihren Terminen auf. Diesen Menschen scheint nicht bewusst zu sein, welchen Schaden sie der Impfkampagne und dem Kampf gegen die Pandemie damit zufügen.

Denn immerhin geht es hier nicht um geplatzte Kontrolltermine beim Zahnarzt. Es ist noch nicht lange her, da waren Impfstoffe absolute Mangelware. Besonders Deutschland trat beim Thema Impfen unbeholfen auf der Stelle, während Länder wie Israel den Einwohnern ein umfangreiches Impfangebot machen konnten. Erst mit der Zeit kamen die Impfungen in Deutschland ins Rollen. Im Sommer 2021 ist die Impfpriorisierung auch hierzulande weitgehend aufgehoben. Umso ärgerlicher ist es, wenn manche Leute kurzfristig und ohne Vorankündigung einen Rückzieher machen.

Sie nehmen damit anderen Menschen die Möglichkeit, sich zeitnah impfen zu lassen. Manche von ihnen fielen zwar nicht in die Priorisierungsgruppen, haben eine Impfung aber aus anderen Gründen nötig. Lange hofften sie auf die Zulassung wirksamer Impfstoffe. Und nun dürfen sie wegen solch rücksichtsloser Menschen unnötig lange auf ihre Impfung warten.

Sanktionen gegen die Impfdeserteure

Diese Spätzünder unter den Impfverweigerern kamen reichlich spät auf den Trichter, dass sie allein die Erstimpfung gegen jegliche Varianten des Coronavirus schützt. Ihre Entscheidung mag fragwürdig erscheinen, ist aber wohl nicht zu ändern. Das unentschuldigte Fehlen bei der Zweitimpfung ist aber bestimmt nicht die logische Schlussfolgerung daraus. Dieses Verhalten ist nachhaltig rücksichtslos und zeugt außerdem von einer absoluten Rückgratlosigkeit.

Anstatt sich einzugestehen, dass man die Impfung für völligen Quatsch hält oder einfach keine Lust auf die zu erwartenden Nebenwirkungen hat, gibt man lieber dem sozialen Druck nach und macht gehorsam einen Impftermin aus. Weil man durch die Erstimpfung seine Pflicht als guter Bürger erfüllt hat, kann man den Termin zur Zweitimpfung guten Gewissens sausen lassen. Soweit die Logik der ewig Erstgeimpften.

Manche befürworten nun allen Ernstes, Sanktionen gegen solche Menschen zu verhängen. Das ist traurig, aber scheinbar bitter nötig. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass die körperliche Unversehrtheit eines jeden einzelnen immer im Vordergrund stehen muss. Wer sich keinen Impfstoff injizieren lassen möchte, der sollte diese Freiheit weiterhin haben. Es darf nicht der Eindruck entstehen, die Menschen würden wegen ihrer Impfentscheidung bestraft, sondern einzig und allein wegen ihres rücksichtslosen Verhaltens ihren Mitmenschen gegenüber.

Die Alibi-Impfung

Dabei ist schon auffallend, wann die Bereitschaft zur Zweitimpfung nachgelassen hat. Die versäumten Termine liefen erst dann aus dem Ruder, als die Inzidenzwerte ins Bodenlose rauschten. Mit sinkenden Infektionszahlen nahm also auch die Impfbereitschaft ab. Vielleicht redeten sich manche Leute ein, bei einer scheinbar niedrigeren Bedrohungslage durch das Virus, könnte auf die Zweitimpfung verzichtet werden. Immerhin bedeuten die niedrigen Infektionszahlen auch, dass in vielen Bereichen kräftig gelockert wird.

So ist es seit einigen Wochen fast bundesweit nicht mehr nötig, eine vollständige Impfung oder einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorzuweisen, wenn man am normalen Leben teilnehmen möchte. Ungeimpfte sind nun nicht mehr verpflichtet, sich regelmäßig ein Wattestäbchen in die Nase rammen zu lassen, um ins Kino, in die Bar oder ins Restaurant zu gehen. Weswegen sollte man dann noch die Zweitimpfung über sich ergehen lassen? Immerhin ist allgemein bekannt, dass die Nebenwirkungen der meisten Präparate bei der Zweitimpfung deutlich heftiger ausfallen.

Diese Bürde möchte man natürlich nicht auf sich nehmen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Außerdem hat man mit der Erstimpfung ja bereits unter Beweis gestellt, dass man den Kampf gegen das Virus im Rahmen der Möglichkeiten unterstützt. Niemand kann erwarten, dass man womöglich schwere Nebenwirkungen in Kauf nimmt, ohne das unmittelbar etwas dabei herausspringt.

Das Misstrauen kehrt zurück

Diese offensichtliche Denkweise entlarvt die angebliche Solidarität auf dem Weg zur Herdenimmunität als ein bloßes Scheinargument. Dass eine große Zahl an vollständig Geimpften ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Pandemie ist, spielt für viele Menschen zwar eine Rolle, viel wichtiger sind aber die Vergünstigungen, die nach einer Impfung winken. Die Vereinbarung eines Impftermins ist bei vielen leider auf nichts anderes zurückzuführen als sozialen Druck und die Sehnsucht nach einem Mindestmaß an Bequemlichkeit. Dafür nimmt man auch gerne die Nebenwirkungen in Kauf und tut nebenbei noch etwas Gutes. Entfällt diese Notwendigkeit aber, schwindet auch die Impfbereitschaft.

Dann bricht eine andere Denkweise wieder Bahn, die seit vielen Jahren unbemerkt vor sich hingegärt hat. Denn die Käuflichkeit der Politik hat auch vor Medizin und Pharmakonzernen nicht haltgemacht. Viele Menschen wissen heute nicht mehr, was und wem sie glauben sollen und welche Interessen tatsächlich hinter bestimmten Vorhaben stehen. Dieses pauschale Misstrauen wurde von der allgemeinen Furcht vor dem Virus und der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität zeitwiese überdeckt. Die Menschen hofften auf ein Wundermittel gegen das völlig neuartige Virus, das wie aus dem Nichts kam. Verständlicherweise sah die überwältigende Mehrheit die Impfung als den aussichtsreichsten Weg aus der Pandemie.

Als die Politik dann auch noch Lockerungen für Geimpfte zusicherte, gab es für viele kein Halten mehr. Die Aussicht auf ein Stück wiedergewonnene Normalität ließ viele die Bedenken gegen profitgetriebene Pharmaunternehmen zunächst vergessen. Doch schon heute argwöhnt viele, wie aggressiv die Politik die Impfung bewirbt. Manche fallen dann leichter auf Verschwörungstheorien herein, obwohl die eigentliche Intention der Impfwerbung doch der Schutz der Bevölkerung ist.


Doch immer mehr Menschen interessiert das nicht. Nach zahlreichen aufgedeckten Bezahlstudien und einem politischen Gebaren, das eher entzweit als eint, verzichten sie eher auf die Zweitimpfung, wenn es ihrer Meinung nach nicht unbedingt nötig ist. In ihnen schwelt ein Kampf zwischen Misstrauen und Bequemlichkeit. Der Sieger dieses Kampfes hängt von der jeweiligen Infektionslage ab. Immer offensichtlicher wird, dass nicht nur überfüllte Krankenhäuser und überforderte Gesundheitsämter in der Pandemie Zeugnis dafür sind, was in den vergangenen Jahren schieflief.


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