Zu kurz gedacht

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Die Impfkampagne nimmt auch in Deutschland immer kräftiger an Fahrt auf. Die Behörden können mehr und mehr Menschen ein Impfangebot machen. Dass es durchaus Menschen gibt, die sich aus verschiedenen Gründen gegen eine Impfung entscheiden, blendet der öffentliche Diskurs fast vollständig aus. Die Devise ist und bleibt: Deutschland lässt sich impfen. Diese verkürzte Debatte nimmt vielen Menschen allerdings die Möglichkeit, eine gut überlegte Impfentscheidung zu treffen. Sie trägt eher dazu bei, die Gesellschaft weiter in Gut und Böse zu spalten. Und natürlich will jeder auf der Seite der Guten stehen…

Hoffnungsträger der ersten Stunde

Die Weltgesundheitsorganisation hatte die Verbreitung von SARS-Cov-2 noch nicht richtig zur Pandemie erklärt, da war für viele bereits klar: Die durch das Virus ausgelöste Erkrankung lässt sich nur durch einen Impfstoff bändigen. Es ist völlig unstrittig, dass ein wirksames Vakzin bei der Bekämpfung einer gefährlichen Krankheit durchaus den Durchbruch bringen kann. Ein zuverlässiger und wirksamer Impfstoff setzt aber voraus, dass ausreichend lange an ihm geforscht wurde. Die Impfforscher müssen das neuartige Präparat auf alle möglichen Risiken und seine Verträglichkeit bei unterschiedlichen Zielgruppen abklopfen. Sie müssen klären, welche Dosis notwendig ist, damit der Impfstoff seine volle Wirkung entfalten kann. In erster Linie müssen sie sich dafür Zeit nehmen, um alle diese kritischen Fragen fundiert beantworten zu können.

Zeit spielte bei der Erforschung der Impfstoffe gegen Covid-19 scheinbar selten eine Rolle. Kaum jemanden verwunderte es ernsthaft, dass manche Hersteller bereits einige Monate nach Ausbruch der Pandemie mit einer baldigen Zulassung ihrer Präparate warben. Nur wenige wunderte es, dass die Forscherinnen und Forscher so schnell einen Impfstoff entwickeln konnten, obwohl zuvor kaum Ressourcen in die Bekämpfung der seit langem bekannten Coronaviren gesteckt wurden. Noch weniger Menschen stellten laut die Frage, weswegen so fieberhaft an einem Impfstoff geforscht wurde, während man die Entwicklung eines Medikaments so sträflich vernachlässigte.

Doppelt hält besser

Fast niemanden schien es zu stören, dass ein so rasant schnell entwickelter Impfstoff einige Abstriche verlangte. Beispielsweise ist nach wie vor unklar, wie zuverlässig der Wirkstoff gegen eine Infizierung mit dem Virus oder gegen einen Ausbruch der Krankheit schützt. Hätte man parallel zum Impfstoff ähnlich verbissen an einer erfolgsversprechenden Medikation geforscht, könnte man einem unter Umständen schwachen Impfschutz heute besser begegnen.

Die wenigsten schienen sich auch für die Gründe hinter diesen Forschungsentscheidungen zu interessieren. Es ist völlig klar: Wenn eine neuartige Krankheit grassiert und so viele Menschenleben fordert, darf bei der Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten keine Zeit vertan werden. Es muss alles getan werden, um die Krankheit an einer weiteren Ausbreitung zu hindern. Im Normalfall dauert es aber eine ganze Weile bis Impfstoffe und Medikamente die hohen Zulassungshürden nehmen. Die Medikamente gegen Covid-19 lassen wohl auch deshalb weiterhin auf sich warten. Die Impfstoffe hingegen haben die Forschung an Medikamenten ganz schön alt aussehen lassen. Immerhin werden die Impfstoffe an alle Menschen verabreicht, die bereit dazu sind. Die Medikamente allerdings erhalten nur solche Menschen, die sich bereits infiziert haben und einen besonders schweren Krankheitsverlauf entwickeln. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Subject to Change

All diese Aspekte wurden bisher in der öffentlichen Debatte um die Impfstoffe weitestgehend ausgeblendet. Man verlässt sich auf die Daten, die seröse Quellen wie beispielsweise das Robert-Koch – Institut so hergeben. Das Problem an diesen Daten: Sie sind selten von langer Dauer und unterliegen ständigen Aktualisierungen. Das ist auch überhaupt kein Wunder, wenn die Impfstoffe bereits nach einigen Monaten zugelassen wurden. Theoretisch stufen die Wissenschaftler die Präparate als sicher ein, praktisch allerdings befinden wir uns weiterhin in der Erprobung der Impfstoffe. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass sich in einigen Monaten herausstellt, dass die Wirkstoffe völlig nutzlos waren, doch ein Aspekt kommt bei der Diskussion um die Impfungen definitiv zu kurz: Was bedeutet es, wenn Impfstoffe nach so kurzer Zeit die Zulassung erhalten, obwohl die meisten von ihnen auf einer Methodik beruhen, die zuvor nur selten oder noch nie am Menschen zum Einsatz kamen?

Kritische Stimmen dazu kommen immer nur dann zu Wort, wenn akut besonders heftige Nebenwirkungen auftraten. Das beste Beispiel dafür ist der Wirkstoff von AstraZeneca. Zunächst war völlig unklar, an welche Altersgruppen er gefahrlos verimpft werden kann, dann kam es zu Blutgerinnseln im Gehirn, als nächstes war er wieder der Hoffnungsträger, zur Zeit steht seine Verträglichkeit wieder eher im Zweifel. Was dieser Impfstoff erlebt, ist nichts anderes als eine groteske Berg- und Talfahrt, die einzig darauf zurückzuführen ist, dass die Forschungsphase so kurz war.

Datenverlust ausgeschlossen

Obwohl alle diese Bedenken ernstzunehmen sind, scheren sich die wenigsten darum. Es ist vollkommen legitim – und in vielen Fällen sicherlich vernünftig – sich impfen zu lassen. Vielen Menschen wird eine gut überlegte Impfentscheidung aber dadurch verwehrt, dass elementare Punkte in der Debatte um die Impfsicherheit viel zu kurz kommen. Dass es auch anders geht, zeigt die Resonanz der Corona – Warn-App der Bundesregierung.

Die Diskussion war hier zwar ähnlich verkürzt wie bei den Impfstoffen, führte aber zum gegenteiligen Ergebnis. Hier dominierte das Argument der Datensicherheit die Debatte über Gebühr. Die Angst davor, unwissentlich sensible Daten über sich selbst preiszugeben, hielt viele Menschen davon ab, die App auf ihren Smartphones zu installieren.

Ähnlich kritisch gegenüber dem Umgang mit Daten zeigen sich die meisten auch bei anderen Anwendungen. So kommt es derzeit zu einer massenhaften Abkehr von WhatsApp. Der Messenger erdreistet sich ernsthaft, die Daten seiner Nutzerinnen und Nutzer zu Werbezwecken weiterzugeben, um auch in Zukunft praktisch kostenfrei nutzbar zu bleiben. Die Sorge vor einem Datenmissbrauch lässt die App in der Gunst der Anwenderinnen und Anwender deutlich sinken.

So würde es auch AstraZeneca, BioNTec & Co. ergehen, wenn sie ernsthaft unter Verdacht stünden, gegen wichtige Datenschutzbestimmungen zu verstoßen. Dass sie wenig erprobt sind, nehmen dafür viele Menschen in Kauf. Und warum ist das so? Es ist ganz einfach: Die Angst vor einer Erkrankung übersteigt die Skepsis gegenüber einem unzureichend erforschten Impfstoff. Die Sorge vor möglichen Spätfolgen, adversen Impfeffekten oder sonstigen unerwünschten Erscheinungen wird besonders erfolgreich unterdrückt, wenn all diese Punkte in der öffentlichen Diskussion wenig oder gar nicht zur Sprache kommen.

Ad absurdum

Stattdessen verbannt man kritische Töne lieber ins Reich der Verschwörungstheorien. Wer trotzdem Kritik an der Impfkampagne oder an den Impfstoffen an sich äußert, der bekommt ruckzuck die Querdenker-Keule zu spüren. Keine seriöse Kritik darf an den Grundfesten der allgemeinen Impfeuphorie rütteln. Nun kann man zu harsche Kritik tatsächlich als unangebracht empfinden. Immerhin geht es um die Bekämpfung einer Pandemie, die zigtausend Menschenleben fordert. Abstriche können da nicht ausbleiben. Aber darum geht es gar nicht. Dieses Scheinargument soll den Menschen ein gutes Gefühl geben und dafür sorgen, dass sie sich Impfskeptikern gegenüber moralisch erhaben fühlen. Dadurch fällt es ihnen leichter, Widerspruch in eine Ecke zu drängen, mit der sie verständlicherweise nichts zu tun haben wollen. Für die Vertreter der Pharmalobby rollt währenddessen weiter der Rubel. Widerstand gegen ihre Pläne gehört nun eindeutig zu den Querulanten von Stuttgart 711.

Eine ernsthafte und konstruktive Debatte wird dadurch natürlich erfolgreich unterdrückt. Sachliche und begründbare Argumentente landen in einem Topf mit missgebildeten Embryonen, der Injektion von Kinderblut und einer globalen Intrige von Bill Gates. Aus Angst davor, auf eine Wand des Unverständnisses und der Ablehnung zu stoßen, halten viele ganz den Mund oder relativieren das Gesagte schnell wieder, wie wir es bei der Aktion #allesdichtmachen gesehen haben. Künstlerinnen und Künstler, die sich zuvor nie etwas in diese Richtung haben zu schulden kommen lassen, waren auf einmal Jünger von Attila Hildmann und Xavier Naidoo. Immer mehr Menschen finden sich damit ab, dass eine kritische Meinung unerwünscht ist. Für eine freiheitliche Demokratie sind solche Entwicklungen ganz bestimmt nicht günstig.


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