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Die linke Sammlungsbewegung aufstehen hat es sich zum Ziel gesetzt, die anstehende Bundestagswahl zu einer Bürgertagswahl zu machen. Die Stimmen und Wünsche aus der Bevölkerung sollen in der Politik wieder mehr Gewicht haben. Dazu können alle Menschen auf der digitalen Plattform Consul derzeit Vorschläge einbringen, darüber abstimmen und diskutieren. Ein Nutzer stellt nun offen in Frage, ob man in Deutschland von einer Demokratie sprechen kann. Tatsächlich gibt es immer mehr Menschen, die sich von der Politik vor den Kopf gestoßen fühlen. Auf Dauer ist das ein ernstzunehmendes Problem für die Demokratie.
Leben wir in der Bundesrepublik noch in einer Demokratie? Diese Frage stellt sich auf Consul ein Nutzer, der sich dann aber leider in nebulösen Ungerechtigkeitsfantasien verliert. Er geht sogar so weit, deutschen Richterinnen und Richtern die Unparteilichkeit abzusprechen, was es gerade einkommensschwachen Menschen erschwert, zu ihrem Recht zu kommen. Ich finde dieses Abdriften sehr schade. Immerhin sprechen wir hier über ein sehr ernstes Thema.
Die Frage, ob wir in Deutschland überhaupt in einer Demokratie leben, halte ich allerdings für berechtigt. Es ist völlig unbestreitbar, dass unsere demokratische Verfassung auf dem Papier existiert. In der Praxis sieht das aber anders aus. Über viele Jahre hinweg ist die Bindung zwischen Politikerinnen und Politikern auf der einen Seite und Wählerinnen und Wählern auf der anderen Seite immer brüchiger geworden. Das sieht man allein schon an den stetig sinkenden Beteiligungen bei Bundestagswahlen. Durch die Mobilisierung der AfD stieg die Wahlbereitschaft zwar wieder etwas an, aber dass mit dieser Partei kein Blumentopf zu gewinnen ist, zeigten gerade erst die Wahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. Viele AfD-Wähler von vor fünf Jahren sind wieder resigniert ins Nichtwählerlager abgerauscht – von wo sie herkamen.
Es reicht eben nicht aus, die Bevölkerung in regelmäßigen Intervallen über die Zusammensetzung von Parlamenten abstimmen zu lassen. Viel besser wäre es, basisdemokratische Instrumente fest in der Verfassung zu verankern. Es sollte für die Bürgerinnen und Bürger jederzeit die Möglichkeit geben, Gesetze erneut von den Entscheidungsträgern prüfen zu lassen, wenn der Widerspruch in der Bevölkerung groß genug ist. Bei besonders kritischen Vorhaben sollten die Menschen viel stärker in den Gesetzgebungsprozess eingebunden sein. Bundesweite Volksentscheide wären hier eine Option. Denn immer wieder erleben wir, dass die Bürgerinnen und Bürger bestenfalls indirekt bei Gesetzen mitwirken, aber von den Konsequenzen direkt betroffen sind. Zu diesem Thema hat Ute Scheub von Mehr Demokratie übrigens ein sehr interessantes kleines Büchlein geschrieben.
Und nun noch zur aktuellen Bedrohungslage gegen unsere Demokratie: Selbst unser Innenminister hat ja inzwischen einsehen müssen, dass die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland vom Rechtsextremismus ausgeht. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Fast noch bedrohlicher ist die Politik, die dem Extremismus von rechts enormen Vorschub leistet. In der Ära des Neoliberalismus werden die Menschen gegeneinander ausgespielt. Sie streiten gegeneinander statt mit- oder füreinander. Neiddebatten entstehen. Die Menschen sind so beschäftigt miteinander, dass sie gar nicht bemerken, dass sie immer weniger Gestaltungskraft in der Gesellschaft besitzen. Letztendlich wenden sie sich denen zu, die ihnen ebenjenes Mitbestimmungsrecht vorgaukeln. Das können wir doch bestimmt besser…