Wider die Instinkte – Wenn Intelligenz tötet

Beitragsbild: Gerd Altmann, pixabay.

Lesedauer: 11 Minuten

Unter all den Lebewesen, die sich auf unserem Planeten tummeln, neigt wohl keine andere Spezies so sehr zu irrationalem und dummen Verhalten wie der Mensch. Seit Anbeginn aller Zeiten fasziniert er durch sein widersinniges und absolut unlogisches Verhalten. Der angeblich intelligentesten Spezies der Welt steht dabei oftmals der eigene Instinkt im Wege. Ob es nun Fluch oder Segen ist, dass diese Instinkte von schier unendlicher Intelligenz übermannt werden, ist in manchen Fällen kaum unterscheidbar.

Intelligenz ist nicht alles

Schaut man sich die Äußerungen mancher Menschen an, grenzt es schon fast an Komik, dass die Evolutionstheorie ausgerechnet diese Spezies zur intelligentesten auf dem Erdenrund geadelt hat. Anstatt die Klimakatastrophe zu betrauern, sollte man lieber deren Verursacher beklagen. Aber eines muss man den Menschen wirklich zugestehen: Sie sind tatsächlich intelligent. Diese Intelligenz verschafft ihnen nicht nur eine deutlich schnellere Auffassungsgabe, sondern befähigt sie auch zum Sprechen, Schreiben und Lesen. Womit Intelligenz allerdings niemals verwechselt werden sollte, ist Schläue. Die Intelligenz ist viel eher die Grundausstattung, über die der Mensch im Normalfall verfügt. Dieser Speicherplatz kann gefüllt werden. Muss er aber nicht.

Gerade im Zusammenhang mit hochaktuellen Themen wird mal wieder offensichtlich, dass der Mensch eine apokalyptische Neigung zur Selbstauslöschung in sich trägt. Zwei Themen machen das ganz besonders deutlich: die leidvolle Debatte um das Tempolimit auf deutschen Autobahnen einerseits und die linksgrün-versiffte Idee eines Böllerverbots andererseits.

Bleiben wir doch zunächst bei der Geschwindigkeitsbegrenzung. Die hartgesottenen Gegner des Limits halten eine solche Regelung für unsinnig, weil die deutschen Autobahnen als die sichersten weltweit gelten. In diesem Punkt haben sie sogar recht. Und noch etwas anderes ist auffällig: die wenigsten tödlichen Unfälle geschehen auf der Autobahn. Wer das als valides Argument gegen ein Tempolimit nimmt, der müsste in der Konsequenz auch das deutsche Strafgesetz abschaffen. Statistiken belegen nämlich, dass die Anzahl polizeilich erfasster Straftaten in den letzten Jahren rückläufig ist.

Need for Speed

Natürlich käme keiner ernsthaft auf eine solch absurde Idee. Gerade die Mordrate ist in den letzten Jahren gestiegen. Ein ähnliches Prinzip gilt auch auf der Autobahn. Auf diesen Straßen sind vielleicht die wenigsten tödlich verunglückt, die meisten unter ihnen allerdings aufgrund zu hoher Geschwindigkeit.

Es sollte eigentlich unbestritten sein, dass ein Tempolimit immer dazu führt, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit sinkt. Wo zu hohe Geschwindigkeit die Top-Ursache tödlicher Unfälle ist, da sollte nicht mehr über das Ob, sondern möglichst bald über das Wie diskutiert werden.

Freie Fahrt auf der Autobahn? Viele Menschen halten nichts von einem Tempolimit.
Bild: Rolf van Melis, Autobahn A44 1, CC BY-SA 2.0 DE.

Und da sich die Gegner des Tempolimits so gerne damit rühmen, die deutschen Autobahnen seien die sichersten: Perfektionismus endet nicht, wenn man gut ist, sondern wenn man perfekt ist. Eine generell niederschwellige Gefahrenlage auf deutschen Autobahnen sollte eigentlich erst recht Anlass dazu sein, noch sicherer zu werden. Man hört ja schließlich auch nicht auf, seine Kinder impfen zu lassen, weil das Ansteckungsrisiko gering ist. Oder etwa doch?! Und noch einmal: Ein Tempolimit kann nur dazu führen, dass die Zahl der Toten aufgrund von zu hoher Geschwindigkeit zurückgeht. Und jeder Tote auf deutschen Straßen ist ein Toter zu viel.

Höher, schneller, weiter

Schneller heißt schließlich immer auch unkontrollierbarer. Der Mensch strebt danach, Dinge zu kontrollieren. Hier ist eine neue Möglichkeit. Doch dass viele Menschen mit solch einleuchtenden Grundprinzipien gebrochen haben, wird auch bei der Diskussion um ein Böllerverbot an Silvester deutlich. Hier setzen sich viele sogar über einen Urinstinkt aller Lebewesen auf der Erde hinweg: der Angst vor dem Feuer.

Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Sprengstoff hat in den Händen von Laien nichts zu suchen. Deswegen ist die Begründung vieler Einzelhandelsketten, auf den Böllerverkauf zu verzichten, auch so scheinheilig. Viele springen auf den Klimazug mit auf, obwohl die enorme Gefahr von Schwarzpulver & Co. schon viel länger bekannt ist.

Feuerwerke erfreuen sich an Silvester weiterhin großer Beliebtheit – trotz offensichtlicher Gefahren.
Bild: Gerd Altmann, pixabay.

Schon der Neandertaler wollte das Feuer unbedingt kontrollieren. Wie soll das funktionieren, wenn man hochexplosives Material anzündet und wegwirft? Eine einmal gezündete Rakete, die in die Lüfte schnellt, ist nicht kontrollierbar, zumindest nicht von Menschenhand. Wozu in den Himmel entsendetes Feuer führen kann, wurde uns dieser Tage auf tragischste Art und Weise in Krefeld erneut vor Augen geführt. Ein generelles Umdenken wird das aber trotzdem nicht bedeuten. Es war ja schließlich keine Rakete…

Explosiver Schwanzvergleich

Dabei ist die Alternative so naheliegend. Wenn man an Silvester schon unbedingt ein zünftiges Feuerwerk will, dann kann man sich doch an vielen US-amerikanischen Städten orientieren. Dort ist es seit langem Gang und Gäbe, dass Pyrotechniker an zentralen Stellen ein Himmelsschauspiel entfesseln. Auch das ist natürlich nicht ohne Risiko. Vielleicht wären zentrale Lasershows dann doch besser. Denn natürlich ist ein Feuerwerk schön. Das ist ein Atompilz aber irgendwie auch.

Beim Thema Böllern geben sich viele Menschen allerdings einsichtig. Doch die Ankündigung, in diesem Jahr auf jeden Fall weniger bis gar nicht zu böllern, war von Anfang an zum traurigen Ritus verdammt. Denn spätestens wenn einem die – Achtung, Wortwitz – Knallerpreise regelrecht entgegenfliegen, gibt es für viele kein Halten mehr. Längst hat das Auto Konkurrenz bekommen, wenn es darum geht, dass testosterongesteuerte Supermarktstricher ihre verkümmerten Schwänzchen kompensieren müssen.

100.000 Jahre Schnee

Hat das noch was mit Intelligenz zu tun? Man weiß es nicht. Wenigstens geben sich viele Menschen beim Thema Böllerverbot gar keine Mühe, sonderlich intelligent zu wirken. Geht es allerdings um den Klimawandel, sieht die Sache schon anders aus. Beim neuen globalen Lieblingsthema ist es inzwischen zur guten Sitte geworden, sich mit Fakten und Zahlen zu bombardieren und zu übertrumpfen. Manche dieser „Argumente“ lassen dann jedoch schnell wieder an der Intelligenz mancher Möchtegern-Klimaforscher zweifeln.

So gibt es doch tatsächlich Menschen, die die derzeitige Situation auf unserem Planeten mit der letzten Eiszeit vergleichen. Sicherlich kennen die meisten derer nicht den Unterschied zwischen einem Eiszeitalter und einer Kaltzeitperiode, aber Wikipedia erweist sich auch in diesem Falle als guter Lehrmeister. Selbst wenn man die letzte Kälteperiode tatsächlich als Eiszeit bezeichnet, so dauerte sie mehr als 100.000 Jahre an. Sicherlich wurde dabei nicht ein Schalter umgelegt, was der Welt hundert Jahrtausende Schnee verschaffte. Irgendwie verhält es sich aber so mit der derzeitigen Wärmeperiode.

Seit Jahrzehnten beobachten wir einen besorgniserregenden Anstieg der Durchschnittstemperatur. Natürlich kommt ein solcher Zeitabschnitt dem Menschen lange vor. Doch er ist überhaupt nicht vergleichbar mit der Dimension der gennannten Kältezeit. Die einsetzende Wärme ist kongruent mit der einsetzenden Industrialisierung auf der Erde. Natürlich ist die derzeitige Klimakrise menschengemacht.

Die süße Wonne des Nichtstuns

Doch was hilft es, die Ursachen zu beklagen, wenn das Problem längst da ist? Fast noch schlimmer sind doch die Lehren, die aus dem abstrusen Vergleich mit der Eiszeit gezogen werden. Ohne großes menschliches Zutun ging noch jede Eiszeit vorbei. Die jetzige Klimakatastrophe allerdings ist menschengemacht und kann auch nur vom Menschen beendet werden. Die Klimakrise ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Mensch zur Selbstzerstörung neigt. Die Fakten liegen auf dem Tisch, doch eine natürlich angeborene kleinbürgerliche Bequemlichkeit macht es vielen unmöglich, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ein weiteres beliebtes Argument der selbsternannten Klimakritiker ist der begrenzte Einfluss, den Deutschland auf die Rettung des Klimas hat. Erst kürzlich betonte Alexander Gauland erneut, dass der CO2-Ausstoß Deutschlands kaum maßgeblich für den raschen Temperaturanstieg sein kann. Die Fakten und Zahlen wurden hierbei erneut ins beinah lächerliche uminterpretiert. Denn Deutschland, ein zwar dicht besiedeltes, aber relativ kleines Land macht nur 1 Prozent der Weltbevölkerung aus, verursacht aber 2 Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen. Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand.

Gute Menschen, schlechte Menschen

Es wird von manchen immer wieder in Zweifel gezogen, dass Deutschland eine wichtige Vorreiterrolle bei der Klimarettung einnehmen kann. Selbst diese Menschen sind sich allerdings einig darin, dass die angestrebten Maßnahmen, viel Geld kosten würden. Wenn sich ein so hochindustrialisiertes und reiches Land wie Deutschland dem Klimaschutz komplett verweigert, wer soll denn bitteschön dann mit der Rettung des Klimas beauftragt werden? Das bis ins Mark verarmte und geplünderte Afrika vielleicht?

Man sieht: Viele Menschen haben ein regelrechtes Faible dafür, den offensichtlichen Fakten zum Trotz ins Verderben zu marschieren. Auch der wachsende Zuspruch von Rechtspopulisten ist nicht anders zu erklären. Der Frust und der Protest ist mehr als gerechtfertigt, doch der gewählte Lösungsweg führt direkt zur Schlachtbank. Da glauben doch viele ernsthaft, die AfD sei der Schlüssel gegen alle Probleme im Land. Falsch: Die AfD ist ein gut getarnter Metzger, der vom Bestehen der Probleme profitiert.

Diese Partei hat weder eine Antwort auf die Frage der prekären Wohnungssituation noch auf das kriselnde Rentensystem. Solche Probleme werden stets auf den nächsten Parteitag verschoben. Viel einfacher ist es doch, andere für das Schlamassel verantwortlich zu machen. Die Deutschen haben ein Dach über dem Kopf verdient und den Deutschen muss Hartz-IV gezahlt werden. Wann begreifen endlich auch die letzten, dass es eine solche Einteilung in gute und in schlechte Menschen nicht gibt?

„Jetzt grinst mich der Kerl an“

Dabei sollten doch gerade diese Deutschen wissen, wohin eine solche Einteilung in letzter Konsequenz führt. Die Parallelen zur Vergangenheit sind nicht von der Hand zu weisen und trotzdem machen viele Wutbürger einen auf taubstumm, wenn es um dieses ungeliebte Thema geht. Einen besonders gelungenen Beitrag zu dem Thema sendete Stern TV im vergangenen Herbst.

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Manchmal ist es doch zum Heulen: Ob Böllern, Impfen oder Klima, der Mensch fühlt sich aller Gefahren erhaben. Die Fähigkeit, arterhaltende Instinkte zu überwinden, um bis dahin unüberwindbares unter Kontrolle zu bringen, unterscheidet den Menschen von anderen Lebensformen auf der Erde. Manche nennen das Intelligenz. Doch immer mehr wird diese Gabe zur Gefahr nicht nur für die eigene Art, sondern für den Planeten insgesamt. Vielleicht wird die Menschheit in Millionen von Jahren von einer noch intelligenteren Spezies verlacht werden. Auf jeden Fall muss der Mensch lernen, dieses kleine selbstzerstörende Element in sich selbst zu überwinden, bevor die Natur ihn überwindet.

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