Verschoben ist aufgehoben

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Neulich noch tiefster Winter, heute schon frühsommerliche Temperaturen – die Folgen des Klimawandels werden immer offensichtlicher. Die gesteckten Ziele sind ambitioniert, viele Maßnahmen allerdings nicht ausreichend. Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich sicher, dass der Kampf gegen die globale Erderwärmung so nicht zu gewinnen ist. Mit einem völlig neuen Ansatz sorgen sie nun für mächtig Wirbel.

Wenn das Wetter Rekorde bricht

Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles grünt und blüht. Was nach rosigem Frühlingsszenario klingt, ist in den vergangenen Jahren regelmäßig im tiefsten Winter zu beobachten. Auch in diesem Jahr stellte sich der Frühling erschreckend früh ein. Nach einer ungewöhnlich frostigen ersten Februarhälfte stiegen die Temperaturen in wenigen Tagen so rasant, dass selbst die Corona-Infektionszahlen vor Neid erblassten. In Göttingen wurde binnen sieben Tagen sogar ein Temperaturanstieg von sage und schreibe 41,9 Grad Celsius verzeichnet – ein neuer Weltrekord.

Selbst die verbohrtesten Leugner des Klimawandels können vor solch drastischen Umschwüngen nicht länger die Augen verschließen. Die Erderwärmung hat uns seit Jahren fest im Griff. Ohne konsequente Strategie werden wir uns auch in Zukunft auf schwimmbädliche Temperaturen zu Jahresbeginn einstellen müssen.

Klimagerechte Kalender

Eine Gruppe internationaler Forscher hat sich nun mit einem überraschenden Gegenkonzept an die Öffentlichkeit gewagt. Das Team aus insgesamt 147 Forschern aus 45 Nationen plädiert für einen völlig neuartigen Weg aus der Klimakrise. Sie haben begriffen, dass die jetzige Politik die gesteckten Klimaziele nicht nur in vielen Bereichen krachend verfehlen wird, sondern dass sie in manchem Bereich vieles sogar noch schlimmer macht. Aus diesem Grund regen die Wissenschaftler an, sämtliche Bemühungen einzustellen und stattdessen den Kalender an die Witterungsverhältnisse anzupassen.

Konkret schwebt dem multinationalen Team eine Verschiebung um sechs bis acht Wochen vor. Immerhin seien die derzeitigen Temperaturen für den Monat April völlig unbedenklich. Feststehende Termine würden die Wissenschaftler ausgleichsweise um etwa zwei Monate nach vorn verschieben. Jahreswechsel wäre dann beispielsweise in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November. Durch die gleichzeitige Verschiebung des Kalenders würden diese Tage aber trotzdem wieder auf den 31. Dezember und den 1. Januar lauten.

Außerdem streben die Forscherinnen und Forscher eine Abschaffung der Schaltjahre an. Ein Ausgleichstag alle vier Jahre würde ihren jetzigen Plänen zuwiderlaufen. Entfiele dieser zusätzliche Tag, könnte zumindest ein Teil der Erderwärmung kalendarisch aufgefangen werden.

Schluss mit der Rekordhitze

Thermometer sollen künftig ebenfalls nur noch bis zu einer Temperatur von 36 Grad Celsius messen. Alles darüber soll durch handelsübliche Messgeräte nicht mehr erfassbar sein. Mit dieser Maßnahme möchte man der Erdbevölkerung ein Stück die Angst vor den schlimmen Auswirkungen der globalen Erderwärmung nehmen. Horrortemperaturen von 50 Grad und mehr wären hier kontraproduktiv.

Der Forscherzusammenschluss befürwortet darüber hinaus eine Abschaffung der lästigen Zeitumstellung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nennen hierfür keinen besonderen Grund. Gerüchteweise sind sie es wie alle anderen normalen Menschen schlichtweg leid, zweimal jährlich die Uhren umzustellen. Ob permanent auf Sommer- oder Winterzeit umgestellt werden soll, ließ das Team vorerst offen.

Leicht erhöhte Temperatur

Während viele Wissenschaftler weltweit diesen Vorstoß als absoluten Kokolores abtun wollen, ziehen die Ideen der Gruppe weite Kreise. Ihr Konzept ist schon lange nicht mehr auf die Klimaforschung begrenzt. Auch aus der Gesundheitsforschung werden vermehrt Stimmen laut, die dem Modell der Klimaforscher folgen wollen. So diskutiert eine Reihe an Wissenschaftlern zur Stunde über eine Neukalibrierung des Begriffs „gesund“. Gerade in der herrschenden pandemischen Situation habe dieser Begriff mehr Chaos gestiftet als Hoffnung verbreitet.

Die Forscher sind sich sicher: Wenn man die Gültigkeit des Begriffs „gesund“ ausweitete, würden weniger Menschen als krank gelten. In der Folge gäbe es weniger bestätigte Fälle des Coronavirus. Auch hier haben sich die Expertinnen und Experten Gedanken zur konkreten Umsetzung gemacht. Ginge es nach ihnen, würden Menschen mit einer Körpertemperatur bis zu 39 Grad als gesund gelten.

Entlastung für die Krankenhäuser

Den Wissenschaftlern ist klar, dass eine einzige Begriffsänderung nicht ausreichen würde, um Herr der Lage zu werden. Deswegen möchten sie künftig auch einer Überinterpretation bestimmter Krankheitssymptome vorbeugen. Husten an sich ist nach Angabe der Forscher nichts anderes als ein natürlicher Reinigungsvorgang der Atemwege. Nach Meinung der Forscher tauge ein herzhafter Husten also eher zum Schutz vor der Krankheit als zu deren Diagnostik. Ähnlich sehen sie es mit plötzlichen Schweißausbrüchen. Diese deuteten nicht immer auf eine Erkrankung hin, sondern könnten auch durch starke Emotionen erklärbar sein.

Die Forscherinnen und Forscher sind sich sicher, der Allgemeinheit mit dieser Methodik einen großen Dienst zu erweisen. Folgte man ihren Konzepten, gäbe es immerhin weniger behandlungspflichtige Fälle – sowohl bei Corona als auch bei anderen Krankheiten. Dies würde zu einer deutlichen Entlastung des Gesundheitswesens führen. Besonders Pflegekräfte bekämen diese Entspannung zu spüren. Die chronisch unterbesetzen Abteilungen in den Krankenhäusern müssten nicht mehr am Limit arbeiten, sondern könnten sich mehr Zeit für wirklich pflegebedürftige Patientinnen und Patienten nehmen.

Geschmacksverirrungen

Mehrheitsfähig sind solche Ideen noch nicht. Der Großteil der Wissenschaft hält sich mindestens vorsichtig zurück. Deutliche Kritik für die Pläne kommt aus der Sprachwissenschaft. Die Forscherinnen und Forscher dieses Gebiets befürchten eine regelrechte Welle an Begriffsdehnungen und Neukonnotationen. Sie wiesen darauf hin, dass bereits jetzt rechtsextreme Gruppen die Ideen aus der Klima- und Gesundheitsforschung für sich entdeckt haben.

So arbeitet die rechtsextremistische Gruppierung „Neue Deutsche Front“ bereits an einer Umdeutung des Begriffs „Massenunterkunft“. Den Neonazis schwebt eine Neudefinition des Worts vor, dass Unterkünfte beschreibt, in dem die Menschen mindestens vierlagig gestapelt sein müssen. Lager wie die auf Lesbos wollen sie künftig als „Begegnungsstätte“ verstanden wissen.

Doch nicht nur aufgrund solch extremistischer Auswüchse schlagen die Sprachforscher Alarm. Sie befürchten gar, dass das Konstrukt Sprache völlig außer Kontrolle geraten könnte. Fiona Kurz vom Deutschen Seminar der Universität Tübingen fasst die Sorgen ihrer Kolleginnen und Kollegen besonders anschaulich zusammen: „Wenn wir solchen Entwicklungen nicht rigoros Einhalt gebieten, dann kommt es zu sprachlichen Verirrungen, die wir uns nicht wünschen können. Ehe wir uns versehen, gilt Jocelyn Wildenstein als schöne Frau, die Musik von Hansi Hinterseer als gut und Sauerkraut als lecker.“

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