Kommansnala?

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Nervenzusammenbrüche, peinliche Malheure und Schwimmbecken ohne Poolleitern? Was zunächst nach geschlossener Anstalt klingt, ist in Wahrheit ein Spiel, das unzählige von Menschen seit vielen Jahren begeistert. Seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt es in der Welt der Sims Dramen zu erleben, Freundschaften werden geschlossen, Ehen geschieden, es wird gestritten und es wird ordentlich Kohle gescheffelt. Realitätsnahe Elemente im Spiel gehen Hand in Hand mit stellenweise grotesken Lebensläufen der Sims. Der Spielspaß kommt dabei definitiv nicht zu kurz.

Ein Jahrtausendspiel

Im ersten Jahr des Jahrtausends da kam ein Spiel auf den Markt, das alle bisherigen Simulationsspiele blass aussehen ließ. Die Entwickler von Maxis und EA Games hatten sich ein Gameplay ausgedacht, bei dem das echte Leben simuliert werden sollte – zumindest teilweise. Mit Die Sims gelang den Spielemachern vor etwas mehr als zwanzig Jahren ein Spielerfolg, der sich gerne auch mit Hypes wie Pokémon und Mario Kart messen kann. Die 3D-Avatare erfreuen weiterhin unzählige Menschen weltweit. Auf zig YouTube-Kanälen geben Nutzerinnen und Nutzer ihre Abenteuer aus der Welt der Sims zum besten – ob aus nostalgischen Gründen, als Ausdruck einer Sucht oder weil sie es einfach können.

Vielleicht kommt es mancheinem seltsam vor, dass es tatsächlich erwachsene Menschen gibt, die sich nach wie vor am Spiel Die Sims erfreuen. So obskur ist das aber gar nicht: Immerhin gibt es auch gestandene Menschen, die noch immer feuchte Augen bekommen, wenn sie eine Modelleisenbahn sehen, eine Carrera-Bahn oder schlicht den Controller einer PlayStation.

Vom Tellerwäscher zum Millionär

Doch was macht die Sims nun so einzigartig? Wie kann man mit einem Spiel so viel Geld machen, wenn es nichts weiter tut, als das Leben zu simulieren? Es ist die Art und Weise, wie es das tut. Die Sims ist im Grunde ein Spiel, das sich auf die Irrungen und Wirrungen des Lebens fokussiert. Wer einen ganz normalen Sim erstellt, der morgens aufsteht, zur Arbeit geht und abends müde ins Bett fällt, der macht etwas verkehrt.

In Die Sims geht es viel mehr um allerlei erfreuliches und unheilvolles, was einem im Laufe des Lebens so passieren kann. Es geht um Liebe, es geht um Karriere, es passieren Dramen und die Sims können auch sterben. In erster Linie können sie aber etwas erleben, das vielen im echten Leben verwehrt bleibt: den amerikanischen Traum. Jeder Sim hat die Möglichkeit, vom Tellerwäscher zum Millionär aufzusteigen. Wer heute als kleiner Angestellter in einem Wirtschaftskonzern schuftet, der kann schon in wenigen Wochen zum Magnaten aufgestiegen sein.

Auch Zombies dürfen bei Die Sims heiraten.

In diesem Punkt ist Die Sims natürlich völlig unrealistisch. Niemand wohnt in einem abgeranzten Haus mit Mini-Fernseher und verstopfter Toilette und wird zur Belohnung morgens mit dem Helikopter zur Arbeit abgeholt. Die Sims bietet dem Spieler viel eher die Möglichkeit, sich auszutoben und für eine kurze Zeit all das zu haben, was im echten Leben unerreichbar ist. Damit das ganze nicht zu abgehoben wird, sorgen äußerst realistische Elemente dafür, dass das Spiel spielenswert bleibt. Eine eigens für das Spiel entwickelte Sprache amüsiert seit zwei Jahrzehnten die Spielerschaft. Seit Die Sims 2 haben sogar mehrere namhafte Künstler ihre Songs für das Spiel in Sim-Kauderwelsch neu eingesungen.

Spielspaß ohne Ende

Das Erfolgsrezept vieler Spiele besteht darin, dass es in diesen Spielen kein Ende gibt. Immerwährende Quests halten die Spieler bei Laune und sorgen dafür, dass sie gar nicht mehr aufhören wollen zu spielen. Bei Die Sims ist das ähnlich – zumindest fast. Seit der ersten Neuauflage des Spiels aus dem Jahr 2004 ist das Leben der Sims auf Erden begrenzt. Wenn sie zu alt sind, sterben sie einfach. Andererseits lässt sich mit den Nachkommen der Verblichenen noch so manches Abenteuer erleben. Was beim ersten Anlauf also nicht geklappt hat, wird beim zweiten nachgeholt. Auch so kann man Spieler bei der Stange halten.

Schier unzählige Updates und Erweiterungen halten das Gameplay auch über lange Zeit interessant. Durch neue Elemente wird das Spiel im Laufe der Zeit sogar noch realistischer. Mit der passenden Erweiterung können die Sims nicht nur Kohle auf der Arbeit scheffeln, sondern ihren Hobbys frönen, in den Urlaub fahren oder sich ein Haustier zulegen. Dadurch werden dem Spieler weitere Anreize geben, neue Ziele zu erreichen und sich auf so manches Experiment einzulassen.

Jobverlust und Grpßbrände

Anders als bei vielen anderen Spielen ist der Ausgang bei Die Sims völlig offen. In den meisten Spielsituationen gibt es kein festgelegtes Ergebnis. Oftmals spielt der Zufall eine wichtige Rolle. Wenn die Sims zur Arbeit gehen, kommt es mitunter vor, dass sie dort in merkwürdige Situationen geraten. In einem Dialogfeld kann sich der Spieler für eine von zwei Möglichkeiten entscheiden, wie sein Sim mit der Lage umgehen soll. Bei jeder Option gibt es eine 50-Prozent – Chance, in welche Richtung sich die berufliche Laufbahn des Sims weiterentwickelt. Selbst wenn ein Spieler also mehrmals mit dem gleichen Dialogfeld konfrontiert wird, garantiert Option 1 nicht immer den Erfolg.

Wer kennt ihn nicht – den plötzlichen Nervenzusammenbruch

Es gibt viele weitere unvorhergesehene Dinge, die einem im Spiel begegnen können. Ehe man sich versieht, hat der übereifrige Sim die Küche in Brand gesetzt. Der Brand greift schnell auf weitere Räume des Hauses über und am Ende entschwindet der Hobbykoch widerwillig ins Jenseits. Hat man keine anderen spielbaren Sims in dem Haushalt in Reserve, muss man wohl oder übel von vorne beginnen. Auf das nächste Desaster…

Ein Spiel – viele Spielertypen

Durch den rasanten Fortschritt gerade in der multimedialen Welt der Spiele war es auch für die Macher von Die Sims wichtig, mit den Entwicklungen schrittzuhalten. Sie wollten nicht irgendwann dafür verschrien sein, die Entwickler eines Uralt-Spiels zu sein. Durch regelmäßige Neuauflagen des Kassenschlagers passten sie die Welt der Sims immer wieder an die äußeren Gegebenheiten an. Die Grafik des Ursprungsspiels ist heute wohl kaum mit der seiner Nachfolger vergleichbar. Damit können die Spielemacher immer wieder auch ein jüngeres Publikum für das Spiel begeistern.

Die Sims konnte vor allem deshalb so viele Menschen begeistern, weil es die Bedürfnisse eines weiten Spektrums an Spielern abdeckt. Da wäre der rachsüchtige Voodoospieler, der seine Aggressionen gegen Mitmenschen aus dem echten Leben auf dem Bildschirm auslebt. Flugs fehlt eine Poolleiter, wo sich der verhasste Mathelehrer gerade ins kühle Nass geworfen hat. Auch Frustrationen aus Ehekrisen finden auf diese Weise ein Ventil.

Pragmatisch oder perfektionistisch?

Nicht ganz so kreativ zeigt sich der lieblose Gameplayer, dem es um nichts anderes geht, als möglichst lange und intensiv den Spielspaß zu erleben. Die Wohnungen seiner Sims sind meist äußerst dürftig und funktional eingerichtet. Er kennt alle Cheats und schafft es in einer Nacht, eine Großfamilie zu gründen, die Karriereleiter zu erklimmen und den Nachkommen eine beträchtliche Summe zu hinterlassen.

Dem gegenüber steht der perfektionistische Spieler, der ein Auge für’s Detail hat. Viele Stunden verbringt er damit, seine Sims zu erstellen, ihnen ein luxuriöses Heim zu errichten und sich ihre Lebensgeschichten auszudenken. Wenn das Spiel so richtig losgeht, hat dieser Spielertypus allerdings meist schon die Lust verloren. Diese Art der Spieler sind ein Paradebeispiel dafür, dass die Lust auf das Spiel häufig in Wellen kommt.

Alles in einem

Der Illusionist unter den Sims-Spielern versucht seine Unzulänglichkeiten aus dem echten Leben mit dem Spiel zu vergessen. In der virtuellen Welt der Sims kann er ein gefeierter Star oder ein begehrter Männer- oder Frauenschwarm sein, während er in der Wirklichkeit nichts auf die Reihe bekommt.

Und dann wäre da noch der Themenspieler, der sich auf ein selbst gewähltes Szenario regelrecht eingeschossen hat. Seine Sims verfolgen meist das gleiche Lebensziel, sei es, möglichst luxuriös zu leben, einen Großteil seiner Mitsims in die Kiste zu kriegen, zum mächtigsten Magier oder zur mächtigsten Hexe aufzusteigen oder einfach nur ganz biedermännisch in den eigenen vier Wänden zu leben.

Letztendlich wohnen aber alle diese Spielertypen jedem inne, der das Spiel schon einmal gespielt hat – natürlich in unterschiedlicher Ausprägung. Das Spiel bietet eine solche Fülle an Möglichkeiten, dass der Langzeiterfolg des Spiels wenig verwundert. Mit Die Sims kam vor mehr als zwanzig Jahren ein Spiel auf den Markt, das seine Spieler genau da packt, wo sie sich am wenigsten wehren können: bei der Erfüllung unmöglicher Träume, beim Gefühl, etwas im Griff zu haben und bei der Zähmung des kleinen Voyeurs, der in uns allen steckt.

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