Vertrauensbildende Maßnahmen

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Es helfen keine Lippenbekenntnisse, keine Ultimaten und anscheinend auch keine Rücktritte und Parteiaustritte. Die Union wird das Gespenst der Korruption nicht los. Mit den Herren Nüßlein und Löbe haben CDU und CSU erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt, das vielen in ihren Parteien nicht zu trauen ist. Das strukturelle Problem in der Union lässt sich kaum noch wegreden. Wie die Parteien und die Fraktion mit diesem Problem umgeht, ist eine Sache. Eine andere ist, welchen enormen Schaden Skandale wie die Maskenaffäre tatsächlich verursachen.

Einen Schritt voraus

Eigentlich sollte dieser Beitrag mit den Verfehlungen der beiden Bundestagsabgeordneten Nüßlein und Löbel beginnen. Doch wie es im Leben nun einmal so ist, holen die Ereignisse selbst den fleißigsten Blogschreiber gerne einmal ein. Pünktlich zur Einführung des neuen Lobbyregisters gab nun auch der thüringische CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann sein Mandat auf. Neben einer Verwicklung in die Maskenaffäre seiner Fraktionskollegen war er wohl in Lobbytätigkeiten für Aserbaidschan verstrickt.

Die dubiosen Nebentätigkeiten von Unionspolitikern haben ein wenig was von Zeitschleife. Immerhin sind die drei jüngsten aufgedeckten Skandale nur das vorläufige Ende einer langen Kette von Ungereimtheiten, Schattenkonten und Korruption. Auffallend ist dabei jedoch, dass bei den meisten dieser Enthüllungen Politikerinnen und Politiker von CDU und CSU im Brennpunkt standen.

Nüßlein, Amthor, Schäuble

Die Liste an unrühmlichen Vorgängern von Hauptmann, Löbel und Nüßlein ist ellenlang. Die neuesten lobbyistischen Entgleisungen kamen zu einer Zeit, als die Entdeckung der fragwürdigen Nebentätigkeiten des Youngsters Philipp Amthor noch lange nicht verdaut waren. Aber auch davor hat sich die Union häufig nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Es ist noch gar nicht so lange her, da stand die Unbestechlichkeit unseres Staatsoberhaupts in Frage. Geschickt zog sich der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff durch seinen Rücktritt aus der Affäre. Das Strafverfahren gegen ihn ging ohne einen Schuldspruch zu Ende. Davor hatten die schwarzen Konten von Wolfgang Schäuble und Helmuth Kohl das Vertrauen in die Volkspartei erschüttert.

Falsche Doktoren und schwarze Kassen

Aber nicht nur an der Lobbyfront ereignet sich ein Skandal nach dem nächsten. Auch in anderen Bereichen erweisen sich viele Unionspolitiker immer wieder als wenig vertrauenswürdig. Die erschlichenen Doktortitel von Herrn zu Guttenberg und Frau Schavan eskalierten beide Male in einer Lügerei, dass sich die Balken bogen. Wenigstens dieses würdelose Trauerspiele haben sich die wenigen anderen falschen Doktoren aus anderen Parteien gespart.

Immer deutlicher wird, dass es sich bei diesen ganzen Affären nicht um Einzelfälle handelt. Viel eher drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei der Union um ein strukturelles Problem handelt. Ganz offensichtlich ist einem Großteil der Politikerinnen und Politiker aus dieser Partei ein grundlegendes Gespür für Moral und Ehre verlorengegangen. Anders lässt sich das Verhalten einiger Entlarvten nicht deuten. So ließ sich Ex-Kanzler Kohl als Ehrenvorsitzender feiern, obwohl er den Karren längst in den Dreck gefahren hatte. Annette Schavan trat nach dem Plagiatsskandal erneut im Wahlkampf an – und erdreistete sich sogar, den aberkannten Doktortitel auf dem Wahlzettel beizubehalten. Auch Georg Nüßlein macht keine Anstalten, sich aus dem Bundestag zu verabschieden. Zukünftig bezieht er als fraktionsloser Abgeordneter die üppigen Diäten.

Finanzieller Vorteil

Seit sechzehn Jahren trägt die Union Regierungsverantwortung für Deutschland. Gepaart mit der inhärenten Wirtschaftsnähe dieser Partei entsteht ein äußert unguter Mix. Die Skandale um Abgeordnete und Politiker sind dabei nur der extremste Auswuchs dieser fatalen Symbiose. Schaut man sich die Summen an Spenden von Unternehmen und Konzernen an, wird man schnell feststellen, dass CDU und CSU mit Abstand Spitzenreiter in dieser Kategorie sind.

Die wirtschaftsnahen Positionen der Union werden zusätzlicher Anreiz für die Wirtschaftsakteure gewesen sein, ihr Geld in diese beiden Parteien zu investieren. Durch diese großzügige finanzielle Ausstattung hatte der Parteienverbund im Wahlkampf natürlich stets einen deutlichen Vorteil gegenüber der politischen Konkurrenz. Oder glaubt ernsthaft noch jemand, es ist ein Zufall, dass die Union nach Rezo und den zahlreichen Skandalen noch immer die Hosen im Land anhat?

Gewöhnlich korrupt

Eine wichtige Rolle hat hierbei bestimmt auch der Gewöhnungseffekt gespielt. Die Bundesrepublik gibt es seit 72 Jahren. In 52 davon regierte die Union. Allein die derzeitige Regierungsperiode dauert seit sechzehn Jahren an. Natürlich möchten CDU und CSU ihre Macht nicht ohne weiteres aufgeben. Die Bereitschaft, sich durch Korruption an der Macht zu halten, wächst. Dass es ohne Bestechlichkeit bei der Union nicht geht, hat die lange Amtszeit von Helmut Kohl als Bundeskanzler gezeigt. Die Spendenaffäre wurde zwar erst 1999 aufgedeckt, die Konten bestanden aber wohl über die gesamte Amtszeit des eisernen Kanzlers hinweg.

Auch wenn sich viele Abgeordnete der Unionsparteien bestens in dieser korrupten Umgebung eingerichtet haben, dürfen sich echte Demokraten nicht an diesen Zustand gewöhnen. Die Verfehlungen in der CDU und CSU sind nicht nur eine Schande für unser Land, sie sind eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie. Denn die teilweise kriminellen Machenschaften einzelner Abgeordneter bringen das demokratische System weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus in Verruf. Solange es solche Skandale gibt, solange wird der Ruf des korrupten Halunken pauschal allen Politikern anhaften.

Aber nicht nur die politisch Aktiven geraten durch ein solches Verhalten in Misskredit. Auch rechtschaffende und fleißige Unternehmer sind von dieser Rufschädigung nicht ausgenommen. Es gibt bestimmt mehr als genug korrupte Geschäftsleute auf dieser Welt. Und der Kapitalismus darf nicht das Ende der Geschichte sein. Verstrickungen wie solche von Nüßlein und Löbel lassen aber an der Integrität ganzer Wirtschaftszweige Zweifel keimen.

Politik für’s Volk?

Als erklärter Gegner der Politik von CDU und CSU könnte man sich eigentlich darüber freuen, dass sich die Schwesternparteien gerade selbst demontieren. Als erklärter Demokrat kann man das aber nicht. Die teilweise illegalen Lobbytätigkeiten mancher Politiker zeigen deutlich, wessen Interessen für die Union am meisten zählen. Völlig offensichtlich wird, für wen hier eigentlich Politik gemacht wird. Tipp: Das Volk ist es nicht.

Zurecht zweifeln viele daher an der angeblichen Volkssouveränität im Land. Das Bild des korrupten und verlogenen Politikers verfestigt sich soweit, dass selbst CDU-Chef Armin Laschet von einer „Raffke-Mentalität“ in seiner Partei spricht. Milde Strafen oder sogar Freisprüche wie im Falle von Ex-Bundespräsident Christian Wulff erschüttern zusätzlich den Glauben an die Justiz.

Viel Politik, wenig Anstand

Das hinterlässt Spuren. Bei der Bundestagswahl 2013 entschieden sich über 18 Millionen der Wahlberechtigten dazu, nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Wahlbeteiligung lag auf einem beschämenden Tiefstand von rund 72 Prozent. Vier Jahre später verzichteten erneut 55 Prozent der vorigen Nichtwähler auf ihr Stimmrecht. Die Enttäuschung über die politische Entwicklung saß wohl noch zu tief. Doch auch bei den Erstwählern blieb eine satte Million den Wahlen fern.

Solche Zahlen lassen sich nicht damit erklären, dass die Wahlprogramme der Parteien die Wahlberechtigten nicht ansprachen. Mit sechs Fraktionen ist die Meinungspluralität im Bundestag so groß wie selten zuvor. Im Grunde gibt es sechs unterschiedliche Stoßrichtungen, wohin es mit Deutschland gehen soll. Das Problem muss tieferliegen. Viele haben das Vertrauen in den politischen Apparat an sich verloren. Schuld daran sind Menschen wie Georg Nüßlein und Nikolas Löbel. Sie sind schuld daran, wenn weniger Menschen zur Wahl gehen. Sie sind schuld daran, dass sich die Anständigen aus der Politik zurückziehen.


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