Von Spatzen und Kanonen

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Vergangene Woche hat sich die Mehrheit im Deutschen Bundestag für eine Impfpflicht im Gesundheitswesen entschieden. Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte müssen sich bis spätestens Mitte März 2022 impfen lassen, um weiter ihren Beruf auszuüben. Die Teilimpflicht wird als weiterer Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie verkauft, hält aber nicht, was sie verspricht. Sie ist kaum dazu geeignet, das Infektionsgeschehen nachhaltig einzudämmen und heizt die Lage in den Krankenhäusern eher an. Die neue Regierung hat allerdings schon eine genaue Vorstellung, wie sie damit umgehen möchte…

Falsche Hoffnungen

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, allen voran die Pflegekräfte, sind seit Beginn der Coronakrise vor knapp zwei Jahren die Heldinnen und Helden der Pandemie. Bereits im Frühjahr 2020 erhielten sie stehende Ovationen von den Abgeordneten des Bundestags, viele Bürgerinnen und Bürger schlossen sich dem Jubel vom heimischen Fenster aus an. Den unfassbaren Druck, unter dem die Pflegekräfte stehen, können aber nur die wenigsten nachempfinden. Ein Job im Krankenhaus oder Pflegeheim geht immer mit einer enormen Verantwortung einher. In medizinischen Krisenzeiten wiegt die Last der Verantwortung besonders schwer.

Seit Zulassung der Impfstoffe erhöhte sich der Druck auf Pflegerinnen und Pfleger zusätzlich. Die meisten von ihnen dürften erleichtert aufgeatmet haben, als die ersten Präparate verfügbar waren. Sie hofften auf eine spürbare Entlastung der Krankenhäuser und auf den Intensivstationen, wenn erst einmal die Herdenimmunität erreicht ist. Außerdem versprachen die Impfstoffe zunächst auch eine erhöhte Sicherheit im Umgang mit vulnerablen Gruppen, mit denen die Beschäftigten im Gesundheitswesen regelmäßig zu tun haben.

Der Wind dreht sich

Die Kehrseite der Impfkampagne bekamen die Angestellten in medizinischen Einrichtungen besonders früh und besonders heftig zu spüren. Die Impfstoffe waren erst wenige Wochen zugelassen, als die ersten Pflegekräfte zu einer Impfung regelrecht genötigt wurden. Keiner sprach es explizit aus, aber viele Pflegerinnen und Pfleger spürten, dass eine Impfung und der Erhalt ihres Arbeitsplatzes untrennbar zusammengehörten. Ungeimpftes Pflegepersonal sah sich moralischen Vorurteilen ausgesetzt. Man diffamierte sie als unverantwortliche Pandemietreiber, es sei ihre Pflicht sich angesichts ihres Berufs unter allen Umständen impfen zu lassen. Die Heldinnen und Helden von gestern waren plötzlich die Buhleute von heute.

Kontakt zu besonders vulnerablen Gruppen hatten diese Menschen schon vor Zulassung der ersten Impfstoffe. Um einer drohenden Überlastung und einem Kollaps des Gesundheitswesens entgegenzuwirken, arbeiteten viele Ärztinnen, Ärzte und auch das Pflegepersonal im vergangenen Jahr mitunter ohne ausreichende Schutzausrüstung. Sie infizierten sich zuhauf; der damalige Gesundheitsminister befürwortete ein Weiterarbeiten trotz Coronainfektion. Besonders im Jahr 2020 spielten sich in vielen Krankenhäusern unmenschliche Szenen ab.

Spatzen und Kanonen

In diesem Jahr ist vieles anders. Man signalisierte den Beschäftigten durch diese indirekte Impfpflicht, dass ihre Arbeitskraft doch nicht so dringend nötig sei. Während sie in der ersten Hochphase der Pandemie darunter litten, dass die Politik die Beschaffung von ausreichend Schutzausrüstung verschlafen hatte, müssen sie es sich jetzt gefallen lassen, dass die Schuld an der Ausbreitung des Virus fast ausschließlich ihnen zugeschoben wird.

Trotzdem hat der Bundestag jüngst eine Impfpflicht für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen beschlossen. Diese obligatorische Impfung war für viele Politikerinnen und Politiker der logische nächste Schritt im Kampf gegen die Pandemie. Die Teilimpfpflicht pflastert einen weiteren Abschnitt auf dem Pfad, der garantiert nicht aus der Notlage herausführen wird. Einerseits dürfte die Impfbereitschaft bei medizinischem Personal grundsätzlich hoch liegen. Die Impfpflicht betrifft also nur eine kleine Minderheit direkt. Andererseits verpufft der vielgepriesene Effekt der Solidaritätsimpfung. Pflegekräfte, die sich impfen lassen, machen das häufig um sich selbst zu schützen. Häufiger als andere kommen sie mit Covid-Patienten in Kontakt. Diese Menschen können sie nicht mehr anstecken – sich selbst aber sehr wohl.

Eine bewusste Entscheidung

Die Impfstoffe sind seit einem Jahr verfügbar. Pflegepersonal gehörte zu den oberen Prioritätsgruppen und konnten sich früher als andere Menschen impfen lassen. Sie hatten also lange genug Zeit, über eine Impfung nachzudenken und sich dafür zu entscheiden. Ihre tägliche berufliche Erfahrung dürfte sie bei ihrer Entscheidung beeinflusst haben. Wer sich jetzt noch nicht hat impfen lassen, der hat sich ganz bewusst gegen eine Impfung entschieden. Eine Impfpflicht für ihren Beruf empfinden diese Menschen also völlig zurecht als Bevormundung.

Diese Gängelei kann fatale Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und auf den Kampf gegen die Pandemie haben. Es ist allgemein bekannt, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege lange vor Corona unerträglich waren. Schlechte Löhne, körperliche Erschöpfung und kaum Raum für Freizeit und Privatleben haben in den letzten Jahren viele Beschäftigte aus ihrem Beruf getrieben. Wer sich unter diesen miesen Umständen trotzdem für die Patientinnen und Patienten aufopfert, verdient Respekt und Dankbarkeit.

Der letzte Sargnagel

Für die bewusst Ungeimpften unter den Pflegekräften könnte die neue Impfpflicht der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Angesichts der mehr als prekären Arbeitsbedingungen werden viele unter ihnen zu dem Schluss kommen, dass sie ihren Beruf lieber endgültig an den Nagel hängen, anstatt ihre Impfentscheidung zu revidieren.

Die Folge daraus liegt auf der Hand: Schon heute sind viele Krankenhäuser am Limit. Planbare Eingriffe werden verschoben, vorhandene Intensivbetten werden nicht belegt, weil schlicht das Personal fehlt. Wenn infolge der Impfplicht weitere Pflegekräfte die Flucht ergreifen, dann wird das die Lage verschärfen und nicht entspannen.

Impfpflicht 2.0

Der Regierung reicht das offenbar noch nicht. Schon bevor die Abgeordneten über die Teilimpflicht im Gesundheitswesen diskutiert haben, kündigte Kanzler Scholz eine Entscheidung zur allgemeinen Impflicht an. Die wenigsten dürften sich darüber wundern, dass auf die Teilimpfpflicht die Gesamtimpflicht folgt.

Erstens ist ein Teil immer die Vorstufe des Ganzen. Zweitens wird sich der Druck auf die Ungeimpften durch den Wegfall wertvoller Pflegekräfte weiter erhöhen. Zwangsläufig wird Gesundheitspersonal infolge der Impfpflicht ausscheiden. Künftig werden noch weniger Menschen den Laden am Laufen halten müssen. Weitere Eingriffe werden verschoben. Viele Menschen werden sterben. Die Impfappelle werden noch eindringlicher. Der moralische Druck auf Ungeimpfte steigt.

Aufgrund der Teilimpfpflicht wird es noch leichter sein, eine allgemeine Impfpflicht zu erwägen. Schon heute rechtfertigen viele eine solche Maßnahme mit der Lage in den Krankenhäusern. Dieses Argument wird bei zugespitzter Lage einiges an Schlagkraft gewinnen. Steigende Infektionszahlen sind zweifellos ein Grund für die Überlastung der Krankenhäuser. Es ist allerdings allein auf die Regierungspolitik der vergangenen Jahre zurückzuführen, dass das Gesundheitssystem die Pandemie so schlecht auffängt. Eine Impfpflicht lenkt von diesen gravierenden Problemen ab, weil sie den Fokus ausschließlich auf Menschen lenkt, die mit der grundsätzlichen Situation nichts zu tun haben. Sie vertauscht Ursache und Wirkung und stellt der Regierung einen Freibrief aus, ihr katastrophales Gesundheitsmanagement fortzuführen.


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Im Rechtsstaat nicht möglich

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Der Ton wird rauer

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Politik funktioniert fast immer über Emotionen. Gute Politiker sprechen unsere innersten Bedürfnisse an, weil sie wissen, was wir uns wünschen. Sie nehmen unsere Wünsche ernst und zeigen Wege auf, wie diese in Erfüllung gehen können. Schlechte Politiker hingegen nutzen unsere Ängste aus, um Erfolg zu haben. In der Coronapandemie spielte Angst oft eine große Rolle. An manchen Stellen konnte man sich nicht sicher sein, ob die Politik diese Angst überwinden wollte oder mit ihr spielte. Spätestens seit der Diskussion um 2G ist aber klar: Angst und teils offene Drohungen sind inzwischen ein gängiges Mittel in der Politik.

Der beste Nährboden für Angst ist Unwissenheit. Etwas nicht zu wissen oder zu kennen, erzeugt nicht automatisch Angst. Und doch ist Angst oft auf Unkenntnis und fehlende Informationen zurückzuführen. Kleine Kinder fürchten sich im Dunkeln, weil sie nicht sehen können, was um sie herum geschieht. Durch kleine Lichtquellen wirkt im Kinderzimmer eigentlich Vertrautes plötzlich völlig beängstigend. Diese Urangst vor dem Unbekannten wohnt allen Menschen inne und soll uns vor zu großen Risiken bewahren.

Viele offene Fragen

Anfang 2020 wurde die Menschheit mit einem völlig neuartigen Virus konfrontiert. Sehr wenig war über die neue Krankheit bekannt. Die Übertragungswege waren zunächst ein komplettes Mysterium, ebenso wie die Frage, wie gefährlich das Virus ist. Die meisten Menschen hatten Angst und diese Angst führte dazu, dass sie vorsichtig waren. Auch der Staat musste auf die unübersichtliche Notlage reagieren. Geschäfte blieben wochenlang geschlossen, das öffentliche Leben schlief fast ganz ein. Im Frühjahr 2020 erlebten wir eine Welle der Solidarität, als die Menschen wieder stärker aufeinander Acht gaben, weil sie das Virus nicht einschätzen konnten.

Inzwischen sind anderthalb Jahre vergangen. Viele haben sich zwischenzeitlich an ein Leben mit dem Virus fast gewöhnt. Es ist für sie normal geworden, auf öffentlichen Plätzen und in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen. Auch können viele das Virus heute besser einschätzen. Kennen tun es aber weiterhin nur die wenigsten.

Durch himmelschreiende Schlampereien bei der Datenerfassung, durch zahlreiche Skandale und wegen völlig kaputtgesparter Gesundheitsämter sind auch fast zwei Jahre nach den ersten Infektionen viele Fragen zu Covid-19 ungeklärt. Es ist bis heute nicht abschließend geklärt, wo die Hotspots für Infektionen liegen und wer als Pandemietreiber in Frage kommt. Man rühmt sich seit neun Monaten dafür, einen Impfstoff entwickelt zu haben und kann doch nicht einmal sagen, wie wirksam die Präparate sind und wogegen genau sie wirken.

Ein Scheunentor für Verschwörungstheorien

Gerade weil der Kenntnisstand zur Pandemie so intransparent ist, sind viele Menschen weiterhin verängstigt. Eine seriöse Risikobewertung war ihnen nie möglich. Darum ließ die Mehrheit einen Lockdown nach dem anderen über sich ergehen, akzeptierte Ausgangssperren und ließ sich mit kurzfristig erprobten Impfstoffen gegen das Virus immunisieren. Die Angst war dabei stets ein Treiber im Kampf gegen die Pandemie.

Die Regierung verließ sich bisweilen auf eine äußerst fragile Datenlage. Anstatt die Gründe für diese Intransparenz kritisch zu hinterfragen, rechtfertigte sie die weitreichenden Einschränkungen mit einem äußerst fragwürdigen Kenntnisstand. Dieses Vorgehen lud regelrecht dazu ein, sich seine eigene Wahrheit zusammenzuschustern. Mancher ließ sich dabei von seiner Vernunft leiten, andere neigten zu Übervorsicht oder einem äußerst laxen Umgang mit den Sicherheitsvorkehrungen. Wieder andere huldigten wirren Hetzrednern und haben seitdem jeglichen Bezug zur Realität verloren.

Die neuesten Zahlen

Betrachtet man die Berichterstattung zur Pandemie, so kann einem recht schnell Angst und Bange werden. Mit immer verfeinerten Kennzahlen versucht man seit 2020, die Gefährlichkeit des Virus abzubilden. Der große Nachteil solcher Erhebungen ist allerdings, dass über das Zustandekommen der Ergebnisse oft wenig bekannt ist. Die Gesamtzahl der Neuinfektionen von 2020 wich alsbald dem Inzidenzwert, der die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen in Relation zu einer bestimmten Einwohnerzahl ausgibt. Immer lauter werden allerdings die Zweifel an diesem Wert. Wenn für Ungeimpfte eine generelle Testpflicht besteht, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Ungeimpfter positiv getestet wird. Nicht höher liegt dann allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass er stationär behandelt werden muss oder bereits mit dem Tode ringt. Die Gefährlichkeit der Krankheit lässt sich so nur unzureichend erfassen.

Monatelang verließ sich die Tagesschau fast ausschließlich auf die Zahl der Neuinfektionen. Die Nennung der neuesten Infektionszahlen war lange Zeit fester Bestandteil jeder Sendung. Das hatte einerseits einen informativen Charakter, machte den Menschen bei hoher Zahl aber Angst und verleitete zur Unvorsicht, wenn am Abend zuvor nur von 200 Neuinfektionen bundesweit die Rede war.

Die falschen Schlüsse

Auch die Bilder leergeräumter Supermarktregale verfehlten häufig ihren Zweck der reinen Informationsweitergabe. Stattdessen führten sie zu einer Welle der Nachahmer, die innerhalb weniger Tage auch hierzulande zum Notstand im Einzelhandel führten. Auch die Bilder von Leichensäcken und Behelfsfriedhöfen erinnerten eher an ein Kriegsszenario. Zwar befanden sich die Gesundheitssysteme mancher Länder jenseits des Kollaps, doch bewirken auch die seriösesten Beschwichtigungen wenig im Angesicht solcher Bilder. Der Verweis auf ein stabiles deutsches Gesundheitssystem säte eher Zweifel als Vertrauen.

Den meisten Menschen war sowieso klar, dass auch unser Gesundheitssystem an seine Belastungsgrenzen stieß. Plötzlich war von Ärztinnen und Ärzten und von Pflegekräften die Rede, die nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf stand. Begründet wurde all das mit einer höheren Belastung durch die Pandemie. Es ist unstrittig, dass Covid-19 zu einem Anstieg der stationären und intensivmedizinischen Behandlungen führte. Am Limit war das Gesundheitspersonal allerdings lange vor Corona. Statt in der Notlage die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, sah man tatenlos dabei zu, wie mitten in der Pandemie 20 Krankenhäuser geschlossen wurden und die Sana-Kliniken trotz Coronahilfen ausgerechnet beim Personal den Rotstift anlegten.

Der Druck steigt

Durch diese falsche Prioritätensetzung wich die Politik der Angst schon bald einer Politik des Drucks. Die Bilder von überfordertem Klinikpersonal nutze man geschickt dazu, um daraus die passenden Schlüsse zu ziehen. Solch katastrophalen Zustände ließen sich nur dann abwenden, wenn ein Großteil der Bevölkerung geimpft sei. Die Aussicht auf lukrative Vergünstigungen erhöhte die Impfbereitschaft weiter. Immer mehr Menschen jenseits der Risikogruppen nahmen das Impfangebot wahr. Der soziale Druck stieg.

Gleichzeitig hatten die Menschen das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Es war ihrer Impfbereitschaft zu verdanken, dass ein erneuter Lockdown in weite Ferne rückte. Indem man die Impfkampagne derart moralisch anreicherte, teilte man die Bevölkerung in gute und schlechte Menschen.

Im nächsten Schritt hob man die Testpflicht für Geimpfte auf. Dadurch stieg der Druck auf Ungeimpfte weiter. Immerhin mussten sie sich nun vor jeder öffentlichen Veranstaltung und vor jedem Besuch im Restaurant rechtfertigen, obwohl weiterhin nicht abschließend geklärt ist, in welchem Maße Ungeimpfte infektiöser sind als Geimpfte.

Der Ton wird rauer

Durch die Abschaffung der kostenlosen Tests brach sich endgültig eine Rhetorik der Drohgebärde Bahn. Entscheidend ist dabei nicht der Beschluss, dass Schnelltests in Zukunft kostenpflichtig sein sollen, sondern der Zeitraum zwischen Beschlussfassung und Inkrafttreten.

Immerhin liegen zwischen der Entscheidung und der Umsetzung zwei Monate und eine Bundestagswahl. Dieses großzügige Zeitfenster dienst nicht vorrangig dazu, den Ungeimpften entgegenzukommen, sondern erhöht den Druck auf diese Gruppe weiter. Unverhohlen droht man den Nicht-Geimpften an, sie durch die 2G-Regelung vollends vom öffentlichen Leben auszuschließen. Das Reden ist hier wichtiger als das Handeln. Solche Debatten sind nichts weiter als Drohgebärden. Die Drohung kann sich besonders gut entfalten, wenn zwischen Ankündigung und Einlösung genügend Zeit liegt.

Die Besserstellung von Geimpften ist seit Januar im Gespräch. Ihre Wirkung hat diese subtile Drohung nicht verfehlt. Die Impfquote schoss nach oben. Die Diskussion um 2G soll nun auch dem harten Kern der Impfrevoluzzer den Garaus machen. Warum Ungeimpfte plötzlich eine größere Bedrohung für die Allgemeinheit sein sollen, interessiert dabei nicht. Ebenso wenig, weswegen eine medizinisch angeblich so notwendige Maßnahme so viel Aufschub verdient. Den sanften Druck von gestern gibt es nicht mehr. Heute gibt die offene Drohung das Wort an.


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Verschoben ist aufgehoben

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Neulich noch tiefster Winter, heute schon frühsommerliche Temperaturen – die Folgen des Klimawandels werden immer offensichtlicher. Die gesteckten Ziele sind ambitioniert, viele Maßnahmen allerdings nicht ausreichend. Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich sicher, dass der Kampf gegen die globale Erderwärmung so nicht zu gewinnen ist. Mit einem völlig neuen Ansatz sorgen sie nun für mächtig Wirbel.

Wenn das Wetter Rekorde bricht

Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, alles grünt und blüht. Was nach rosigem Frühlingsszenario klingt, ist in den vergangenen Jahren regelmäßig im tiefsten Winter zu beobachten. Auch in diesem Jahr stellte sich der Frühling erschreckend früh ein. Nach einer ungewöhnlich frostigen ersten Februarhälfte stiegen die Temperaturen in wenigen Tagen so rasant, dass selbst die Corona-Infektionszahlen vor Neid erblassten. In Göttingen wurde binnen sieben Tagen sogar ein Temperaturanstieg von sage und schreibe 41,9 Grad Celsius verzeichnet – ein neuer Weltrekord.

Selbst die verbohrtesten Leugner des Klimawandels können vor solch drastischen Umschwüngen nicht länger die Augen verschließen. Die Erderwärmung hat uns seit Jahren fest im Griff. Ohne konsequente Strategie werden wir uns auch in Zukunft auf schwimmbädliche Temperaturen zu Jahresbeginn einstellen müssen.

Klimagerechte Kalender

Eine Gruppe internationaler Forscher hat sich nun mit einem überraschenden Gegenkonzept an die Öffentlichkeit gewagt. Das Team aus insgesamt 147 Forschern aus 45 Nationen plädiert für einen völlig neuartigen Weg aus der Klimakrise. Sie haben begriffen, dass die jetzige Politik die gesteckten Klimaziele nicht nur in vielen Bereichen krachend verfehlen wird, sondern dass sie in manchem Bereich vieles sogar noch schlimmer macht. Aus diesem Grund regen die Wissenschaftler an, sämtliche Bemühungen einzustellen und stattdessen den Kalender an die Witterungsverhältnisse anzupassen.

Konkret schwebt dem multinationalen Team eine Verschiebung um sechs bis acht Wochen vor. Immerhin seien die derzeitigen Temperaturen für den Monat April völlig unbedenklich. Feststehende Termine würden die Wissenschaftler ausgleichsweise um etwa zwei Monate nach vorn verschieben. Jahreswechsel wäre dann beispielsweise in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November. Durch die gleichzeitige Verschiebung des Kalenders würden diese Tage aber trotzdem wieder auf den 31. Dezember und den 1. Januar lauten.

Außerdem streben die Forscherinnen und Forscher eine Abschaffung der Schaltjahre an. Ein Ausgleichstag alle vier Jahre würde ihren jetzigen Plänen zuwiderlaufen. Entfiele dieser zusätzliche Tag, könnte zumindest ein Teil der Erderwärmung kalendarisch aufgefangen werden.

Schluss mit der Rekordhitze

Thermometer sollen künftig ebenfalls nur noch bis zu einer Temperatur von 36 Grad Celsius messen. Alles darüber soll durch handelsübliche Messgeräte nicht mehr erfassbar sein. Mit dieser Maßnahme möchte man der Erdbevölkerung ein Stück die Angst vor den schlimmen Auswirkungen der globalen Erderwärmung nehmen. Horrortemperaturen von 50 Grad und mehr wären hier kontraproduktiv.

Der Forscherzusammenschluss befürwortet darüber hinaus eine Abschaffung der lästigen Zeitumstellung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nennen hierfür keinen besonderen Grund. Gerüchteweise sind sie es wie alle anderen normalen Menschen schlichtweg leid, zweimal jährlich die Uhren umzustellen. Ob permanent auf Sommer- oder Winterzeit umgestellt werden soll, ließ das Team vorerst offen.

Leicht erhöhte Temperatur

Während viele Wissenschaftler weltweit diesen Vorstoß als absoluten Kokolores abtun wollen, ziehen die Ideen der Gruppe weite Kreise. Ihr Konzept ist schon lange nicht mehr auf die Klimaforschung begrenzt. Auch aus der Gesundheitsforschung werden vermehrt Stimmen laut, die dem Modell der Klimaforscher folgen wollen. So diskutiert eine Reihe an Wissenschaftlern zur Stunde über eine Neukalibrierung des Begriffs „gesund“. Gerade in der herrschenden pandemischen Situation habe dieser Begriff mehr Chaos gestiftet als Hoffnung verbreitet.

Die Forscher sind sich sicher: Wenn man die Gültigkeit des Begriffs „gesund“ ausweitete, würden weniger Menschen als krank gelten. In der Folge gäbe es weniger bestätigte Fälle des Coronavirus. Auch hier haben sich die Expertinnen und Experten Gedanken zur konkreten Umsetzung gemacht. Ginge es nach ihnen, würden Menschen mit einer Körpertemperatur bis zu 39 Grad als gesund gelten.

Entlastung für die Krankenhäuser

Den Wissenschaftlern ist klar, dass eine einzige Begriffsänderung nicht ausreichen würde, um Herr der Lage zu werden. Deswegen möchten sie künftig auch einer Überinterpretation bestimmter Krankheitssymptome vorbeugen. Husten an sich ist nach Angabe der Forscher nichts anderes als ein natürlicher Reinigungsvorgang der Atemwege. Nach Meinung der Forscher tauge ein herzhafter Husten also eher zum Schutz vor der Krankheit als zu deren Diagnostik. Ähnlich sehen sie es mit plötzlichen Schweißausbrüchen. Diese deuteten nicht immer auf eine Erkrankung hin, sondern könnten auch durch starke Emotionen erklärbar sein.

Die Forscherinnen und Forscher sind sich sicher, der Allgemeinheit mit dieser Methodik einen großen Dienst zu erweisen. Folgte man ihren Konzepten, gäbe es immerhin weniger behandlungspflichtige Fälle – sowohl bei Corona als auch bei anderen Krankheiten. Dies würde zu einer deutlichen Entlastung des Gesundheitswesens führen. Besonders Pflegekräfte bekämen diese Entspannung zu spüren. Die chronisch unterbesetzen Abteilungen in den Krankenhäusern müssten nicht mehr am Limit arbeiten, sondern könnten sich mehr Zeit für wirklich pflegebedürftige Patientinnen und Patienten nehmen.

Geschmacksverirrungen

Mehrheitsfähig sind solche Ideen noch nicht. Der Großteil der Wissenschaft hält sich mindestens vorsichtig zurück. Deutliche Kritik für die Pläne kommt aus der Sprachwissenschaft. Die Forscherinnen und Forscher dieses Gebiets befürchten eine regelrechte Welle an Begriffsdehnungen und Neukonnotationen. Sie wiesen darauf hin, dass bereits jetzt rechtsextreme Gruppen die Ideen aus der Klima- und Gesundheitsforschung für sich entdeckt haben.

So arbeitet die rechtsextremistische Gruppierung „Neue Deutsche Front“ bereits an einer Umdeutung des Begriffs „Massenunterkunft“. Den Neonazis schwebt eine Neudefinition des Worts vor, dass Unterkünfte beschreibt, in dem die Menschen mindestens vierlagig gestapelt sein müssen. Lager wie die auf Lesbos wollen sie künftig als „Begegnungsstätte“ verstanden wissen.

Doch nicht nur aufgrund solch extremistischer Auswüchse schlagen die Sprachforscher Alarm. Sie befürchten gar, dass das Konstrukt Sprache völlig außer Kontrolle geraten könnte. Fiona Kurz vom Deutschen Seminar der Universität Tübingen fasst die Sorgen ihrer Kolleginnen und Kollegen besonders anschaulich zusammen: „Wenn wir solchen Entwicklungen nicht rigoros Einhalt gebieten, dann kommt es zu sprachlichen Verirrungen, die wir uns nicht wünschen können. Ehe wir uns versehen, gilt Jocelyn Wildenstein als schöne Frau, die Musik von Hansi Hinterseer als gut und Sauerkraut als lecker.“

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